Protocol of the Session on July 28, 2004

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte: Herr Minister, ich verstehe ja, dass man oft in die Parteitaktik oder -strategie eingebunden ist, wobei ich mich bei diesem Hühnerhaufen, den Ihre Partei auf Bundesebene gerade darstellt,

(Abg. Wieser CDU: Haben Sie von den Grünen eine Strategie?)

frage, ob Sie überhaupt eine Strategie haben.

(Abg. Wieser CDU: Habt ihr eine Strategie? – Zu- ruf des Abg. Scheuermann CDU)

Aber jetzt geht es darum, dass wir auch auf Bundesebene einheitliche Standards für Betriebskontrollen und für Lebensmitteluntersuchungen bekommen. Frau Ministerin Künast hat den entsprechenden Entwurf vorgelegt.

(Abg. Schneider CDU: Das ist klar!)

Die B-Länder, sprich die CDU-regierten Länder, haben das im Bundesrat wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das heißt, die Schwachstellen, die Frau von Wedel damals festgestellt hat und die jetzt korrigiert werden sollen, sind mithilfe der B-Länder weiterhin da. Herr Minister, so sollte man auf Bundesebene nicht agieren. Damit schaffen Sie kein Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern das Gegenteil.

Jetzt lassen Sie mich in der ersten Runde noch ein Wort zu dem Thema „Rückgang von Kontrollen“ sagen. Ich billige Ihnen zu, dass die Einführung des Systems LÜVIS dazu geführt hat, dass die Zahl der Kontrollen zurückgegangen ist. Wenn andere Bundesländer das machen, wird es ihnen nicht anders ergehen. Trotzdem sind zwei Dinge seltsam.

Seit dem Frühjahr dieses Jahres ist Ihnen das Problem bekannt. Es wurde auch zu einer entsprechenden Runde eingeladen. Trotzdem können Sie immer noch nicht genau sagen, woher der Rückgang kommt. Sie wissen zwar, dass ein großer Teil auf die Einführung von LÜVIS zurückgeht, aber worin der andere begründet ist, konnten Sie auf der Pressekonferenz nicht erklären.

Das Zweite, was daran verdächtig ist: Wenn man schon dieses Problem in der Öffentlichkeit hat und wenige Tage später eine Pressekonferenz durchführt und dort von sich aus dieses Problem nicht anspricht, lässt das bei uns den Verdacht aufkommen, dass man hier irgendetwas unter den Teppich kehren möchte, das offensichtlich nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll. Ich bitte Sie deswegen hier und heute um eine genaue Aufklärung darüber, warum die Zahlen so massiv zurückgegangen sind.

(Beifall bei den Grünen – Minister Stächele: Ma- chen wir!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kiefl.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Jetzetle! Die Wahr- heit!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Walter, Kassandra passt natürlich nicht zu diesem Thema „Stand und Entwicklung der Lebensmittelkontrolle in Baden-Württemberg“.

(Abg. Scheuermann CDU: Nostradamus der Le- bensmittelkontrolle! – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Wenn man den letzten Bericht über das Jahr 2003 gelesen hat, dann weiß man, dass es darin zwei bis drei positive Botschaften an die Bürgerinnen und Bürger im Land Baden-Württemberg gibt. Ich möchte nur die eine, aus meiner Sicht die wichtigste, nennen: 25 % aller Proben wurden beanstandet, aber lediglich – für mich ist auch das noch zu viel – 0,2 % all dieser beanstandeten Proben mussten als möglicherweise gesundheitsgefährdend eingestuft werden.

Ich denke, das ist eine positive Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger und zeigt, dass unser Sicherheitsnetz funktioniert, dass die Fachleute bei der Überprüfung, bei den Kontrollen, in den Labors oder wo auch immer eine hervorragende Arbeit leisten und dass natürlich auch diejenigen, die diese Lebensmittel produzieren und verarbeiten, die Bauern, die Ernährungsindustrie, das Ernährungshandwerk, alles in allem einen guten Job machen. Ich denke, das ist die wichtigste Botschaft dieses Berichts über das Jahr 2003.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Jetzt zum Zweiten, was Sie angesprochen haben: Der Verbraucherschutz, lieber Herr Walter, meine Damen und Herren, basiert auch künftig, gleichgültig, ob das Ganze auf Landesebene oder auf Ebene der Stadt- und Landkreise stattfindet, auf genau den gleichen Qualitätsstandards und den Vorschriften und Richtlinien des Qualitätsmanagements, das übrigens auch mit der EU abgestimmt ist. Dafür steht die Verantwortung der Landesregierung, egal, ob der Verbraucherschutz von der Landesregierung selbst oder von den Stadt- und Landkreisen wahrgenommen wird. Ich warne entschieden davor, so zu tun, als wären die Fachleute auf Stadt- und Landkreisebene dümmer und könnten das nicht so durchführen, wie es auf Landesebene passiert. Noch einmal, weil das wichtig ist: Die Stadt- und Landkreise werden das in gleicher Weise, auf Basis der gleichen Qualitätsstandards machen, wie das auch bisher der Fall war. Die Hand, die das steuert, ist dann eben der Landrat; bisher war es das Ministerium. Die Verantwortung für den Verbraucherschutz bleibt aber nach wie vor bei der Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Dritte, was ich sagen will, lieber Herr Walter – –

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: „Lieber“!)

Ja, wir arbeiten sehr sachlich und sehr gut zusammen. Da haben wir keine Probleme. – Gott sei Dank können wir heute diskutieren, ohne dass wir einen Skandal am Hals haben; das tut schon einmal gut. Die Skandale in der Vergangenheit haben wir alle gelöst, wenn ich es richtig sehe, alle nach Vorgaben des Ministeriums – wie wir es künftig auch tun werden –, aber

(Abg. Schneider CDU: Vor Ort gelöst!)

ich will es gerade sagen, lieber Kollege Schneider – wir haben sie vor Ort gelöst, nicht in Stuttgart. Ich war – das werde ich nie vergessen – nachts bei der ersten Keulung dabei, weil es damals bei mir im Wahlkreis der erste BSEFall war.

(Abg. Schneider CDU: Bei mir!)

Bei dir der erste, bei mir der zweite Fall. In Ochsenhausen war der erste.

(Abg. Blenke CDU: Er ist da noch stolz drauf! Wollen jetzt alle die Ersten sein?)

Moment! Bei mir im Wahlkreis der erste Fall. Ich war damals dabei. Das war keine erfreuliche Veranstaltung. Ich will aber feststellen, dass das Zusammenspiel der Veterinärbehörden, der Polizeibehörden und des Landratsamts, das das Ganze ja steuern musste, hervorragend funktioniert hat, ohne dass auch nur ein Rest dieser Krise, dieses Skandals liegen geblieben wäre. Es wurde alles aufgearbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das wäre ja noch schöner: noch nicht einmal aufgearbeitet! Das ist doch seine Aufgabe, das ist doch klar!)

Frau Kollegin, dann sollte man doch nicht in Zweifel ziehen, dass die Landräte und die Mitarbeiter der Landratsämter das genauso gut machen wie die Mitarbeiter des Ministeriums.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das war doch vor der Re- form!)

Das ist genau das Spiel, das bei einigen Themen funktioniert, das aber bei der Lebensmittelsicherheit und dem Verbraucherschutz völlig unangebracht ist: mit der Angst und mit Zweifeln zu argumentieren: „Es könnte ja sein, dass jetzt alles aus dem Ruder läuft!“ So will man suggerieren. Dies ist das eigentlich Gefährliche an dieser Diskussion – nicht die Fakten, die auf dem Tisch liegen. Die sind alle okay. Aber das Verunsichern ist verwerflich.

Ein letzter Punkt.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Entschuldigung, dann weiter in der zweiten Runde.

Aber trotzdem spreche ich die Zahlen, Herr Walter, noch an. Wir können – ich glaube, darin sind wir uns einig – die Zahl der Proben nach LÜVIS nicht mehr mit den vorherigen Zahlen vergleichen, weil mehrere Proben in einem Betrieb zu einer einzigen zusammengefasst werden. Das ist ein statistisches Problem; darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten. Ich gehe davon aus, dass es so richtig ist und stimmt, wie es mir auch vom Ministerium bekannt gemacht wurde.

Vielen Dank. Auf den anderen Punkt werde ich in der zweiten Runde noch eingehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drautz FDP/DVP: Gibt es eine zweite Runde?)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Kipfer.

(Abg. Stickelberger SPD: Jetzt geht es los!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon einmal gesagt, dass die Lebensmittelkontrolle bisher einigermaßen gut funktioniert hat. Aber die Frage ist doch, ob sie in der Zukunft gut aufgestellt ist.

(Beifall bei der SPD – Abg. Stickelberger SPD: Eben, genau!)

Zunächst einmal müssen Sie, Herr Minister, Ordnung in das Chaos ihrer Zahlen bringen. Das wurde eben schon mehrfach angesprochen. Wenn man die Berichte der vergangenen drei Jahre vergleicht, ist das nämlich etwas merkwürdig. Laut dem Bericht von 2001 wurden 35 % der Betriebe kontrolliert. Nach dem Bericht von 2002 wurden von 147 000 Betrieben 61 600 kontrolliert, das sind 41 %. Das ist offenbar ganz gut. Im Bericht von 2003 gibt es plötzlich 45 % mehr Betriebe, nämlich 212 409. Es ist schon merkwürdig, dass es in einer Zeit wirtschaftlicher Schwierigkeiten plötzlich 45 % mehr Betriebe gibt. Davon wurden rund 50 000 überprüft; das waren etwa 23 %. Also hat die „Stuttgarter Zeitung“ sehr wohl richtig gerechnet: Sie müssen diese Zahlen erklären. Sie sagen, das neue Informationssystem LÜVIS sei schuld.

(Abg. Kiefl CDU: Schuld? Das ist ein System!)

Dabei gab es das 2001 noch gar nicht. Auch damals lag die Quote der Betriebsbesuche bei nur 35 %. Auch das kann also nicht stimmen. Sie sagen, die WKD-Beamten hätten mehrere Besuche in einem Betrieb auch mehrfach gezählt. Herr Kollege, hier sind nicht die Probennahmen, sondern die Besuche die eigentlich relevante Zahl.

(Abg. Kiefl CDU: Für mich die Proben!)

Sie sagen, sie hätten das nicht richtig gezählt. Aber in den Berichten wird sehr wohl zwischen Betriebsbesuchen und untersuchten Betrieben unterschieden. Laut dem Bericht aus dem Jahr 2002 gab es bei rund 62 000 Betrieben etwa 107 000 Kontrollbesuche. Das ist ein Chaos, das nicht erklärbar ist und das Sie hier klarstellen müssen.

Aber es lohnt sich, der Sache noch weiter nachzugehen, nämlich bei der Zahl der Proben. Es gibt eine interessante Studie von Greenpeace mit dem Titel „Pestizide außer Kontrolle“ vom September 2003. Darin wird ein Interview mit dem zuständigen Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen wiedergegeben, der sagt: „Wir haben per Verwaltungsvorschrift festgelegt, dass eine bestimmte Mindestzahl von insgesamt 5 700 Proben pro 100 000 Einwohner genommen werden muss.“ Wohlgemerkt: Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)