Protocol of the Session on July 1, 2004

Genauso sieht es übrigens auch der Kommentar zum Landesmediengesetz. Die Kommentatoren winden sich förmlich, um das Verdikt der Verfassungswidrigkeit einer Verhältniswahl zu umgehen. Zitat:

Die Verhältniswahl ist im Hinblick auf die Staatsferne verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch,

steht da diplomatisch –

da bei diesem Wahlmodus die Mehrheitsparteien regelmäßig auch über die Mehrheit im Vorstand und damit in dem die Rundfunkordnung wesentlich prägenden Hauptorgan der Landesanstalt entscheiden können.

Es folgt dann bezeichnenderweise der Verweis auf das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs zu § 46 Abs. 2 des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes. Dieses Urteil hält eine entsprechende Bestimmung zum Verhältniswahlmodus nach vergeblichen Wahlgängen mit dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für verfassungswidrig. Dazu muss ich auch zitieren, weil Sie, wie ich annehmen muss, das sonst nicht nachlesen:

Die zur Sicherung staatsfernen Rundfunks für das Wahlvorschlagsrecht entwickelten Anforderungen gelten erst recht für die Regelung der Abstimmungsmehrheit im Wahlverfahren. § 46 II Sächsisches Privatrundfunkgesetz genügt diesen Anforderungen nicht.

Das ist genau der Punkt, um den es auch bei uns geht.

Diese Regelung ermöglicht es der Regierungsmehrheit für den Fall, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit binnen einer bestimmten Frist nicht zustande kommt, bestimmenden Einfluss auf die Wahl von drei der vier vom Parlament zu wählenden Medienratsmitglieder und damit auf drei von fünf der Medienratsmitglieder zu gewinnen. Dadurch kann die Regierungsmehrheit

die für die einfache Mehrheit notwendigen Stimmen auf Kandidaten vereinigen, die ihrer politischen Richtung nahe stehen, und damit Einfluss auf die wiederum von der einfachen Mehrheit im Medienrat zu fällenden Entscheidungen in Programmangelegenheiten, etwa über die Zulassung von Bewerbern, ausüben.

Der VGH verkennt nicht, dass das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit im Parlament dazu führen kann, dass eine Einigung der maßgeblichen politischen Kräfte nur schwer herzustellen ist und dadurch der vom Gesetzgeber vorgesehene Zeitplan hinsichtlich der Einsetzung der neuen Gremien nicht eingehalten werden kann. Diese Gefahr rechtfertigt es aber nicht, die Anforderungen zum Schutz der Rundfunkfreiheit zu senken. Im Gegenteil ist es angesichts der Bedeutung des Medienrats für die Medienpolitik und damit für die Sicherung einer an Meinungsvielfalt orientierten Rundfunkordnung die Aufgabe des Parlaments, nach einem tragfähigen Kompromiss zu suchen. Diesem Ziel dient das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit, indem es bewirkt, dass zur Verhinderung einseitigen Einflusses bei der Wahl der Medienratsmitglieder unterschiedliche politische Kräfte zusammenwirken und sich an einer gemeinsamen Lösung des Problems konstruktiv beteiligen müssen.

Weil wir darauf bestehen, dass die Landesanstalt für Kommunikation in unserem Land staatsfern und im Übrigen auch kompetent geführt wird, wollen wir unserem Landesmediengesetz den Anschein der Verfassungswidrigkeit nehmen, indem wir die Möglichkeit, die Mitglieder des Vorstands in einem letzten Wahlgang nach d’Hondt zu wählen, streichen. Damit geben wir Ihnen, meine Damen und Herren von den die Regierung tragenden Fraktionen, die Chance, mit einer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf auf den Pfad des demokratischen Anstands zurückzukehren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU: Oje!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Reinhart.

(Abg. Kübler CDU: Jetzet, Herr Professor!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Kipfer, wir halten das bestehende Landesmediengesetz für verfassungsgemäß, auch mit demokratischen Regeln, und sehen auch nicht den Anschein einer Verfassungswidrigkeit.

(Abg. Drexler SPD: Das ist ja klar! – Abg. Stickel- berger SPD: So wie Sie es anwenden, schon!)

Ich will Ihnen dazu sagen: Sie berufen sich ständig auf den Sächsischen Verfassungsgerichtshof. Das ist richtig. Wir kennen dessen Urteil.

(Abg. Walter GRÜNE: Immerhin!)

Aber Sie dürfen natürlich nicht nur das Urteil zitieren, sondern müssen auch die Unterschiede nennen, die wir im baden-württembergischen Recht haben. Sie sagen mit keinem

Wort etwas dazu, welche erheblichen Unterschiede zwischen den Kompetenzen bestehen, die der Medienrat in Sachsen und die der Medienrat in Baden-Württemberg hat.

Es gibt zum Beispiel erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Kompetenzregelungen und darauf, wo der Medienrat in Baden-Württemberg zustimmen muss. Er ist nämlich unmittelbar in die Entscheidungsprozesse bei der Zuweisung von Übertragungskapazitäten eingebunden. Er ist an den Auswahlentscheidungen bei der Einräumung von Sendezeiten für unabhängige Dritte und beim Erlass von Richtlinien und Entscheidungen im Bereich des Jugendschutzes – auch durch ein zwingendes Zustimmungserfordernis – beteiligt. Darüber hinaus beschließt der Medienrat bei uns im Land den Haushaltsplan der LfK, und er soll Empfehlungen zur Medienpädagogik herausgeben und durch Unterrichtungs- und Vorschlagsrechte die Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk gewährleisten.

Warum sage ich das? All das haben Sie im sächsischen Recht eben nicht. Sie haben dort keinen gruppenplural zusammengesetzten Medienrat mit derart vielen Zustimmungskompetenzen. Deshalb ist es eben nicht richtig, von vornherein einfach den Folgeschluss zu ziehen,

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

weil in Sachsen ein Gesetz verfassungswidrig sei, sei das eventuell auch in Baden-Württemberg so.

(Abg. Drexler SPD: Staatsferne ist Staatsferne, hier wie in Sachsen! Ganz einfach! – Gegenruf des Abg. Kübler CDU)

Herr Kollege Drexler, der Gedanke der Staatsferne ist völlig unstrittig. Er wird auch von uns genauso akzeptiert, gewünscht und gewollt wie von Ihnen.

(Abg. Drexler SPD: Ja! Bei der Besetzung durch Regierungssprecher! Sehr schön!)

Jetzt komme ich zu § 36 des Landesmediengesetzes. Sie müssen uns erst einmal erklären, was Sie eigentlich wollen. Sie wollen inhaltlich die Streichung der Verhältniswahl nach § 36 Abs. 1 Satz 3. Formal aber wollen Sie anscheinend die Streichung von Satz 2. Erklären Sie uns einmal, was Sie wirklich wollen. Aber das ist nur die handwerkliche Frage.

In der Sache haben Sie, Frau Kollegin, völlig richtig ausgeführt: Wir wollen den Kompromiss. Wir wollen konstruktive Lösungen

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das haben wir bisher noch nicht gemerkt! – Abg. Walter GRÜNE: Kon- struktive Lösungen?)

ja, ja; lassen Sie es jetzt einmal –, und wir wollen auch ganz normal nach § 36 des Landesmediengesetzes mit einer Zweidrittelzustimmung gemeinsame Ergebnisse. Das ist der Wille. Das wollen wir auch.

(Lachen des Abg. Drexler SPD)

Moment. Herr Kollege Drexler, hören Sie jetzt einmal zu. – Wir haben dann das Verfahren nach d’Hondt auch im Verhältniswahlrecht. Das heißt, gerade die Minderheits

rechte der Opposition werden gewährleistet. Sie sind nämlich im Vorstand beteiligt. Das wissen Sie. Allerdings ist es nicht so, dass der Vorstand hier allein entscheidet. Der Vorstand könnte nach verfassungsrechtlichen Prüfungen sogar von der Regierung selbst ernannt werden; denn Sie haben einen Medienrat, und Sie müssen das im Lichte der Kompetenzen sehen.

Drittens will ich Ihnen sagen: Schauen Sie einmal in Artikel 2 der Landesverfassung. Sie werden dort feststellen, dass auch die Rundfunkfreiheit nicht grenzenlos oder ohne Einschränkungen ist, sondern unter dem Vorbehalt des Gesetzes steht. Ich kann hier nur an Kopftuchdiskussionen und anderes erinnern. Es ist ja nicht so, dass dies ein schrankenloses Grundrecht darstellen würde.

Warum brauchen wir eine Regel, die zum Schluss auch eine Lösung bringt? Wir brauchen deshalb eine Regel, weil natürlich ansonsten die Gefahr besteht, dass wir uns mit dem Zweidrittelerfordernis immer blockieren – monatelang und noch länger. Was machen Sie denn, wenn Sie keinen Kompromiss finden? Was machen Sie denn, wenn Sie letztendlich keine konstruktive Lösung haben? Dann brauchen Sie einen Maßstab, eine Regel, die eine Lösung vorschreibt. Das heißt, wir brauchen auch Handlungsfähigkeit.

Deshalb ist ergänzend, wenn man sich das Landesmediengesetz einmal anschaut, zu berücksichtigen,

(Glocke des Präsidenten)

dass wir natürlich einen Gesamtzusammenhang haben aller Normen – –

Herr Kollege Reinhart, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Drexler?

Natürlich, Herr Fraktionsvorsitzender, von Ihnen gerne.

Herr Kollege Reinhart, erklären Sie mir doch einmal, wie es sich nach Ihrer Auffassung mit der Mitwirkung des Parlaments verhält. Einen Tag nach Ende der Ausschreibungsfrist teilen die CDU-Fraktion und die FDP/ DVP-Fraktion mit, sie hätten im Koalitionsausschuss bestimmt, dass Herr Steinle, der Regierungssprecher, neuer Präsident der LfK werden solle. Sie lehnen es ab, im Ausschuss überhaupt alle Bewerber anzuhören. Es gab überhaupt keine Gespräche darüber. Wie soll denn da ein Kompromiss zustande kommen, wenn Sie sich so verhalten? Warum haben wir denn eine gemeinsame Ausschreibung beschlossen, wenn Sie im Grunde genommen so handeln wie in diesem Fall?

Herr Kollege, die Gespräche – was die Kompromisse, das konstruktive Zusammenarbeiten, Ihre Gespräche, auch Ihre Vorschläge der Personen und der Stellvertreter angeht – habe ich selbst nicht geführt.

(Abg. Drexler SPD: Die sind überhaupt nicht ge- führt worden! – Abg. Stickelberger SPD: Die hat keiner geführt!)

Deshalb steht es mir nicht zu, das, was nun die Kontakte auf diesen Vorgesprächsebenen angeht, zu bewerten.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Ja, ja, das werden wir schon einmal sehen. Aber wir reden heute über eine Gesetzesänderung.

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

Sie sprechen über die Frage der Subsumtion im Alltag. Das ist eine andere Frage. Die kann ich heute

(Zurufe von der SPD)