Über alles andere, was Kollege Rückert hier sehr zu Recht gesagt hat, was den Aufgabenabbau betrifft, müssen wir noch reden. Es ist ein Gesamtpaket. Diese neue Finanzierungsform allein – auch dies ist gesagt worden – ist nicht die Wunderwaffe, aber ein Mittel zur Lösung des Problems.
Mit Ihrer freundlichen Genehmigung, Herr Präsident, möchte ich aus dem „Schwäbischen Tagblatt“ vom 8. November 2005 zitieren:
Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin benötigen die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2009 satte 700 Milliarden € für Reparaturarbeiten an ihren Gebäuden.
Meine Damen und Herren Kollegen, lassen Sie mich noch wenige Worte aus der Sicht des Landes sagen und dann noch einen Blick auf die Kommunen, die Städte und Gemeinden, werfen. Das Land hat mit den heutigen Formen öffentlich-privater Partnerschaften, also mit PPP der zweiten Generation, eigentlich wenig Erfahrungen.
Projekte der ersten Generation – Kollege Rückert hat das zu Recht gesagt –, nämlich Bauleistungen, Baumanagementleistungen und Finanzierung aus einer Hand, gibt es wohl. Das Land hat nach Fertigstellung meist 20 Jahre lang zurückzuzahlen. Da gibt es vor allem drei große Neubauprojekte: die medizinische Klinik der Uni Heidelberg, den Neubau der Strahlenklinik der Uni Freiburg und den Neubau des geisteswissenschaftlichen Instituts der Uni Tübingen. Da haben wir natürlich jedes Mal gefragt, was die wirtschaftlichste Lösung ist, und haben natürlich alternativ auch
den Eigenbau aus Haushaltsmitteln ausgeschrieben. Der Vergleich der Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigt, das die Investorenlösung etwa in der Hälfte der Fälle günstiger ist, aber der Barwertvorteil – und um den geht es ja – im marginalen Bereich liegt, nämlich bei 0 bis 5 %.
Jetzt kommen wir zur zweiten Generation. Da kommt als ein sehr wichtiges Kriterium hinzu, dass der Betrieb in den Vertrag mit eingeschlossen wird. Das bezieht sich auf die Erbringung des Betriebs meist über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Da haben wir im Land bislang keine fertig gestellten Projekte. Wie im Übrigen auch andere Länder stehen wir da erst am Anfang. In Baden-Württemberg gibt es bereits erste Maßnahmen, die, glaube ich, schon genannt wurden, nämlich das Behördenzentrum der Kurfürstenanlage in Heidelberg und den Neubau der Berufsakademie in Heidenheim. Da sind die Ausschreibungen in Vorbereitung.
Ich will an dieser Stelle, weil es das Land betrifft, ergänzend noch einen Satz zum ÖPNV nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sagen. Dort ist es ja bisher schon möglich, dass private Unternehmen Zuwendungen bekommen können für den Bau oder den Ausbau von Verkehrswegen und auch für Straßenbahnen, Omnibusbahnhöfe usw. Da gibt es schon jetzt keine Hemmnisse für PPP. Das Kabinett hat allerdings ausdrücklich beschlossen, dass andere Förderprogramme in diese Betrachtungsweise ebenso mit einbezogen werden sollen, und hat deswegen die Ministerien gebeten, eventuell entgegenstehende Richtlinien entsprechend zu ändern.
Jetzt komme ich zu den Städten und Gemeinden, meine Damen und Herren. In den letzten zehn Jahren hat sich auch bei uns in Baden-Württemberg ein enormer Investitionsstau gebildet.
Der Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg, Herr Professor Dr. Steger, hat gesagt – ich darf zitieren –: „Das Niveau kommunaler Investitionen in BadenWürttemberg liegt heute rund 1,6 Milliarden € unter dem des Jahres 1993.“ Daran wird natürlich deutlich: Die Städte und Gemeinden haben großen Nachholbedarf bei kommunalen Investitionsmaßnahmen.
Jetzt zur Frage, inwieweit PPP da helfen kann. Es gibt im kommunalen Bereich bundesweit eine Reihe von Maßnahmen über PPP, vor allem Schulbausanierungen, Modernisierungen und Sanierungen von Verwaltungsgebäuden. In Baden-Württemberg – ich sage es noch einmal – haben wir mit Maßnahmen dieser zweiten Generation bislang keine Erfahrungen. Im kommunalen Bereich sind allerdings erste Maßnahmen auf dem Weg: in Friedrichshafen das Verwaltungsgebäude und in Leimen – ich betone dies – ein geplantes Freizeitbad.
Den Kommunen werden vor dem Hintergrund dieser Finanznöte selbstverständlich zunehmend alternative Finanzierungsformen angeboten. Diese können im Einzelfall –
ich sage dies als Zwischenfazit – durchaus vorteilhaft sein. Aber man muss auch sehen – der Kollege Wolfgang Rückert hat dies im Zentrum seiner Ausführungen zu Recht betont –, dass PPP-Maßnahmen in der Regel auf der Grundlage sehr langfristiger Verträge laufen, nämlich 15 bis 30 Jahre. Das hat eben nicht nur Vorteile;
das birgt auch Risiken durch langfristige Haushaltsbelastungen. Für PPP ist ja der so genannte Lebenszyklusansatz charakteristisch, das heißt, alle Kosten des laufenden Betriebs, teilweise sogar bis zur Verwertung einer öffentlichen Einrichtung, sind während der gesamten Nutzungsdauer zu erfassen. Bei 30-jährigen Vertragslaufzeiten sind natürlich nicht alle Risiken von vornherein zu erkennen und schon gar nicht von vornherein zu bewerten. Dies muss man sehen. Die finanziellen Folgen können recht erheblich sein. Da stehen die Langfristbewertung und die mittelfristige Finanzplanung der Kommunen über den Zeitraum von fünf Jahren in einem gewissen Spannungsverhältnis.
PPP-Vorhaben haben natürlich Auswirkungen auf langfristige Dispositionsmöglichkeiten der Gemeinden im Hinblick auf andere künftige Aufgaben, die die Gemeinden gleichfalls zu erfüllen haben oder im Freiwilligkeitsbereich erfüllen wollen.
Zusammenfassend, meine Damen und Herren: PPP-Maßnahmen können sinnvoll sein und werden von uns begrüßt, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die hier schon genannt wurden. Ich will sie nur mit zwei Sätzen noch einmal erwähnen:
Erstens: Das PPP-Vorhaben muss gegenüber der Eigenrealisierung eine namhafte Effizienzrendite aufweisen und muss insgesamt wirtschaftlicher sein. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis muss durch ein externes Gutachten erbracht werden.
Zweitens: Die Stadt oder die Gemeinde muss sich die PPPMaßnahme auch wirklich leisten können. Bei dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die stetige Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben insgesamt gesichert sein muss. Das meine ich, wenn ich sage, die Gemeinde muss sich eine PPP-Maßnahme leisten können.
PPP-Verträge sind in der Regel als kreditähnliche Rechtsgeschäfte einzustufen. Deswegen kann der Innenminister, kann die Rechtsaufsichtsbehörde nicht einen Persilschein ausstellen. Wir können nicht eine generelle Genehmigungsfähigkeit unterstellen, sondern wir müssen jeden Einzelfall sorgfältig beurteilen.
Für das Verhältnis der Kommunen gilt: Die finanziellen Bedingungen in den Kommunen sind sehr unterschiedlich. Deswegen kann PPP auch kein Finanzierungsinstrument zur Lösung kommunaler Haushaltsprobleme sein. Der Konflikt „öffentliche Aufgabenerfüllung und öffentliche Finanznot“ ist auf Dauer jedenfalls nicht über PPP zu lösen. Den müssen wir schon auf andere Weise angehen.
Also zusammenfassend, meine Damen und Herren: Die Landesregierung steht den PPP-Projekten aufgeschlossen
gegenüber. Das Innenministerium trägt diese Haltung voll mit. Öffentlich-private Partnerschaften können auch ein wichtiger Beitrag zu einer schlankeren Verwaltung sein. Das Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde – ich erwähne das, weil es hier auch angesprochen wurde, Frau Kollegin Sitzmann – ist gesetzlich verpflichtet, darauf zu achten, dass die Städte und Gemeinden ihre Haushaltswirtschaft so planen, dass die stetige Aufgabenerfüllung gesichert ist. Der Grundsatz lautet: PPP ja, wenn es wirtschaftlicher ist als Eigenrealisierung und die Kommunen sich dieses Finanzierungsinstrument leisten können. Was ich damit meine, habe ich vorhin gesagt.
Ich denke, wir müssen es jetzt nicht weiter miteinander diskutieren, da hier großer Konsens besteht. Wir werden diese Geschichte sehr sorgfältig betrachten. Ich bitte die Städte und Gemeinden, mit Augenmaß an die Sache heranzugehen und vor allem die Chancen und Risiken sehr sorgfältig und sehr nüchtern abzuwägen.
(Abg. Seimetz CDU: Noch nicht! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Noch! – Abg. Fleischer CDU: Das würden sicher viele bedauern!)
Herr Präsident, auch nach den Reden meiner Kollegen und insbesondere auch den Worten des Innenministers besteht in der Tat weitestgehender Konsens. Das freut uns, denn das kann eine Sache beflügeln und befördern. Euphorie ist nicht am Platz. Auch bei PPP muss alles bezahlt werden, und nichts wird geschenkt. Es gilt viel zu bedenken, aber, Herr Rückert, bedenken heißt nicht Bedenkenverwaltung.
Wir kennen den Antragsstau. Ich hätte noch eindrucksvolle Zahlen darüber, wie die Investitionen bei den Kommunen trotz höherer Kosten rückläufig sind. Aber eines ist auch klar: Wir können den Nachkommen nicht nur Schuldenberge überlassen; aber wenn eine Investition unterlassen wird, insbesondere bei Schulsanierungen oder Straßenbau oder was weiß ich, und diese nachher das Fünffache oder Sechsfache gegenüber dem kostet, was sie gekostet hätte, wenn man sie nicht unterlassen hätte, hinterlassen wir ihnen
manchmal mehr, als was wir ihnen bei einer Schuldenfinanzierung hinterlassen würden. Das muss man einfach sehen.
Nun einmal aus der Praxis heraus, wie ich das früher in der Kommune auch gesehen habe: Es geht nicht in erster Linie um eine finanztechnische Entlastung des Haushalts, aber jeder Praktiker weiß auch, dass es bei engen Haushalten eine größere Flexibilität gibt. Da ist es hilfreich, etwas bis zur Grenze des Vertretbaren an die Hand zu nehmen, und zwar in Eigenverantwortung von unten. Die Frage ist, wo diese Grenze erreicht ist. Diese Flexibilität ist auch bei kostenrechnenden Einrichtungen wichtig. Wenn ich Einnahmen habe und nicht zuerst für den Bau Millionen vorfinanzieren muss, sondern die erste Ratenzahlung mit den ersten Einnahmen verrechnen kann, ist das für einen Haushalt eine außerordentliche Entlastung. Das ist überhaupt keine Frage.
Im Übrigen weiß auch jeder, dass die Frage der Mindestzuführung eines Haushalts davon abhängt, wie hoch Schuldendienst und Tilgung sind. Da kann es sehr wohl einen Unterschied machen, ob ich jetzt plötzlich immense Schulden aufnehmen muss oder ob ich es noch über eine Nettokreditaufnahme leisten kann. Genau diese Feinheiten sind auszuloten. Mehr verlange ich auch nicht von den Aufsichtsbehörden. Aber das muss in Eigenverantwortung von unten nach oben – PPP wird nicht von oben verordnet – in einer gemeinsamen hilfreichen Aktion zwischen Kommunen und der Aufsichtsbehörde gemacht werden. Da bin ich schon der Meinung, dass wir da auch immer einmal ein wachsames Auge darauf richten dürfen, ob das wirklich auch so geschieht. Schließlich gibt es auch noch übergeordnete Stellen.
Im Übrigen ist es aber eine Kostenreduzierung. Die Gründe der Kostenreduzierungen sind alle genannt worden. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Da sind wir ja einer Meinung.
Es spielt eine Rolle. Wenn ich einen gesamten Lebenszyklus betrachte, dann betrachte ich alle Kosten. Das geschieht in Haushalten zum Teil nicht. In der Kameralistik – die haben wir noch in den meisten Haushalten – hat man gesplitterte Zuständigkeiten. Da hat man völlig andere Abschreibungsmöglichkeiten. Da hat man das Jährlichkeitsprinzip. Wenn Sie das einmal gegenüberstellen, sehen Sie einmal ganz praktisch, welche Spielräume sich da ergeben. Das hat mit Euphorie oder fehlender Kritikfähigkeit überhaupt nichts zu tun. Ich weiß, dass Sie das aus eigener kommunaler Erfahrung mit Sicherheit nicht viel anders sehen.
Wir wollen, dass die Dinge transparent sind. Da muss man übrigens noch einiges überlegen. Da gibt es die eine oder andere vergaberechtliche Schwierigkeit. Wie kann man in eine solche Vergabe den Mittelstand mit einbinden? Da kann man zum Beispiel durchaus Formulierungen finden, dass bei der Vergabeentscheidung die Einbindung eines Mittelständlers mit vereinbart sein muss, sodass nicht immer wieder aufs Neue eine Regelung gefunden werden muss. In Leimen und in Friedrichshafen sind ja auch Mittelständler zum Zuge gekommen. Dort wurde ja im Ver
gleich zur konservativen Finanzierung eine Kosteneinsparung von 20 % erzielt. Haushalte, die klamm sind, fangen mit einer Kosteneinsparung von 20 % schon etwas an. Wir können nicht auf der einen Seite sagen: „Wir wissen nicht mehr, wie wir etwas finanzieren können“, und dann über eine Kosteneinsparung von 20 % hinwegsehen. Das sagt hier ja auch niemand.