Protocol of the Session on November 10, 2005

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wenn sie Schulden auf- nimmt, hat sie die ja auch!)

Ich habe im eigenen Verantwortungsbereich folgende Erfahrungen machen können:

Bei der Bauverwaltung des Landes sind wir sehr schnell darauf gekommen, dass sich für diese Spanne der PPPMaßnahmen immer nur sehr wenige Maßnahmen – im Jahr etwa so viel, wie man an einer Hand abzählen kann – anbieten, um auch da künftige Haushalte nicht zu sehr vorzubelasten.

Der Bund hat im Jahr 2004 den Leasingkorridor bei der Hochschulbaufinanzierung wieder geschlossen, um weitere finanzielle Vorbelastungen künftiger Rahmenpläne zu vermeiden.

Ein ganz konkretes Beispiel, das ich erlebt habe, ist: Als Wahlkreisabgeordneter von Leonberg war ich natürlich beglückt, als man entschieden hat, dass der Engelbergbasistunnel privat finanziert wird. Damit konnte begonnen werden, und die Leonberger haben im wahrsten Sinne des Wortes „aufgeatmet“.

(Abg. Scheuermann CDU: Das dicke Ende kam hinterher!)

Aber Fakt ist eben auch: Wir haben jetzt in der Zwischenzeit den Engelbergbasistunnel, die Umfahrung Freiburg-Ost und den Ausbau der B 30 bei Ravensburg privat vorfinanziert. 60 Millionen € im Jahr werden jetzt von der Bundesquote, die wir jährlich bekommen, um Bundesstraßen zu bauen, vorweg abgezogen. Das ist ein schmerzlicher Sachverhalt, der den Verkehrsminister gar nicht beglückt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Weil man nicht auf uns gehört hat!)

Wenn ich das jetzt auf die Kommunen übertrage, dann beklage ich natürlich auch dort den dramatisch gesunkenen Investitionsspielraum.

Was für das Land gilt, muss auch für die Kommunen gelten, nämlich alternative Finanzierungsformen über die Aktivierung privaten Kapitals einsetzen zu können. Doch auch da gilt: Dieses Instrument taugt nicht zur Gesundung des Haushalts. Wir wissen alle sehr genau, dass die kommunalen Haushalte unter den explodierenden Sozialausgaben leiden

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist ja gar keine Fra- ge!)

und dass erst, wenn dort die Last weniger wird, auch die Kommunen wieder mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum in ihren Haushalten haben.

Im Blick auf PPP gehe ich davon aus, dass formale landespolitische Hemmnisse für kommunale Hoch- und Tiefbauten im Hinblick auf den KIF und im Hinblick auf Förderrichtlinien nicht bestehen bzw. abgebaut werden können. Aber auch hier gilt: Die langfristig gestaltende Gesamtverantwortung von Stadt und Kreis darf mit PPP nicht eingeschränkt werden.

Es macht aus meiner Sicht auch einen qualitativen Unterschied, ob ich Verwaltungsbauten, Straßen- und Brückenbauten über PPP finanziere, oder ob es Einrichtungen sind, die einer dynamischen Aufgabenveränderung unterliegen. Wenn ich mich da 20, 30 Jahre gebunden habe, habe ich es schwer, wieder darauf zu reagieren.

Für die finanzwirtschaftliche Seite gilt: Die nachhaltige Sicherung der kommunalen Haushalte und damit der kommunalen Selbstverwaltung hat oberste Priorität.

Ich bin mit den Vorrednern einig: Mit PPP ist keine Erweiterung des Kreditrahmens für kommunale Haushalte verbunden. Das bedeutet im Klartext: Nur für Kommunen, die sich diese jährliche Zahlungsverpflichtung, die sich aus einer PPP-Maßnahme ergibt, auch in den Folgejahren leisten und sie aus Haushaltsmitteln finanzieren können, ist PPP eine Alternative.

Hier gilt das lateinische Sprichwort „Respice finem“.

Mein Fazit: Veränderte Verhältnisse zwingen die öffentlichen Hände, Partner in der Privatwirtschaft zu suchen, um eigene Investitionen entweder überhaupt oder vielleicht schneller anpacken zu können. PPP ist ein Schritt in die

richtige Richtung, aber kein Allheilmittel. Wir sagen: Prüfet und gehet diesen Weg, aber bedenket das Ende. PPP ja, aber mit Augenmaß.

(Abg. Dr. Schüle CDU: Sehr gut! – Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Hofer hat gerade gesagt, der Ministerpräsident habe in seiner Regierungserklärung PublicPrivate-Partnership-Modelle zur Chefsache erklärt. Ende September hat das Kabinett dann auch endlich beschlossen, Hindernisse für diese öffentlich-privaten Partnerschaften im Land abzubauen. Das hätten wir schon früher haben können, mussten wir doch in der „Stuttgarter Zeitung“ Ende Juli lesen: „Minister bremsen ihren Chef“. Im Kabinett sollte nämlich schon einmal verhandelt werden, wie man Hemmnisse abbauen und Rahmenbedingungen verbessern kann. Doch damals hieß es – ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung“ –:

Vor allem die Minister Annette Schavan und Tanja Gönner machten nach Teilnehmerberichten Front gegen das neue Finanzierungsinstrument. Folge des Widerstands: Oettinger zog die Vorlage seines Hauses zurück.

Das hat zu Verzögerungen von zwei Monaten geführt. Aber nachdem Frau Schavan jetzt nach Berlin gegangen ist, war der Weg für PPP hier im Land frei.

Wir haben schon im vergangenen Oktober eine Anhörung zu PPP gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen – wie es auch manche Vorredner angesprochen haben –, dass das keine eierlegende Wollmilchsau und auch kein Allheilmittel gegen alle Haushaltsprobleme ist. Mit PPP bekommen die öffentlichen Auftraggeber auch nichts geschenkt. Aber es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, den öffentlichen Sanierungsstau abzubauen.

Sie wissen: Bundesweit wird der Investitionsstau innerhalb dieses Jahrzehnts bei Städten und Gemeinden auf 680 Milliarden € geschätzt – eine gewaltige Summe! Auch wenn wir an einzelne Bereiche im Land denken, wissen wir, dass zum Beispiel allein bei den Universitäten der Sanierungsstau 2,4 Milliarden € beträgt.

Insofern ist es natürlich außerordentlich wichtig, dass wir uns Instrumente überlegen, um öffentliches Vermögen zu erhalten. Es ist klar: Je länger dieser Verfall weitergeht, je länger Sanierungen hinausgezögert werden, umso teurer wird es letztendlich, diese Sanierungen vorzunehmen. Hier kann ein wirtschaftlicherer Umgang mit öffentlichem Vermögen erreicht werden. Man kommt von kurzfristigem Denken weg. Es ist ein Bestandteil der notwendigen Verwaltungsmodernisierung – Stichwort Kernaufgaben, die die einzelnen Ebenen zu erfüllen haben. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, bessere Leistungen zu tieferen Kosten mit dieser privatwirtschaftlichen Beteiligung zu erhalten.

Für uns Grüne ist ganz wichtig, dass PPP auch eine ökologische Dimension hat. Wenn wir energetische Sanierungen oder Wärmeschutzmaßnahmen durchführen, können wir den Energieverbrauch reduzieren und die Umweltbelastung

nachhaltig senken. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn es um das Thema „Zukunft belasten – Zukunft entlasten“ geht, wie es der Kollege gerade angesprochen hat.

Die Landesregierung hat zwei wesentliche Voraussetzungen für PPP formuliert: Wirtschaftlichkeit muss durch externe Beratungsunternehmen nachgewiesen sein, und Land und Kommunen müssen die langfristigen Zahlungsverpflichtungen erfüllen können. Das ist richtig.

Aus grüner Sicht möchten wir noch eine Bedingung hinzufügen, nämlich die Bedingung, dass Ehrlichkeit und Transparenz gegeben sein müssen. Aus den Beiträgen ist schon klar geworden, dass PPP eine hochkomplexe Materie ist. Es geht darum, dass Chancen und Risiken untersucht werden, dass sie klar benannt und dann eben auch abgewogen werden. Ehrlichkeit und Transparenz sind ganz wichtig.

Wir möchten darauf hinweisen, dass im Einzelfall Entscheidungen getroffen werden sollen, die diese Bedingungen erfüllen.

Jetzt gibt es unterschiedliche Beispiele für PPP der zweiten Generation. Da kann man positive Beispiele aufzählen, zum Beispiel die Sanierung des asbestverseuchten Behördenzentrums in Heidelberg. Das scheint eine richtige Maßnahme zu sein. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass wir Träumereien von einem neuen Regierungsviertel oder vielen neuen Straßen, die wir über PPP finanzieren, eine ganz klare Absage erteilen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Begrün- dung?)

Gestern haben wir ein nettes Faltblatt des Wirtschaftsministeriums auf den Tisch bekommen: „Public Private Partnership in Baden-Württemberg – Ein Leitfaden für Kommunen“. Ich habe mir das angeguckt. Herr Kollege Hofer hat eingangs auch gesagt: Der Knackpunkt bei kommunalen Projekten ist die Genehmigung durch die Kommunalaufsicht. Da lesen wir jetzt die wichtigen Sätze:

Ein PPP-Vertrag bedarf der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Bei den seitherigen PPP-Projekten wurde die Kommunalaufsicht frühzeitig eingebunden.

Das ist ein bisschen mager. Das hilft den Kommunen nicht wirklich weiter. Hier würden wir doch gerne noch etwas zum Thema Kommunalaufsicht hören. Freiburg ist auch schon angesprochen worden.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Wir machen aber keine Lex Freiburg, keine Sondergenehmi- gung für Freiburg!)

Nein, es geht nicht um eine Lex Freiburg, sondern es geht darum, wie die Kommunalaufsicht solche Fälle bewertet, ob sie tatsächlich den Einzelfall betrachtet – die Wirtschaftlichkeits- und die Haushaltssituation –, oder ob hier reflexhaft abgeblockt wird. Das können wir nicht akzeptieren. Für Land und Kommunen gilt der gleiche Maßstab. Hierzu bitte ich um eine Auskunft durch den Minister.

Danke.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Innenminister Rech, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann eigentlich mit fast allem, was hier gesagt wurde, einig gehen. Es wurde von Sorgfalt, von Offenheit und von Transparenz geredet. Die Sorgfalt beginnt übrigens bereits im Kabinett, Frau Kollegin Sitzmann: Solange noch irgendeine Frage offen ist und noch nicht konkret beantwortet ist, verabschieden wir keine Kabinettsvorlage.

(Abg. Schmid SPD: Das ist beruhigend!)

Die paar Tage Verzögerung werden sich angesichts der Größe dieser Aufgabe und der Risiken, die in PPP stecken, ja wohl verkraften lassen.

Auf der anderen Seite wurde hier auch zu Recht gesagt: Privat vor Staat. Auch damit bin ich einverstanden.

Aber mir schwebt noch ein anderer Grundsatz im Hinterkopf vor, und der heißt: Erwirtschaften vor Verteilen.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Sehr gut!)

Auch dazu müssen wir in Zukunft wieder kommen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Da sind wir ja mal ge- spannt!)

Über alles andere, was Kollege Rückert hier sehr zu Recht gesagt hat, was den Aufgabenabbau betrifft, müssen wir noch reden. Es ist ein Gesamtpaket. Diese neue Finanzierungsform allein – auch dies ist gesagt worden – ist nicht die Wunderwaffe, aber ein Mittel zur Lösung des Problems.