Protocol of the Session on October 4, 2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Rapp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann bei dieser Debatte sagen: „Thema verfehlt.“ Die Präsenz der antragstellenden Fraktion FDP/DVP ist katastrophal.

(Abg. Deuschle REP: Richtig!)

Wenn man sieht, dass sich die Frau Kollegin Fauser hier Mühe gibt und gerade mal eines von 14 Fraktionsmitgliedern bereit ist, ihr überhaupt zuzuhören, dann weiß man auch, welche Wertigkeit die FDP/DVP im Ganzen diesem Thema beimisst.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Deuschle REP: Jawohl!)

Wir haben vorhin von den Teilzeitarbeitskräften gesprochen. Herr Kollege Hildebrandt hat das ja gerade noch einmal wiederholt. Das darf man nicht ganz einseitig sehen. Ich bin natürlich auch dafür, dass es Teilzeitbeschäftigung gibt, weil viele, die arbeiten wollen, einfach nicht den ganzen Tag arbeiten können. Aber man muss der Fairness halber doch auch einmal dazusagen: Wenn Sie heute irgendwo im technischen Bereich eine Arbeitsstelle durch zwei teilen, dann müssen sie zwei Leute ausbilden. Das kostet Geld. Das ist nichts Billiges. Dazu kommen die 936-DMRegelungen oder 624-DM-Regelungen, je nachdem, was der Betrieb macht. Da können Sie auch nicht sagen: „Ich ziehe jetzt jedem etwas ab.“ Es ist halt einfach so, dass man es dabei lässt. Aber es kostet Geld. Es gibt in diesem Bereich auch nichts geschenkt.

Da gibt es auch noch viele andere Dinge, die Sie im Betrieb einfach bereithalten müssen. Sie müssen sie bereithalten, und sie kosten Geld. Das muss man berücksichtigen, wenn man über solche Dinge diskutiert. Denn genau das ist das, was wir nicht wollen: dass Arbeitsplätze verloren gehen, weil es vom Gesetzgeber her zu viele Regelungen gibt. Das ist nicht richtig. Das sollte man auch wissen.

Wir sind inzwischen in Baden-Württemberg und bundesweit in einem Zustand, egal wie Sie das sehen wollen, in dem jeder Zweimannbetrieb einen eigenen Hausjuristen braucht, damit er überhaupt noch vorschriftsgemäß arbeitet. Vor fünf Jahren war einmal die Berufsgenossenschaft bei mir im Betrieb. Ich hatte etwas schon zehn Jahre vorher falsch gemacht. Das wusste ich nicht. Bei mir hat eine Frau gearbeitet, und sie hat ein Paket mit Papier gehoben. Die

ses Paket hat 10,2 Kilogramm gewogen. Der Mann von der Berufsgenossenschaft hat das abwiegen lassen und gesagt, ich hätte mich strafbar gemacht, die Frau dürfe nur 10 Kilogramm heben. Sie war etwa 1,80 Meter groß und wog, schätze ich einmal, etwa 80 Kilogramm. Im selben Augenblick ist eine etwa 1,60 Meter große Postbeamtin gekommen und hat ein 18-Kilogramm-Paket hereingetragen. Dazu fragte ich: „Was macht denn diese Dame jetzt?“ Da sagte er: „Sie hat eine Sondergenehmigung.“ Da habe ich gefragt: „Geht ihr Rücken dann nicht kaputt?“ Daraufhin hat er gesagt, das gehe ihn nichts an.

Mit solchen Paragraphen ärgern wir uns heute teilweise noch herum, statt dass man einheitliche Regelungen bekommt, bei denen ein Arbeitnehmer vielleicht einmal selbst über die Zumutbarkeit seiner Arbeit bestimmen kann. Es muss nämlich nicht immer so sein, dass das von außen bestimmt wird.

Dann komme ich zu den schlechteren Abschreibungsbedingungen, die wir schon bekommen haben und die wir jetzt noch weiter bekommen sollen. Hat sich irgendjemand von Ihnen von der SPD und von den Grünen einmal damit beschäftigt, wie schnell heute zum Beispiel alles, was mit Computern zu tun hat, überholt ist? Wenn Sie da zwei Jahre später kommen und sagen: „Ich möchte das nachrüsten“, dann heißt es: „Was wollen Sie noch mit dem alten Modell? Das lohnt sich überhaupt nicht mehr.“ Aber abschreiben muss ich es auf alle Ewigkeit. Dabei sind das Dinge, die normalerweise sofort abgeschrieben werden müssten,

(Beifall bei den Republikanern)

weil sie schneller im Wert heruntergehen, als ich meine Bilanz schreiben kann. Das ist doch das eigentliche Thema bei dieser Sache. Ich kann meine Bilanz gar nicht so schnell beim Finanzamt abgeben, wie ich für das Ding einen Marktwert von 0 DM erziele. Dort muss einmal etwas passieren, damit auch wieder mehr investiert wird und die Leute wieder etwas kaufen. Wenn ich das dann aber fünf Jahre oder länger durch die Buchhaltung schleppen muss, dann ist das eine Gesetzgebung, die von vorn bis hinten überhaupt nicht zeitgemäß ist.

Was ich aber aus Sicht von uns Republikanern am Ende nicht vergessen will: Wir treten für die Interessen des Mittelstands ein. Aber eines wollen wir natürlich nicht vergessen: Das wichtigste Gut, das wir in Baden-Württemberg und das wir in Deutschland haben, sind motivierte und fleißige Arbeitnehmer. Für sie müssen wir mehr tun, und für sie haben Sie in den zwei Jahren Ihrer Regierung in Bonn überhaupt nichts getan. Das ist Ihr Defizit, und das wird sich bei der nächsten Landtagswahl auszahlen.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erhält Herr Abg. Schuhmacher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte nicht vor, noch etwas zu sagen. Aber alles oder das meiste, was ich gehört habe, hilft der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Württemberg überhaupt nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Unsere Wirtschaft und unsere mittelständischen Betriebe brauchen keine Geschenke, sondern bessere Rahmenbedingungen.

Unsere Frau Staatssekretärin Lichy hat Recht, wenn sie sagt, dass wir das Arbeitsinstrument der befristeten Beschäftigung beibehalten wollen, aber – jetzt sage ich dieses Aber noch einmal – nicht mit den Einschränkungen, die das Gesetz bringen soll, nämlich dass jeder eine Teilzeitbeschäftigung ausüben kann, wenn er es gerade möchte, und dass er auch die Länge der Teilzeitbeschäftigung selbst bestimmen kann. So etwas ist eine verfehlte Politik.

Der Gesetzesvorschlag bringt für uns nur Bürokratie und mehr Gängelung. Lassen Sie uns in der Wirtschaft arbeiten! Wir brauchen diese Gängelung nicht.

(Abg. Kiefl CDU: Jawohl!)

Herr Hausmann, Sie suchen oder fragen nach Gründen.

(Abg. Haas CDU: Er ist gar nicht mehr da!)

Wir in der Wirtschaft sind froh über jeden einzelnen qualifizierten Arbeitnehmer, der zu uns kommt. Wir brauchen hier keine Belehrungen.

Die EU schreibt keine Regelung für die Art der Teilzeitarbeit vor, wie dies behauptet wurde.

Ein Letztes – ich sage das gern zu Herrn Hildebrandt –: Ich wundere mich eigentlich immer, dass hier Leute uns Mittelständlern Rezepte geben, die selbst noch nie einen Arbeitsplatz oder eine Lehrstelle geschaffen haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes – Drucksache 12/5372

Das Präsidium hat als Redezeit für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung fünf Minuten je Fraktion festgelegt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass diese Redezeit nicht ausgeschöpft werden muss.

(Heiterkeit – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Haben Sie Hunger?)

Das Wort erhält Frau Staatssekretärin Lichy zur Begründung des Gesetzentwurfs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst zu den Zielsetzungen des Gesetzentwurfs. Mit dem Psychotherapeutengesetz des Bundes vom 16. Juni 1998 wurden die neuen Heilberufe Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut geregelt und ab dem 1. Januar 1999 in die ambulante medizinische Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden.

Um den Leistungsstand und die Leistungsfähigkeit der neuen Heilberufe zu erhalten, integriert der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung diese neuen Berufe in das Heilberufe-Kammergesetz des Landes. Es wird eine neue Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Haushaltshoheit errichtet. Sie nimmt in Selbstverwaltung unter anderem Aufgaben der Überwachung der Berufspflichten und der Berufsgerichtsbarkeit wahr und kann Regelungen über die Berufsausübung treffen. Mit der Gesetzesvorlage wird zum einen den Vorstellungen des Bundesgesetzgebers entsprochen. Zum anderen entlastet eine solche Landeskammer die staatliche Berufsaufsicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben mit den Beteiligten darüber gesprochen, ob eine Einbindung in die Landesärztekammer sinnvoll erschiene, nachdem ja auch im kassenärztlichen Bereich eine Integration stattgefunden hat. Ein solches Modell wurde jedoch von der breiten Mehrheit abgelehnt. Deshalb soll in Baden-Württemberg wie in den anderen Bundesländern auch eine eigenständige Kammer für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten errichtet werden.

Aus der Sicht der Landesregierung soll der Name der Kammer so ausführlich sein und nicht durch die Kurzbezeichnung Psychotherapeutenkammer ersetzt werden. Trotz der zugegebenermaßen etwas sperrigen Fassung räumen wir der rechtlich präzisen Formulierung den Vorzug gegenüber einer Verkürzung ein, die auch irreführend wäre. In der neuen Kammer sind nämlich die ärztlichen Psychotherapeuten nicht vertreten. Sie bleiben Mitglieder der Landesärztekammer.

Zur Erörterung der berufsübergreifenden Angelegenheiten sollen die Landesärztekammer und die Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einen gemeinsamen Beirat bilden. Er hat die Aufgabe, die Zusammenarbeit der Berufsgruppen zu fördern, bei Interessenkonflikten ausgleichend zu wirken und die Organe der Kammern bei der Aufgabenerfüllung zu unterstützen und zu beraten. Seine Aufgabenschwerpunkte liegen in den Bereichen der Berufsordnung und Qualitätssicherung, später auch in der Weiterbildung.

Im Bereich der Weiterbildung haben wir die Befugnis der neuen Kammer, über Satzungen eigenständige Regelungen zu treffen, zunächst zurückgestellt. Hintergrund ist, dass wir aus Gründen des Patientenschutzes auf ein bundesweit harmonisiertes Weiterbildungssystem setzen. Es ist davon auszugehen, dass sich im nächsten Jahr eine Bundeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten gründen wird. Sie wird sich – wie beispielsweise bei den Ärzten die Bundesärztekammer – dann übergeordneter Themen annehmen. Das heißt, dass es lediglich eine Frage der Zeit sein wird, bis sich die Selbstverwaltung auf ein vernünftiges System der zusätzlich führbaren Berufsbezeichnungen verständigt haben wird. Bis dahin sollten wir und vor allem auch die einschlägigen Berufsverbände noch etwas Geduld aufbringen.

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

Es gibt in Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, über 3 000 approbierte Psychologische Psychotherapeuten und knapp 1 000 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Um dann den berufsspezifischen Unterschieden gerecht zu werden, muss ein Minderheitenschutz sichergestellt sein. Die bisherigen Gespräche mit den Verbandsvertretern haben gezeigt, dass für diese Problematik ein großes Verständnis besteht. Wir haben daher auch im Gesetzentwurf von entsprechenden Regelungen abgesehen. Wir werden aber sowohl bei der vom Sozialministerium vorzunehmenden Besetzung des Errichtungsausschusses als auch bei der späteren Genehmigung von Satzungen besonders darauf achten, dass hier keine Benachteiligung stattfindet.

Sowohl die Landesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, als auch die betroffenen Verbände haben ein starkes Interesse an einem möglichst frühzeitigen Inkrafttreten des Gesetzes. Deshalb kommt natürlich auf den Errichtungsausschuss zunächst viel Arbeit zu. Er hat nämlich die Aufgabe, innerhalb von zwölf Monaten nach seiner Bestellung durch das Sozialministerium die erste Wahl zu organisieren und die erste Vertreterversammlung einzuberufen. Danach wird seine Aufgabe enden, und die neue Kammer muss sich ihrem umfangreichen Arbeitsprogramm widmen.

Unser Ziel ist es, dass sich Baden-Württemberg möglichst frühzeitig in die Diskussionen auf Bundesebene einbringen kann. Das wird umso besser gelingen, wenn es eine voll handlungsfähige Kammer gibt. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, um Unterstützung für diesen Gesetzentwurf und danke Ihnen auch für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Döpper.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die neuen Heilberufe Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sind im Psychotherapeutengesetz des Bundes ab dem 1. Januar 1999 in die ambulante medizinische Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden worden. Deshalb muss das Heilberufe-Kammergesetz geändert werden. Diese neuen Berufe werden durch den heute vorgelegten Gesetzentwurf in das Heilberufe-Kammergesetz des Landes integriert. Auf der Grundlage dieses Gesetzes wird eine eigenständige Landeskammer geschaffen. Für die anderen akademischen Heilberufe besteht diese berufsständische Selbstverwaltung bereits.

Im Heilberufe-Kammergesetz sind die Aufgaben, Rechte und Pflichten der neuen Landeskammer beschrieben. Die Bildung des gemeinsamen Beirats zur Erörterung berufsübergreifender Angelegenheiten ist zu begrüßen. Die Landesärztekammer und die neue Landeskammer sind in diesem gemeinsamen Beirat vertreten. Er soll die Zusammenarbeit der Berufsgruppen fördern und bei Interessenkonflikten ausgleichend wirken.

Ausbildung und Forschung besitzen im beruflichen Standesrecht eine herausragende Bedeutung. Deshalb ist es gut, dass ein Vertreter der Universitäten der neuen Berufskam

mer angehören wird. Die Regelungen über die Weiterbildung werden noch zurückgestellt. Hier fehlen bundesweit einheitliche Rahmenvorgaben. Dies wird, wie die Frau Staatssekretärin ausgeführt hat, die Aufgabe einer Bundeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sein. Wir sagen zu, dass wir uns nachdrücklich für diese Weiterbildung und ihre Regelung einsetzen. Die in den ausführlichen Gesprächen avisierten Zusagen werden von uns eingehalten werden.