Franz Schuhmacher
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern im Rahmen der Beratung des Berichts und der Empfehlungen der Mittelstandsenquetekommission und im Rahmen der Zweiten Beratung des Mittelstandsförderungsgesetzes über verschiedene Punkte geredet. Aber sie können nicht oft genug angesprochen werden. Ich bin dankbar, Herr Kollege Pfister, dass Sie dieses Thema heute noch einmal angeschnitten haben.
Herr Capezzuto, zu Ihren gestrigen Ausführungen muss ich in der Tat sagen:
Ich weiß nicht, von welchem Land Sie geredet haben oder in welchem Land Sie überhaupt leben.
Ich nenne Ihnen einmal ein paar Sätze. Aber ich habe mir wirklich gedacht – –
Hören Sie doch einmal mit diesem Blödsinn auf!
Als ich Sie gestern gehört habe, habe ich mir gedacht: Wenn er dies seinen Schülern erzählt, wenn die Selbstständigen so dargestellt werden, wie Sie dies getan haben, braucht man sich nicht zu wundern, dass niemand mehr selbstständig werden möchte.
An der Schule, wo Sie tätig waren.
Wir alle haben gestern über Entbürokratisierung und über Deregulierung in unserem Land geredet. Sie selbst haben sogar gesagt, dass auf unsere kleinen und mittelständischen Betriebe Belastungen von 7 000 DM pro Arbeitsplatz zukämen. Das ist richtig. Deswegen müssen wir in der Tat irgendetwas tun.
Bitte?
Jetzt lassen Sie mich einmal über das reden, was ich sagen möchte.
Derzeit wird im Wirtschaftsministerium ein Papier über wirtschaftsentlastende Standards erarbeitet. Ich halte dies
für ein ausgezeichnetes Papier; es enthält 58 Verbesserungsvorschläge. Jetzt frage ich mich: Woher kommt eigentlich die Bürokratie?
Ich sage Ihnen das jetzt als einer, der betroffen ist
und tagtäglich mit dieser Bürokratie umgehen muss, nicht als Theoretiker.
Ich erlebe es jeden Tag in der Praxis: Die Steuerreform ist in der Tat ein Problem, das uns im Bereich Rahmenbedingungen Sorgen gemacht hat. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats hat hierzu gesagt: Wenn ich die jetzige Steuerreform mit den Petersberger Beschlüssen der CDU vergleiche, frage ich mich, warum wir dazu drei Jahre Wartezeit brauchten.
Dies sind die Rahmenbedingungen.
Jetzt sage ich Ihnen aber, woher die Bürokratie kommt. Ich möchte dies anhand einiger Punkte, die ich mir heute Morgen aufgeschrieben habe, sagen.
Punkt 1: Betriebsverfassungsgesetz. Herr Pfister hat es bereits angeschnitten: Mitwirkung und Mitbestimmung sind grundsätzlich in Ordnung, und ich stehe dazu. Wenn wir aber die Gremien ausweiten und zusätzliche Besprechungstermine haben, dann ist das eine Belastung für unsere Betriebe und für unsere Industrie.
Wir haben die weitestgehenden Mitbestimmungsrechte in Europa, deshalb brauchen wir keine Erweiterungen. Dies ist eine zusätzliche Belastung für unsere Betriebe und bringt auch Kosten.
Außerdem ist dies kein Motivationsprogramm, um neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Voraussetzungen, um Arbeitsplätze zu schaffen, sind vielmehr: Wir müssen flexibel und schnell sein und sollten in der Tat keine langen Beratungen ansetzen.
Punkt 2: Erbschaftsteuer. Das Bundesfinanzministerium hat eine Kommission eingesetzt. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Ein Mehrfamilienhaus, für das der Ehegatte bisher 41 690 DM zahlen musste, soll zukünftig 131 550 DM erbringen, die Kinder sollen zukünftig 188 000 DM statt bisher 86 000 DM zahlen,
die Enkelkinder statt bisher 131 000 DM zukünftig 231 000 DM. Dies sind somit die Punkte, wo das Geld in der Tat wieder hereingeholt wird. Und von wem? Von denjenigen, die im Mittelstand tätig sind.
Punkt 3: 630-DM-Gesetz.
Es hat die Arbeit verteuert, die Bürokratie wächst, die Flexibilitätsreserve wird zerstört,
die Schwarzarbeit wird gefördert.
Punkt 4: Scheinselbstständigkeit. Selbst aus meinem eigenen Betrieb sind in der Zwischenzeit drei weitere Betriebe entstanden. Aber wie ist es möglich, einen neuen Betrieb aufzubauen? Man hat einen Auftraggeber, der einem die Arbeit gibt. Weil diese Möglichkeit erschwert wird, ist auch dies ein Verhinderungsgesetz.
Punkt 5: Abschreibungsfristen. Die Investitionen bleiben die Konjunkturstütze in unserem Lande. Wenn wir jetzt die Abschreibungsfristen verlängern und bei der degressiven Abschreibung die Abschreibung im ersten Jahr von 30 % auf 20 % kürzen, sage ich Ihnen anhand von zwei Beispielen, was das bedeutet. Ein Lastwagen in der Bauindustrie, der praktisch in drei Jahren kaputt ist und ersetzt werden muss, bekommt eine Abschreibungsfrist von neun Jahren. Wie soll er bei einer solchen Abschreibungsfrist durch einen neuen ersetzt werden können?
Oder ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meinem Betrieb: Eine Drehmaschine, die derzeit im Laufe von 10 Jahren abgeschrieben wird, soll in der Zukunft in 15,5 Jahren abgeschrieben werden. Da sind in der Zwischenzeit drei oder vier neue Technologiewellen darüber hinweggegangen, sodass dies wirklich praxisfremde Beschlüsse sind.
Der entscheidende Punkt für unsere Betriebe ist die Wettbewerbsfähigkeit, denn nur wettbewerbsfähige Arbeitsplätze sind sichere Arbeitsplätze. Wir brauchen Investitionen in Innovationen. Ich habe bereits Briefe von Maschinenbaufirmen erhalten, die sich bei mir beklagen, dass sie bereits Stornierungen für den Fall haben, dass die Abschreibungsfristen verlängert werden. Auch in den Betrieben ist dies natürlich ein Thema der Liquidität.
Wie sollen Rücklagen für zukünftige Investitionen gebildet werden?
Sechstens: die Teilzeitregelung. Darüber habe ich bereits einmal gesprochen.
Ich bin ja für befristete Arbeitsverhältnisse, weil sie ein hilfreiches Instrument sind.
Mir wird angezeigt, dass meine Sprechzeit zu Ende geht.
Ich werde in der zweiten Runde noch einige Punkte sagen. Ich möchte jetzt nur diesen Punkt noch zu Ende bringen.
Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass ein Student als Betriebsjobber bei einem Betrieb arbeitet und dort, wenn er mit seiner Ausbildung fertig ist, eine eigene Anstellung bekommt, dann darf man den aber nicht befristet anstellen. Man muss also auch speichern, und man muss wieder eine neue Bürokratie beginnen.
Das Allerschlimmste bei dieser Teilzeitregelung ist, dass jeder Arbeitnehmer nicht nur ein Recht darauf hat, wie viel er Teilzeit arbeiten möchte, sondern auch darauf, wann er diese Teilzeit leisten möchte. Wie soll in einem Betrieb, der „just in time“ liefert, hier noch eine eindeutige Betriebsplanung, eine Produktionsplanung gemacht werden können?
Damit möchte ich es im ersten Teil bewenden lassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Nagel, ich möchte noch ein paar Sätze sagen. Ich bin eigentlich sehr froh über das, was unser Minister gesagt hat. Das Verhältnis in den Betrieben ist ja viel besser, als Sie es immer darstellen.
Ja, doch. Wir reden mit den Betriebsräten. Aber wir wollen nicht, dass von außen in die Betriebe hineinregiert wird.
Wir wollen mit unseren Leuten bestimmen können, wie flexibel wir in unseren Betrieben sein können und wie flexibel wir auf den Wettbewerb in unserem Land reagieren können.
Frau Schlager, zur Teilzeitregelung haben Sie als Beispiel die Niederlande angesprochen. Wenn wir deren Teilzeitregelung hätten, könnten wir 390 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, aber nicht mit der Regelung, die uns hier vorgeschlagen wird. Deshalb darf diese Regelung nicht kommen.
Nein, das ist nicht die gleiche.
Es ist zwar richtig, dass viele ausländische Firmen zu uns kommen; eine ganze Reihe deutscher Firmen gehen aber auch ins Ausland.
Wenn in der Zwischenzeit selbst unsere besten Betriebe in die Schweiz gehen, von der wir gemeint haben, sie sei für
uns nicht interessant, dann muss uns dies mindestens zu denken geben.
Zum Thema Arbeitsmarkt zitiere ich den Vorsitzenden des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:
Die derzeitige Arbeitsmarktordnung ist zu starr, und wenn sich etwas bewegt, dann bewegt es sich rückwärts.
Genau das ist unsere derzeitige Situation.
Fazit: Unsere Wirtschaft braucht Vertrauen und Verlässlichkeit. Unsere Wirtschaft braucht nicht jeden Tag neue Fesseln und Erschwernisse, vor allen Dingen keine Ideologien. „Die Belastbarkeit der Wirtschaft erproben“ – das ist immer noch in Ihren Köpfen drin. Wir brauchen aber ein Bekenntnis zum freien Unternehmertum und zum Mittelstand.
Wir dürfen uns über die Leistungen in unserem Land freuen. Wir haben fleißige Arbeitnehmer, tüchtige Unternehmer und die kreativsten Erfinder. Daran ändert alle Schlechtrederei nichts.
Der Mittelstand in Baden-Württemberg hat eine gute Zukunft, und zwar nicht etwa, weil in Berlin eine gute Politik gemacht würde
nein, ich sage es Ihnen ganz genau –, sondern weil in den letzten 20 Jahren von der Landesregierung die Weichen richtig gestellt wurden. Wir wollen uns darum bemühen, dass das auch in Zukunft so weitergeht, und wir werden als Baden-Württemberger auch Spitze bleiben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse eingebracht, und ich finde, das ist gut so. Dies ist eine Chance für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Befristungsmöglichkeit ist ein erfolgreiches arbeitsmarktpolitisches Instrument, das von der letzten Bundesregierung eingeführt worden ist. Es erleichtert den Eintritt in den Arbeitsmarkt und eröffnet die Chance für einen Dauerarbeitsplatz. Jeder zweite befristete Arbeitsplatz wird zu einem Dauerarbeitsplatz. Für Existenzgründer ist das eine flexible Beschäftigungsform. Andere Länder haben mit dieser Form gute Erfahrungen gemacht.
Jetzt kommt das große Aber, das bereits Frau Fauser angesprochen hat und das ich als Mittelständler auch ansprechen möchte: Die zwei entscheidenden Fehler, die Verringerung der Arbeitszeit selbst zu bestimmen und zweitens die Arbeitszeit nach eigenen Wünschen zu verteilen, sind wirklich ein großes Hindernis für die mittelständische Industrie. Dies stellt die Klein- und Mittelbetriebe vor kaum lösbare organisatorische und arbeitsrechtliche Probleme. Keine vernünftige Personalplanung ist mehr möglich, keine verlässliche Terminzusage. Nehmen Sie kleine Betriebe, die just in time liefern müssen. Wie sollen bei denen die Meister, die Vorarbeiter, die Einrichter eingeteilt werden, vor allem beim Schichtbetrieb, wenn die Leute Teilzeit arbeiten und selbst bestimmen wollten? Wie sollte dies denn möglich sein, wo bereits heute in unseren Betrieben an allen Ecken und Enden Facharbeiter fehlen?
Ich sage Ihnen: Dies geht zulasten der Flexibilität und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe. Die Folge wird sein: Schwarzarbeit, Zunahme von Überstunden,
Rationalisierung oder Verlagerung der Arbeitsplätze.
Warum sage ich diese kleinen Nadelstiche für die angebliche neue Mitte, die ja bei dieser Bundesregierung so in den Vordergrund gestellt werden sollte? Ich möchte dies an einigen Punkten verdeutlichen: Abschreibungszeitverlängerung, Absenkung der degressiven Steuersätze, Kündi
gungsschutz, Mitbestimmung – die neu geregelt werden soll –, Veräußerungsgewinne. Ich bin ja sehr froh, dass dafür der halbe Steuersatz jetzt wieder eingeführt wurde. Dies ist auch höchste Zeit gewesen. Ich nenne weiter die Erbschaftsteuererhöhung, die Ökosteuererhöhung. Es wurde bereits angesprochen, was dies für unsere Wirtschaft und vor allem für den ländlichen Raum bedeutet. Jetzt kommt noch diese Teilzeitregelung hinzu.
Dies alles trifft die kleinen und mittleren Betriebe am stärksten. Aber genau die sind es, die in schwierigen Zeiten ihre Arbeitnehmer behalten und nicht entlassen.
Fazit: Ich bin überzeugt, dass dies keine Beschäftigungseffekte bringt, wie die Bundesregierung dies voraussagt. Es verschlechtert vor allem aber die Chancen der weniger Qualifizierten. Es ist völlig falsch, alle Betriebe über einen Kamm zu scheren. Wir brauchen befristete Arbeitsverhältnisse, also auch Teilzeit, aber nicht als Rechtsanspruch, sondern höchstens nach betrieblicher Vereinbarung.
Während alle von Deregulierung, Erleichterung und Entbürokratisierung reden,
schafft die Bundesregierung neue Hürden. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Schritt zurück und muss in dieser Form abgelehnt werden. Wir unterstützen den Antrag des Landes Hessen, der auf eine Verlängerung für befristete Arbeitsplätze hinausgeht, aber nicht auf eine Einschränkung.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte nicht vor, noch etwas zu sagen. Aber alles oder das meiste, was ich gehört habe, hilft der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Württemberg überhaupt nichts.
Unsere Wirtschaft und unsere mittelständischen Betriebe brauchen keine Geschenke, sondern bessere Rahmenbedingungen.
Unsere Frau Staatssekretärin Lichy hat Recht, wenn sie sagt, dass wir das Arbeitsinstrument der befristeten Beschäftigung beibehalten wollen, aber – jetzt sage ich dieses Aber noch einmal – nicht mit den Einschränkungen, die das Gesetz bringen soll, nämlich dass jeder eine Teilzeitbeschäftigung ausüben kann, wenn er es gerade möchte, und dass er auch die Länge der Teilzeitbeschäftigung selbst bestimmen kann. So etwas ist eine verfehlte Politik.
Der Gesetzesvorschlag bringt für uns nur Bürokratie und mehr Gängelung. Lassen Sie uns in der Wirtschaft arbeiten! Wir brauchen diese Gängelung nicht.
Herr Hausmann, Sie suchen oder fragen nach Gründen.
Wir in der Wirtschaft sind froh über jeden einzelnen qualifizierten Arbeitnehmer, der zu uns kommt. Wir brauchen hier keine Belehrungen.
Die EU schreibt keine Regelung für die Art der Teilzeitarbeit vor, wie dies behauptet wurde.
Ein Letztes – ich sage das gern zu Herrn Hildebrandt –: Ich wundere mich eigentlich immer, dass hier Leute uns Mittelständlern Rezepte geben, die selbst noch nie einen Arbeitsplatz oder eine Lehrstelle geschaffen haben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich unserem Kollegen Alfred Haas sehr herzlich zu seiner großen Ehrung gratulieren, natürlich auch unserem Kollegen Scheuermann. Ich hätte auch gerne den anderen Kollegen gratuliert, aber sie sind nicht mehr im Saal. Herzlichen Glückwunsch!
Nun ist es meine Aufgabe, einige Punkte zum Thema Arbeitsmarkt anzusprechen. Wir dürfen uns in Baden-Württemberg alle freuen, dass aufgrund einer guten Exportnachfrage – leider nicht aufgrund der Binnennachfrage – der Arbeitsmarkt bei uns hervorragende Zahlen aufweist. Verglichen mit dem Bundesdurchschnitt liegt unsere Arbeitslosenquote bei 6,5 %, die des Bundes bei 10,5 %. Es wurde schon gesagt: Bei den Jugendlichen liegt sie bei 5,5 %. Das ist eine erfreuliche Sache. Als Wirtschaftler sage ich auch sehr deutlich: Wir haben 430 000 offene Stellen, die dringend besetzt werden müssen.
Nun möchte ich mit allem Nachdruck und mit großer Sorge sechs Punkte anschneiden, die mir wichtig sind und von denen ich meine, dass wir darüber einmal nachdenken müssen.
Erstens: Der Arbeitsmarkt ist seit über zehn Jahren nicht mehr im Gleichgewicht. Seit über zehn Jahren beklagen wir eine Arbeitslosigkeit von deutlich über 5 % in BadenWürttemberg und rund 10 % bundesweit. Um von einem Gleichgewicht des Arbeitsmarkts reden zu können, wäre es erforderlich, diese Quote auf 3 % zu reduzieren.
Bereits 1994 hat die Monopolkommission zum Arbeitsmarkt gesagt:
Ein realistischer Weg zu mehr Beschäftigung führt nicht über zentrale Verbandsvereinbarungen, sondern nur über die Einführung von mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt.
Ich sage deswegen dazu: Markt am Arbeitsmarkt.
Wenn man unsere Förderungen auswertet, sieht man, dass es nicht die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind, die am meisten in den Arbeitsmarkt führen, sondern vor allen Dingen ausbildungsbegleitende Hilfen und Überbrückungsgeld bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ich freue mich, dass nun auch unsere deutsche Arbeitsverwaltung sich nach langem Zögern eine systematische Erfolgskontrolle selbst verordnet hat.
Zweitens: Viele der bisherigen Korrekturversuche sind nicht über kosmetische Teilerfolge hinausgekommen. Viele Sonderprogramme und Aktivitäten waren zu wenig erfolgreich. Ich erwähne hier nur eine paar wenige: Arbeitszeitverkürzung, Frühverrentung, Umschulungen, Lohnverzicht und viele andere.
Ich zitiere hier nun nicht einen CDU-Mann, sondern ich zitiere zwei Autoren, die die rot-grüne Bundesregierung beraten, die zum engsten Beraterkreis gehören, den Sozialwissenschaftler Rolf Heinze und Wolfgang Streeck, den Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Sie haben gesagt, dass wir hier einem Denkfehler unterliegen. Ich stimme dem zu. Sie schreiben:
Um dem Arbeitsplatzmangel zu begegnen, setzte die Politik in Deutschland in erster Linie auf eine Verringerung der Nachfrage nach Arbeit (Vorruhestand, Weiterbildung, Arbeitszeitverkürzung). Die Statistik zeigt jedoch: Gerade in Ländern mit hoher Erwerbsquote ist die Arbeitslosigkeit gering.
Dennoch muss ich sagen, dass wir den ESF-Programmen, die hier schon angesprochen wurden, in voller Höhe zustimmen. Ich weiß nicht, warum man immer noch darüber diskutiert, wenn unser Ministerpräsident hier klipp und klar erklärt hat, dass alle Mittel, die wir vom Europäischen Sozialfonds bekommen können, bei uns in Baden-Württemberg komplettiert werden – im Sozialministerium, im Wirtschaftsministerium und im Kultusministerium. Ich denke, dass diese Aussage einmal genügen müsste.
Das ist mehr als eine Verdoppelung der bisherigen Zahlen.
Drittens: Bei der Arbeitslosigkeit lassen sich drei Gruppen unterscheiden: a) saisonale und kurzfristige Arbeitslosigkeit, b) am Arbeitsmarkt nicht nachgefragte Personengruppen, c) Personengruppen, die für eine Beschäftigung vitalisiert werden können. Dies möchte ich nicht weiter ausführen, sondern Ihnen nur zur Kenntnis geben.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass in vielen Bereichen die Motivation fehlt. Das erfahren Sie auch in den Betrieben. Hier habe ich eine Studie aus NordrheinWestfalen vorliegen, die ganz klar belegt, dass das größte Einstellungshemmnis die fehlende Arbeitsmotivation ist, noch vor der fehlenden beruflichen Qualifikation. Dies muss uns zu denken geben.
Viertens: Facharbeitermangel wirkt zunehmend wie ein Flaschenhals und behindert ein stärkeres und schnelleres
Wachstum in Schlüsselbranchen. Dies ist mir das allerwichtigste Thema, weil ich immer wieder feststelle: In unseren Betrieben und in unserem Wirtschaftssystem brauchen wir sehr viele Facharbeiter. Allein in meinem Bereich, in der Drehteileindustrie, werden 130 Facharbeiter nachgefragt und 150 Jugendliche zur Ausbildung benötigt.
Hier müssen wir wieder dazu übergehen, dass auch unsere technischen Werkstätten besser ausgestattet werden und dass sie wieder der Stolz unserer Wirtschaft werden. Wir dürfen nicht nur auf die Weiße-Kragen-Berufe setzen, sondern der Stellenwert der gewerblich-technischen Berufe – dies habe ich schon oft gesagt – muss wieder angehoben werden.
Fünftens: Im Dienstleistungsbereich wird zunehmend ein nicht regulärer Schwarzarbeitsmarkt zum legalisierten Beschäftigungsverhältnis für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Handwerkskammer hat kürzlich Folgendes veröffentlicht: Die Schwarzarbeit erreicht 18 % des Bruttosozialprodukts; das jährliche Wachstum ist etwa doppelt so groß wie das reguläre Wirtschaftswachstum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir tun so, als wenn uns das nichts anginge. Wenn jede sechste Mark in der Schattenwirtschaft „Schwarzarbeit“ den Besitzer wechselt, dann ist der Schluss nahe liegend: Es gibt einen Wirtschaftskreislauf neben dem legalen Beschäftigungs- und Arbeitsmarkt. Dieser zweite Wirtschaftskreislauf hat im Bereich Dienstleistungen eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht als der erste, legale Beschäftigungsmarkt.
Schließlich sechstens: Die Rahmenbedingungen des regulären Arbeitsmarkts machen es vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht mehr möglich, den Produktionsfaktor Arbeit zu erleben, weil gewerbliche Arbeit und somit die Begegnung auf der Grundlage eines legalen Auftraggeberund Auftragnehmerverhältnisses nicht mehr bezahlbar erscheint.
Was meine ich damit? Stellen wir uns vor, in unseren Brusttaschen tickte ein Minutenzähler, und von Minute zu Minute würden auf diesem Zähler 2 DM abgebucht. Eine Begegnung zwischen Menschen würde so dokumentiert und zum absoluten Luxuserlebnis. Überall dort, wo Menschen die hilfreiche Dienstleistung eines anderen Menschen in Anspruch nehmen möchten oder müssten, klappte dies nicht mehr, weil diese Dienstleistung oder, einfacher ausgedrückt, diese Begegnung von Mensch zu Mensch nicht mehr finanzierbar wäre.
Eine Schlussbemerkung: Unsere Konzeption, die Konzeption der Union, ist klar: Wir wollen die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung verbessern, insbesondere durch eine große Steuerreform für Arbeitnehmer, Unternehmen und Unternehmer. Es ist allemal die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, wenn die Menschen von ihrem verdienten Lohn wieder mehr in der eigenen Tasche haben. Alle Programme wären dann Nebensache.
Ich danke Ihnen.