Protocol of the Session on October 4, 2000

Genau dies war die Begründung von Infratest dafür, dass dieses Gesetz nicht wirksam war: weil nämlich auch ohne dieses Gesetz automatisch unbefristete Arbeitsverhältnisse geschaffen worden wären. Genau diese Untersuchung von Infratest war der Beleg dafür, dass die Befristung, die Sie 1985 eingeführt haben, umsonst war. Die Basis für die Befristung war ja früher das BGB, das Bürgerliche Gesetzbuch, § 620. Da gab es ja schon die Befristung.

Befristungen haben natürlich gute Gründe – wenn sie gute Gründe haben. Dieser Zustand soll wieder hergestellt werden. Ein guter Grund ist zum Beispiel der Mutterschutz oder ein neues Projekt oder – was heute oft tarifvertraglich geregelt ist – die garantierte Übernahme von Auszubildenden in feste Arbeitsverhältnisse. Das läuft dann unter Befristung.

Dies alles wird mit dem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung überhaupt nicht infrage gestellt. Im Gegenteil, das soll abgesichert werden.

Aber jetzt will ich Ihnen sagen, was nicht abgesichert wird: Es soll nicht abgesichert werden, dass in Zukunft Nasenspitzenzulagen oder Wohltaten möglich sind und dass die Menschen Ängste um den Arbeitsplatz ausstehen müssen, weil sie keine verbürgten Rechte haben. Dieser Zustand soll abgeschafft werden, und das begrüßen wir selbstverständlich.

Zu guter Letzt – ich will es nicht allzu weit ausführen, Herr Schumann – –

(Abg. Deuschle REP: Schuhmacher!)

Herr Schuhmacher, Entschuldigung. – Der Präsident der Handwerkskammer Baden-Württemberg beklagt sich bitterlich darüber, dass die Industrie in Zeiten, in denen die Arbeitsmarktsituation entspannter wird – Gott sei Dank ist von dieser Bundesregierung in dieser Richtung ja einiges getan worden –, Arbeitskräfte – oft vom Handwerk qualifi

ziert – abzieht. Jetzt frage ich Sie: Was soll denn die Diskussion um eine Befristung im Interesse des Mittelstands und der Handwerksbetriebe für einen Sinn machen? Die müssen doch darum kämpfen, Arbeitsplätze zu halten und zu bekommen, weil die teilweise schon wieder abgezogen werden. Ich wiederhole es noch einmal: Wer qualifizierte Leute will – und das Handwerk braucht sie, und die kleinen Betriebe brauchen sie insbesondere; denn die verdauen jemanden Schlechtes natürlich umso schlechter –, der muss natürlich für eine ordentliche und saubere Regelung der befristeten Arbeitsverhältnisse sein.

Deshalb ändern wir das. Ich kann Ihnen nur Mut zusprechen, dafür Ihre Stimme zu erheben, dass unser Gesetzentwurf Gesetz wird oder zumindest auf dieser Basis ein Gesetz konstruiert wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Hildebrandt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, Sie sagten, das erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Instrument solle erhalten bleiben. Wären Sie darauf eingegangen, was geändert wird, hätte man vielleicht ein bisschen genauer diskutieren können. Dieses arbeitsmarktpolitische Instrument wird erhalten.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Es wird erhalten; denn es gibt Leute, es gibt ja einflussreiche Leute, die davon betroffen sind, die strikt dagegen sind, zum Beispiel der DGB. Warum Sie so böswillig darstellen, dass da etwas erkauft würde, lasse ich Ihre Sache sein. Aber Tatsache ist, dass da natürlich etwas verhandelt werden muss. Das hat das Bundesarbeitsministerium ausdrücklich auch erklärt.

In einer Presseerklärung vom 27. September heißt es:

Die Balance der unterschiedlichen Interessen wird

in unserem Gesetzentwurf –

gewahrt: Während die Regelungen über befristete Arbeitsverträge vor allem den Interessen der Arbeitgeber an flexibler Beschäftigung entgegenkommen, unterstützen die Regelungen zur Teilzeitarbeit den Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach mehr Arbeitszeitflexibilität.

Da wird etwas ausbalanciert. Das kann man nun für geschickt oder weniger geschickt halten, aber ich will darauf hinweisen, dass da natürlich unterschiedliche Interessen eine Rolle spielen, und die Regierung macht das, was ihres Amtes ist, nämlich sie auszubalancieren und zu einer Lösung zu kommen, die für alle tragfähig ist. Dieses Instrument wird also beibehalten. Dass es arbeitsmarktpolitisch so ungeheuer erfolgreich sei, lässt sich – „leider“ könnte man sagen – nicht bestätigen. Die Zahlen der Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit belegen nicht, dass die Befris

tung von Arbeitsverträgen zu einer bemerkenswerten, feststellbaren Ausweitung der Beschäftigung geführt habe. Das ist nicht der Fall.

Was wird jetzt geändert? Jeder Arbeitgeber, jedes Unternehmen kann nach wie vor Arbeitnehmer einstellen und das Beschäftigungsverhältnis auf längstens 24 Monate befristen – innerhalb dieser 24 Monate drei Mal aufeinander folgend.

Geändert wird Folgendes: Einschränkend wird gesagt, das solle nur bei Neueinstellungen möglich sein. Das betrifft zum Beispiel die von Ihnen angeführten Existenzgründer. Wer möglicherweise noch nicht ganz übersieht, wie es mit seiner Firma weitergeht, obwohl, wie gesagt, auch bei Existenzgründern die betriebsbedingte Kündigung immer noch völlig offen ist, könnte mit befristeten Arbeitsverhältnissen einen erleichterten Einstieg sowohl in die Existenzgründung als möglicherweise auch in die Beschäftigung für bereitstehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden. Das wird nach wie vor – wie bisher – möglich sein.

Es wird nicht möglich sein, einen Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Grund auf 24 Monate zu befristen und dann, wenn dieser Grund wegfällt, einen Kettenarbeitsvertrag – ohne Grund – anzuschließen, oder umgekehrt für jemanden, der 24 Monate ohne Grund befristet beschäftigt war, einen Grund für eine befristete Beschäftigung zu finden.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Das ist jetzt ausgeschlossen. Das ist das Einzige, was sich ändert.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Jetzt müssten Sie sagen, was Sie gegen diese Regelung haben.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Diese Regelung hat mit mehr oder weniger Bürokratie nichts zu tun. – Damit wird versucht, Missbrauch auszuschließen. Missbrauch existiert.

(Abg. Haas CDU: Aber ganz, ganz selten!)

Aber Sie stellen sich hier hin und sagen, Missbrauch gebe es nicht. Ich kenne eine Reihe von Fällen. Ich habe Ihnen einen genannt, nämlich im Arbeitskampf von Transmedia in Mannheim.

(Abg. Haas CDU: Das kann man auch nach der Neuregelung nie ausschließen!)

Frau Fauser, die diese Debatte beantragt hat, hat sich inzwischen bereits entfernt. Sie hat allgemein irgendetwas von Gewerkschaften und neuen Branchen geredet. Ich dagegen habe konkret von einem Arbeitskampf geredet, der in Mannheim seit mehreren Wochen dauert und bei dem die Mehrheit der Belegschaft – 60 % sind übrigens in der HBV organisiert –, auch die nicht Organisierten, sich für den Arbeitskampf ausgesprochen hat, weil die Firma jetzt, nachdem sie jahrelang existiert, übrigens zu 90 % mit Aufträgen der Bundesanstalt für Arbeit – das ist eine schöne Pointe –,

(Abg. Haas CDU: Das sind die unsicheren Aufträ- ge! Bei der Bundesregierung!)

nicht bereit ist, tarifvertragliche Regelungen einzuführen. Dafür brauchen Sie eine Vertretung.

Überlegen Sie einmal Folgendes bei der arbeitsrechtlichen Position: Es gibt eine Auseinandersetzung um ein Unternehmen, um arbeitsrechtliche, um tarifvertragliche Sachen, und die Mehrheit der Beschäftigten ist befristet beschäftigt. Die Europäische Union kümmert sich darum, dass diejenigen, die befristet beschäftigt und teilzeitbeschäftigt sind, nicht diskriminiert werden. Aber schon in diesem Fall zeigt sich, dass die befristet Beschäftigten natürlich eine sehr viel unsicherere und schlechtere Position haben.

Ein letztes Wort zur Teilzeit: Teilzeitbeschäftigte sind entgegen den Aussagen von Frau Fauser generell die besseren, die billigeren und die effektiveren Beschäftigten im Betrieb. Jeder, der das kennt, kann sagen, dass zwei Halbtagskräfte für jeden Betrieb erheblich mehr sind als eine Vollzeitkraft.

(Zustimmung der Abg. Renate Thon Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. List CDU)

Zweitens sind wir uns darüber einig, dass Teilzeit und vermehrte Teilzeit einen Teil unserer Beschäftigungsprobleme lösen kann. Die Bundesrepublik ist in Europa, was die Teilzeit betrifft, Schlusslicht.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Haas CDU)

Drittens können wir bestehende Hindernisse aus dem Weg räumen, um mehr Teilzeit zu ermöglichen. Das ist einfach. Diese Regelung ist präzise. Sie muss natürlich halbwegs präzise sein. Sie ist dort nicht präzise, wo bisher Richterrecht existierte und nicht Gesetzesrecht. Aber, lieber Kollege, dass daraus folgt, dass der Unternehmer nicht mehr entscheiden könne und keine Personalplanung mehr habe, ist nicht richtig. Sie haben sich wohl diese Regelung nicht angeguckt.

(Abg. Schuhmacher CDU: Haben Sie einen Be- trieb oder ich?)

Das Einzige, was passiert, ist, dass nach bestimmten Fristen unter bestimmten Umständen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin selber sagen kann: „Ich möchte gern Teilzeit arbeiten“ und der Unternehmer, der keinen Grund hat, das zu verweigern, sich dann darauf einlassen muss. Aber jeder Grund, der in der Betriebsführung, in der Produktion, in der Belegschaft oder in anderem liegt, gilt aufseiten des Unternehmers, um zu sagen: „Ich kann die Teilzeit nicht einführen.“ Sich haben sich die Regelungen einfach nicht angeguckt.

Meine Damen und Herren, Vorbild ist Holland. Sie haben es doch immer so schön mit Vorbildern.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ich komme sofort zum Schluss. – Eine solche Regelung existiert in Holland. Wir brauchen mehr Teilzeit. Wir brau

chen auch mehr Teilzeit für Männer und nicht nur für Frauen, und wir brauchen eine Teilzeitregelung, die diejenigen, die in Teilzeit sind, nicht diskriminiert und nicht grundsätzlich gegenüber den anderen benachteiligt. Mit dieser Regelung kommen wir in der richtigen Richtung einen Schritt weiter und haben damit ein wirklich gutes beschäftigungspolitisches Instrument. Ich denke, wer wirklich die Arbeitslosigkeit abbauen will –

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

und diese Bundesregierung ist ja seit langer Zeit die erste, die das tut –, der muss auch zu diesem Mittel greifen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)