Protocol of the Session on October 1, 2020

(Dr. Petra Vandrey)

doch nun einmal eine hochkarätige Arbeitsgruppe aus Familienrechtlern, Wissenschaft, Justiz, Anwaltschaft und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ins Leben gerufen. Glauben Sie, diese Leute sind auch alle so altbacken?

[Anne Helm (LINKE): Kann sein!]

Sie haben das einstimmig beschlossen.

Stellen Sie sich mal vor, ich kenne diesen Vorschlag. Ich habe ihn nämlich gelesen. Es gibt aber auch ganz viele Gegenvorschläge. Sie kennen vielleicht nicht die Einschätzung des Deutschen Juristinnenbundes oder des Verbands alleinerziehende Mütter und Väter, die das gemeinsame, automatische Sorgerecht aus gutem Grund ablehnen.

Jetzt würde ich gerne zum Schluss kommen: Kinder brauchen kooperierende Eltern, die an einem Strang ziehen. Dann ist auch eine gemeinsame Sorge gut und richtig. Was wir nicht brauchen, ist ein zwangsweises gemeinsames Sorgerecht, wie es die AfD hier möchte. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 5 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nummer 4.5. Der Tagesordnungspunkt 6 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 4.4.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Gesetz zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen in Berliner Gesetzen an die Verordnung (EU) 2016/679 (Berliner DatenschutzAnpassungsgesetz EU – BlnDSAnpG-EU)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kommunikationstechnologie und Datenschutz vom 14. September 2020 Drucksache 18/3007 und Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung vom 21. September 2020 Drucksache 18/3035

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2598

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2598-1

Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 bis 59 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Abstimmung kommen. Zunächst lasse ich abstimmen über den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/2598-1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP-Fraktion. Wer stimmt gegen den Änderungsantrag? – Das ist die CDUFraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die AfD Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Wild. Damit ist der Änderungsantrag so angenommen.

Es folgt die Abstimmung über die Gesetzesvorlage. Der Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat gemäß Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3035 mehrheitlich – gegen die Fraktion der CDU und die AfDFraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion der FDP – von einer Beschlussempfehlung abgesehen. Der Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz empfiehlt gemäß Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3007 mehrheitlich – gegen die Fraktion der CDU und die AfD-Fraktion sowie bei Abwesenheit der Fraktion der FDP – die Annahme mit Änderungen. Wer die Gesetzesvorlage auf Drucksache 18/2598 mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3007 und unter Berücksichtigung des soeben beschlossenen Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/2598-1 annehmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die CDU-Fraktion, die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Wild. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 8:

Gesetz zur Integration des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in die Charité – Universitätsmedizin Berlin (BIG-Integrationsgesetz)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 14. September 2020 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom

(Tommy Tabor)

23. September 2020 Drucksache 18/3047

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2923

Zweite Lesung

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 6 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zu der Gesetzesvorlage auf Drucksache 18/2923 empfehlen die Ausschüsse einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer die Gesetzesvorlage gemäß der Beschlussempfehlungen auf Drucksache 18/3047 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und auch der fraktionslose Abgeordnete Wild. Damit kann es weder Stimmenthaltungen noch Gegenstimmen geben. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt 8 A war Priorität der Fraktion der SPD unter Nummer 4.2.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9:

Gesetz zur Streichung von Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 („Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes“) als totes Recht aus der Verfassung von Berlin

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/3027

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Für die Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Brinker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ersetzte den damaligen Artikel 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz der Bundesrepublik zur Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Bereits 2007 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sich das bisherige Regelungskonzept als nicht wirksam erwiesen hatte, und der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums kam 2008 zu folgendem Ergebnis – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Das Bundesverfassungsgericht hat … den Finger in eine offene Wunde gelegt: Seit Langem legen Politiker die im Grundgesetz und in den Länderverfassungen enthaltenen Regeln und Begrenzungen der Verschuldung so extensiv wie möglich

aus, weil sich Vorschläge für zusätzliche Ausgaben politisch leichter durchsetzen lassen, wenn zur Finanzierung Kredite aufgenommen werden können und daher weder eine Kürzung anderer Ausgaben noch Steuererhöhungen in Erwägung gezogen werden müssen.

Hier lohnt ein Rückblick in die Entstehungsgeschichte: Berlin musste damals den Haushaltsnotstand ausrufen. Strukturelle Defizite und ganz besonders die Auswirkungen des Berliner Bankenskandals hatten dramatische und bis heute spürbare Folgen für Berlin. Berlin erhielt – im Gegensatz zu Griechenland 2010 – keinen Bail-out, also keine Rettungsgelder vom Bund. Das damalige Berliner Haushaltsdesaster hatte sich schon Jahre zuvor angekündigt. Zunächst wagte es die Berliner Politik nicht, die strukturellen Defizite im Zuge der Wiedervereinigung anzugehen und häufte stattdessen enorme, nicht tragfähige Schulden an. Das führte dazu, dass Berlin bereits im Jahr 2003 seine erste Finanzkrise erlebte und durch Ausrufung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts schmerzhafte Einschnitte vermeiden wollte. Ziel war es, den finanziellen Problemen weiterhin durch immer höhere Schulden auszuweichen.

Dem machte nun das Landesverfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung. Der Berliner Haushalt 2002/2003 wurde als verfassungswidrig deklariert. Die damaligen Haushaltsgesetzgeber hatten für beide Jahre eine Neuverschuldung geplant, die deutlich über den veranschlagten Investitionen lag. Das war damals nur erlaubt, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts für ganz Deutschland vorlag, nicht nur isoliert für ein Bundesland. Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zeigte die konzeptionellen Schwächen dieses unbestimmten Rechtsbegriffs auf. Auf Basis des neuen Konzeptes der automatischen Stabilisatoren entstand dann die Schuldenbremse. In Berlin blieb besagter Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 Verfassung von Berlin trotzdem als totes Recht in der Landesverfassung enthalten.

Wir, die AfD-Fraktion, hatten uns intensiv in die Ausarbeitung der Berliner Schuldenbremse eingebracht, die Streichung toter Paragrafen aber dem Senat überlassen. Rot-Rot-Grün hat trotz Mahnungen des Landesrechnungshofes die Schuldenbremse nicht in der Verfassung verankert und deshalb offenbar vergessen, den toten Artikel aus der Verfassung zu streichen. Rot-Rot-Grün begründete nun aktuell die Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation im Zuge des Coronanachtragshaushalts mit dem § 2 des Berliner Schuldenbremsegesetzes als auch mit dem Vorliegen der Voraussetzungen dieses toten Paragrafen – Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach Berliner Landesverfassung. Laut Rechnungshof widersprechen sich diese Regelungen. Es braucht also dringend eine rechtshygienisch saubere Landesverfassung. Besonders nach der neuesten Finanzplanung muss aktuell möglicherweise mit jährlich bis zu 2 Milliarden Euro strukturellen Defiziten in den nächsten

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Jahren kalkuliert werden. Wir stehen, ausgelöst durch die unverhältnismäßigen Lockdown-Maßnahmen, vor dramatischen Zeiten. Die Verlockungen der Politik sind größer denn je, alle Probleme über neue Schulden zu lösen. Das zeigt auch der aktuelle Bundeshaushaltsentwurf, der nach Einschätzung der AfD bereits verfassungswidrig ist.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Gerade jetzt brauchen wir eine starke Schuldenbremse, die in Krisenzeiten eine sinnvolle und tragfähige Neuverschuldung mit angemessenen Tilgungsplänen zulässt, aber in konjunkturellen Hochphasen auch Schuldentilgung und Reserveaufbau einfordert – das, was wir seit Jahren in Berlin anmahnen.

Wir können und sollten uns nicht noch eine Verwirrung durch Bezug auf tote Paragrafen leisten, wie es bereits einmütig im Hauptausschuss besprochen wurde. Deswegen sollten wir diesen formalen Akt der Streichung endlich nachholen und bitten um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Heinemann das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Brinker! Tot oder nicht tot, das ist mir eigentlich ziemlich egal. Entscheidend ist, was im Hier und Jetzt passiert und was in der Zukunft passiert.

[Zuruf von der AfD]

Wir haben heute schon über die deutsche Einheit und auch über 100 Jahre Berlin gesprochen. Es hat sich gezeigt, dass es eine kluge Politik ist, massiv zu investieren. Wir haben bei der Rückschau auf die deutsche Einheit auch festgestellt, dass in der Stadt vieles noch nicht gut ist und dass wir hier weiter massiv investieren müssen. Deswegen finde ich, dass es ein schwaches Argument ist, zu sagen: Mir passt der Bundeshaushalt nicht und man muss auch sparen. – Ich glaube, das ist der falsche Weg, und das ist in Ihrem Fall auch unseriös, weil Sie nicht sagen, wo Sie denn sparen wollen.