Protocol of the Session on September 17, 2020

Na, das sieht

seine Familie vielleicht anders! –

Ein Angebot

an die FDP zum Klatschen! –

Da müssen Sie überlegen:

Sind Sie ein Künstler, oder haben Sie Hunger?]

Dieser Applaus ist in Berlin leider viel zu lange ausgeblieben. Ich habe das in Vorbereitung auf diese Rede noch einmal Revue passieren lassen. Sie können sich bestimmt alle noch an den Tag erinnern, wo in Berlin das komplette Leben heruntergefahren wurde, wo Restaurants, Kulturreinrichtungen, Bars usw. geschlossen wurden. Dieser Tag ist jetzt genau 27 Wochen her. Das muss man sich mal vorstellen. 27 Wochen, über ein halbes Jahr, so lange gab es keinen Applaus mehr in den Kulturbetrieben, und das ist schade.

[Beifall bei der FDP]

Mittlerweile hat fast alles wieder geöffnet, die Bars haben geöffnet, die Restaurants, die Schulen, die Kitas, der Einzelhandel. Die meisten Kulturveranstaltungen aber fallen bis heute aus. Viele Veranstalter und Kulturschaffende bangen um ihre Existenz. Die Demonstration in der letzten Woche unter dem Hashtag „Alarmstufe Rot“ hat das deutlich gezeigt, und auch wir als FDP teilen die Sorgen und Nöte der Veranstaltungsbranche. Wir sind bei ihnen.

[Beifall bei der FDP]

Seit Wochen – und wer im Kulturausschuss sitzt, der kann das bestätigen – drängen wir den Senat dazu, endlich die Wiederaufnahme des kulturellen Lebens stärker in den Fokus zu nehmen. Daher bin ich froh, dass heute

(Daniel Wesener)

dieses Thema im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde der Parlamentsdebatte steht, denn die Ängste einer gesamten Branche müssen endlich auch hier von der Politik verstanden und ernst genommen werden.

[Beifall bei der FDP]

Bevor ich allerdings dazu komme, was man jetzt tun muss, möchte ich noch mal aufzeigen, was der Senat in 27 Wochen nicht getan hat. Bereits kurz nach dem Lockdown erreichten uns zahlreiche offene Briefe von unterschiedlichen Einrichtungen. Diese Briefe beinhalteten Ideen und Konzepte, wie die Theaterbetriebe trotz Pandemie unter Hygieneauflagen weiterspielen könnten. Es waren viele gute Ideen dabei, von denen wir heute wissen, dass es damals bereits funktioniert hätte. Leider ist der Senat weder auf die Betreiber zugegangen, noch hat er sich ihrer Ideen angenommen. Das ist sehr schade.

[Beifall bei der FDP]

Und man muss auch feststellen: Kultur war dem Senat anscheinend nicht so wichtig wie andere Projekte. Sie haben lieber Pop-up-Radwege gebaut und die Friedrichstraße autofrei gemacht. Herr Lederer! Wie wäre es denn mit Pop-up-Theatern und Pop-up-Veranstaltungen gewesen? Da kam von Ihnen leider nichts.

[Beifall bei der FDP – Anne Helm (LINKE) und Steffen Zillich (LINKE): Gibt es!]

Oder wie wäre es gewesen, statt einer autofreien Friedrichstraße aus der Friedrichstraße eine Kulturstraße zu machen, mit Bühnen und Tribünen, um Kulturveranstaltungen dort durchzuführen – im Freien bis hin zum Gendarmenmarkt? Da kam auch von hier überhaupt nichts.

[Beifall bei der FDP – Anne Helm (LINKE): Doch!]

Sie reden von einer Nachnutzung von Tegel, sind aber nicht einmal in der Lage, die leerstehenden Hangars am Flughafen Tempelhof als Veranstaltungsfläche während der Pandemie anzubieten. Warum baut die Gesundheitssenatorin in einer Messehalle ein ganzes Krankenhaus, während der Kultursenator es nicht mal schafft, den Sommergarten des Messegeländes als Bühne zu nutzen?

[Beifall bei der FDP]

So ließe sich diese Liste endlos verlängern, und es wäre so wichtig gewesen, die Veranstaltungsbranche hier durch die warmen Sommermonate finanziell zu führen. Leider hat der Senat das versäumt. Die Veranstaltungsbranche war ihm nicht wichtig.

Wissen Sie, was mich als Kulturpolitiker besonders ärgert und wo mir wirklich das Herz blutet? – Als ich gelesen habe, dass es dem Senat wichtiger erschien, Straßenprostitution in stinkenden Plumpsklos an der Kurfürstenstraße zu ermöglichen, die Schauspieler aber nicht auftreten dürfen und die gut belüfteten Theater geschlossen bleiben müssen!

[Beifall bei der FDP]

Das ist eine Priorität, die ich nicht nachvollziehen kann. Das, was Sie da gemacht haben, ist im Übrigen auch zutiefst widerlich und frauenverachtend. Was der Senat dort betrieben hat, ist eine Schande. Eigentlich hätte man darüber auch mal eine Aktuelle Stunde machen müssen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Roman Simon (CDU) – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Ein Senat, dem die Straßenprostitution wichtiger ist als das Kulturleben in dieser Stadt, der hat den Herzschlag Berlins nicht verstanden.

[Beifall bei der FDP – Steffen Zillich (LINKE): Sie liegen so daneben!]

Jetzt wird der Senat sagen: Dafür haben wir ja die Kulturschaffenden finanziell unterstützt. – Und auch Sie, Frau Helm, haben viel über Geld gesprochen. Es ist schon erstaunlich, dass gerade der Kultursenator von der Linken, die ja eigentlich den Kapitalismus überwinden möchte, hier als einzige Lösung das Geld vorschiebt.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Anne Helm (LINKE): Applaus macht nicht satt, weder die Krankenschwester noch den Künstler!]

Das ist schon beeindruckend. Und wie Sie dann das Geld verteilt haben, ist auch zu kritisieren. Sie müssen ja bedenken, dass es Steuergeld ist, das Sie dort verteilt haben, und sie saßen so ein bisschen wie im Vorspann von „Eine schrecklich nette Familie“ – Al Bundy – auf der Couch und haben nach rechts und links die Scheine verteilt, ohne zu gucken, wer das Geld bekommt.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP – Beifall von Franz Kerker (AfD)]

Das ist doppelt schädlich, denn zum einen ist es erarbeitetes Steuergeld, und zum anderen ist es Geld, das in Teilen an Leute verschwendet wurde, die es nicht benötigt und es sich kriminell erschlichen haben. Dieses Geld fehlt in anderen Kultureinrichtungen.

Jetzt komme ich zu unserem Antrag. Herr Jahnke! Sie sagen, wir als FDP würden das Infektionsrisiko nicht ernst nehmen. Ich glaube, sogar Ihre eigene Gesundheitssenatorin wird Ihnen bestätigen können, dass die FDP das Infektionsrisiko zu keiner Zeit unterschätzt hat. Aber erklären Sie mir doch mal bitte, warum Restaurants und Kinos geöffnet sein dürfen, die U-Bahn voll besetzt fahren darf, Kontaktsport erlaubt ist und sogar dieses Parlament mit Abstand in voller Besetzung tagt,

[Torsten Schneider (SPD): Das ist aber krass!]

das aber für die Kulturschaffenden nicht möglich sein soll! Die Kulturschaffenden wollen nicht mehr und nicht weniger, Herr Schneider, als das, was wir hier machen, und sie haben es sich verdient.

[Beifall bei der FDP]

(Florian Kluckert)

Und sie können es auch leisten. Das hat die Anhörung neulich im Kulturausschuss sehr deutlich gezeigt. Da waren Intendanten, die gesagt haben, sie möchten gern mit einer höheren Auslastung spielen. Und sie haben betont, wie verantwortungsvoll das Publikum mit den Coronaverordnungen umgeht. Sie haben aber auch gesagt, dass es möglich ist, die Theater stärker auszulasten. Ich finde, wenn die Theater danach fragen, dann sollten wir ihnen auch eine Möglichkeit geben, das zu tun, und ihnen das nicht verweigern.

[Beifall bei der FDP]

Und das können sie mit unserem Antrag genau tun, denn unser Antrag gibt den Veranstaltern die Möglichkeit, die Spielstätten und Veranstaltungsorte sinnvoll und so auszunutzen, dass man auch noch einigermaßen Geld damit verdienen kann und sich nicht mehr vom Senat abhängig macht. Ein Sprichwort sagt ja, Kultur beginnt im Herzen jedes Einzelnen. Sehr geehrter Herr Lederer, ich würde mir wünschen, dass Sie den Kulturschaffenden auch Ihr Herz öffnen und nicht nur das Berliner Portemonnaie. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Luthe gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten.

[Zuruf von Marcel Luthe (fraktionslos)]

Ich höre gerade, das sei nicht mehr aktuell, oder es ist uns ein Fehler unterlaufen. Dann bitte ich um Entschuldigung, Herr Luthe!

Dann spricht jetzt für den Senat Herr Senator Dr. Lederer. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kultur ist Lebensmittel, das wird immer so leicht dahingesagt. In Berlin sind Kunst und Kultur tatsächlich noch mal von viel größerer Relevanz, weil ohne Kultur Berlin nicht das wäre, was es heute ist. Kunst und Kultur prägen das Lebensgefühl unserer Stadt, prägen den Rhythmus und ihre Entwicklung und haben einen enormen Anteil an der Attraktivität, die Berlin besitzt. Unsere aktuelle Bevölkerungsumfrage zur kulturellen Teilhabe hat ergeben, dass fast 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner sagen: Die Theater, Opern, Konzerte und Museen sind für mich ein wichtiger Grund, gern in Berlin zu leben. – Und dass die Menschen in Berlin insgesamt Kulturliebhaberinnen und Kulturliebhaber sind und die vorhandenen Kulturangebote häufiger nutzen als

die Einwohnerinnen und Einwohner anderer Großstädte, das ist auch bekannt.

Für den Kulturbereich war der Lockdown im März ein Schock, ebenso das vorzeitige Ende der Spielzeit, was wir nicht nur in der Kulturministerkonferenz vereinbart haben – das war also kein Berliner Alleingang –, sondern was wir insbesondere mit den Intendantinnen und Intendanten besprochen und mit ihnen gemeinsam kommuniziert haben. Sie waren dankbar dafür, dass sie diese Planungssicherheit hatten, weil das Schlimmste für sie wäre: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, und jede Woche neue Rahmenbedingungen. – So ließ sich über die ersten drei Monate dieses Lockdowns hinweg dann auch das Danach besser planen, belastbarer planen auch für die Zukunft.

Das ist uns alles nicht leichtgefallen, aber es war trotzdem richtig, hier schnell und entschlossen zu handeln. Das zeigt ein Blick in andere Länder, die viel zu spät reagiert haben und in denen die Theater und sogar die Museen immer noch komplett geschlossen sind – beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Liebe AfD, liebe CDU, liebe FDP! Das ist doch immer Ihr Vorzeigeland mit seinem Ultraliberalismus. Da findet kulturell derzeit überhaupt nichts statt.