Protocol of the Session on August 20, 2020

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Ich möchte in dem Zusammenhang auch gleich darauf hinweisen, dass es die Berliner Polizei ist, die diese 5 400 Versammlungen jedes Jahr ermöglicht, dabei einen großartigen Job macht und sich dabei viel zu häufig Pöbeleien und Angriffen ausgesetzt sieht – auch aus so mancher Versammlung heraus. Daher möchte ich der Polizei ausdrücklich meinen Dank und meine Anerkennung für das Geleistete aussprechen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Und Respekt!]

Natürlich bleibt es den Linken unbenommen, Nebensächlichkeiten zu ihrer Priorität zu erheben,

[Anne Helm (LINKE): Grundrechte sind keine Nebensächlichkeiten!]

eines ist aber gewiss: Eine Priorität der Berlinerinnen und Berliner ist es nicht. Nun könnte man ja sagen, dass es einen Mehrwert bildet, wenn man die über Jahrzehnte entstandene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Versammlungsgesetz des Bundes in einem neuen, verständlichen Versammlungsgesetz zusammenfasst. Sie hingegen wollen an wesentlichen Stellen schädliche Veränderungen herbeiführen. So wollen Sie es der Polizei zukünftig erschweren, das Waffen- und Vermummungsverbot bei Versammlungen unter freiem Himmel durchzusetzen. Wie soll die Polizei in einer Anordnung alle nur denkbaren Gegenstände bezeichnen, mit denen Personen verletzt werden können? Wem nützt eine solche Regelung? Friedlichen Demonstranten? – Wohl kaum! Gewaltbereiten Versammlungsteilnehmern? – Wohl eher! Besinnen Sie sich doch auf die Klarheit unseres Grundgesetzes. Dort steht in Artikel 8 Abs. 1, dass alle Deutschen das Recht haben, sich ohne Waffen und friedlich zu versammeln.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schlüsselburg?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege! Habe ich Sie in Ihrem vorigen Redeteil tatsächlich richtig verstanden, dass Sie das

Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit als kollektives Kommunikationsgrundrecht als Nebensächlichkeit bezeichnet haben? Wie passt das damit zusammen, dass Sie ansonsten immer das Hohelied auf die freiheitliche Demokratie singen? Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, dass das keine Nebensächlichkeit ist?

Natürlich ist das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein wesentlicher Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber dieses Grundrecht ist nicht bedroht. Es gibt gar keinen Regelungsbedarf, und das habe ich versucht deutlich zu machen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ferner wollen Sie – das hatten Sie selbst gerade ausgeführt – künftig Gegenversammlungen grundsätzlich nur in Sicht- und Hörweite stattfinden lassen. Bitte stellen Sie sich eine würdige Gedenkveranstaltung oder Versammlung am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus vor, die zukünftig durch geschickt organisierte Gegenveranstaltungen gestört werden könnten. Wollen Sie das? – Ich nicht.

Ohne Not wollen Sie ferner das von uns in der letzten Legislaturperiode durchgesetzte Recht der Polizei beseitigen, bei tatsächlichen Ansatzpunkten für erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Bild- und Tonaufnahmen auch verdeckt durchzuführen, wie es beispielsweise in Lagen notwendig ist wie bei den entsetzlichen Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg. Wem nützt Ihre Einschränkung? – Gewalttätern und Kriminellen!

[Beifall von Marc Vallendar (AfD)]

Des Weiteren wollen Sie das Uniformtrageverbot außerhalb von Versammlungen entfallen lassen. Denken Sie an die rechtsextreme Szene, die in der Vergangenheit mit Warnwesten mit der Aufschrift: „Wir schaffen Schutzzonen“ aufgetreten ist. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Uniformtrageverbot. Gleiches gilt für das bekannte Auftreten von Islamisten als „Sharia Police“. Warum wollen Sie die bestehenden Eingriffsmöglichkeiten gegen diese Feinde des Rechtsstaates beseitigen, ohne an anderer Stelle für Ersatz zu sorgen?

Und schließlich: Denken Sie an die unsägliche, alljährliche al-Quds-Tag-Demonstration, die im Gedenken an den Vernichtungsaufruf des Ayatollah Khomeini aus dem Jahr 1979 auch in unseren Straßen stattfindet – den Vernichtungsaufruf gegen Israel, der im Grunde dadurch jedes Jahr erneuert wird. Wenn Sie schon das Versammlungsrecht neu fassen wollen, dann wäre es doch geboten, ein Verbot derartiger Versammlungen zu ermöglichen, die einem Vernichtungsaufruf gegen Israel, ja sogar gegen jeden anderen Staat dieser Welt gleichkommen.

[Zuruf von der SPD: Sie müssen den Text lesen!]

Das ist aber nicht der Fall.

Das Versammlungsrecht muss nicht neu erfunden werden, und es darf schon gar nicht in einer Weise verschlechtert werden, dass es vermummten, gewaltbereiten Berufsdemonstranten erleichtert wird, unter Missbrauch des Versammlungsrechtes Angst und Schrecken zu verbreiten. Überlegen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der Linken und den Grünen, ob Sie das wirklich wollen. Ich kann und will das nicht glauben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kohlmeier das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin bekanntermaßen in einem Land geboren, wo es die Versammlungsfreiheit nicht gab und wo die Meinungsfreiheit jedenfalls deutlich eingeschränkt war, und ich bin dankbar, in einem Land zu leben, wo es Meinung- und Versammlungsfreiheit gibt.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Ich schätze Sie, Herr Kollege Dregger, gleichwohl muss ich es deutlich sagen: Es ist schon etwas absurd und unverschämt, der Koalition vorzuwerfen, dass sie sich auf den Weg macht, ein liberales, ein freiheitliches Versammlungsrecht für das Land Berlin zu regeln. Politik ist mehr als Schule, Politik ist mehr als Wohnungsbau. Das sind wichtige Themenfelder, aber in der Kategorie, in der Sie denken, können wir die Hälfte dieser Ausschüsse abschaffen, denn sie sind alle nicht in der Top-1-Priorität und der Top-2-Priorität der Berlinerinnen und Berliner. Es ist richtig, dass Rot-Rot-Grün sagt: Wir wollen das Versammlungsrecht neu regeln.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Unsere Demokratie funktioniert halt nur mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit, und dazu zählt auch, Herr Kollege Dregger, andere Meinungen auszuhalten, auch Meinungen von Hetzern, soweit sie sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen, auch von Menschen, die einen Virus wegtanzen wollen, oder von Menschen, die tief im Herzen unsere Demokratie ablehnen und abschaffen wollen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Da müssen Sie da hinübergucken! – Carsten Schatz (LINKE): Er hat schon in die richtige Richtung geguckt!]

Unsere Demokratie ist stark genug, das auszuhalten, und natürlich ist unsere Demokratie auch stark genug, Gegendemonstrationen zuzulassen und andere Meinungen zu äußern.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Hier zeigt sich zugleich das Spannungsverhältnis, in dem sich ein Berliner Versammlungsrecht bewegt. Wir haben im Koalitionsvertrag geregelt, dass wir ein Berliner Versammlungsrecht erlassen werden, das als deutschlandweites Vorbild für ein demokratieförderndes und grundrechtbezogenes Versammlungsrecht dienen kann. Es gibt nur eine Koalition, die dieses schafft, nämlich den Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den erforderlichen Eingriffsbefugnissen für die Polizei, und das ist Rot-Rot-Grün.

[Zuruf von der AfD]

Auch wenn es etwas gedauert hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir legen Ihnen hier heute ein deutschlandweit vorbildhaftes Versammlungsgesetz zur Beratung vor.

[Marc Vallendar (AfD): Ja, ja! – Weiterer Zuruf von der AfD]

Das Problem ist, dass auch Sie hier in diesem Hause keine andere Meinung aushalten können. Sie müssen einfach bloß Ihren Mund aufmachen, blöd dazwischenquatschen, aber auch das gehört zur Demokratie dazu, dass Sie einfach mal fünf Minuten aushalten, was ich Ihnen sage.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Marc Vallendar (AfD): Zwischenrufe sind ein parlamentarisches Grundrecht! Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist!]

Blöde Zwischenrufe wahrscheinlich nicht, Herr Kollege!

Lassen Sie mich nun einige Schwerpunkte nennen: Die Durchführung einer Gegenversammlung soll in Hör- und Sichtweite zulässig sein. Ich halte es für richtig, Herr Kollege Dregger, dass es möglich ist, auch andere Meinungen bei Versammlungen zu äußern oder gegensätzliche Äußerungen zuzulassen. Es macht wenig Sinn in einer Demokratie, wenn die Gegendemonstration

15 Kilometer weit weg ist. Beim Waffenverbot ist klargestellt worden, dass der Gegenstand den Umständen nach als Waffe auch bestimmt und benutzbar sein muss. Es wird die von meinem Kollegen Schlüsselburg genannte Veröffentlichung von Versammlungen geben. Auch das ist die Transparenz, die ja ganz viele in diesem Haus fordern. Auf einmal sind sie dagegen und wollen das alles nicht. Es wird eine Liste mit Tagen und Orten geben mit wichtiger Symbolkraft, wo die Versammlung verboten oder eingeschränkt werden kann.

Es gibt klare Regelungen – Herr Kollege Dregger, da haben Sie offenbar unseren Gesetzesentwurf nicht ge

(Burkard Dregger)

lesen – zum Verbot, zur Beschränkung oder zur Auflösung von Versammlungen – zum Beispiel Hass, Verletzung der Menschenwürde oder Straftaten. Und ich bin dankbar, dass wir es geschafft haben, dass auch die Übersichtsaufnahmen zukünftig weiterhin zulässig bleiben, so wie es das Landesverfassungsgericht gesagt hat. Es war leider nicht möglich – mit dieser Linken –, es in das Gesetz einzubringen, dass wir das Verbot und die Verletzung der Flaggen anderer Staaten im Versammlungsrecht regeln. Da hätten wir uns tatsächlich mehr gewünscht. Aber so ist das in einer Koalition.

[Heiko Melzer (CDU): Können wir gemeinsam ändern!]

Berlin ist die Hauptstadt der Demonstrationen, und Kollege Schlüsselburg hat es deutlich gesagt: Es gibt hier über 5 000 Demonstrationen im Jahr, über 300 im Monat. Berlin ist die Stadt der Freiheit, und Berlin ist auch die Stadt der persönlichen Freiheit. Diese Freiheit und diese Liberalität sollen auch im Versammlungsrecht bestehen und sich im neuen Versammlungsrecht widerspiegeln. Auf der anderen Seite knüpfen wir mit diesem Versammlungsrecht an eine erfolgreiche Praxis der Berliner Polizei und an eine erfolgreiche Praxis der Deeskalationsstrategie an. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch der Polizei dafür danken, dass sie in den vergangenen Jahren auch unter schwierigen Voraussetzungen das Versammlungsrecht in unserer Stadt gewährleistet und durchgesetzt hat, auch wenn es für den ein oder anderen nicht immer ganz einfach war.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Da nicken Sie bloß, Herr Kollege Dregger! Sie klatschen später, oder? –

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das ist in Ordnung, ich frage ja bloß nach.

Diese Koalition hat auch deutlich gemacht, dass ihr das Versammlungsrecht wichtig ist. Sie erinnern sich an die Diskussion zur SARS-Verordnung, wo wir den Senat dazu gedrängt haben, dass Versammlungsrecht wieder und weitergehend zu ermöglichen. Deshalb Dank an unsere Koalitionspartner, Dank an Benedikt Lux, Sebastian Schlüsselburg und Frank Zimmermann für diesen großen Wurf im Versammlungsrecht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Dann hat der Abgeordnete Vallendar das Wort. – Bitte schön!