Protocol of the Session on June 4, 2020

Anders als anscheinend Sie habe ich tatsächlich auch mit den koordinierenden Stellen an der Charité geredet und mich informiert, was genau erforscht werden soll. Und da kann ich Sie beruhigen: Ihr Antrag ist davon bereits abgedeckt. Ich fürchte, Sie sind ein bisschen spät.

Was uns Grünen im bisherigen Studiendesign bislang aber noch fehlt, ist die wissenschaftliche Begleitung der getroffenen Eindämmungs- sowie Lockerungsmaßnahmen und ihre sozial-psychologischen Folgen – und andere gesundheitliche Auswirkungen. Da geht es uns ähnlich wie Herrn Schulze. Das stößt offensichtlich auf große Offenheit in der Community und bei der Charité, und ich muss sagen: Da müssen wir ganz definitiv ran. Deswegen werden wir uns als Grüne-Fraktion weiterhin dafür einsetzen, dass diese notwendige interdisziplinäre Begleitforschung in das Studiendesign ergänzend aufgenommen wird. Wir brauchen als politische Entscheidungsträger mehr Daten als die reine Epidemiologie. Wir brauchen auch dringend belastbare Daten über die sozialen, psychologischen und wirtschaftlichen Folgen in unserer Berliner Stadtgesellschaft, ganz besonders im Bereich Kinder, Frauen und Familien! Gerade diese Gruppen unserer Bevölkerung müssen wir nachhaltig schützen, nicht nur vor der Pandemie, sondern auch vor den Folgeschäden der Eindämmungsmaßnahmen,

[Beifall von Daniel Wesener (GRÜNE)]

damit wir eben nicht weiterhin Erklärungen suchen müssen, warum wir Kneipen öffnen können, aber Kitas im Notbetrieb bleiben sollen. Weg vom Bauchgefühl, hin zu wissenschaftlich basierten Entscheidungen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 8

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2020/2021 (Nachtragshaushaltsgesetz 2020 – NHG 20)

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 27. Mai 2020 Drucksache 18/2755

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2609

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2609-1

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2609

in Verbindung mit

lfd. Nr. 41:

Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation nach § 2 BerlSchuldenbremseG

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2707

hierzu:

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 27. Mai 2020 Drucksache 18/2749

sowie

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2707-1

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2707

Den Dringlichkeiten haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/2707 zur Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation habe ich vorab an den Hauptausschuss überwiesen – und darf dazu Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

Ich eröffne die zweite Lesung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2020. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 und 2, den Nachtragshaushaltsplan 2020 sowie alle weiteren Anlagen der Drucksache 18/2609 und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

(Eva Marie Plonske)

In der gemeinsamen Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Für die Fraktion spricht Herr Abgeordneter Zillich. – Bitte, Sie haben das Wort!

[Beifall von Katina Schubert (LINKE) – Paul Fresdorf (FDP): Oh, Einlaufapplaus! – Heiko Melzer (CDU): Mal sehen, ob nachher weniger oder mehr Applaus kommt!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir treffen unter diesem Tagesordnungspunkt zwei wichtige Beschlüsse, wichtige Entscheidungen. Erstens: die Notlagenfeststellung. Wir schaffen damit die Möglichkeit für eine Kreditaufnahme in der Krise, indem wir eine Notlage entsprechend § 2 des Berliner Schuldenbremsenumsetzungsgesetzes und gleichzeitig eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gemäß Artikel 87 der Berliner Verfassung feststellen. Wir beziehen uns dabei auf die Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung und die Steuerschätzung. Die Feststellung ist evident. Ich kenne keine ernstzunehmende Stimme, die das anders sieht. Deshalb erübrigt sich hier eine weitere Argumentation.

Ein Wort zu dem, was die AfD mit ihrem Änderungsantrag will: Sie möchten oder beantragen unter anderem, dass die Notlage in zwei Monaten noch mal festgestellt werden muss. Das ist Unsinn, schon denklogisch. Hier wird die Konstruktion der Notlagenfeststellung verkannt. Es geht nicht um die Notlage an einem Stichtag. Es geht auch nicht um die Kreditaufnahme an einem Stichtag, nicht um die Kreditaufnahme an jedem zweiten Dienstag und auch nicht nur bei Vollmond, sondern der Bezug muss immer ein Haushaltsjahr sein. Für diesen Zeitraum wird eine Notlage festgestellt, und über diesen Zeitraum betrachtet darf es eine Neuverschuldung ausnahmsweise geben.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Der AfD-Antrag ist Quatsch, den müssen wir nicht weiter beachten.

Aufbauend auf dieser Notlagenfeststellung beraten wir heute den ersten Nachtrag in zweiter Lesung und werden ihn beschließen. Als der Senat ihn eingebracht hat, adressierte er die dringendsten Coronanotwendigkeiten: notwendige Beschaffung von Schutzausrüstungen, medizinischem Gerät, Aufbau medizinischer Kapazitäten, Liquiditätshilfen für Landesbeteiligungen und natürlich die Hilfsprogramme für diejenigen, deren Existenz auf dem Spiel stand. Ich will noch mal betonen, dass es wichtig war, dass Berlin schnell reagiert hat und dass es so reagiert hat, wie es für Berlin nötig ist. Wir haben viele Kulturbetriebe, viele Künstlerinnen und Künstler, viele Menschen, die in Tourismus, Service und Gastronomie arbeiten. Wir haben besonders viele Klein- und

Kleinstbetriebe und besonders viele Soloselbstständige. Deswegen brauchen die die Hilfe natürlich auch zum Leben und nicht nur für Betriebsausgaben. Die Schnelligkeit und die Entschiedenheit, mit der hier reagiert worden ist, hat viele überrascht, und ich will mich bei allen bedanken, die dies ermöglicht haben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Wenn dabei Vorurteile gelitten haben, dann ist das nicht schlimm. Dies alles ist weiterhin Gegenstand dieses Nachtrags. Die Koalition hat sich allerdings entschieden, ihn um weitere gewichtige Themen anzureichern. Das ist in diesem Umfang durchaus nicht normal und deshalb besonders begründungsbedürftig.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Corona und die Coronafolgen bedeuten neben vielem anderen vor allem für viele Unsicherheit: für Menschen in Bezug auf Beruf und Einkommen, für die Lebensgestaltung, für die soziale Situation, für die Wirtschaft, für viele Institutionen und Initiativen, die in ihrer Existenz bedroht sind. In einer solchen Situation war es für die Koalition wichtig, dass wir schnell Grundlinien für die Bewältigung dieser Krise beschließen, mindestens finanzpolitisch Berechenbarkeit schaffen, und deswegen haben wir diese Grundlinien diesem Nachtrag hinzugefügt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die Grundlinien sind Folgende: Erstens, wir werden nicht den zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen, uns aus der Krise herauszusparen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Nein, wir werden jetzt nicht alles auf den Prüfstand stellen und damit eine gigantische Verunsicherung in die Stadt tragen und auch noch die öffentliche Nachfrage verknappen. Das gilt explizit auch für die Bezirke, die wir mit diesem Haushalt abschirmen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das Haus der Statistik muss weg!]

Ja, die Schwerpunkte der Koalition, die wir mit dem Doppelhaushalt gesetzt haben: Schulen sanieren und bauen, Verkehrswende, Wohnungsbau, leistbare Mieten, leistungsfähiger öffentlicher Dienst, eine Stadt für alle Bewohnerinnen und Bewohner, die für alle leistbar ist, wo niemand um seinen Platz fürchten muss, eine weltoffene und solidarische Stadt auch für Menschen in Not –, diese Schwerpunkte haben Bestand.

Die zweite Grundlinie: Wir werden die coronabedingten Mehrausgaben und die gigantischen Mindereinnahmen in den Jahren des Doppelhaushaltes zunächst durch Kre

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

ditaufnahmen finanzieren. Deshalb erteilen wir mit diesem Haushalt die Ermächtigung, neue Kredite in Höhe von 6 Milliarden Euro aufzunehmen. Wir versehen das mit einem Tilgungsplan, und ich verrate kein Geheimnis, dass sich unsere Fraktion eine längere Laufzeit durchaus gewünscht hätte.

Die dritte Grundlinie: Wir werden das Auflegen neuer Projekte und Umschichtungen im Haushaltsvollzug restriktiv handhaben und dadurch Puffer heben.