Protocol of the Session on February 16, 2017

Und ja, wir werden – und ich freue mich sehr darüber – mit dem Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt und dem Nachhaltigkeitsfonds 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren als Eigenkapital in das Stadtwerk investieren, in die Infrastrukturdienstleistungen, die ich gerade angesprochen habe. Der Eigenkapitalaufbau wird sukzessive nach Bedarf und mit einem Wirtschaftsplan als Grundlage erfolgen und natürlich mit einem Private-Investor-Test, den die heute ohnehin schon mit den Berliner Stadtwerken und den Wasserbetrieben machen. Selbstverständlich halten wir uns und die Berliner Wasserbetriebe als gut geführtes Unternehmen, was Sie hier ganz offensichtlich bezweifeln, genau an diese Reihenfolge und tun nichts anderes, als zu investieren, wie es ein Privater auch tun würde, und darauf freue ich mich.

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass wir mit dem Gesetz heute den richtigen Weg beschreiten, die Herausforderungen des Klimawandels hier in Berlin anzugehen und gleichzeitig Investitionen in die Stadt von morgen zu sichern. 100 Millionen Euro Eigenkapital: Wenn man das in Infrastrukturdienstleistungen hebelt, können Sie sich ausrechnen, was das an Investitionsvolumen auch ausmacht. Und ja: Schuldentilgung ist wichtig. Wir wissen aber auch, dass unterlassene Investitionen, wie wir es leider in Berlin aus den letzten Jahrzehnten überall erleben, auch eine Form von Verschuldung sind.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Insofern sichern wir hiermit 100 Millionen Euro Kapital, ein Hebel für Investitionen in die Stadt von morgen, in die Energiewende dieser Stadt. Wir setzen heute als Koalition das Stadtwerk auf die Schiene, und ich freue mich auf die freie Fahrt für die Energiewende in Berlin!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zu dem Tagesordnungspunkt 6 – Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes Drucksache 18/0116 – haben Sie den Überweisungen an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und an den Hauptausschuss bereits eingangs zugestimmt.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen. Sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werde ich die Fragen zurückweisen. Zuerst erfolgt die Wortmeldung in einer Runde nach Stärke der Fraktion mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu. Eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Für die erste Frage rufe ich ein Mitglied der Fraktion der SPD auf und bitte, an das Rednerpult zu treten. Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Frau Kollegin Spranger, bitte, Sie haben das Wort!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich frage den Senat: Hat der Senat Erkenntnisse darüber, ob sich die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bei Mieterhöhungsverlangen an die vorgesehenen Begrenzungen halten, wie sie in der aktuellen Koalitionsvereinbarung aufgeführt sind, und wenn nicht, ob die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bereit sind, die nach dem Inkrafttreten des Koalitionsvertrages an ihre Mieterinnen und Mieter versandten höheren Mietforderungen zurückzunehmen?

Frau Senatorin Lompscher! Bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Spranger! Meine Damen und Herren! Die Mieterhöhungsverlangen, die in der letzten Zeit von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ausgegangen sind, entsprechen einerseits gesetzlichen Regelungen; sie entsprechen aber andererseits nicht den Regelungen, die wir im Koalitionsvertrag miteinander verabredet haben. Der Koalitionsvertrag bindet zunächst einmal nur die die Koalition tragenden Parteien. Auf dieser Grundlage haben wir einen Entwurf für eine neue Kooperationsvereinbarung mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften erarbeitet. Dieser liegt ihnen seit Ende Januar vor. Sie haben dazu eine Rückäußerungsfrist bis einschließlich gestern gehabt. In dieser Kooperationsvereinbarung ist vorgesehen, die Regelungen des Koalitionsvertrags – also 2 Prozent pro Jahr statt der rechtlich zulässigen 15 Prozent in vier Jahren – umzusetzen und dies auch rückwirkend auf Mieterhöhungsverlangen, die ab dem 1. Januar 2017 wirksam werden, anzuwenden.

Vielen Dank! – Frau Spranger! Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Bitte schön, dann bekommen Sie das Wort.

Frau Senatorin! Könnten Sie etwas zum Prozedere für die Mieterinnen und Mieter sagen? Inwieweit werden sie darüber informiert, dass eine Rücknahme erfolgt? Müssen sie selbst, eigenständig etwas machen, oder wird das automatisch gemacht? Da es immer ein bisschen Unsicherheit gibt: Könnten Sie noch einmal sagen, wie das vorgesehen werden könnte, dass auch die Mieterinnen und Mieter die Rücknahme erfahren? Wir begrüßen es ja sehr, dass es die Rücknahme gibt.

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Frau Senatorin!

Natürlich können wir erst über etwas informieren, wenn es unterschrieben auf dem Tisch liegt. Da die Unternehmen sehr unterschiedliche technische Verfahren haben, um Mieterhöhungen zu verlangen, ist es zunächst einmal ein technisches Problem. Es ist für die Mieter in jedem Fall sinnvoll, sich bei den Kundenzentren ihrer jeweiligen Unternehmen zu informieren. Klar ist, dass dann, wenn wir die Rückwirkung vereinbaren, auch Korrekturen und Rücknahmen erfolgen werden. Das wird passieren, aber in jedem Einzelfall ist es jetzt noch nicht klar, insofern die Empfehlung, sich an den eigenen Vermieter zu wenden.

Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht dann an Herrn Kollegen Buchholz.

Frau Senatorin! Sie hatten angesprochen, dass auch das Mietenbündnis neu aufgelegt werden soll. Rechnen Sie dabei auch mit weiteren qualitativen Verbesserungen für die Mieterinnen und Mieter in der Stadt?

[Sebastian Czaja (FDP): Klar!]

Frau Senatorin!

Ich habe angedeutet, dass wir eine neue Kooperationsvereinbarung über leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung abschließen. Es ist nicht das Mietenbündnis 2.0, sondern eine neue Kooperationsvereinbarung, die jetzt auch nicht alles über die gesamte Legislaturperiode abschließend regelt, sondern uns ging es darum, dass wir zunächst einmal insbesondere die dringende Mietenregelung treffen, auch bei Modernisierungsvorhaben, dass wir das Thema Bürgerbeteiligung erstmals richtig adressieren, dass wir in dieser Vereinbarung auch das Thema Wohnungstausch adressieren. Natürlich halten wir uns die Möglichkeit offen, im Lauf der Legislaturperiode – z. B. durch das Artikelgesetz, das im Wohnraumversorgungsgesetz die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften betrifft – über eine mögliche Novelle zu weitergehenden Regelungen zu kommen.

Vielen Dank!

Dann kommen wir jetzt zur CDU. Herr Kollege Rissmann hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Hält der Senat angesichts des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Februar 2017 an seiner Position fest, dass Lehrerinnen mit islamischem Kopftuch nicht an öffentlichen Schulen des Landes Berlin unterrichten dürfen?

Es antwortet Herr Senator Dr. Lederer. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rissmann! Das Neutralitätsgesetz ist Ihnen allen bekannt. In ihm regeln Vorschriften, wie religiöse Symbole im Bereich des öffentlichen Dienstes zur Schau gestellt werden dürfen oder nicht, getragen werden dürfen oder nicht. Wir haben das Gesetz nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil in den frühen 2000er-Jahren erlassen. Es gab in der Zwischenzeit ein weiteres Verfassungsgerichtsurteil, das die damalige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal präzisiert und insbesondere abgestellt hat auf Verbote nur in dem Fall, in dem konkrete Konflikte – und daraus resultierend beispielsweise eine Gefährdung des Schulfriedens – denkbar sind.

Unser Neutralitätsgesetz nimmt darauf bislang nicht Bezug. Wir haben das Neutralitätsgesetz einfach angewendet. Es gab dieses Arbeitsgerichtsverfahren, das sich auf einen Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz bezieht. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im konkreten Fall durch das Land Berlin eine Diskriminierung vorgenommen worden sei, und hat deswegen das Land Berlin zu einer entsprechenden Schadenersatzzahlung verurteilt.

Die Frage, wie wir damit jetzt umgehen, ist relativ überschaubar. Wir werden zum einen rechtlich zu prüfen haben, welche Konsequenzen dieses Arbeitsgerichtsurteil für das Neutralitätsgesetz hat. Auch hier im Land Berlin gilt das Grundgesetz. Auch hier im Land Berlin haben wir die Verfassung anzuwenden. Auch hier in Berlin haben wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte zu respektieren. Das ist die eine Geschichte. Das werden wir in Ruhe prüfen. Da werden wir uns nicht unter Druck setzen lassen.

Die zweite Frage ist die: Handelt es sich bei einem solchen Verbot religiöser Symbole um eine Maßnahme der Integrationsförderung oder um eine Maßnahme der Integrationsverhinderung? – Da gibt es unterschiedliche Rechtsgüter einerseits und auch unterschiedliche Sichten andererseits. Wir denken, dass es an der Zeit ist, diese Debatte ergebnisoffen, ganz entspannt zu führen. Ich lade Sie auch ein, sich daran zu beteiligen, ohne schon mal das Ergebnis vorwegzunehmen.

Wenn wir dann, wie seinerzeit vor der Entstehung des Neutralitätsgesetzes im Übrigen auch, nach einer langen Debatte zu einer gemeinsamen Überzeugung kommen, dann werden wir entweder das Gesetz so lassen, wie es ist, oder wir werden es verändern. Ich denke, das muss am Ende einer solchen Debatte stehen. Klar scheint mir nur eins zu sein: Wenn in dem Gesetz eine konkrete Bezugnahme auf Konfliktlagen im Rahmen staatlicher Neutralität zwischen positiver Religionsfreiheit einerseits und negativer Religionsfreiheit andererseits und der Verpflichtung des Staates zur Neutralität nicht geregelt ist, und ein Fachgericht macht das jetzt zum Gegenstand einer Auseinandersetzung und sagt, ihr habt da ein Problem, dann müssen wir schon jetzt – Sie kennen den Begriff „verfassungskonforme Auslegung“ – das Neutralitätsgesetz so anwenden, wie uns das Fachgericht es vorschreibt. Das ist der derzeitige Stand der Dinge.

Bei allem anderen setzen wir uns mit allen Beteiligten an einen Tisch, werden die Debatte führen und jetzt vor allem nicht hektisch und panisch reagieren. Wir werden es vor allem nicht nutzen, um darauf irgendwelche Süppchen zu kochen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Raed Saleh (SPD) und Sven Heinemann (SPD)]

Dann der Kollege Rissmann für eine Nachfrage – bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Herr Senator Dr. Lederer! Sie haben den Sachverhalt hier zutreffend wiedergegeben, jedoch muss ich nachfragen:

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Senat von Berlin offenbar zu der Frage, ob Lehrerinnen an öffentlichen Schulen das islamische Kopftuch tragen sollen oder nicht, im Moment keine Position hat? Oder ist die Position des Landes Berlin, des Senats von Berlin die Äußerung des Senators für Justiz Dirk Behrendt, der mitteilte, dass das islamische Kopftuch an Schulen nun zugelassen werden solle? Und teilen Sie mit mir nicht die Auffassung, dass man eben nicht in Ruhe diese Frage diskutieren kann, da

vom Senat auch die Entscheidung zu treffen ist, ob gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts BerlinBrandenburg ein Rechtsmittel einzulegen ist?

[Daniel Buchholz (SPD): Zu viele Fragen!]

Konkret gefragt: Wird der Senat die Revision gegen diese Entscheidung einlegen?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das sollte man tun!]

Herr Senator Dr. Lederer – bitte schön!

[Steffen Zillich (LINKE): Ich sage meinem Kind immer: Alle vorhergehenden Fragen vergessen und nur die letzten nehmen!]

Erst einmal stimme ich Ihnen darin nicht zu, dass man das nicht in Ruhe diskutieren sollte, ich glaube, genau das muss man tun. Wir haben dieses Urteil, und wir müssen mit diesem Urteil jetzt umgehen. Wir haben auch ein Neutralitätsgesetz, das erst einmal besteht, erst einmal gilt. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht gesagt, dieses Gesetz sei verfassungswidrig, sondern es hat gesagt, dieses Gesetz müsse verfassungskonform ausgelegt werden.

Inwieweit Rechtsmittel eingelegt werden oder nicht, ist eine Angelegenheit der entsprechenden Behörde. Das werden sie dort sicherlich prüfen. Mir liegt die Urteilsbegründung nicht vor, sie liegt dem Justizsenator bisher nicht vor, sie liegt Frau Scheeres bisher nicht vor. Bevor sie nicht vorliegt, wäre eine solche Entscheidung einfach leichtsinnig und wahnwitzig, vorwegzunehmen, was das Ergebnis einer solchen Prüfung ist.

Entscheidend bleibt doch, wir haben staatliche Neutralität zu wahren. Wir haben andererseits Religionsfreiheit zu wahren. Und wir haben drittens Rücksicht darauf zu nehmen, dass es auch negative Religionsfreiheit gibt, also das Recht, von religiösen Bekundungen und religiösen Handlungen unbehelligt zu bleiben. Das muss man in einen vernünftigen Ausgleich bringen. Es zeigt sich deutlich anhand der Debatte hierzulande, dass das alles andere als einfach ist, dass es da nicht eine eindeutige, klare Lösung gibt, dass man da nicht sagen kann, das sei alles von der Verfassung ganz klar vorgegeben.

Es gibt auch gesellschaftliche Debatten; und es ist auch richtig, dass es die um diese Frage gibt. Wir sind anders als Frankreich kein laizistischer, sondern ein religionsfreundlicher Staat. Das sagt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So wie wir allen Religionsgemeinschaften gleichermaßen Rechnung tragen müssen, ist es an der Zeit, diese Diskussion wirklich ruhig zu