Natürlich kann Berlin jetzt Einiges dazu beitragen, die Situation zu verbessern, aber durch Innovation und Forschung, durch Voranbringen der Digitalisierung, durch Vorstöße, um den komplett vermurksten energiepolitischen Rahmen zu verbessern, durch Erleichterung auch bei den Rahmenbedingungen, die der Landesgesetzgeber anfassen kann: Photovoltaik auf Gebäuden, Nutzung von Erdwärme. Dazu können wir in diesem Hause etwas tun, aber doch bitte nicht, indem Sie jetzt den 170. Stromanbieter etablieren und den bisherigen Energiedienstleistern noch zusätzliche Konkurrenz machen!
Alles in allem: Der Nutzen ist für uns überhaupt nicht erkennbar. Wir halten das Stadtwerk für überflüssig. Sehr wohl erkennbar sind aber die ganz offensichtlichen Risiken. Über die 100 Millionen Euro Anschubfinanzierung –
Aber auch im laufenden Geschäft gibt es erhebliche Risiken. Wir haben in der Anhörung bestätigt bekommen, dass die Renditen solcher Stadtwerke heute gegen null gehen. Wir haben auch gehört, dass der Markt für Energiedienstleistungen klein ist und erhebliche Vorinvestitionen erfordert, über die noch gar nicht geredet wurde. Und da geht es nicht darum – wie einer der Experten im Ausschuss so locker-flockig sagte –, ein bisschen weniger Rendite zu erwirtschaften, da geht es darum, dass deutliche Verluste in diesem Stadtwerk anfallen könnten, die dann natürlich beim Land Berlin und bei den Steuerzahlern landen werden. – Kürzlich ist übrigens ein Stadtwerk pleitegegangen; auch das ist ein ernsthaftes Risiko. Sie schaffen also ein Risiko für den Landeshaushalt.
Und angesichts der Vergangenheit und den wirklich katastrophalen Erlebnissen in Berlin zu den Zeiten, als GASAG, Bewag und die Wasserbetriebe als Landesunternehmen über Verluste dreistellige Millionensummen im Jahr verheizt haben, sind diese Befürchtungen, dass da Geld verloren geht, nur zu berechtigt. Haben Sie denn aus dieser Vergangenheit überhaupt nicht gelernt? Haben Sie sich nicht etwas einfallen lassen, wie Sie in Zukunft verhindern, dass diese Nummer noch mal passiert? Gerade wenn die Koalition meint, dass sie bestimmte Projekte nur über das Stadtwerk finanzieren kann, dann heißt das doch genau im Klartext, dass Sie jetzt Geld reinstecken, zuschießen müssen, Verluste machen, weil es sonst nicht finanzierbar ist. Sie sagen ganz klar, dass über Schulden finanziert werden soll.
Und deshalb, zu unserer Haltung: Es geht nicht darum, wie der Kollege Buchholz auf Facebook sagt – ich lese übrigens deine Facebookposts immer mit großem Interesse –, dass das rein ideologisch durch die Freien Demokraten abgelehnt werde, sondern wir sehen keinen sichtbaren Nutzen. Wir sehen nachweislich erhebliche Risiken. Und deshalb gebe ich das Argument des rein Ideologischen gerne zurück.
Zusammengefasst: Der Nutzen dieses Stadtwerks ist nicht ersichtlich. Das ist ein Me-too-Produkt, noch mal dasselbe. Die Risiken sind erheblich und können unsere Stadt sehr teuer zu stehen kommen. Die Anschubfinanzierung von 100 Millionen Euro bringt nicht sicher einen stabilen Geschäftsbetrieb. Das Konzept und der großartige Akteursanspruch sind teilweise unrealistisch, man kann auch sagen, blauäugig. Und deshalb werden wir Freien Demokraten selbstverständlich und aus voller Überzeugung diesem Vorhaben nicht zustimmen. Und wir werden kritisch verfolgen, wie dieses Vorhaben sich weiter entwickelt, das verspreche ich Ihnen, aber das verspreche ich gerade auch den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt,
die sich zu Recht Sorgen um ihre Steuergelder und um den Wettbewerb im Energiemarkt machen. – Vielen Dank!
[Beifall bei der FDP – Beifall von Frank Scheermesser (AfD) und Kay Nerstheimer (fraktionslos) – Torsten Schneider (SPD): Völlig ideologiefrei! – Paul Fresdorf (FDP): Komplett!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung! Der politische Streit in der Sache ist in Ordnung. Was ich nicht in Ordnung finde, ist aber, wenn man hier auf ein erfolgreiches Landesunternehmen, auf die Vorstände der Wasserbetriebe und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wasserbetriebe einprügelt und sie als unfähig beschimpft. Das geht nicht, und das weise ich ganz deutlich zurück.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Oliver Friederici (CDU): Was haben Sie in der Opposition gemacht?]
Heute wird eine Gesetzesänderung beraten, die notwendig ist, um das Stadtwerk von seinen Fesseln, die Sie ihm auferlegt haben, zu befreien. Wir schaffen einen modernen Energiedienstleister für die Berlinerinnen und Berliner, für die Schuldirektorin genauso wie für den FacilityManager des neuen Wohnquartiers und für den Mieterstromverein. Die Energiewende in Berlin bekommt einen Namen. Das ist ein wichtiger Meilenstein, um Berlin auf nachhaltigen Kurs zu bringen und in die Stadt von morgen zu investieren. Die Koalition steckt sich das ambitionierte Ziel, Berlin zum Vorreiter für Klimaschutz und Energiewende zu machen.
Und Berlin ist prädestiniert dafür, ein Leuchtturm der Energiewende zu werden. Werner von Siemens hat hier vor 150 Jahren mit der Vorstellung des Dynamos die Grundlagen der Elektrotechnik und elektrischen Energietechnik gelegt, die bis heute weltweit Bestand haben und Grundlage dafür sind, dass elektrischer Strom bequem aus der Steckdose kommen kann.
Und heute führen wir Energie und Digitalisierung zusammen, um mithilfe intelligenter Informationstechnologien dezentral erzeugte erneuerbare Energien in das System zu integrieren. Und Sie, die glauben, dass Sie die Berliner Wirtschaft kennen, waren offensichtlich nicht darin unterwegs, denn es gibt unzählige, viele kleine Unternehmen, die genau das tun, mit digitalen Mitteln die Energiewende voranzutreiben. Und die wollen wir nach vorne bringen, die wollen wir fördern – im Gegensatz zu Ihnen!
Unsere Klimaziele sind im Berliner Energiewendegesetz gesetzlich verankert, Klimaneutralität bis 2050, das heißt, gegenüber dem Niveau von 1990 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2020 und 60 Prozent weniger bis 2030. Das ist ohne Frage ein ehrgeiziges Ziel, aber zum Glück ist politischer Wille auch eine erneuerbare Energie. Diese Energie brauchen wir, denn es gibt viel zu tun!
Unsere Leitschnur sind die Klimaziele des Berliner Energiewendegesetzes und der Bericht der EnqueteKommission „Neue Energie für Berlin“. Diese wesentlichen Parameter der Koalitionsvereinbarung hat der Senat auch in seinen Richtlinien in der Regierungspolitik aufgegriffen. Und wir legen mit dem Hundert-Tage-Programm hier Tempo vor, denn wir wollen keine Zeit verlieren. Wir haben erste wichtige Schritte auch in anderen Bereichen unternommen. Es gibt Termine auf Bürgerämtern,
die Turnhallen werden wieder freigezogen und saniert, das Sozialticket wird günstiger und nun die Entfesselung des Stadtwerks mit dieser Koalition.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]
Herr Czaja! Ich sage es Ihnen – an die Apologeten des Marktes –: Der Ökonom Nicholas Stern bezeichnet den Klimawandel als das größte Marktversagen der Menschheitsgeschichte. Wenn wir dagegen nichts unternehmen, wird sich die Welt dramatisch verändern, die Anfänge sind heute schon zu spüren. Das ist die Herausforderung, die wir angehen müssen. Und das Stadtwerk ist lokal und dezentral das Kernstück der Berliner Energiepolitik.
Und die Berlinerinnen und die Berliner wollen dieses Stadtwerk. Knapp 600 000 Menschen sprachen sich im Volksentscheid 2013 für dessen Gründung aus. Das sind
im Übrigen so viele Stimmen, wie CDU, FDP und AfD bei der letzten Abgeordnetenhauswahl zusammen hatten.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Frank-Christian Hansel (AfD): Und zwei Millionen Nichtwähler!]
Auch das Ergebnis der Enquete-Kommission war eindeutig. Berlin braucht ein Stadtwerk neuen Typs, für das der Klimaschutz die Kernaufgabe ist und dem es auf der Grundlage des wirtschaftlichen Geschäftsmodells erlaubt sein muss, allerhand in erneuerbare Energie zu investieren, innovative Betriebsmodelle zu entwickeln und ein umfangreiches Spektrum an Energiedienstleistungen in der Stadt anzubieten.
Berlin bekommt nun ein Stadtwerk, dessen Wertschöpfung in der Stadt bleibt und das Gewinne in die soziale und klimaverträgliche Umgestaltung der Berliner Energieversorgung reinvestiert.
Berlin bekommt ein Stadtwerk, das ohne Zögern – anders als bei den großen Energiekonzernen, ohne Rucksack voller Altlasten – die neue Stromwelt betritt.
Und Berlin bekommt ein Stadtwerk, das die Stadt und seine Interessen im Fokus hat. Das, was die Berliner Stadtwerke erwirtschaften werden, kommt den Bürgerinnen und Bürgern in Berlin zugute. Dafür wollen wir die Aufgaben des neuen Stadtwerks erweitern, und es sind genau drei Säulen, auf die wir uns da stützen – Sie schauen sich immer nur eine an –. Das ist die Erzeugung erneuerbarer Energien, das ist der Vertrieb von Energie auf Basis erneuerbarer Energien mit einem Tarif, der unter dem Vattenfall-Basistarif liegen wird, und das sind moderne Energiedienstleistungen. Und vielleicht bietet es sich da bei der CDU an, zumindest mal nachzulesen, was Ihr eigener Experte als Minderheitenvotum in der Enquete-Kommission als Votum abgegeben hat, dass die Zukunft und das Potenzial von Stadtwerken in modernen Energiedienstleistungen liegt. Wenigstens daran sollten Sie sich vielleicht halten, wenn Sie hier Vorträge halten!
Denn genau diese dritte Säule der Energiedienstleistungen – im Übrigen europäischen Rechts – ist sehr eindeutig definiert, die scheinen Sie aber nicht zu kennen. Gerade diese dritte Säule ist von großer Bedeutung. Das sind Beratungsangebote, Übernahme von Dienstleistungen im Bereich Ressourcenverbrauch und Energieeffizienz. Aber die Berliner Stadtwerke sollen darüber hinaus die bisher erfolgreichen Projekte von Mieterstrommodelle, Photovoltaikanlagen weiter ausbauen, und sie werden ein zentraler Partner des Landes Berlin bei der energetischen Sanierung des landeseigenen Gebäudebestandes sein und auch Konzepte zur klimaverträglichen Wärmeversorgung
in den neuen Siedlungsvorhaben und Quartiere unterstützen und begleiten. Da gibt es bereits erste Ansätze und erste Gespräche. Das alles mündet in Aufträge für die Berliner Ingenieurbüros, für die Berliner Handwerkerinnen und Handwerker und für die Berliner Planungsbüros. Da kann man sich wahrlich nicht beschweren, das ist auch ein kleines Konjunkturprogramm namens Energiewende, was wir hier auf den Weg bringen.
Mit dieser Ausrichtung ist das Stadtwerk klar am Puls der Zeit, denn diejenigen hier, die die Wirtschaftlichkeit anzweifeln, denen sage ich: Die großen fossilen Tanker der Energieversorgung sind nicht mehr wirtschaftlich. Die großen Dinosaurier schreiben hier Milliarden ab, im Übrigen auf Kosten der Steuerzahler, denn sie versuchen im Moment, sich auf diesen sich verändernden Markt neu einzustellen, und kämpfen mit diesem Umbruch und mit diesem Spagat, in dem sie sich befinden.
Unser Stadtwerk kann ganz unabhängig von diesen Altlasten der Vergangenheit voll in den Wettbewerb eintreten und ihn befeuern. Das wollen wir auch!
Deswegen freue ich mich, dass heute mit der Einbringung des Gesetzes der rechtliche Rahmen dafür geschaffen wird, dass das Berliner Stadtwerk die notwendigen neuen Aufgaben auch angehen kann, denn sobald mit dem beschlossenen Gesetzesantrag das Stadtwerk auch von den gesetzlichen Fesseln befreit wird, wird das Berliner Stadtwerk seine neue Wirtschaftsplanung auf die neuen Aufgaben ausweiten. Und nur so herum macht es Sinn, dass der Wirtschaftsplan sich der rechtlichen Aufgabenstellung anpasst und nicht umgekehrt, wie Sie es hier gefordert haben. Da scheinen Sie, glaube ich, in wirtschaftlichen Dingen nicht auf dem letzten Stand zu sein, wie die Reihenfolge da ist.
Und ja, wir werden – und ich freue mich sehr darüber – mit dem Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt und dem Nachhaltigkeitsfonds 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren als Eigenkapital in das Stadtwerk investieren, in die Infrastrukturdienstleistungen, die ich gerade angesprochen habe. Der Eigenkapitalaufbau wird sukzessive nach Bedarf und mit einem Wirtschaftsplan als Grundlage erfolgen und natürlich mit einem Private-Investor-Test, den die heute ohnehin schon mit den Berliner Stadtwerken und den Wasserbetrieben machen. Selbstverständlich halten wir uns und die Berliner Wasserbetriebe als gut geführtes Unternehmen, was Sie hier ganz offensichtlich bezweifeln, genau an diese Reihenfolge und tun nichts anderes, als zu investieren, wie es ein Privater auch tun würde, und darauf freue ich mich.