es geht in Berlin auch gar nicht anders –, und das hat sie bereits im Koalitionsvertrag formuliert. Zitat:
Für eine neue Gedenkkultur suchen wir den Dialog mit Opfergruppen, stärken das Thema in der politischen Bildung und werden die Entwicklung der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Normannenstraße zu einem Lernort für Demokratie unterstützen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Torsten Schneider (SPD) und Dr. Clara West (SPD)]
Wer sind aber eigentlich diese Opfergruppen, um die es uns hier geht? – Das sind Menschen, die zum Beispiel aus politischen Gründen in Haft waren, die zum Teil bis heute traumatisiert sind, das sind Menschen, die aus politischen Gründen beruflich benachteiligt waren, und es
sind auch Menschen, die heute an ihrer Rente merken, dass sie damals keine Qualifikation erwerben konnten, und deshalb sehr wenig bekommen. Die Opferrente, die es gibt, ist ein kleiner und richtiger Trost, aber sie kann nicht den Schmerz von Leuten nehmen, die so etwas durchgemacht haben.
Weil wir das mit der Aufarbeitung ernst meinen, müssen wir auch auf uns selbst gucken. Zum ehrlichen Umgang gehört, dass man selbst klar ist. Wer mit seiner Vergangenheit Probleme hat, wird immer wieder darauf gestoßen werden. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, in geübter Praxis einen Ehrenrat einzurichten. Das haben wir in den letzten Legislaturperioden auch so gemacht. Die FDP hat einen ähnlichen Antrag eingereicht; sie hat die Regierung noch mit drin. Ich gehe davon aus, dass der Regierende Bürgermeister für die Regierungsmitglieder und die Staatssekretäre das schon angeschoben hat.
Das von uns vorgeschlagene Verfahren ähnelt stark dem der letzten Legislaturperiode, Sie kennen das. Es ist konkretisiert bei der Frage der Altersgrenze. Es geht uns um all jene Abgeordneten, die am 3. Oktober 1990 volljährig waren. Das heißt aber nicht – und das sage ich gerade zu den Jüngeren –, dass Sie das nichts angeht, sondern gerade die Jüngeren sollen und können mit ihrer Neugier, ihrer Unbefangenheit, aber auch ihrem Verantwortungsgefühl lernen, was alles zur Berliner Geschichte gehört, welche Menschen es in dieser Stadt gibt und welche Schicksale sie beherbergt. Deshalb der Appell: Sehen Sie das nicht als eine Angelegenheit der Älteren, die schon viel erlebt haben, sondern, gerade die Jüngeren, nehmen Sie das als Ihr Thema an. Aufarbeitung geht alle an!
Im Jahr 2019 ist die friedliche Revolution 30 Jahre her. Dieses Datum werden wir zum Anlass nehmen, mit Veranstaltungen und Ausstellungen daran besonders zu erinnern, weil wir uns freuen, dass diese Stadt wiedervereinigt wird, dass die Mauer sie nicht mehr trennt und dass wir alle gemeinsam Teil dieser Republik und Teil Europas sind. Das ist, glaube ich, etwas, woran man gar nicht oft genug erinnern kann und worüber wir uns 2019 besonders freuen.
2019 hat aber noch eine andere Bedeutung, und das führt uns wieder zu dem Antrag zurück: 2019 ist eine Frist, die im Stasi-Unterlagen-Gesetz für die Verwendung von Unterlagen der Staatssicherheit zur Überprüfung von Regierungsmitgliedern, Abgeordneten, leitenden Mit
arbeitern der Verwaltung gesetzt ist. Bis dahin müssen wir als Koalition, als Parlament gemeinsam mit der Stadtgesellschaft herausfinden: Wie weit sind wir eigentlich? Wie weit ist die Aufarbeitung, wie weit ist Aussöhnung gelungen? All das sind Fragen, die wir sehr aktiv und engagiert bis 2019 diskutieren müssen, um uns ein Urteil darüber zu bilden, ob wir schon so weit sind, auf solche Überprüfungen verzichten zu können, oder sie auch dann weiterhin brauchen.
Wir als Bündnis 90/Die Grünen, als Koalition wollen das machen. Und für uns steht am Anfang eines solchen Dialogs das Gespräch mit den Opfern, und diesen Dialog wollen wir neu starten. So haben wir uns das vorgenommen. Darauf freue ich mich. Es ist eine große Aufgabe, aber wir packen das an. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition versucht hier offenbar einen Befreiungsschlag,
nachdem die Causa dieses Herrn Holm, dem ehemaligen Staatssekretär, bis heute einen üblen Eindruck hinterlassen hat. Der von mir durchaus geschätzte Kollege Otto hat es letztlich auch damit begründet. Seine Rede begann mit dem Vorgang um Herrn Holm, und er sah darin dann auch die Begründung für diesen Antrag der Einsetzung des Ehrenrates.
Dieser üble Eindruck – da will ich heute mal nicht auf die Rolle des Regierenden Bürgermeisters eingehen; das würde auch wenig bringen, da er nicht anwesend ist, jedenfalls sitzt er nicht an seinem Platz. Es geht mir eher darum, dass dieser ekelhafte Versuch der Linken, mit Herrn Holm einen personifizierten Tabubruch betreiben zu wollen, jetzt in Vergessenheit gerückt werden soll. Nun will man das vergessen lassen, indem man sagt: Wir richten einen parlamentarischen Ehrenrat ein, weil wir doch einen gewissen demokratischen Konsens haben. – Na ja!
Dabei ist dann in Erinnerung zu rufen, dass es einen solchen parlamentarischen Ehrenrat nach meiner Erinnerung
seit der Wiedervereinigung stets gab, und zwar immer auf Antrag aller Fraktionen. Da ist eben schon der Unterschied: Auch hier verzichtet diese Koalition darauf, eine Gemeinsamkeit mit allen Fraktionen zu bilden, um dieses Thema mit der erforderlichen Einheit zu unterlegen. Das ist ein einmaliger Vorgang, ein unnötiger Vorgang, und er ist vollkommen unverständlich.
Es ist nur einfach, wenn Sie als Reaktion auf Ihr Fehlverhalten in der Sache Holm in diese Schubladen des Abgeordnetenhauses greifen und den nunmehr immer gleichen Antrag herausziehen, als ob nichts gewesen wäre. Wenn Ihnen tatsächlich ein gewisses Anliegen mit diesem Thema verbunden wäre, hätten Sie dieses Anliegen gleich zu Beginn der Wahlperiode gemeinsam mit allen Fraktionen formuliert.
Natürlich werden wir diesem Antrag zustimmen, so, wie wir ihm immer zugestimmt haben, wie wir ihn immer unterstützt haben. Wir hätten ihn auch gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen getragen. Das wollte aber die auf Spaltung unserer Stadt angelegte Koalition nicht.
Bei diesem Thema will ich anmerken, dass wir Christdemokraten, anders als Frau Schubert, nicht denken, dass jeder aus der ehemaligen DDR Dreck am Stecken hätte, so, wie sie es uns in ihrer sehr denkwürdigen Plenarrede vor zwei Wochen zu verstehen geben wollte. – Frau Schubert! Ich bin mir ganz sicher – und das gestehe ich Ihnen zu –, dass Sie mehr Erfahrungen im Umgang mit diktaturbelasteten Personen haben als ich.
Schließlich kann dieser Antrag keine ehrliche Lehre aus der Sache Holm sein, weil sich der Antrag nur darauf beschränkt, die Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu überprüfen. Darum ist das Anliegen der FDP-Fraktion vollkommen richtig, den Senat zu verpflichten, den Regierenden Bürgermeister zu verpflichten, dass auch Senatoren und Staatssekretäre zu überprüfen sind. Dieses Anliegen ist richtig. Wir werden es unterstützen. Es hat sich eben leider gezeigt, dass dieses Anliegen immer noch aktuell ist. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Rissmann hat gerade gesagt, dass dieser Antrag Usus ist, deshalb kann er auch nicht verwundern. Für uns hat sich überhaupt keine inhaltliche Frage gestellt. Ich bezeichne diesen Antrag und die Einrichtung des entsprechenden Gremiums als Selbstverständlichkeit.
Wenn das aber so selbstverständlich ist und das Selbstverständnis dieses Hohen Hauses abbildet, dann ist umso unverständlicher, was Sie – und das trifft noch im größeren Maße auf die Debatte davor zu – hier an Einbringungsmechanismen und technischen Fragen überlagernd einwerfen. Das ist vor allem mit Blick auf die Würdigung der Opfer des Nationalsozialismus eher ein unwürdiger Vorgang gewesen!
Und weil ich nicht dazu neige, zu Selbstverständlichkeiten zu lange zu reden, möchte ich mit Blick auf den FDPAntrag, der schon 2002 dieses Haus befasst hat, darauf verweisen, dass sicherlich der Kollege Zillich mit unserer Rückendeckung dort auch inhaltlich noch die entsprechende Beratungsbereitschaft zusichert. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere heutige Aussprache schließt an die Debatte zum DDR-Unrecht vor 14 Tagen an. Jeder, der diese Debatte erlebt hat, hat gespürt, dass wir Zeuge eines außergewöhnlichen parlamentarischen Ereignisses geworden sind, in dessen Folge die Tage von Andrej Holm als Staatssekretär gezählt waren. Diese Debatte hat uns gezeigt, dass wir die Kraft haben können, etwas zu verändern und Gräben zu überwinden, wenn wir dies denn wollen. Das hat, so glaube ich, dem Parlamentarismus insgesamt gutgetan.
Jetzt geht es darum, die Konsequenzen aus der Causa Holm zu ziehen und sozusagen das Momentum unserer Debatte zu nutzen.
Ein zentraler Aspekt ist der Umgang mit Stasi-belasteten Personen an der Spitze des Senats, aber auch unter uns
Abgeordneten. Durch die Verknüpfung des Koalitionsantrages zur Einsetzung des parlamentarischen Ehrenrates mit dem FDP-Antrag könnte fast der Eindruck entstehen, als ob der Ehrenrat die Antwort des Senats auf die StasiKrise sein soll. Das ist er aber in keiner Weise. Der Ehrenrat fällt nach der Auffassung meiner Fraktion weit hinter die vergleichbaren Regelungen zur StasiÜberprüfung von Abgeordneten in anderen Bundesländern, beispielsweise in Sachsen oder in Thüringen, zurück. Das einzige Argument – das haben Sie auch angeführt, Herr Rissmann –, das für das sogenannte Berliner Modell spricht, ist, dass es bereits in den vergangenen Legislaturperioden praktiziert wurde.
Was aber aus unserer Sicht klar dagegen spricht, ist die Freiwilligkeit der Überprüfung, die Kompliziertheit des Verfahrens und die Unverbindlichkeit des Ergebnisses. Sollte es tatsächlich zu einem schwerwiegenden Hinweis auf Stasi-Tätigkeit kommen, wird nach dem Berliner Modell – ich zitiere –
dieses Ergebnis nebst einer Empfehlung dem Mitglied des Abgeordnetenhauses und seinem jeweiligen Fraktionsvorsitzenden mitgeteilt.