Protocol of the Session on January 26, 2017

Das kann ich nur unterstreichen. Unsere große Sorge ist aber, dass Sie in Ihrer neuen Koalition nicht die Kraft haben werden, diesen erfolgreichen Kurs durchzuhalten.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Mensch! Wir haben damit angefangen. Da waren Sie noch gar nicht dabei! Da haben Sie noch Schulden gemacht!]

Und wie Sie das SIWA-Gesetz – oder Nirwana oder SIWANA oder wie immer Sie das bezeichnen wollen – verändern, um nicht zu sagen verunstalten, ist ein erster düsterer Vorgeschmack auf die haushaltspolitische Trendwende, die uns hier bevorsteht.

Denn das, was wir richtigerweise in der großen Koalition gemacht haben, nachdem der finanzielle Spielraum dafür da war, war, dafür zu sorgen, dass Schulden abgebaut werden und dass investiert wird. Das haben wir gleichrangig gesehen, und das war, glaube ich, auch richtig so in den fünf Jahren, in denen wir das gemacht haben. Und wir haben Haushaltsüberschüsse erzielt und eine entsprechende Rücklage aufgebaut. Die steht zur Verfügung. Und durch den Jahresabschluss 2016 haben Sie noch einmal einen weitaus größeren Spielraum.

Wenn Sie das Jahrzehnt der Investitionen einläuten wollen, so hoffe ich nicht, dass Sie damit meinen, Sie werden zehn Jahre brauchen, bis Sie das Geld ausgegeben haben. Denn das ist an dieser Stelle unser größtes Problem, dass die Gelder da sind, aber Bürokratisierung, Vergabe und Mittelabfluss ein Problem darstellen. Dazu sagen Sie übrigens nichts, weder in diesem Gesetz noch an anderer Stelle. Das ist Punkt eins, den wir kritisieren.

Nun haben Sie durchaus recht, wenn Sie sagen, Sie wollen diesen Nachhaltigkeitsfonds einführen, denn das ist etwas, was wir auch in der letzten Wahlperiode diskutiert haben, was der Rechnungshof anmahnt und wo wir in der Tat auch sehen, dass es notwendig ist. Hier bleiben Sie aber bezüglich der Regularien sehr im Unklaren. Denn zum einen geht es darum festzustellen, wann ein Fall eingetreten ist, der die Entnahme aus der Rücklage erfordert. Zweitens sind die Verfahrensweisen zur Entnahme zu erklären. Zu all dem sagen Sie nichts. Das ist aus unserer Sicht an Ihrem Gesetz stark kritikwürdig.

Dann haben Sie sich, was die Aufteilung angeht, von dem Prinzip der Schuldenreduzierung verabschiedet. Sie gehen auf einen angesichts der finanziellen Möglichkeiten symbolischen Betrag herunter und geben quasi damit substanziell das Thema Schuldentilgung auf. Dass es aber möglich ist, auch hier in einem größeren Umfang zu tilgen, haben wir in den letzten 5 Jahren gezeigt. 2011 hatte das Land Berlin 63 Milliarden Euro Schulden. Jetzt, im Jahr 2017, sind wir bei etwas mehr als 58 Milliarden Euro.

[Steffen Zillich (LINKE): Aus Versehen! Weil Sie sich verrechnet haben!]

Hier sehen Sie, dass Möglichkeiten bestehen, die man auch nutzen kann. Das haben Sie nicht gemacht. Stattdessen räumen Sie sich Spielräume für rot-rot-grüne Lieblingsprojekte ein wie z. B. einen üppigen Griff in den SIWA-Topf in Höhe von rund 150 Millionen Euro – so hören wir es jedenfalls – für Ihr Spielzeug Stadtwerke. Das sind keine Investitionen in die wachsende Stadt. Das sind Investitionen in die schrumpfende Glaubwürdigkeit Ihrer Koalition!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Den Anspruch, den Haushalt weiter in Ordnung zu bringen, geben Sie hiermit faktisch auf. Sie bedienen sich aus

(Torsten Hofer)

den gefüllten Töpfen, um Ihre politisch mühsam ausgehandelten Kompromisse in die Realität umzusetzen. Das wird am Ende noch nicht einmal funktionieren, denn ich glaube, Sie werden sich auf der Strecke im Detail völlig verheddern. Dabei wird nicht viel herumkommen. Schade ist es nur, dass die Schuldentilgung auf der Strecke bleibt und dass die Investitionen nicht im größeren Umfang zügig abfließen und damit den dringend erforderlichen Abbau des Sanierungsstaus in dieser Stadt ein bisschen zu beseitigen helfen.

Insofern bedauern wir es, dass Sie unseren an der Stelle sehr konstruktiven und sachlichen Änderungsantrag im Hauptausschuss abgelehnt haben und bei Ihrem Gesetz bleiben. Ich glaube, wir werden mehr als einmal die Gelegenheit dazu haben, Ihnen deutlich zu machen, dass Sie sich hier haushalts- und finanzpolitisch auf einem Irrweg befinden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Zillich das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann die Redebeiträge zum Teil schon mitsingen, aber gut! – Zum Grundkonflikt, um den es offensichtlich bei der Änderung im SIWA-Gesetz geht und der auch die zentrale Änderung des SIWA-Gesetzes ist, nämlich die Frage des Spannungsverhältnisses: Wofür geben wir Geld bei Überschüssen aus, für Tilgung oder für Investitionen? – Tilgung und Investitionen, das sind beides gute Sachen. Für beides braucht man Geld, und beide kosten Geld. Man muss sich entscheiden, wofür man es ausgibt. Man kann sagen, es ist uns beides gleich wichtig. Da macht man 50:50. Die Koalition hat sich verabredet zu sagen: Für uns sind Investitionen in dieser Wahlperiode das entscheidende Thema, Investitionen in die Zukunft der Stadt und Investitionen in die bauliche Infrastruktur, Investitionen in preiswerten Wohnraum. Und deswegen setzen wir die Priorität an dieser Stelle auf Investitionen. Das ist der Sinn dieser Veranstaltung, und deswegen ist es ganz klar die Botschaft dieses Gesetzes.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Dass man damit den Pfad der haushaltspolitischen Tugend verließe, ist Quatsch, denn worüber reden wir an dieser Stelle? – Wir reden über Überschüsse. Wir reden nicht über Neuverschuldung oder irgendetwas, sondern wir reden darüber, wie wir Überschüsse verwenden wollen.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Katrin Möller (LINKE)]

Selbstverständlich wollen wir diese Überschüsse so binden, dass sie langfristig für Investitionen zur Verfügung stehen. Dass das mit dem SIWA-Gesetz alter Prägung, das Sie in großen Teilen mit einer Ausnahme, auf die ich gleich noch komme, wiederherstellen wollen, alles so glatt und ohne Holpereien in der vergangenen Wahlperiode ablief, ist auch nicht so. Messerscharf waren die Abgrenzungen mit dem Verbot von Kofinanzierungen und Ähnlichem auch nicht. Das brauchte im Einzelfall viel Argumentation, weshalb das eine dazu gehörte und das andere nicht. Deshalb ist das Herstellen des Status quo nicht gleichzusetzen mit dem Gesetz der politischen Klarheit. Aber eines können wir Ihnen durchaus versprechen: Eines werden wir in der Praxis von SIWA oder jetzt SIWANA ändern: Das wird nicht mehr die Verteilung von Tischtennisplatten nach Wahlkreisen sein,

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

sondern wir werden die investiven Ausgaben entsprechend der haushaltspolitischen Prioritäten, die wir auch in den Haushaltsplänen darlegen, machen, und wir werden versuchen, sie abgestimmt zu beplanen. Insofern wird es hier keinen Platz geben für: Einen für dich und einen für mich – und mit einer Zweidrittelmehrheit noch einen für die CDU, wie Sie es gern ändern wollten. Nein, das wird nicht das Verfahren sein, sondern das Verfahren wird sein, langfristig zu planen, einen ordentlichen Planungsvorlauf zu schaffen und langfristige Investitionsprogramme, abgestimmt zwischen SIWA und Haushalt, hinzubekommen, damit wir den unbestreitbaren Investitionsstau, die unbestreitbaren Notwendigkeiten in dieser Stadt tatsächlich bewältigen können, damit die Bürgerinnen und Bürger ihren Anspruch verwirklicht sehen können, auf ein funktionierendes Gemeinwesen zurückgreifen zu können. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt Frau Dr. Brinker das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, gestatten Sie mir ein paar Worte zu Frau Schillhaneck. Ich hoffe, sie ist im Saal, ich sehe sie gerade nicht, die in ihrer letzten Debatte die Abstraktion zu ihrem persönlichen Dogma gemacht hat. Liebe Frau Schillhaneck! Abstraktion ist schön und gut, allerdings haben die Grünen ein besonderes Talent dafür entwickelt, bei so viel Abstraktion die Realität zu vergessen.

[Beifall bei der AfD]

(Christian Goiny)

Anders lassen sich die politischen Prioritäten der Grünen wie Unisextoiletten, Knastrestaurants, Katzensteuer usw. nicht mehr erklären.

Kommen wir zur Realität, zur vorliegenden Beschlussempfehlung, zum SIWA-Gesetz, das wir bereits in der letzten Hauptausschusssitzung abgelehnt hatten.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE]

Nach vorliegendem Entwurf sollen sage und schreibe 80 Millionen Euro in die Schuldentilgung fließen.

[Torsten Schneider (SPD): Mindestens!]

Mit Verlaub: Wenn wir zukünftig 80 Millionen Euro pro Jahr tilgen, brauchen wir bei 59 Milliarden Euro Schuldenstand mehr als 700 Jahre zur Tilgung. Das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein.

[Beifall bei der AfD]

Moment! Dazu kommen wir gleich noch. – Der Berliner Schuldenstand von 59 Milliarden Euro muss zwingend abgebaut werden, wenn Berlin nicht in absehbarer Zeit vor dem finanziellen Kollaps stehen will. Auch wenn derzeit der Anschein erweckt wird, Berlin würde im Geld schwimmen, so werden wir uns auf andere Zeiten einstellen müssen, und zwar auf die explosive Mischung von geringeren Einnahmen und höheren Zinsen. Wie setzt sich dieser gigantische Überschuss von 1,25 Milliarden Euro zusammen? Wie nachhaltig ist das? – Der „Tagesspiegel“ – anscheinend das Hausblatt des Finanzsenators – klärte kürzlich hierzu etwas auf: Berlin profitiert aktuell, erstens, vom einmalig niedrigen Zinsniveau, 276 Millionen Euro weniger Zinszahlungen als geplant. – Zweitens: von einer einmaligen Rückzahlung der Versorgungsanstalt des Bundes von 330 Millionen Euro. – Drittens: von einer höheren Umsatzsteuer als Bundeshilfe für Flüchtlinge in Höhe von 395 Millionen Euro. Das bedeutet, fast 1 Milliarde Euro Überschuss sind einer Ausnahmesituation geschuldet. Deshalb ist es relevant und dringend notwendig, die Tilgungssumme deutlich zu erhöhen oder einen noch größeren Teil dem Nachhaltigkeitsfonds zuzuführen.

Die Schulden und insbesondere deren Zinsen sind die Steuerzahlungen von morgen, wie der Kollege vorhin richtig gesagt hat. Diese Lasten werden unseren Kindern und Kindeskindern aufgebürdet. Das kann und darf nicht sein. Selbst bei einer angenommenen Tilgung von 500 Millionen Euro pro Jahr, also der Hälfte des Überschusses, brauchte es knapp 120 Jahre bis zur vollständigen Schuldentilgung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand hier im Saal erleben wird.

[Torsten Schneider (SPD): Welches Zeitfenster haben Sie denn?]

Konkret zum SIWA und SIWANA: Aus unserer Sicht entspricht das im Hauptausschuss von Rot-Rot-Grün durchgedrückte SIWA-Änderungsgesetz nicht den Maßstäben ordentlichen Haushaltens. Solange unter § 2 des

SIWA-Gesetzes keine Zweckbindung mehr besteht, für welche Projekte Geld tatsächlich ausgegeben werden kann, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wir fordern deshalb die Rückkehr zur bisherigen Regelung. Demnach soll Geld explizit für Schulen, Kindergärten, Studentenwohnungen, Verkehrsprojekte usw. eingesetzt werden, und in Anbetracht der aktuellen Situation muss das Geld auch in die Sicherheitsinfrastruktur investiert werden können. Stattdessen holt sich Rot-Rot-Grün hier einen Blankoscheck ab. Das Trugbild vom investierenden und gleichzeitig konsolidierenden Senat soll damit weiter aufrechterhalten werden. Insbesondere vor der letzten Wahl haben Sie damit richtig in die Trickkiste gegriffen, und nun versuchen Sie, die Spuren zu verwischen.

Es sei nochmals an die inneren Darlehen erinnert. In § 2 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes steht Folgendes – ich zitiere –:

Die Senatsverwaltung für Finanzen wird ermächtigt, den im Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt vorhandenen Geldbestand anstelle sonst notwendiger Kreditaufnahmen als inneres Darlehen in Anspruch zu nehmen.

Nun raten Sie mal, warum in den vergangenen Jahren fast nichts investiert wurde und trotz unerwarteter Milliardenkosten für Flüchtlinge und Immigranten wahlkampfwirksam konsolidiert werden konnte. – Genau! Es wurden bis zu 500 Millionen Euro innere Darlehen aus dem SIWA an den Senat, wahrscheinlich für Flüchtlingshilfe, vergeben, anstatt die Gelder für den vorbestimmten Zweck zu investieren. Und nun ist dieser Gesetzesantrag ein nahezu perfektes Instrument, die Zweckentfremdung der SIWAInvestitionsgelder zu verstetigen und zukünftig auch noch die Einhaltung der Schuldenbremse umgehen zu können. SIWA und SIWANA – es tut mir leid – als Mogelpackung der Altparteien – mehr oder weniger ist das nicht.

[Beifall bei der AfD – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Wir gehen auf griechische Verhältnisse in Berlin zu. Nicht mit uns! Wir fordern Alternativen. – Vielen Dank!

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Schillhaneck das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Das ist nicht einlassungsfähig!]

Das könnte das Problem sein. In der Tat. – Ich bin mir nicht ganz sicher. Sind das alternative Wahrheiten? Ist

(Dr. Kristin Brinker)