Protocol of the Session on November 14, 2019

Wir haben auch noch beschlossen, dass wir in Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum NetzDG, der zu den Löschpflichten einiges gesagt hat, erwarten, dass das umgesetzt wird. Also dass bei wortgleichen rechtswidrigen Inhalten, wenn man sie einmal gesperrt hat und sie dann fast wortgleich oder

identisch wiederzufinden sind, sich die Sperrung auch darauf beziehen muss. Auch bei inhaltsgleichen rechtswidrigen Posts soll das erweitert werden. Das war Gegenstand unserer Beratung und entsprechender Beschlussfassungen. Der Ball liegt jetzt im Feld der Bundesregierung, die dann diese Pflichten, die sie konstituieren will, näher wird ausgestalten müssen. Wir sind gespannt, werden uns an der Debatte beteiligen, insbesondere aufgrund der Erfahrungen, die wir vonseiten der Staatsanwaltschaft, vonseiten der Amtsanwaltschaft bei der Bekämpfung von Hate-Speech haben. Alle 16 Justizminister und Justizministerinnen sind sich einig, dass das ein wichtiges Thema ist, wir deutlich machen müssen, dass der Rechtsstaat auch im Netz gilt, und dass die generalpräventive Wirkung von Strafen nur dann erzielt werden kann, wenn es auch entsprechende Verfolgung gibt.

Frau Gennburg, Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Justizsenator! – Wie passend, dass ich gerade den ersten Shitstorm in meinem Leben habe. – Ich habe die Nachfrage, ob es schon Pläne für OnlineBeratungsstellen für Opfer von Hasskriminalität im Internet gibt, insbesondere für Frauen, die in verstärkter Weise davon betroffen sind. – Vielen Dank!

[Marcel Luthe (FDP): Und das, wo es sonst immer um Gleichstellung geht!]

Herr Senator!

Sie sprechen ein ganz wichtiges Thema an. Es war Thema der Beratungen und Thema der Beschlussfassung: Wir wollen die Beratungsmöglichkeiten für Opfer und Opfergruppen deutlich stärken und haben deswegen die Bundesregierung gebeten, in Zusammenarbeit mit den Ländern Onlineberatungsstellen für diesen Bereich zu erwägen und ggf. einzurichten. Wie Sie richtig darauf hingewiesen haben, stehen bestimmte Gruppen besonders im Fokus. Dazu gehören insbesondere Frauen, insbesondere Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen. Da halten wir es für sinnvoll, weil die Rechtslage nicht ganz einfach ist, dass wir den Einzelnen mit Beratungsangeboten zur Seite treten. Auch vor dem Hintergrund, dass da Prozesskosten in Rede stehen, ein nicht unerhebliches Prozesskostenrisiko besteht, ist eine gute Beratung zur Verfolgung der eigenen Rechte wichtig, und auch, um einschätzen zu können, was wirksam und effektiv ist. Ich finde das richtig, und die anderen Justizminister haben

(Katalin Gennburg)

sich auch darauf verständigt, dass wir so etwas haben wollen. Wie konkret, regional, thematisch gegliedert, das haben wir im Detail noch nicht festgelegt, sondern das wird Gegenstand von Gesprächen mit dem Bundesministerium sein. Ich werde als Berliner Vertreter darauf hinweisen, dass wir so etwas benötigen. Die weiterhin erhebliche Zunahme solcher Aktivitäten im Netz zeigt, dass bisher die Maßnahmen nicht sonderlich erfolgreich waren, sodass wir da mindestens eine, wenn nicht zwei Schippen werden drauflegen müssen.

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Abgeordneten Schweikhardt. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Wie bewertet denn der Senat die qualitative Einflussnahme? Dass die Quantität zugenommen hat, entnimmt man den Medien, aber wie bewertet der Senat die qualitative Steigerung bzw. den Einfluss von Hate-Speech auf spezielle Gruppen?

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Das ist relativ schwer zu messen, auch für den Senat. Das zielt ja auf Einschüchterung. Das zielt darauf, dass man sich so, wie man sich bisher geäußert hat, in Zukunft nicht mehr äußert, eingeschüchtert ist, aufhört, sich für gesellschaftlich relevante Belange zu engagieren. All diejenigen, die sich davon beeindrucken und beeinträchtigen lassen, teilen uns das ja nicht mit. Wir gehen aber davon aus, dass genau das Zweck dieser zum Teil sehr organisiert stattfindenden Kampagnen gegen einzelne Menschen ist, und dass das durchaus auch Erfolg hat. Wir sehen insbesondere, dass es schwieriger wird, in ländlichen Regionen überhaupt noch jemanden zu finden, der beispielsweise für kommunalpolitische Ämter kandidieren mag oder – was wir auch schon hatten –, dass ehrenamtliche Bürgermeisterinnen zurückgetreten sind und gesagt haben, sie hielten das alles, diesen Hass, der ihnen entgegenschlägt, nicht mehr aus. Das sind sehr bedrückende Umstände, die uns sehr sensibel werden lassen müssen und auch noch stärker in unserem Kampf, dem entgegenzuwirken. Da geht es wirklich um Grundfragen unserer Demokratie, wenn sich niemand mehr traut zu kandidieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir deutliche Zeichen der Bekämpfung dieser Kriminalität setzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an Herrn Abgeordneten Trefzer. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich will noch einmal auf die legendäre Justizministerkonferenz zurückkommen, und zwar zum Thema Unrechtsstaat DDR. Ich frage den Senat: Was ist eigentlich die Auffassung des Senats zum Thema Unrechtsstaat DDR? War die DDR nach Auffassung des Senats ein Unrechtsstaat, ja oder nein?

[Beifall bei der AfD]

Herr Regierender Bürgermeister, Sie haben das Wort – bitte!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Sie nehmen jetzt Bezug auf die Ministerkonferenz. Insofern weiß ich nicht, ob Sie andere Antworten oder andere Ansprechpartner erwarten. Ich sage gern meine Meinung dazu.

Ich fand es sehr gut, wie wir uns in der Phase 2001/2002, als eine rot-rote Regierung gebildet wurde, mit dieser Frage ernsthaft und intensiv auseinandergesetzt haben. Es ist damals auch in der Präambel zum Koalitionsvertrag entsprechend festgehalten worden. Ein Rechtsstaat zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich jeder Bürger, jede Bürgerin ungeachtet von politischer Einflussnahme auf rechtsstaatliche Verfahren und auf eine unabhängige Justiz verlassen kann. – Das war in der DDR nicht der Fall, und insofern ist für mich auch die Schlussfolgerung ganz klar, dass die DDR eben kein Rechtsstaat war, sondern ein Unrechtsstaat; das ist ganz klar.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Heiko Melzer (CDU): Die Koalition scheint das nicht so zu sehen!]

Aber, wie gesagt, das ist die Haltung, die wir damals im Senat, und ich glaube, auch mit großer Intensität hier im Parlament diskutiert haben.

Im Rahmen unseres Mauerfalljubiläums ist mir noch einmal sehr eindrücklich deutlich geworden, dass es viele Menschen auch 30 Jahre nach dem Mauerfall sehr bewegt hat, was damals passiert und warum es passiert ist. Es sind Menschen auf die Straße gegangen, die für Presse- und Meinungsfreiheit demonstriert haben, die für freies Reisen, aber auch für freie Wahlen demonstriert haben. – Alles das war eben nicht der Fall, und alles das ist etwas,

(Senator Dr. Dirk Behrendt)

was heute die Grundlage unseres Zusammenlebens bildet: genau diese Rechtsstaatlichkeit, genau diese demokratischen Werte. Genau das unterscheidet uns von der DDR; das ist genau das, wofür die Menschen demonstriert haben.

[Allgemeiner Beifall]

Herr Trefzer! Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage – bitte!

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister, für diese Klarstellung! Wenn das die Haltung des Senats ist, frage ich Sie: Warum hat sich der Justizsenator dann in dieser Sache auf der Justizministerkonferenz enthalten?

Herr Senator Behrendt, bitte schön!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Ich finde, dass zu Fragen, wie man historische Prozesse einzuschätzen hat, wie man sich freut über den 9. November, den Jahrestag, die Gemeinsamkeit, die Einigkeit der Demokraten gesucht werden sollte. Das ist ja in der letzten Plenarsitzung nicht gelungen

Auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister waren wir erstaunt, überrascht, dass entgegen der sonstigen Gepflogenheiten – wir haben sehr viel zeitlichen Vorlauf mit Vorkonferenzen auf Fachebene, Staatssekretärskonferenz und Konferenz der Ministerinnen und Minister – von Seiten der B-Seite, die also den Antrag am Ende des Tages stellten und auf die Tagesordnung stimmten, niemals das Gespräch gesucht worden, angekündigt worden ist, dass man beabsichtigt, zum 9. November – der Jahrestag kam ja nicht ganz überraschend – eine gemeinsame Resolution zu machen, sondern man hat entgegen den sonstigen Gepflogenheiten dieses Gespräch nicht gesucht, also nicht die Gemeinsamkeit in den Vordergrund gestellt, sondern hat einen eigenen Antrag auf die Tagesordnung gestimmt und signalisiert, dass man den so durchstimmen wolle.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Ja, das war so! Ich muss Ihnen das doch ein bisschen erklären!

[Zurufe von der AfD]

Die Frage ist, warum ich mich enthalten habe: Genau darum ging es, dass wir mit diesem Verfahren, dass es keine gemeinsame Erklärung zum 9. November war –

was ich sehr begrüßt hätte –, sondern eine einseitige. Darum haben Hamburg, Bremen und Berlin sich enthalten; Brandenburg hat anders abgestimmt und das auch begründet. Uns ging es darum, dass dieses Verfahren nicht zur Regel werden sollte. Das können Sie jetzt nachvollziehbar finden oder nicht nachvollziehbar finden.

[Zuruf von der AfD]

Das war der Grund für mein Abstimmungsverhalten. Ich hätte mir gewünscht, dass man eine gemeinsame Erklärung dort im üblichen Verfahren erarbeitet hätte, und die hätte die gesamten Gesichtspunkte, die auch der Regierende Bürgermeister angesprochen hat, enthalten können. Dazu ist es nicht gekommen, und das bedaure ich auch heute noch.

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Abgeordneten Evers – bitte schön!

Vielen Dank! – Völlig unabhängig von der Frage, warum seitens der A-Seite keine solche Initiative ergriffen wurde,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

interessiert mich inhaltlich aber schon, ob auch der Justizsenator die vom Regierenden Bürgermeister zum Ausdruck gebrachte Haltung zu der Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat ist, teilt: ja oder nein.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Herr Senator Behrendt!

Ich habe dem, was der Regierende Bürgermeister gesagt hat, nichts hinzuzufügen, und teile diese Auffassung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Die 60 Minuten der Fragestunde sind um. – Gestatten Sie mir an der Stelle noch eine Ausführung, weil es Irritationen gegeben hat: Auch in der spontanen Fragestunde zählt das, was der Herr Präsident vorhin ausgeführt hat: Erst wenn Ausführungen des Senats vorliegen, sind Nachfragen möglich. Alle vorhergehenden Meldungen werden hier von uns automatisch gelöscht. – So weit zur Fragestunde heute.

Tagesordnungspunkt 3 steht auf der Konsensliste.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Wir kommen nun zu