Würden sich die Menschen mit Bedacht und Rücksicht verhalten, gäbe es heute keine Notwendigkeit, einen Antrag für den Verbot von Feuerwerk zu beraten.
Die Berlinerinnen und Berliner erleben seit Jahren, dass es keine Schmerzgrenze mehr gibt. Böller und Raketen werden zunehmend nicht mehr sachgemäß gebraucht, oft mitten in Menschenmengen gezündet. In der Innenstadt sind so viele Menschen auf der Straße, dass Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Das gilt ausdrücklich eben nicht nur für die Straße des 17. Juni und das Brandenburger Tor. Es gibt viele Verletzte und Schäden an Gebäuden und Autos, manchmal sogar in Millionenhöhe. Teilweise berichten Anwohner von kriegsähnlichen Zuständen. Dieses ist völlig inakzeptabel.
Berlin ist extrem an Silvester, und die Menschen nehmen mit ihrer Böllerei einfach keine Rücksicht mehr auf andere. Es geht darum, allen Menschen in Berlin wieder einen freudigen Jahreswechsel zu ermöglichen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist längst für ein Böllerverbot.
Herr Krestel! Wer sich das einmal in benachbarten Demokratien – Sie sind sowieso ein klimapolitischer Geisterfahrer, das habe ich schon heute Vormittag erlebt –
anschaut, in Paris zum Beispiel oder in Frankreich insgesamt, kann sagen, dass es mit dem Feuerwerk dort hervorragend klappt. Ich kann nicht feststellen, dass es den Leuten dort nicht gut geht, sondern ganz im Gegenteil, sie genießen das.
Mit dem heute vorliegenden Antrag auf Drucksache 18/1526 fordert die Koalition den Senat auf, die Berliner Bevölkerung vor dieser enormen Lärm-, Abgas- und Feinstaubbelastung und Lebensgefahr, die durch Feuerwerk verursacht wird, zu schützen. Wir wollen jetzt handeln, daher erwarte ich vom Innensenator, dass zusätzlich zu den drei zu vorhandenen Verbotszonen noch andere Bereiche in der Stadt als feuerwerksfreie Zone ausgewiesen werden, aus meiner Sicht mindestens die Sonnenallee, der Herrmannplatz in Neukölln und das Märkische Viertel. Orte wie die Schönhauser Allee, die Gropiusstadt, der Südstern und der Breitenbachplatz sollten aus meiner Sicht auch böllerfrei werden. Dies muss dann im Einzelfall entsprechend geprüft werden. Ich persönlich kann mir auch ein komplettes Verbot von Feuerwerk in einer Verbotszone innerhalb des S-Bahn-Rings vorstellen.
Der Bund ist in der Pflicht, da, wo die Bundesregelungen zu lax geschrieben sind, nachzubessern. Die Erlaubnis für privates Feuerwerk muss stark zurückgenommen werden. Raketenbatterien und besonders lautes Knallwerk sollten nicht mehr verkauft werden, und der Zeitraum für den Verkauf muss verkürzt werden. Wer sich einmal den ganzen Onlinehandel ansieht, der direkt aus Polen hinüberschwappt, weiß, worüber man noch reden muss.
Dann kommen wir, weil wir heute die Klimadebatte haben, auch noch einmal zum Klima. Laut Umweltbundesamt werden jährlich fast 5 000 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Diese Menge entspricht etwa 17 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Wir können nicht die Autofahrer mit Fahrverboten überziehen und beim Feuerwerk beide Augen zudrücken. Manche Debatte könnte man sich sparen, indem man für Silvester andere Regelungen trifft. Ich möchte, dass alle Berlinerinnen und Berliner Freude und Sicherheit am Jahreswechsel haben und nicht Wahnsinn und Angst regieren. In dem Sinne bitten wir um Zustimmung zum Antrag der Koalition, und ich freue mich jetzt schon, Herr Dregger, wie Sie dies jetzt entsprechend unterstützen. – Vielen Dank!
[Daniel Buchholz (SPD): Die Stunde der Wahrheit! – Weitere Zurufe von Oliver Friederici (CDU) und Holger Krestel (FDP)]
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Silvester 2017 sind acht Rettungskräfte der Berliner Feuerwehr verletzt worden, 21 Polizistinnen und Polizisten. Es gab 57 Angriffe auf Fahrzeuge der Rettungskräfte und drei Angriffe auf Fahrzeuge der Berliner Polizei. Das war Silvester 2017. Wir haben damals daraufhin gesagt, dass der Senat mit einer Gefahrenabwehrverordnung nach dem ASOG dafür Sorge tragen muss, dass genau an diesen Stellen, an denen diese Angriffe erfolgt sind, das Abbrennen von derartigen gefährlichen Gegenständen, Böllern und ähnlichem, untersagt wird. Das war Anfang 2018. Die Gewerkschaft der Feuerwehr hat dann im November 2018 den Innensenator gebeten, der Feuerwehr bei der bevorstehenden Silvesterfeier Polizeischutz zur Seite zu stellen, um die Feuerwehr vor Angriffen zu schützen. Passiert ist nichts damals. Meine Damen und Herren, ich muss das hier in aller Deutlichkeit sagen, und
ich hoffe Sie stimmen mir zu: Angriffe auf unsere Polizei und unsere Rettungskräfte sind abscheulich.
Sie sind Angriffe auf uns alle, auf jeden Bürger unseres Landes, denn Polizei und Rettungskräfte schützen uns alle, sie halten ihren Kopf für uns alle hin. Dafür gebührt ihnen nicht nur unser Dank, sondern auch unser Schutz.
Dann kam Silvester 2018. Passiert war nichts. Bilanz Silvester 2018: neun verletzte Rettungskräfte der Feuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehren und des ArbeiterSamariter-Bundes, 45 verletzte Polizeibeamte, 41 angegriffene Rettungsfahrzeuge von Feuerwehr und Rettungskräften, acht angegriffene Polizeifahrzeuge. Der Bund, die Union und die SPD auf Bundesebene, haben reagiert, sie haben Angriffe auf Polizeibeamte, aber auch auf Feuerwehrleute unter Strafe gestellt in den §§ 113 ff. Strafgesetzbuch, und das war richtig so. Das führte dazu, dass nach dem Silvesterfest 2018 Ermittlungen aufgenommen werden konnten wegen 25 Widerstandshandlungen und 60 tätlichen Angriffen. Das war schon einmal ein Anfang.
Ich freue mich, dass sich die Koalition endlich des Themas angenommen hat. Wir haben unter anderem auch im Innenausschuss darüber beraten. Es ist erfreulich, dass jetzt so langsam die Erkenntnis wacht, dass auch mit Verordnungen gearbeitet werden muss. Was ich aber an Ihrer Beschlussvorlage nicht verstehe, ist, was Sie damit meinen, Maßnahmen zu ergreifen. Das ist außerordentlich unpräzise. Ich sage Ihnen, was nötig ist: Sie müssen eine Gefahrenabwehrverordnung nach dem ASOG erlassen, und Sie müssen zum Gegenstand des Böllerverbots genau die Bereiche machen, die dann auch Silvester 2018 betroffen waren. Denn wir müssen reagieren. Bei den Tätern muss auch deutlich werden, dass eine Reaktion erfolgt. Welche Bereiche in der Stadt das sind, können Sie in meiner Schriftlichen Anfrage vom 3. Januar 2019 nachlesen. Darin steht klar und deutlich: im Bereich der Polizeidirektion 1 war das in der Kastanienallee, Schönhauser Allee, Danziger Straße, Pappelallee, Eberswalder Straße. Dort waren hauptsächlich, schwerpunktmäßig die Angriffe. Im Bereich der Direktion 3: rund um das Brandenburger Tor, Bad- und Gleimstraße sowie der Bereich des Hauptbahnhofs. Direktion 4: Potsdamer Straße, Pallasstraße, Goebenstraße und der angrenzende Steinmetz-Kiez. Und im Bereich der Polizeidirektion 5: Wrangelstraße und Hermannstraße.
Ich fordere Sie, sehr geehrter Herr Innensenator, und den Senat auf: Erlassen Sie eine Gefahrenabwehrverordnung nach dem ASOG! Das ist ein Mittel, das Ihnen bereits heute zur Verfügung steht. Sie brauchen keine Bundesratsinitiative. Sie brauchen keine Fingerzeige auf andere Akteure wie Bund oder andere, sondern Sie selbst sind handlungspflichtig.
[Beifall bei der CDU – Dr. Michael Efler (LINKE): Herr Dregger! Lesen Sie doch unseren Antrag! Da steht das doch drin!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Silvester ist durchaus etwas Schönes. Die meisten Menschen denken an ihre Leistungen, Errungenschaften und an die schönsten Momente des Jahres zurück. Im Kreise der Familie oder mit Freunden wird dann auf ein frohes und glückliches neues Jahr angestoßen – so weit, so gut. Doch der Jahreswechsel ist leider nicht für alle Menschen ein Grund zum Feiern. Immer wieder verlieren Kinder ihre Hände, ihr Augenlicht, oder holen sich schlimmste Verbrennungen, weil sie in den Besitz von Feuerwerkskörpern gelangen. Immer wieder werden unsere Rettungskräfte zur Zielscheibe von Chaoten, die sie und ihre Einsatzfahrzeuge attackieren. Immer wieder muss die Natur schwerste Rückschläge hinnehmen, weil Menschen ihre Lust an der Silvesterknallerei befriedigen wollen. Immer wieder brennen Wohnungen und ganze Gebäude nieder, weil eine Rakete auf dem Balkon oder durch ein offenes Fenster einschlägt. Und immer wieder leiden Alte, Schwache, Traumatisierte, Kranke und allen voran Säuglinge unter den immensen Lärm- und Luftbelastungen. Wussten Sie, dass die Luftbelastung durch Feuerwerk zu Silvester etwa 15 Prozent dessen ausmacht, was jährlich im Straßenverkehr ausgestoßen wird?
Auch für die Tierwelt ist die Silvesternacht nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig: Tausende tote Vögel und aufgeschreckte Haus- und Zootiere sind die Folge. All diese Argumente zeigen doch, dass etwas getan werden muss – und die Berliner Koalitionsfraktionen haben gehandelt.
Ich freue mich sehr, dass die Koalition mit diesem Antrag einen wichtigen ersten Schritt mit Signalwirkung in die gesamte Bundesrepublik geht. Mit der Verabschiedung dieses Antrags werden Zonen zur Gefahrenabwehr eingerichtet, in denen die Verwendung der gefährlichen Pyrotechnik untersagt ist.
Damit haben wir zum anstehenden Jahreswechsel zumindest die Sicherheit, dass es an bisherigen wortwörtlichen Brennpunkten sicherer und ruhiger wird.
Darüber hinaus werden die Berlinerinnen und Berliner durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, Herr Dregger, auf mögliche Gefahren durch Böller sensibilisiert. Diese vorbeugende Maßnahme wird gewiss ebenfalls dazu beitragen, dass die negativen Ausmaße der Silvesterknallerei verringert werden können.
Darüber hinaus wird der Senat im Dialog mit Handelsvertretern darauf hinwirken, dass insbesondere die besonders lauten, schädlichen und gefährlichen Böller aus dem Sortiment genommen werden können.
Weiterhin wird es eine Bundesratsinitiative, was mir ganz wichtig ist, des Landes Berlin geben. Hierin wird in enger Abstimmung mit anderen Bundesländern der Versuch unternommen, im Wege einer Öffnungsklausel den Kommunen die Entscheidungsgewalt darüber zu geben, ob sie Pyrotechnik in ihrer Ortschaft haben wollen oder nicht. Das heißt, jede Gemeinde entscheidet selbst, ob sie an dem Böllerwahnsinn teilnehmen will oder aber Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden schützt. In diesem Sinne ist dieser Antrag auf jeden Fall ein wichtiger Meilenstein im Kampf für den Schutz der Lebeweisen, der Natur und der Infrastruktur. Deshalb bitte ich Sie alle um Ihre Zustimmung! – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Liebe Gäste! Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden schützen – wer will dem denn widersprechen? Das ist doch etwas, das man absolut unterstützen müsste. Aber woher kommt es denn, dass man Menschen, Tiere und Gebäude auf einmal vor Feuerwerksschäden schützen muss?
Hat es in den letzten paar Jahren eine Entwicklung gegeben, dass es in der bundesdeutschen Bevölkerung auf einmal einen Anstieg der Zahl an feuerwerksaffinen Menschen gibt?
Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition. Einen Anstieg gab es in der Tat, und dieser Anstieg hat übrigens eine ganz andere Ursache. Ich weiß nicht, wie man so einen Antrag definiert. Ich würde gar nicht von einem Schaufensterantrag sprechen.
Nennen wir ihn mal einen Parallelthemaantrag. Warum? – Was stand denn in der Zeitungen der letzten und vorletzten Jahreswechsel? Was war denn das Problem auch in den besagten Verbotszonen, die jetzt eingerichtet werden: Schöneberg, Pallasstraße; wir haben über den Hermannplatz gesprochen. In Neukölln kennen wir die Klientel, die dort ihr Unwesen treibt. Was ist mit dem Alexanderplatz, der dort mit zur Beratung stand? Wie waren die Schlagzeilen, meine Damen und Herren von der Koalition? Waren die Schlagzeilen: Verängstigte Hunde und Wellensittiche trauen sich nicht mehr raus?
Waren die Schlagzeilen: Wir müssen Seniorinnen, Senioren und Säuglinge vor Feinstaubbelastung schützen? – Nein, die Schlagzeilen waren anders. Sie lauteten: Nach Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte; massive und gezielte Angriffe auf Polizei und Feuerwehr; größere Gruppen junger Männer liefern sich an Silvester Straßenschlachten mit Feuerwehr, Rettungskräften und Polizisten. –
Das hätte in Ihrem Antrag sein müssen und nicht irgendwelche Parallelthematiken. Benennen Sie Ross und Reiter!