Protocol of the Session on August 15, 2019

Da nützt es auch nichts zu sagen: Wir haben ja ein Rücktrittsrecht. Denn wer in ein solches Abenteuer stürzt, geht eine Verbindlichkeit durch einen Verwaltungsakt ein.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Das ist nicht zu reparieren, jedenfalls nicht mit der SPDFraktion. Wir fordern den Senat ausdrücklich auf – das habe ich im Hauptausschuss schon einmal gesagt –, hier zu einer anderen, zu einer politischen Lösung im Sinne der Mieterinnen und Mieter zu kommen. Aber diese Altfälle werden nicht mit unserer Unterstützung legitimiert. Sie würden ein hohes Aufklärungsinteresse dieses Parlaments provozieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der CDU, der AfD und der FDP – Kurt Wansner (CDU): Da kann der Herr Behrendt aber nicht lachen!]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Brinker das Wort.

Sehr geehrter Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schneider! Respekt für diese Rede und für die Ansicht, die Sie uns heute übermittelt

(Torsten Schneider)

haben. Das hätte ich, ehrlich gesagt, in dieser Deutlichkeit nicht noch einmal erwartet. Sie haben ja schon im Hauptausschuss angekündigt, dass Sie wie ein Panzer durch die Senatsverwaltung rollen wollen. Darauf bin ich gespannt.

[Beifall bei der AfD, der CDU und der FDP]

Wir haben den Antrag der CDU heute um zwei weitere Objekte ergänzt, die inzwischen auch den Weg zur DIESE eG gefunden haben. Die CDU hat ihren Antrag wiederum auch noch einmal um eine allgemeine Formulierung ergänzt. Wir werden dem auf jeden Fall zustimmen.

Warum die DIESE eG? Warum nicht andere Genossenschaften? Diese Art Immobiliengeschäfte rechnen sich weder für die landeseigenen Gesellschaften noch für normale Genossenschaften. Für die DIESE eG offenbar schon. Wie geht so etwas? Finanzarithmetik à la SED? Dröseln wir das einmal auf: Erstens: Die Genossenschaft soll einen Zuschuss von bis zu 15 Prozent des Kaufpreises bekommen. Der Finanzsenator hat die Verbindlichkeit dieser Zusage schon dementiert.

Zweitens: Die IBB, die etwa 50 Prozent der Finanzierung übernehmen soll, soll noch keine Zusagen gemacht haben.

Drittens: Bis zu 5 Prozent der Finanzierung sollen über einen Nachbarschaftsfonds aufgebracht werden. Es heißt – Zitat –:

Bei der DIESE eG können Freunde und nachbarschaftliches Umfeld kleine Beträge ab 100 Euro zinslos anlegen.

Ob das mal klappt?

Viertens: Außerdem sollen die Genossen 10 bis 15 Prozent an Eigenkapital aufbringen. Es heißt, durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen von 500 Euro pro Quadratmeter würden die Mieter zu Genossen. Das macht allein bei 50 Quadratmetern Wohnfläche schon 25 000 Euro aus. Für jeden Mieter, der sich vor Verdrängung fürchtet und in der Regel auch ohne finanziellen Rückhalt ist, dürfte das ein rechtsunsicheren Konstrukt sein. Wie soll das gehen? Wer lässt sich auf so ein Geschäft ein?

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Die meisten Betroffenen dürften dafür möglicherweise einen Kredit aufnehmen müssen. Wenn der Deal platzt oder die Kalkulation nicht aufgeht, ist das Geld der Genossen futsch. Und dann? Ähnliche Risiken geht auch der Bezirk durch Ausübung des Vorkaufsrechts ohne vorherige Prüfung der Finanzkonditionen der DIESE eG ein. Es ließe sich fast schon die Frage stellen, ob hier nicht bereits der Straftatbestand der Untreue erfüllt sein kann.

[Beifall bei der AfD]

Ich habe mal gelernt, dass zur Ausübung eines kommunalen Vorkaufsrechts zu Gunsten eines Dritten dieser das Grundstück bestimmungsgemäß zu verwenden hat. Hier wäre das der Milieuschutzes. Wenn der Begünstigte das nicht sicherstellt, ist die Kommune gehalten, es auf sich selbst oder einen anderen Dritten zu übertragen. Wie sieht denn eigentlich die Verwaltungsvereinbarung zwischen der DIESE eG und dem Bezirk aus? Es betrifft ja nicht nur Friedrichhain-Kreuzberg, jetzt ist ja auch TempelhofSchöneberg mit im Boot. Wie will man eigentlich ergebnisoffen und unvoreingenommen prüfen, ob die DIESE eG öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen darf, wenn Fördermittel Voraussetzung dafür sind, dass die Genossenschaft den Kauf überhaupt wirtschaftlich stemmen kann? Dann bringt sich der Staat durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Gunsten dieser Genossenschaft in einen unauflösbaren Konflikt, denn für den Fall, dass der Begünstigte die Finanzierung nicht hinbekommt, haftet die Kommune gemeinsam mit ihm als Gesamtschuldner. Das steht in § 27a Abs. 2 Satz 2 Baugesetzbuch.

[Beifall bei der AfD]

Zahlt die DIESE eG also nicht oder kann sie nicht zahlen, muss das Land zahlen, bzw. es kann vom Verkäufer direkt gegen das Land Berlin vollstreckt werden. Die Behauptung des grünen Baustadtrats, das Vorkaufsrecht einfach zurücknehmen zu können, ist aus unserer Sicht mehr als fragwürdig und nicht rechtssicher.

Kein Steuergeld für eine obskure Genossenschaft, die sowohl Mieter als auch Bezirke in finanzielle Harakirispiele treibt! Wir stimmen dem Antrag der CDU zu. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Dirk Stettner (CDU)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Dr. Nelken das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier ein bisschen eine zweigeteilte Debatte. Wir haben den Antrag der CDU. Das sage ich gleich am Anfang: Dieser Antrag kommt in die Ablage „dringlicher Unsinn“. – Sehr geehrte Kollegen von der CDU! Dass Sie das gemeindliche Vorkaufsrecht als Teufelszeug betrachten, ist nicht überraschend. Das gehört praktisch zu Ihrem Parteiimage.

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

Über das gemeindliche Vorkaufsrecht können wir auch gerne streiten. Aber kaum tauchen in einem frei assoziierenden Zeitungsartikel die Worte Stasi, Altkader und Seilschaften auf, dann dreht die CDU frei.

(Dr. Kristin Brinker)

[Marc Vallendar (AfD): Dann sind wir in Berlin]

Statt sich einmal über die Sachlage zu informieren, machen Sie einen hektischen Antrag, um dann reflexhaft darauf zu reagieren und zu sagen: Moment mal! Wenn es darum geht, sind wir hier die ersten. – Das ist fern der Sache, um die es hier im konkreten Zusammenhang geht.

Deswegen komme ich mal zu Ihrem Antrag, Kollegen von der CDU. Sie beantragen mit Verweis auf eine Hauptausschussvorlage, dem Senat zu untersagen, die DIESE eG zu bezuschussen. Guckt man in dieser Hauptausschussvorlage hinein, dann steht nichts davon drin. Da steht eigentlich nur, dass Haushaltsmittel im Rahmen der Genossenschaftsförderung zur Verfügung gestellt werden sollen, dass aus dem Kapitel 98 10, Titel 82016 für den Fall, dass Genossenschaftsförderung in Anspruch genommen wird, außerdem noch zusätzlich – und zwar nachrangig – ein Zuschuss gewährt werden kann. Das steht in dieser Vorlage, nichts für die DIESE eG noch sonst etwas. Es wird ja einfach ein Förderprogramm aufgestockt. Es wird die Möglichkeit geschaffen, Zuschüsse, die man bis jetzt nur an öffentliche Gesellschaften geben kann, an Dritte, an jede Genossenschaft, die sich darum bewirbt, zu geben. Also nichts von einer konkreten Genossenschaft. Das steht alles gar nicht da drin, darauf stützen sie aber Ihren Antrag.

[Beifall bei der LINKEN]

Oder anders gesagt, Kollegen von der CDU – – Und jetzt sind auch einige andere, auch die FDP, darauf eingestiegen und tun so, als könnte man in Berlin Fördermittel vergeben, ohne eine Prüfung, ob der Fördernehmer in seinem Antrag alle Bedingungen erfüllt, seinen Darlehenspflichten nachzukommen. Das ist überhaupt die Voraussetzung. Das ist die Voraussetzung einer Prüfung bei der IBB, dass Sie ein Darlehen bekommen, und erst danach wäre so ein Zuschuss überhaupt möglich. Also die Prüfung der Bonität, des Geschäftsmodells, der Finanzierung ist in jedem Fall garantiert, bevor überhaupt eine Frage des Zuschusses zustande kommt. Wenn die CDU klar bei Verstand ist, dann weiß sie, wie in Berlin die Förderung abläuft. Aber sobald es – Herr Evers hat es ja hier aufgeführt – irgendwie um Stasi oder um alte Seilschaften geht, dann vergessen Sie alles, was es in Berlin an rechtlichen Grundlagen gibt.

Zum zweiten Punkt: Der Senat soll prüfen, ob das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die DIESE eG bei dem Suchen nach Drittbewerbern bevorzugt hat. Kollegen, sagen Sie mal, was Sie für eine Vorstellung von der Realität haben! Sie glauben, dass dann, wenn der Bezirk ein Vorkaufsrecht ausüben will, außer der städtischen Gesellschaft dort die Drittbewerber Schlange stehen und jetzt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg irgendwie eine bestimmte bevorzugt. Also wissen Sie, das ist schon sehr wunderlich, was Sie hier vermeintlich über die Situation in Berlin wissen.

Und dann kommt der Clou, liebe Kollegen von der CDU! Der Clou ist nämlich, dass Sie in die Förderbedingungen zur Vergabe von Genossenschaftsförderungen praktisch eine Stasi-Überprüfung der Vorstände, und zwar nicht nur der aktuellen Vorstände, sondern der Vorstände der ganzen Vorjahre einführen wollen. Das soll Vergabekriterium für Fördermittel an Genossenschaften sein? Also besser kann man die Absage an die Genossenschaftsförderung gar nicht machen. Dass Sie dann noch sagen, sie sollen Mitgliederlisten vorlegen, ob unter ihren Genossenschaftsmitgliedern Mandatsträger sind – Sie meinen ja sicherlich nicht nur eine Partei, sondern Sie meinen ja alle Parteien, denn sonst wäre es ja nicht rechtsstaatlich –, kann alles nicht Ihr Ernst sein.

Kommen wir zum Fazit: Dieser Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist so dubios – muss ich jetzt mal sagen –, dass man ihn gleich beerdigen sollte, und ich denke, wir tun das auch heute. Aber hinter dem ganzen Problem – und das war der andere Teil der Debatte –, gibt es ja durchaus die Frage, wie wir das Vorkaufsrecht durch Dritte, durch Genossenschaften, ausüben. Da sind hier eine Reihe von wirtschaftlichen Problemen genannt worden, die gar nicht so einfach sind. Bei welchen Mieten kommen wir dann an? Welche Risiken gehen die ein? – Das sind alles ernsthafte Probleme, und da dürfte auch völlig klar sein, dass so ein Modell – es ist ja auch vorgerechnet worden – praktisch gar kein strategisches Modell für die Frage der Vorkaufsrechtsentwicklung sein kann. Aber das wollten Sie hier gar nicht diskutieren, sondern Sie wollten hier ein Bohei um Stasi und eine konkrete Genossenschaft machen. Auf dem Level wollen wir hier doch bitte nicht die Absage an die Genossenschaftsförderung betreiben. Das lehnen wir natürlich grundsätzlich ab.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Meister. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also man darf sich manchmal ein bisschen wundern. Die einen wachen zu spät auf, der andere versteht es überhaupt nicht.

[Heiterkeit]

Vielleicht sortieren wir jetzt den ganzen Vorgang noch mal, und da bin ich durchaus Herrn Schneider dankbar für seine Ausführungen dazu, worüber wir hier reden. Also wir können uns gern über die Ausübung von Vorkaufsrechten streiten. Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Das ist aber im Moment gar nicht so die Frage, sondern die Frage ist in diesem Fall, dass ein Vorkaufsrecht zugunsten der DIESE eG ausgeübt worden ist. Und die Frage ist hier auch nicht, ob es gut ist es, dass das

(Dr. Michail Nelken)

Genossenschaften machen können oder nicht – es ist ja völlig unstrittig, dass Genossenschaften an sich etwas Gutes sind –, sondern die Frage ist, ob nur deshalb, weil Genossenschaft dransteht, auch etwas Gutes drin ist. Und da darf man eben trefflich ein paar Fragen haben, nämlich genau die Fragen, die Herr Schneider aufgeworfen hat: Was heißt es denn, wenn ich am Ende des Tages bei einer Genossenschaft WBS-gebundene Wohnungen habe? Gehen sie dann als Land hin und verdrängen die Mieter, die dort wohnen, weil sie dort gar nicht wohnen dürfen, damit sie ihre belegungspflichtigen Wohnungen an die Menschen vermieten, die diese Wohnung wirklich brauchen? – Das ist doch schon mal der erste Quatsch.

[Beifall bei der FDP]

Der zweite Quatsch ist, dass Sie von einem Mietendeckel reden in Berlin, aber in Friedrichhain-Kreuzberg Ihr Baustadtrat durch die Gegend läuft und erzählt: Wir erwarten aber von ihnen solidarische, freiwillige Mieterhöhungen mindestens von vier Prozent, besonders, wenn sie gut verdienen. – Was ist denn das für ein Quatsch! Ist das der Kapitalismusobolus oder was?

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Also das nur noch mal dazu: Das heißt, dass in zehn Jahren die Mieten dort bei über zehn Euro liegen, und dafür nehmen wir das Steuergeld der Krankenschwester aus dem Märkischen Viertel in die Hand. Also das müssen Sie mir erklären. Das ist wirklich großer Blödsinn.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Natürlich ist es interessant, sich die Verflechtungen der einzelnen Personen dort bei der DIESE eG anzugucken, die ja in der Presse deutlich niedergelegt worden sind. Dass sie eine Mieterberatung haben, wo die Vorsitzende zugleich Mitglied der Genossenschaft ist, die dann die Häuser kauft, wo sie vorher die Mieterinnen und Mieter beraten hat – also da kann man schon von einer gewissen Nähe sprechen. Das darf man mal so sagen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]