Protocol of the Session on February 21, 2019

Nur ist das nicht alles, das sage ich Ihnen auch. Der Lackmustest Ihrer Verkehrssicherheitsinitiative ist nicht dieser Antrag, sondern ein Antrag der CDU-Fraktion, der heute in der Parlamentssitzung noch folgen wird. Sie müssen sich nachher bekennen, sind Sie für das neue Mittel der Verkehrssicherheit, nämlich den Bike-Flash, oder nicht. Da bin ich nachher sehr gespannt auf Ihre Ausführungen. Das ist das eine.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und wenn Sie in Berlin die Verkehrssicherheit endlich ernst nehmen wollen, dann sage ich Ihnen eins: Lösen Sie den Stau auf! Sorgen Sie dafür, dass die Nachfolgeorganisation der VLB, von der wir nicht wissen, wer es sein wird, so tätig wird, dass wir in Berlin schneller abgebaute Baustellen haben, dass die Straßensanierungen funktionieren, dass die Staus in Berlin verschwinden, damit unübersichtliche Situationen nicht mehr an der Tagesordnung sind und damit endlich die Kreuzungen umgebaut werden, aber auch, damit Vorrangschaltungen für Fußgänger und Radfahrer in dieser Stadt stattfinden und dass wir auch Einzelmaßnahmen zur Förderung des Fußgänger- und Fahrradverkehrs in Berlin einrichten.

All das, eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen, gehört in ein Verkehrssicherheitskonzept, und eben nicht ein nach I, II und ich vermute auch III durchnummerierter Sachverhalt, wie beispielsweise die Einführung eines Abbiegeassistenten, der hier sicherlich richtig am Platz ist. Aber sich immer wieder dafür abfeiern zu lassen und ein Thema, das selbstverständlich ist, in einer römischen Nummerierung mit I, II und III hier behandeln zu wollen, ist etwas zu wenig. Da gucke ich vor allem in Richtung der Sozialdemokraten. Ich freue mich, dass Sie wenigs

tens dazu in der Lage sind. Deswegen hoffe ich auch, dass die gesamte Koalition nachher beim CDU-Antrag, beim Modellprojekt und künftig der generalisierten Einführung des Bike-Flash-Verfahrens an Kreuzungen zustimmen wird. Die CDU-Fraktion sagt: Wir werden diesem Antrag, der hier vorliegt, heute zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Ronneburg das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Friederici! Sie haben ja eigentlich gerade Ihre komplette Rede völlig konterkariert, indem Sie voranstellen, dass es Ihnen wieder einmal nur um Formulierungen geht. Es geht Ihnen offensichtlich nicht um die Verkehrssicherheit, um Sachthemen, die wir heute hier debattieren, sondern nur um Gender-Gaga – Ihre Wortwahl an der Stelle. Insofern kann ich nur an Ihre Vernunft appellieren: Bitte machen Sie doch die Diskussionskultur, die wir im Ausschuss pflegen, auch hier im Parlament sichtbar! Im Ausschuss haben wir eigentlich immer einen sehr guten Konsens bei diesen Fragen. Sie ziehen hier im Plenum immer wieder eine Show ab. Das ist wirklich unerträglich.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Tino Schopf (SPD)]

Wenn Sie jetzt anfangen, Ihren Bike-Flash herauszuziehen – den hatte ich in meiner letzten Rede erwähnt –, dann ist es schön, dass Sie das aufgenommen haben und jetzt als Antrag einbringen. Super! Ich denke, wir werden auch mit dem Senat Möglichkeiten finden, dieses System zu testen, aber das wird wiederum konterkariert durch Ihren anderen Antrag, den Sie heute einbringen, die geschützten Radfahrstreifen an der Holzmarktstraße und am Dahlemer Weg nicht nur infrage zu stellen, sondern zurückzubauen. Wie ernst nehmen Sie es an der Stelle eigentlich mit der Verkehrssicherheit für Radfahrerinnen und Radfahrer, lieber Herr Friederici? Das ist unglaubwürdig. Das ist keine konsistente Verkehrssicherheitspolitik, liebe CDU.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Tino Schopf (SPD)]

Wir haben in dieser Legislatur bereits mehrere Male über das Thema Abbiegeassistenten für Lkws gesprochen. Leider hatte es – Herr Schopf hat das bereits erwähnt – eine absolute Aktualität. Gestern Vormittag gab es einen tödlichen Unfall mit einem rechtsabbiegenden Lkw. Ich will auch daran erinnern: Am 1. Februar dieses Jahres erfasste auch ein rechtsabbiegender Lkw eine Fußgän

(Karsten Woldeit)

gerin in Moabit. Sie wurde mit schweren Kopf- und Beinverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie später verstarb. Fünf Menschen starben in diesem Jahr bereits im Straßenverkehr. Ihren Hinterbliebenen gilt unser Beileid und unser Mitgefühl.

Wir müssen weiterhin alles dafür tun, das Mobilitätsgesetz umzusetzen und die darin enthaltene Umsetzung der sogenannten Vision Zero. Denn wenn wir uns 2018 ansehen, müssen wir leider feststellen, dass die Zahl der Unfälle wieder nach oben gegangen ist. Lkws mit Abbiegeassistenten wären da ein sehr wichtiger Baustein für mehr Sicherheit im dichten Straßenverkehr in Berlin, aber sicherlich werden sie den menschlichen Faktor beim Verhalten im Straßenverkehr nie nivellieren können. Deswegen möchte ich auch ausdrücklich sagen, dass wir es eigentlich auch sehr begrüßen, dass wir bisher zumindest immer einen fraktionsübergreifenden Konsens bei diesen Fragen hatten. Herr Staatssekretär Streese hatte in der Debatte im Fachausschuss bereits auf die Maßnahmen des Senats und die Pläne für BVG, BSR und die Wasserbetriebe hingewiesen.

Die Fördertöpfe wurden auch angesprochen. Das Bundesverkehrsministerium hatte einen Fördertopf mit 5 Millionen Euro aufgesetzt. Der war schon nach vier Tagen ausgeschöpft. Entsprechende Branchenvertreter hatten sich schon zu Wort gemeldet und von der Bundesregierung gefordert, dringend nachzulegen. Das muss eigentlich auch unser Appell sein, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen der CDU, an ihren Verkehrsminister heranzutreten und da ein bisschen mehr Geld lockerzumachen. Denn es zeigt sich ja, dass es auf großes Interesse stößt und wir für die Nachrüstung mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Auf EU-Ebene müssen wir mehr Druck machen. 2024 als Ziel für die verpflichtende Einführung des Abbiegeassistenten ist viel zu spät. Daher müssen wir auch in Berlin weiter sehen, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir haben, auch ausschöpfen.

Herr Schopf hatte es schon erwähnt: Das beauftragte Gutachten der grünen Bundestagsfraktion zu den straßenverkehrsrechtlichen Möglichkeiten zur Regelung von Lkws ohne Abbiegesysteme ist sehr interessant. Wir werden uns dazu auch in der Koalition beraten, denn letztendlich kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass mangels einer europäischen Regelung zu Lkw-Abbiegesicherheitssystemen und aufgrund einer fehlenden Binnenmarktharmonisierung eine nationale Regulierung möglich ist. Da es europarechtlich keine Vorgaben zu Abbiegesicherheitssystemen gibt, können die Verkehrsbehörden auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung agieren. Wir müssen uns dieses Gutachten noch einmal genau anschauen. Ich denke mal, wir werden zu einer geeinten Fassung kommen, denn letztendlich müssen wir schauen, dass wir alle unsere Möglichkeiten nutzen, um

die schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu schützen.

Für unseren heute vorliegenden zweiten Antrag zum Abbiegeassistenten, der sich insbesondere auf den landeseigenen Fuhrpark konzentriert und Konsens zu sein scheint, bitte ich um Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Scholtysek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr Sicherheit für zu Fuß Gehende und Radfahrende vor abbiegenden Lkw-fahrenden Verkehrsteilnehmenden: Ich muss gestehen, ich komme mir hier vor wie bei Karl Valentin, der gerne absurde Wortspielereien betrieb. Aber gut: Als Verkehrssprechender der AfD-Fraktion will ich mich natürlich dazu äußern.

Auch der AfD und mir ist der Schutz von Radfahrern und Fußgängern natürlich ein Anliegen. Deswegen betonen wir immer wieder, wie dringend notwendig die Instandsetzung der Berliner Verkehrsinfrastruktur ist, und zwar inklusive der Radwege. Und wenn das seit Jahren angekündigte Erhaltungsmanagement für Straßen und Brücken vom Senat endlich einmal an den Start gebracht werden würde, wäre das wundervoll. Seit fast fünf Jahren ist davon die Rede, aber es kommt nicht.

Ich hatte schon bei der ersten Besprechung des Antrags hier im Plenum und auch im Ausschuss gesagt, dass ich nicht nachvollziehen kann, warum die Koalition nur für Fahrzeuge der sog. Klassen N2 und N3 ergänzende Sicherheitssysteme fordert, also nur für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Wer hingegen schon einmal mit einem Kleintransporter unter 3,5 Tonnen gefahren ist, weiß, dass auch bei diesen Fahrzeugen die Sichtverhältnisse an der Beifahrerseite sehr eingeschränkt sind. Das Land Berlin ist hier in einer Vorreiterrolle und sollte da schon etwas weiter denken. Es erschließt sich mir überhaupt nicht, warum diese kleineren Fahrzeuge, also die Gruppe N1 hier ausdrücklich ausgenommen wird. Wir haben daher einen Änderungsantrag eingereicht, der genau das korrigiert und zudem auch klar von Fußgängern und Radfahrern spricht.

[Beifall bei der AfD]

Aber offenbar glauben Sie ja selber gar nicht wirklich an diese Technik. Ein Hinweis darauf ergibt sich aus einem skurrilen Punkt Ihres Antrags, nämlich aus Ihrer Forderung nach verstärktem Einsatz von Beifahrern als menschlichen Abbiegeassistenten. Da frage ich mich, ob

(Kristian Ronneburg)

Sie diese menschlichen Abbiegeassistenten auch in die Haftung nehmen wollen, wenn sie einen Radfahrer übersehen. Das fände ich juristisch höchst bedenklich.

Ihr Antrag ist aus unserer Sicht nicht überzeugend. Wir haben daher, wie schon gesagt, einen Änderungsantrag zur Abstimmung eingebracht. Zudem regen wir an, wesentlich stärker auf Aufklärungsarbeit und Verkehrserziehung zu setzen. Es sollte auch ernsthaft darüber nachgedacht werden, so etwas wie einen Fahrradführerschein mit verpflichtenden Theoriestunden und Prüfungen einzuführen, insbesondere mit Blick auf die immer zahlreicher werdenden und durchaus recht schnell fahrenden Pedelecs und E-Bikes.

[Beifall bei der AfD]

Das sind Dinge, die es auf jeden Fall auch anzupacken gilt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Dr. Taschner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Morgen kam es erneut zu einem schrecklichen Unfall. Wieder einmal wurde eine Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden Lkw überfahren, überrollt und getötet. Eine Frau, mitten im Leben, vielleicht gerade auf dem Weg zu ihrer Arbeit, ist plötzlich tot – ein Leben, das unwiederbringlich ausgelöscht ist von einem tonnenschweren Fahrzeug. Ich möchte vor diesem Hintergrund nachdrücklich betonen: Dieses vermeidbare, dieses absolut überflüssige Sterben muss auf Berlins Straßen endlich aufhören!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deswegen werden wir nicht ruhen, bis wir alle unsicheren Lkws von unseren Straßen verbannt haben, damit Radfahrende und zu Fuß Gehende sich wieder sicher bewegen können! Wir wollen einen Straßenverkehr ohne Schwerletzte und ohne Toten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Herr Friederici! Ihre Rede hat mich sehr überrascht. Wir hatten den Antrag ja im Ausschuss. Da war nichts davon zu hören, dass Sie sich an der Überschrift des Antrags, an der Nummerierung oder am Inhalt gestört hätten. Warum Sie heute hier so eine ganz andere Rede gehalten haben, wissen wahrscheinlich nur Sie selbst.

Zur Sache zurück: Ich denke, es ist absolut unstrittig, dass der Abbiege-Assistent für Lkws derzeit am Markt das

beste Mittel ist, um genau diese oft tödlich endenden Abbiege-Unfälle endlich zu verhindern. Wenn wir von dieser Prämisse ausgehen, ist es unsere Pflicht, dass wir da, wo wir als Land Verantwortung tragen, dieser Verantwortung gerecht werden. Das heißt, wir gehen mit gutem Beispiel voran und statten alle Lkws, für die wir Verantwortung haben, mit diesem Abbiegeassistenten aus.

Das Land verfügt über einen großen Fuhrpark mit mehreren Tausend Lkws. Hier können wir zeigen, dass wir vorangehen. Deswegen ist es vollkommen richtig, dass wir bei der Neubeschaffung nur noch Lkws anschaffen, die diesen Abbiege-Assistenten haben. Natürlich müssen wir uns überlegen, wie wir die Bestands-Lkws schnellstmöglich nachrüsten können. Erste Tests bei der BSR laufen schon, und die Erkenntnisse müssen wir dann schnellstmöglich übertragen, damit wir als Land Berlin ganz schnell sagen können: Unsere landeseigenen Lkws sind sicher!

Doch auch dann wird es in Berlin weiterhin eine große Anzahl von Lkws geben, die ohne diese lebensrettendtechnische Hilfe unterwegs sind, und diese Lkws gefährden weiterhin Leben. Fast die Hälfte der Unfälle mit Radfahrerinnen und Radfahrern hat etwas mit kreuzenden oder abbiegenden Fahrzeugen zu tun. Es gibt jährlich über 400 Unfälle von Radfahrenden, an denen Lkws beteiligt sind. Wir können uns aber jetzt nicht ausruhen und sagen: Gut, wir haben alles gemacht – Bundesratsinitiative, Nachrüstung unserer eigenen Lkws! – Nein, wir müssen schauen, dass wir alles dafür tun, dass wirklich alle Lkws auf den Straßen unserer Stadt auch wirklich sicher sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Deswegen ist es sinnvoll, dass wir ein Zusammenspiel aus Push- und Pull-Faktoren haben. So eine Abbiegesystem kostet um die 1 000 Euro, ist also gar nicht so teuer. Aber wir wollen die Umrüstung beschleunigen und sie für die Unternehmen attraktiv machen. Deswegen haben wir ein Förderprogramm aufgelegt und 2 Millionen in den Nachtragshaushalt eingestellt. Dieses Förderprojekt wollen wir jetzt schnellstmöglich an den Start bringen und so gestalten, dass die Unternehmen wirklich schnell und unkompliziert an dieses Geld kommen. Und natürlich werden wir das auch mit den Bundesmitteln verzahnen müssen.

Doch auch das wird uns letztendlich nicht reichen. Bis wirklich alle Lkws schnellstmöglich ausgerüstet sind, dürften wirklich noch Jahre vergehen. Deswegen ist es unverantwortlich, wenn wir stehenbleiben. Deswegen müssen wir eben auch über restriktive Maßnahmen nachdenken. Ein Rechtsgutachten unserer grünen Bundestagsfraktion hat uns jetzt einen Weg aufgezeigt, wie wir zu einer Abbiegeassistentenpflicht für alle Lkws auf Berlins Straßen kommen können. Für uns als grüne Fraktion ist

(Frank Scholtysek)

das die beste Option, um Menschenleben auf unseren Straßen zu schützen.

Ich sage ja nicht, dass so eine Maßnahme nicht ohne Herausforderung ist. Aber was soll ich denn den Angehörigen sagen? Was soll ich all den Radfahrerinnen und Radfahrern sagen, die tagtäglich in ähnliche brenzlige Situationen kommen? Dass wir als Politik diese Herausforderung nicht annehmen wollen? – Nein! Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen und schauen, wie wir diese Assistentenpflicht möglichst schnell umsetzen.

Berlin wäre zwar die erste bundesweite Stadt, die eine solche Abbiegeassistentenpflicht einführt. Woanders ist man allerdings schon weiter: London plant, mit seinem Direct-Vision-Standard die ganze Stadt für unsichere Lkws ab Herbst nächsten Jahres zu sperren. Wenn wir es also wirklich ernst meinen, wenn wir wirklich Berlins Straßen sicherer machen wollen, dann tragen wir auch Verantwortung und müssen verhindern, dass solche schrecklichen Unfälle wie gestern wieder passieren. Wir müssen den Druck auf alle erhöhen, auch auf die privaten Speditionen, damit wir unverzüglich alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, damit wirklich jeder hier sicher Rad fahren kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Henner Schmidt das Wort.