Protocol of the Session on June 14, 2018

Ja, die zweite und damit letzte Zwischenfrage. Sie kommt vom Kollegen Swyter von der FDP-Fraktion.

Herr Swyter – bitte!

Danke schön, Frau Senatorin! – Wie erklären Sie sich dann, dass 8 000 Lehrstellen nicht besetzt werden können. Suchen Sie da die Schuld nur bei der Wirtschaft – habe ich das gerade richtig verstanden? – Ich hoffe nicht!

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE) – Heiterkeit bei der LINKEN]

Herr Swyter! Dafür gibt es ganz viele unterschiedliche Gründe. Wir wissen, dass die duale Ausbildung bei den jungen Menschen im Moment nicht den besten Stand hat. Das wird ja auch irgendwo herkommen. Wir können feststellen, dass genau in den Branchen, wo die Ausbildungsbedingungen schlecht sind, wo die Bezahlung schlecht ausfällt, es auch wenig Auszubildende und wenig Bewerbungen gibt. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Nur ein Grund ist nicht hinnehmbar – ich glaube, Sie hatten den genannt. Ach nein, das kam von der AfD –: Die Ausbildungsreife, die angeblich nicht vorhanden ist.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Das hören wir übrigens schon seit Jahrzehnten. Wenn die Ausbildungsreife nicht vorhanden ist, haben natürlich auch die Unternehmen die Verantwortung. Sie kriegen Unterstützung, jungen Menschen so zu helfen, dass sie eine erfolgreiche Ausbildung abschließen können.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Ich möchte noch etwas zu den langzeiterwerbslosen Menschen in der Stadt sagen. Wir haben eine verfestigte Langzeiterwerbslosigkeit, Frau Bangert hat darauf hingewiesen. Die darf man nicht ignorieren. Mir geht es da wie Frau Schubert: Mir ist es auch schnuppe, ob man das ÖBS, ÖGB, sozialer Arbeitsmarkt oder solidarisches Grundeinkommen nennt. Ich bin ein großer Fan dieser Form von öffentlich geförderter Beschäftigung und finde sie richtig. Und warum finde ich sie richtig? – Weil wir in Berlin entsprechende Erfahrungen machen konnten. Es ist Unsinn, Herr Swyter, zu sagen, dass da irgendwie komische Arbeit geleistet werde. Ich habe jetzt keine Zeit, Ihnen Beispiele zu nennen, aber wenn Sie sich den ÖBS angucken, werden Sie viele Beispiele sehen, die dazu beigetragen haben, dass für langzeiterwerbslose Menschen einerseits eine berufliche Perspektive entwickelt wurde und dass andererseits gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichtet wurde. Damit wird ganz vielen Menschen geholfen. Das hat die Stadt an vielen Stellen weitergebracht. Deshalb werden wir uns in die bundesweite Debatte einmischen und unsere Vorstellungen deutlich machen, und zwar ausgehend von unseren Erfahrungen.

Die Kritik an den Ideen von Hubertus Heil haben Lars Düsterhöft, Sabine Bangert und Katina Schubert bereits deutlich gemacht. Dem muss ich nichts hinzufügen. Ich kann aber sagen: Natürlich bin ich enttäuscht. Ich dachte, uns würde es mit dem versprochenen Passiv-AktivTransfer gelingen, einen ehrlichen sozialen Arbeitsmarkt aufzubauen.

Was wollen wir? – Wir wollen, dass gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichtet wird. Unsere Ziele sind bei

(Senatorin Elke Breitenbach)

einem solchen Arbeitsmarkt, dass er erstens freiwillig ausgeübt wird, kein Zwang; zweitens, dass er nach Tariflohn bezahlt wird – natürlich, Herr Swyter, nach was denn sonst? Wenn es keine Tarifbindung gibt, dann aber nach Mindestlohn.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir möchten, dass diese Arbeit auch sozialversicherungspflichtig ist und langzeiterwerbslosen Menschen eben diese berufliche Perspektive gibt. Und da rede ich übrigens von voller Sozialversicherungspflicht. Und diese Arbeit wird nur funktionieren, wenn sie nachhaltig finanziert wird. Wir reden hier nicht über PillepalleTätigkeiten, sondern wir reden über Arbeit, die öffentlich finanziert verrichtet wird und die eine große Verantwortung ist. Ich sage nur mal: Stadtteilmütter, die werden Sie ja vielleicht kennen –, aber es gibt auch noch viele andere.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Eine große Herausforderung, die wir nach wie vor noch haben, ist, weiterhin den Zugang von geflüchteten Menschen bei Arbeit und Ausbildung zu stärken. Wir haben jetzt die ersten 10 000 Geflüchteten in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil ich zwischendrin dachte, vielleicht dauert das jetzt doch noch mal alles viel länger. Und trotzdem haben wir hier große Herausforderungen. Wir selbst haben auch noch mal mit dem Gesamtkonzept zur Partizipation und Integration von Geflüchteten mit vielen Akteuren – Herr Swyter, übrigens auch mit der Wirtschaft – gesprochen, haben noch mal unsere eigenen Erfahrungen ausgewertet und werden hier auch noch mal nachsteuern, gemeinsam mit der Wirtschaft. Wir sind da auf einem guten Weg. Wir werden an dieser Herausforderung weiter arbeiten. Da geht es vor allem auch darum, junge geflüchtete Menschen in Ausbildung zu bringen und nicht alleine nur in Arbeit.

An dieser Stelle möchte ich mich tatsächlich bei den Unternehmen bedanken, die sich auf den Weg gemacht haben und sich um junge Menschen kümmern, egal welcher Herkunft sie sind, die es nicht sofort ganz einfach haben, eine Ausbildung abzuschließen, und die genau den Mut und die Kreativität haben, diese jungen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, zu fördern und zu unterstützen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir möchten einen inklusiven Arbeitsmarkt. Ganz viele junge Menschen mit Behinderungen haben eine großartige Qualifikation, und diese Qualifikation wird einfach ignoriert. Das finde ich nicht nur dumm, sondern ich finde, das ist nicht hinnehmbar. Mit dem Budget für Arbeit, das im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes eingeführt wird, haben wir die Möglichkeit, Menschen eine

Chance zu geben, raus aus der Werkstatt, rein in den ersten Arbeitsmarkt zu gehen. Ich bitte Sie alle, dass Sie dieses Budget für Arbeit auch noch mal bekannt machen, denn wir haben jetzt noch keinen Run darauf, das muss man auch mal sagen. Aber ich bitte an dieser Stelle die Unternehmen in Berlin, dass sie entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und selbst die gute Erfahrung machen und sich selbst die Chance geben für diese Erfahrung, die zeigt, dass Menschen mit Behinderungen genauso gute Beschäftigte und Mitarbeiterinnen sind wie alle anderen und dass es keinen Unterschied macht, was ja viele Menschen immer glauben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie sehen, wir haben eine ganze Reihe angepackt, wir werden auch ganz viele Sachen weiter anpacken. Ich finde, es liegt viel vor uns, trotz aller Erfolge, und wir sollten nicht nachlassen. Themen wie Digitalisierung und, und, und haben wir auch auf dem Tableau. Deshalb bitte ich Sie, dass wir in Zukunft gemeinsam über Arbeitsmarktpolitik und Ausbildungspolitik diskutieren. Und dann würde ich mich freuen, wenn wir genau dieses Thema aufrufen und an anderer Stelle über Wirtschaftspolitik, Schulpolitik, Sportpolitik oder was es sonst noch so alles gibt reden Ich würde nämlich gern wissen, was Sie erwarten von einer Arbeitsmarktpolitik und von dieser Arbeit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen. Sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten müssten die Fragen zurückgewiesen werden. Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden.

Für die erste Frage rufe ich ein Mitglied der Fraktion der SPD auf und bitte, an das Redepult zu treten. Nachfragen

(Senatorin Elke Breitenbach)

werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Frau Kollegin Radziwill, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Spandau von Ende Mai 2018, in dem die Klage des Wohnungsbauunternehmens Deutsche Wohnen gegen eine Mieterin abgewiesen und der Berliner Mietspiegel als rechtmäßig anwendbares Instrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bestätigt wurde?

Frau Senatorin Lompscher beantwortet die Frage für den Senat.

Sehr geehrte Frau Radziwill! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich muss einschränken, dass uns das Urteil nicht vorliegt. Wir haben auch nur die Presseberichterstattung und wissen, dass es ein erstinstanzliches Urteil ist, dass also Berufung zulässig ist. Aber der Tenor des Urteils ist sehr erfreulich, weil er den Mietspiegel bestätigt und dem erneuten Versuch der Deutschen Wohnen, jenseits des Mietspiegels mit Vergleichswohnungsgutachten Mieterhöhungsverlangen zu begründen, die über dem Mietspiegel liegen, deutliche Grenzen setzt. Das finde ich erst mal sehr erfreulich.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es ist eines von vielen Urteilen, die inzwischen gegen die Deutsche Wohnen in dem Fall ergangen sind, sodass ich hoffe, dass es vielleicht dazu führt, dass der Mietspiegel bei der Deutschen Wohnen einen höheren Stellenwert erhält.

Frau Radziwill! Für eine Nachfrage bekommen Sie das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Frau Lompscher! Ich würde gern noch mal wissen, ob und welche Kontakte es zur Deutschen Wohnen vonseiten des Senats gibt.

Bitte schön, Frau Senatorin!

Es gab ja verschiedene gesprächsweise Kontakte beim Abgeordnetenhaus, aber auch beim Senat, wo wir uns bisher nicht durchsetzen konnten im Sinne einer Abkehr der bisherigen Strategie der Deutschen Wohnen zum Mietspiegel. Vor dem Hintergrund, dass derzeit einige Bezirke, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg, bilaterale Vereinbarungen mit der Deutschen Wohnen zu Modernisierungsvorhaben abgeschlossen haben, auch mit mieterschützenden Regelungen, habe ich den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Wohnen angeschrieben, mit der Frage, ob er sich denn vorstellen könnte, auch auf gesamtstädtischer Ebene so eine Art Rahmenvereinbarung abzuschließen, habe allerdings auch deutlich gemacht, dass das nur möglich ist, wenn die Deutsche Wohnen den Mietspiegel und das Berliner Modell anerkennt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die zweite Nachfrage geht an den Kollegen Buchholz von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Das Geschäftsgebaren der Deutschen Wohnen ist ja schon seit vielen Jahren ein ganz großes Ärgernis. Wenn Sie sagen, Sie haben Kontakt zum Vorstandvorsitzenden und dem Vorstand: Sehen Sie denn die Möglichkeit, dass vielleicht auch mit anderen privaten großen Vermietern in der Stadt entsprechende Vereinbarungen getroffen werden können, die sich bisher auch, zumindest an einigen Stellen, weigern, den Mietspiegel wirklich konsequent anzuwenden?

Zum einen ist es erst mal richtig, sich nicht nur auf die Deutsche Wohnen zu konzentrieren, wenn man über die Kommunikation mit privaten Vermietern spricht. Da aber die Deutsche Wohnen tatsächlich herausgehoben in ihrer Positionierung gegen den Mietspiegel ist, habe ich erst mal ein Interesse, mit ihr eine Klärung herbeizuführen, stehe aber weitergehenden Vereinbarungen mit privaten Vermietern oder auch Verbänden sehr aufgeschlossen gegenüber.

Vielen Dank!

Dann kommen wir zur CDU-Fraktion. – Herr Kollege Friederici – bitte schön!

(Präsident Ralf Wieland)

Danke Ihnen, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat: Ist dem Senat bekannt, dass der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg am gestrigen Mittwoch in einer Sitzung des Koalitionsausschusses aus SPD, Grünen und Linken auf vertraulich gekennzeichnete Unterlagen der Flughafengesellschaft Bezug genommen hat? Und falls ja: Wer hat konkret an der Sitzung des Koalitionsausschusses teilgenommen?

[Torsten Schneider (SPD): Sollen wir alle melden? – Zuruf von der AfD: Ja!]