Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Antrag der AfD-Fraktion, in dem Solidarität mit einer Moschee und einer Muslimin gefordert wird, ist zunächst einmal überraschend. Üblicherweise tut sich diese Partei durch platte Islamfeindlichkeit hervor, wie beispielsweise der von der AfD aufgestellte Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten Albrecht Glaser, der öffentlich erklärt hat:
Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und die sie nicht respektiert. Und die da, wo sie das Sagen hat, jede Art
von Religionsfreiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.
Dass dies in der AfD keine isolierte Einzelmeinung ist, sondern dort im Mainstream liegt, ist schon daran zu erkennen, dass die Partei den Kandidaten Glaser für ein so bedeutendes Amt wie das des Bundestagsvizepräsidenten nominiert hat und in immer neuen Wahlgängen durchzusetzen versuchte. Das ist eine kalkulierte Provokation unseres Rechtsstaates,
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Seyran Ateş!]
der gerade das Grundrecht auf freie Religionsausübung als ein hohes Gut unserer Gesellschaft unterstützt.
Doch die AfD will gerade daraus politisch Kapital schlagen, dass sie Ressentiments gegen Menschen anderer Hautfarbe, anderer kultureller Herkunft und anderer Religionen schürt
und insbesondere die Islamfeindlichkeit zum Programm erhoben hat. Daher ist es ein zunächst überraschender Antrag aus dieser Ecke, der doch den Anschein erweckt, Unterschiede innerhalb der islamischen Strömungen zu erkennen, und sich mit Frau Ateş und der von ihr gegründeten Moschee in Moabit solidarisch erklärt. Ob dies nun bloß ein besonderer politischer Schachzug sein soll oder ob sich gar ein Richtungsstreit innerhalb der AfD offenbart, ist ohne Belang.
Im Moment noch nicht! – Frau Ateş dürfte im Übrigen auch keinen Wert auf Solidaritätsadressen von dieser Seite legen.
Worum geht es in Wahrheit? – Es geht um eine mutige liberale Muslimin, die eine Moschee gegründet hat, in der nicht Hass gepredigt wird, wo der Islam nicht konservativ und frauenfeindlich interpretiert wird und wo Toleranz gegenüber Andersdenkenden Prinzip ist.
Es geht um eine humanistische Reformgemeinde, die spirituelle Heimat für alle Moslems sein will, die für
Es geht um einen Islam, der den Koran aus seinem historischen Kontext heraus versteht und in dem für einen Dschihad kein Platz ist. Es gibt auch gewaltbejahende Passagen in der Bibel, die für die heutige christliche Religionsausübung überhaupt keine Rolle mehr spielen. Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee ist ein Gotteshaus, in dem dies auch für den Islam gilt. Der Name der Moschee ist hierbei Programm. Der muslimische Aufklärer aus dem Spanien des 12. Jahrhunderts Ibn Rushd, der, selbst arabischstämmig, eine multikulturelle Blüte jener Zeit in Spanien und einen interreligiösen Dialog möglich machte, wird kombiniert mit dem Namen Goethes, der mehr als sechs Jahrhunderte später lebte und für die Aufklärung hierzulande steht. Dies ist ein starkes Signal, das nicht jedem gefällt, das aber unbedingte Unterstützung verdient.
Wenn diese Moschee von Angriffen bedroht ist, egal, von welcher Seite, hat sie Anspruch auf Schutz durch unseren Rechtsstaat. Jede Form von Einschüchterungsversuchen gegenüber den Gläubigen gegenüber der Ibn-RushdGoethe-Moschee oder ihrer Initiatorin Seyran Ateş muss auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. Jeder Form der Gewaltausübung muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates begegnet werden.
Hierfür gibt es aus Sicht der SPD-Fraktion nicht die geringsten Zweifel. In welcher Form das Abgeordnetenhaus von Berlin sich solidarisch mit den humanitären Bestrebungen dieser Moschee und ihrer Initiatorin zeigt, werden wir in den Ausschüssen diskutieren. Ein Schnellschuss hilft hier niemandem. Ich bin gespannt auf die Diskussionen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere aus dem Bericht aus der Tagespresse im Juli:
Sie will gerade eine Straße in Berlin überqueren, als sie Ende Juni von drei Männern angesprochen wird. Ob sie nicht Seyran Ateş, die Gründerin dieser „perversen“ Moschee sei – dort, wo „Männer, Frauen, Lesben und Schwule“ gemeinsam beteten. Die Frau ist erschrocken. Sie verwickelt die Männer in ein Gespräch, wird lauter und sucht so zum eigenen Schutz die Aufmerksamkeit der Passanten. Dann eilt sie davon. „Du stirbst“, ruft einer der Unbekannten hinterher.
Wir alle wissen, wer gemeint ist, die mutige und unbeugsame Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş. Sie hat gegen viele Widerstände mit großer Beharrlichkeit auf ihr Ziel hingearbeitet und Mitte Juni die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin gegründet. In ihrer liberalen Moschee vertritt sie einen säkularen Islam. In ihrer Moschee beten Frauen und Männer, Schiiten, Sunniten und Aleviten alle gemeinsam. Dies hat zur öffentlichen Kritik durch die türkische Religionsbehörde und die Fatwa-Behörde in Kairo geführt und zu über hundert Morddrohungen mit der Folge, dass Frau Ateş nur noch unter Polizeischutz aus dem Haus geht – Berlin im Jahre 2017 –, das ist wirklich schlimm. Da ist es richtig, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen und diese zarten Pflänzchen des liberalen Islam schützen und unterstützen. Dazu ist es aber nötig, mit den Betroffenen persönlich zu sprechen. Das haben Sie, meine Damen und Herren von der AfD, aber offenbar nicht getan. Ich zitiere aus der Pressemitteilung von Frau Ateş vom 16. November 2017:
Auch wenn ich mich über Solidaritätsbotschaften grundsätzlich sehr freue, kommt diese aus einer politischen Ecke, die ich wenig schmeichelhaft empfinde.
Meine Damen und Herren der Linkskoalition! Auch Sie müssen sich kritische Fragen gefallen lassen. Ich zitiere erneut aus dieser Pressemitteilung:
Dass die AfD nun gerade mich vor ihren Karren spannen will, ist ebenso absurd, wie manche Linke und Grüne unsere Moschee als islamfeindlich und als Provokation für die Muslime bezeichnen. Politische Spielchen spielt nicht nur die AfD. So manche Person, die der politischen Linken angehört, verbreitet das Gerücht, ich habe die Moschee nur aus Eigennutz eröffnet, um mein Standing im innerislamischen Diskurs zu verbessern. Das macht mich fassungslos!
Sowohl die AfD wie auch die FDP und die Regierungsfraktionen waren dagegen, dass liberale Musliminnen und Muslime im Beirat des Studiengangs der Islamischen Theologie an der HU vertreten sind. Sie ziehen es vor, allein mit den konservativen islamischen Verbänden über die Ausrichtung des Lehrstuhls zu verhandeln.
Sehr geehrter Herr Kollege Jahnke! Sie haben gerade mit guten, zutreffenden Worten die Ausrichtung dieser liberalen Moschee gelobt, aber Sie müssen sich fragen lassen, wann Sie den Fehler Ihrer Wissenschaftsverwaltung korrigieren wollen, der darin besteht, dass Sie in dem Eckpunktepapier zur Gründung eines Beirats für islamische Theorie an der Humboldt-Universität ausgerechnet die liberalen Muslime ausgegrenzt haben und den konservativ-traditionellen Islamverbänden eine Monopolstellung eingeräumt haben. Dies wird ja, Gott sei Dank, im Wissenschaftsausschuss in Kürze zum Gegenstand einer Anhörung gemacht werden – und das ist die Nagelprobe, nicht nur schöne Erklärungen im Parlament, sondern das liberale Pflänzchen wirklich zu unterstützen.
Die CDU-Fraktion steht der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und Frau Ateş von Beginn an zur Seite, nicht erst jetzt. Wir betrachten es von übergeordneter Bedeutung im Interesse unseres Landes, dem liberalen Islam die notwendige Unterstützung zu leisten, damit auch er sich in unserem Land frei entfalten kann, frei von Drohungen und auch frei von Benachteiligungen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit den Achtzigerjahren bin ich als Gewerkschafter, Betriebsrat, Journalist und seit über sechs Jahren als Mitglied dieses Hauses aktiv. Ich habe einiges in meinem Leben erlebt, aber so eine Unverschämtheit habe ich wirklich noch nicht erlebt: Die AfD will ihre Solidarität mit einer Moschee und einer Muslima bekunden. Dies ist eine Beleidigung aller Moscheen und Menschen muslimischen Glaubens, und es ist ein Missbrauch des Wortes „Solidarität“.
Alle demokratischen Politikerinnen und Politiker in diesem Haus kennen die nationalistischen, rassistischen und diskriminierenden Ausfälle dieser Partei.
Dabei sind die Ausfälle keineswegs rassistische Anfälle einzelner Abgeordneter, sondern vielmehr Teil einer perfiden Strategie. Die antragstellende Fraktion ist, das unterstreiche ich, moralisch zu diesem Antrag nicht legitimiert.
[Georg Pazderski (AfD): Das sagen Sie von der SED! – Katina Schubert (LINKE): SED? Machen Sie sich nicht lächerlich!]