Protocol of the Session on November 30, 2017

Ja, ich sage das.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein! – Selbstverständlich verurteilen wir in aller Schärfe und Klarheit die verbalen Angriffe und Bedrohungen gegen Seyran Ateş und die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. In unserem demokratischen Rechtsstaat darf jeder und jede seine oder ihre Religion nach eigener Fasson auch im Kollektiv frei praktizieren,

[Georg Pazderski (AfD): Darf jeder Solidarität bekunden?]

und darüber darf auch diskutiert und Kritik geübt werden – aber nur in gegenseitigem Respekt. Niemand hat den Islam, das Christentum, das Judentum oder welche Religion auch immer für sich gepachtet. In einem freien Land hat jeder Mensch die Gelegenheit, die Religion für sich selbst zu interpretieren und zu praktizieren.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Solange geltendes Recht eingehalten wird, ist es staatliche Pflicht, selbstverständlich die Ausübung der Religionsfreiheit aller religiösen Gruppierungen zu garantieren. Diesem Auftrag kommen wir als Koalition in Berlin gerne nach. Wenn allerdings eine rassistische, nationalistische und islamfeindliche Partei – wir haben vorhin gerade gehört, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht – Solidarität mit einer Moschee verkündet, dann sollte jeder den Braten riechen. Allein deshalb ist der AfD-Antrag heute abzulehnen.

Ich habe viele Zitate von AfD-Politikern mitgebracht. Ich warte nur darauf, dass Sie etwas sagen, damit ich das noch im Einzelnen vortragen kann.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die AfD-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. Zumindest habe ich Ihre Bewegung so interpretiert. Es

wäre schön, wenn man es auch ausspricht, Herr Hansel. – Bitte schön! Sie haben das Wort.

Ich hätte es mir fast denken können, dass Sie einmal wieder etwas zusammenfabulieren – ich habe mich fast darauf vorbereitet –, weil Sie nicht zuhören können.

[Hakan Taş (LINKE): Denken ist ja frei!]

Können Sie eigentlich zuhören? „Völker, hört die Signale!“, das ist es doch bei euch. Wie kann man so ideologisch verbohrt sein? Wir sind nicht die Islamhasser. Ich habe gerade von Differenzierung gesprochen, von Mensch und Islam, von Muslimen, die nicht nach dem Koran leben wollen, aber in der Tradition stehen möchten, und diese Menschen sollen das leben. Wer das spirituell ausleben will, soll es tun – darauf hat Kollege Dregger völlig zu Recht hingewiesen.

Ich weiß, dass Sie das alles nicht gern hören, weil Sie glauben, darauf das Monopol zu haben. Das hatten Sie einmal, Anfang der Achtzigerjahre, aber das alles ist vorbei. Sie können uns auch nicht vorwerfen, wir würden heucheln, so wie es schon wieder gekommen ist. – Jetzt ist der Regierende Bürgermeister leider nicht da. Wer hatte denn den Auftritt auf dem Breitscheidplatz mit Leuten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden?

[Zuruf von der LINKEN]

Herr Müller, da sind Sie ja! – Damit haben Sie Solidarität geübt. Das ist völlig in Ordnung. Wenn wir das tun, haben wir aber das gleiche Recht wie jeder in diesem Hause.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir kungeln auch nicht mit Erdoğan und den Islamverbänden, mit DITIB, die offensichtlich in Gegnerschaft zu dem Reformwillen stehen, der von der Ibn-RushdGoethe-Moschee – Kollege Dregger hat es gesagt – aus der Mitte der Muslime selbst ausgeht und ausgehen muss. Wir stehen auf der Seite derjenigen, die Religionsfreiheit schützen, aber aufstehen und laut werden, wenn vehemente Teile der Islamvertreter im Ergebnis „on the long run“ eben genau diese Religionsfreiheit hierzulande abschaffen wollen – so wie es in islamischen Ländern in der Regel nicht überall und in gleicher Intensität der Fall ist.

Glauben Sie es mir einfach: Sie tun sich selbst keinen Gefallen, wenn Sie mit solch offensichtlich dämlicher, dümmlicher Anti-AfD-Rhetorik die Stimmung versauen, wenn wir gerade dafür werben, differenziert die Debatte in unserem Lande zu führen. Machen Sie aber ruhig so weiter!

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Es wird Ihnen nichts nützen, denn die Wähler merken, dass sie von Ihnen, was die Zukunft unseres Landes in dieser Frage betrifft, nichts mehr zu erwarten haben.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!]

Herr Taş! Sie haben die Möglichkeit der Erwiderung. – Bitte!

Frau Präsidentin, herzlichen Dank! – Ich habe ja damit gerechnet, und auf mögliche Falschbehauptungen bin ich natürlich sehr gut vorbereitet. Herzlichen Dank für die Steilvorlage!

[Lachen von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf ich einige Zitate widergeben.

Thomas Goebel, Landesliste Sachsen der AfD – Zitat –,

Glaubt, die „Ehe für alle“ sei in Wahrheit gar nicht für Homosexuelle gemacht, sondern ein weiterer Schritt zur „Islamisierung des Landes“.

Jens Maier, ein Richter aus Sachsen – Zitat –,

Bezeichnet Muslime als „Gesindel“ und „Schleiereulen“.

Beides „Tagesspiegel“ online 21. September 2017.

Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In seiner ständigen Ausbreitung und in der Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.

AfD-Grundsatzprogramm, 1. Mai 2016.

AfD-Noch-Bundesvorsitzender Jörg Meuthen – wir haben ja gehört, dass Herr Pazderski kandidieren will; aus Petry wird dann möglicherweise Pazderski, aber sonst wird sich in der AfD nichts verändern – warnte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vor einer schleichenden Islamisierung durch die Bevölkerungsentwicklung. Er sagt:

Ich will, dass auch für meine Enkel hier zu Hause noch das Geläut der Kirchenglocken das geistliche Geräusch ist, das sie hören, und nicht der Ruf des Muezzins.

[Beifall bei der AfD]

Ich kann hier noch einiges wiedergeben. Aber ich unterstreiche noch einmal: Die antragstellende Fraktion ist moralisch für diesen Antrag nicht legitimiert.

[Beifall bei der LINKEN – Karsten Woldeit (AfD): Wer legt das denn fest? Legen Sie die Moral fest?]

Ich lege hier fest, genau! Aus meiner Sicht sind Sie dazu nicht legitimiert. Eine rassistische, islamfeindliche Partei ist dazu nicht legitimiert!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Setzen Sie sich wieder zu Ihren Genossen!]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Dr. Jasper-Winter das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Manche wollen es nicht wahrhaben: Aber unser Grundgesetz ist das Fundament der religiösen Vielfalt – kein Dokument der deutschen Einfalt und auch kein Zeugnis liberaler Schwäche.

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist im Gegenteil die stärkste und beste Verfassung, die wir je hatten. Die Freiheit des Glaubens wie auch die Freiheit des Nichtglaubens nach Artikel 4 ist ein Menschenrecht, das nach dem Grundgesetz unmittelbar gilt, und zwar für Christen, Juden, Atheisten, Agnostiker genauso wie für Muslime.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hat keiner was anderes behauptet!]

Aber manche wollen das nicht wahrhaben – die Kolleginnen und Kollegen der AfD zum Beispiel.

[Beifall bei der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Christian Buchholz?

Im Moment nicht! – Wie menschenfeindlich muss man eigentlich sein, im Bundestag einen Menschen zum Vizepräsidenten machen zu wollen, der Millionen von Menschen, muslimischen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land pauschal – und eben nicht differenziert, Herr Hansel – die Religionsfreiheit abspricht?