Protocol of the Session on September 28, 2017

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0535

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Dregger. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren der rot-rotgrünen Linkskoalition! Wann endlich verlassen Sie die Parallelwelten Ihrer realitätsfremden Parteizirkel? Wann endlich hören Sie auf, sich gegenseitig einzureden, Sie könnten mit Nichtstun die Sicherheit unserer Bürger gewährleisten? Wann endlich nehmen Sie die Realität wahr und handeln verantwortungsvoll? Glauben Sie, Herr Innensenator, dass Sie mit Ihrer Äußerung in der heutigen Aktuellen Stunde Gewalt abgewehrt oder gefördert haben? Sie haben auf die Frage eines Abgeordneten, was Sie gegen persönliche Bedrohungen und das Eintreten einer Wohnungstür zu tun gedenken, erklärt: Wer austeilt, muss auch einstecken.

[Zuruf von der AfD: Skandal!]

Würden Sie bitte darüber nachdenken, ob Sie hiermit einen Freibrief für Gewalt gegen Abgeordnete erteilt haben, und das bitte richtigstellen! Andernfalls müssen Sie davon ausgehen, dass das erhebliche Konsequenzen haben wird.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Was ist die Realität an den Kriminalitätsschwerpunkten unserer Stadt? – Laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik 2016 – das wissen Sie alle hier – haben wir einen Höchststand an Straftaten und einen Tiefststand in der Aufklärungsquote. 45 000 Taschendiebstähle in einem Jahr bei einer Aufklärungsquote von nur 5,3 Prozent – wollen Sie sich damit abfinden? Wollen Sie sich abfinden mit der steigenden Anzahl von Antänzertaten, den damit verbundenen Diebstählen und sexuellen Belästigungen? Wollen Sie sich mit 34 000 Fahrraddiebstählen in einem Jahr abfinden und einer Aufklärungsquote von nur 3,5 Prozent?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das ist Ihnen doch egal!]

Wollen Sie sich wirklich mit 35 000 Diebstählen aus Kfz in einem Jahr abfinden und einer Aufklärungsquote von 4,5 Prozent? – Das sind nur einige der Straftaten, die an den Kriminalitätsschwerpunkten unserer Stadt in hoher Zahl verübt werden und vor denen die Menschen unserer Stadt sich fürchten und die derzeit kaum aufgeklärt werden; Taten mit zum Teil erschreckender Brutalität und Gewissenlosigkeit. Die Fälle des heimtückischen UBahn-Treters im U-Bahnhof Hermannstraße und des verbrecherischen Brandanschlags auf einen Obdachlosen im U-Bahnhof Schönleinstraße haben das für alle sichtbar gemacht, meine Damen und Herren von der Linkskoalition.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gelbhaar?

Bitte schön!

(Andreas Wild)

Ich wollte nur die Frage stellen: Die Zahlen, die Sie gerade referiert haben, aus welchem Jahr stammen die, und wer war da Innensenator?

Die stammen aus dem Jahr 2016, und verantwortlich für die Gesetzgebung in diesem Hause war das Abgeordnetenhaus von Berlin, mit einer Koalitionsregierung aus CDU und SPD. Und wie Sie alle wissen, hat die SPD das, was gesetzlich notwendig war, der Polizei verweigert.

[Zuruf von der CDU: So ist es!]

Nicht der Innensenator kann Sicherheitsgesetze ändern, Herr Kollege Gelbhaar, das wissen Sie, sondern nur der Gesetzgeber, und das ist dieses Haus.

[Beifall bei der CDU]

Und die Mehrheit dieses Hauses hat der Polizei und dem Innensenator diese Befugnis zur Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten verweigert. Und das ist falsch gewesen.

[Beifall bei der CDU]

Das haben diese heimtückischen Anschläge in den UBahnen doch gezeigt. Ich erinnere auch an die Morde an den kleinen Jungs, an dem kleinen Elias und dem kleinen Mohammed, die nur aufgeklärt werden konnten, weil zufällig Videoaufnahmen zur Verfügung standen. Und Sie wollen es den Berlinern und der Polizei verweigern.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Unsinn!]

Lesen Sie den Sicherheitsbericht der Berliner Verkehrsbetriebe! Danach sind Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen seit 2008 konsequent mit Videotechnik ausgestattet worden. In diesem Zeitraum ist die Zahl der Fahrgäste um 25 Prozent gestiegen, die Zahl der Übergriffe, das heißt Körperverletzungen, Raub, Nötigung, Bedrohung, Freiheitsberaubung, Sexualdelikte gegen Fahrgäste um 20 Prozent zurückgegangen. Übergriffe auf Beschäftigte der BVG sind seit 2012 sogar um 47 Prozent zurückgegangen. Die Vandalismusschäden, die die BVG erleiden musste, sind seit 2008 um 60 Prozent zurückgegangen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Sehr gut!]

Was für U-Bahnen und U-Bahnhöfe gilt, gilt in gleicher Weise für die Kriminalitätsschwerpunkte unserer Stadt. Auch hier haben wir die Verantwortung, alles Notwendige zu tun, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu gewährleisten. Das erwarten die Bürger von uns, und das können sie auch von uns erwarten.

Sie, meine Damen und Herren von der rot-rot-grünen Linkskoalition, sind dazu aber nicht bereit. Sie beklagen jedes Jahr die steigende Kriminalität in unserer Stadt und die niedrigste Aufklärungsrate bundesweit. Aber Sie, Herr Innensenator und Ihre rot-rot-grünen Realitätsver

weigerer, sind nicht bereit, der Polizei die nötigen Instrumente an die Hand zu geben, um Verbrechen wirksam zu begegnen. Sie sprechen vom Erhalt unserer bürgerlichen Freiheiten, aber in Wirklichkeit verspielen Sie unsere bürgerlichen Freiheiten. Fragen Sie doch mal die etwa 63 000 Opfer von Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit! Oder die 271 000 Opfer von Diebstählen. Wie sehen die den Schutz ihrer bürgerlichen Freiheiten? Die haben verstanden, dass es ohne Sicherheit überhaupt keine Freiheit gibt.

Sie fühlen sich offenbar von Videotechnik bedroht. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt fühlen sich von Gewalttätern bedroht. Das zeigen die Kundenumfragen der BVG: 82 Prozent der BVG-Kunden bewerten den Einsatz von Videokameras als sehr gut oder gut. Das sind keine verirrten Einzelstimmen, meine Damen und Herren von der rot-rot-grünen Linkskoalition, das sind die Bürger unserer Stadt, die mit beiden Beinen im Leben stehen, die jeden Tag mit der BVG zur Arbeit fahren, die ihre Kinder auf dem Schulweg der BVG anvertrauen, die zu Hunderttausenden den öffentlichen Nahverkehr nutzen und die von uns erwarten können, dass ihre körperliche Unversehrtheit, ihre Freiheit und ihr Eigentum bestmöglich geschützt werden.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Im Verkehr gibt es die doch!]

Der Herr Innensenator hat jetzt sehr öffentlichkeitswirksam zwei mobile Videoanlagen auf den Alexanderplatz schieben lassen, um uns vorzugaukeln, er könne damit die Sicherheit gewährleisten. Sein Parteifreund und verantwortungsvoller ehemaliger Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hat nur zwei Begriffe dafür übriggehabt: lächerlich und Bollerwagen.

Herr Kollege! Sie müssen zum Schluss kommen!

Jawohl, Frau Präsidentin! – Ein letzter Satz: Folgen Sie unserem Antrag für mehr Videotechnik in dieser Stadt, sonst wird das nächste Volksbegehren Sie überrollen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) – und Andreas Wild (fraktionslos)]

Der Innensenator hat das Wort. – Bitte sehr!

[Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU): Jetzt gibt‘s einen in die Fresse!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat habe ich in der vergangenen Woche gemeinsam mit der Berliner Polizei mobile Videobeobachtungsanlagen präsentiert. Ich sage hier ganz ausdrücklich, dass es auf Empfehlung der Berliner Polizei erfolgt. Diese Wagen sind international im Einsatz. Sie geben die Möglichkeit, Täter dingfest zu machen, indem man ihnen auch folgen kann. Die zitierten Aussagen von Initiatoren des Volksbegehrens weise ich ganz ausdrücklich zurück. Diese mobilen Videobeobachtungswagen sind sehr leistungsfähig. Die Besuche in den kriminalitätsbelasteten Orten Berlins, die Gespräche mit den Polizistinnen und Polizisten vor Ort haben sehr deutlich ergeben, dass wir für jeden kriminalitätsbelasteten Ort individuelle Lösungen brauchen. Dass wir beispielsweise am Kottbusser Tor mit großem personellem Aufwand, einer Verstärkung der dortigen Einsatztruppe, die Kriminalität bekämpfen und die ersten Anzeichen der Kriminalitätsstatistik schon deutlich zeigen, dass wir damit Erfolge haben, ist richtig. Und am Kottbusser Tor durch mobile, anlassbezogene Videoüberwachung diese Erfolge zu verstärken, Beweise zu sammeln, um tatsächlich Täter dingfest zu machen und sie dann auch einer Verurteilung zuzuführen, ist absolut richtig.

Ein anderer kriminalitätsbelasteter Ort wie der U-Bahnhof Hermannstraße ist ein Ort, an dem ein solches Vorgehen von der Polizei ausdrücklich nicht empfohlen wird. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Wir haben am UBahnhof Hermannstraße eine Reihe von drogensüchtigen Menschen, die durch eine Überwachung an diesem Ort verdrängt werden würden. Das ist eher ein Thema für die Gesundheitspolitik und nicht für die Polizei. Die Verdrängung hätte zur Folge, dass diese Menschen sich dann in den Hauseingängen in den Nebenstraßen wiederfinden würden. Das können die Anwohnerinnen und Anwohner nicht wollen. Das ist keine Antwort auf die Situation am U-Bahnhof Hermannstraße. Und so müssen wir jeden einzelnen Ort durchdeklinieren und nicht pauschal eine anlassunabhängige, flächendeckende Videoüberwachung inszenieren in einer Größenordnung, wie sie von der Polizei nicht empfohlen wird und wie wir sie auch gar nicht auswerten können und dadurch vorgaukeln, es gäbe eine hundertprozentige Sicherheit. Nein, die Antwort muss sein: Verstärkung der Präsenz der Polizei, ergänzt durch eine mobile, anlassbezogene Videoüberwachung, die es möglich macht, Beweise zu sammeln. Wir brauchen für jeden Ort eine individuelle Antwort.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann hat mir der Kollege Dregger eben vorgeworfen, ich hätte Tür und Tor geöffnet für Gewalt gegen Abgeordnete. Ganz ausdrücklich nein! Lesen Sie bitte das Protokoll, Herr Dregger! Ich habe mich sehr klar von Gewalttaten distanziert, tue das auch noch einmal ganz ausdrücklich

hier. Was ich aber sehr wohl sage, ist: Wer in hetzerischer Art und Weise politische Zusammenhänge zuspitzt, wer mit politischen Parolen dafür sorgt, dass die Gesellschaft gespalten wird, der muss sich nicht hinterher darüber wundern, dass es Gegendemonstrationen gibt.

[Georg Pazderski (AfD): Dem darf die Tür eingetreten werden, Herr Geisel! Sie sind ein Innensenator!]

Diese Gegendemonstrationen unterstütze ich, nicht die Gewalttaten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Innensenator! – Zum Prozedere der Hinweis, meine Lesart der Geschäftsordnung ist wie folgt, dass jetzt die Fraktionen in der vorgesehenen Reihenfolge die Möglichkeit haben, mit den angemeldeten Redezeiten zu reden. Dann schließt sich eine zweite Rederunde an. Die Fraktionen können anmelden, ob sie noch ein zweites Mal reden möchten oder nicht, weil anderenfalls nur die CDU die Möglichkeit hätte, fünf Minuten länger zu reden, was zu einem komischen Ergebnis führen würde. Ich sehe Nicken. Somit besteht offenbar Einverständnis. – Der Kollege Zimmermann hat nun wirklich das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier leider schon öfter dieses Spiel betrieben, Herr Dregger, uns die Zahlen gegenseitig vorzuhalten. Aber weil Sie das hier begonnen haben, will ich Ihnen entgegenhalten, wie die Entwicklung der Aufklärungsquote in Berlin in den letzten sechs Jahren gelaufen ist: von 50 oder 49 Prozent zu rot-roten Zeiten über fünf Jahre jedes Jahr kontinuierlich gesunken auf zuletzt 43,5 Prozent im Jahr 2016. Wer dafür verantwortlich ist, das kann jeder aus den Wahlperioden und den letzten Jahren ablesen, das war

[Herbert Mohr (AfD): Auch die SPD!]

Ihr Innensenator Frank Henkel. Wenn Sie uns diese Zahlen entgegenhalten, bitte ich Sie, einmal realistisch auf Ihre Arbeit der letzten fünf Jahre zu gucken, Herr Kollege Dregger!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wenn Sie hier vom Nichtstun dieses Senats sprechen, dann bitte ich Sie weiter, einmal zu bedenken, wie wir nach dem Terroranschlag und zu Beginn dieser Wahlperiode mit sofortigen Maßnahmen reagiert haben, was die Ausrüstung der Polizei betrifft, was die Frage der Terrorprävention betrifft, was das Kümmern um kriminalitätsbelastete Orte betrifft. Es war eine der ersten Maßnahmen dieses Senats und dieses Senators, Konzepte zu

entwickeln für die jeweiligen Orte, die belastet sind. Ob Alexanderplatz, ob Kotti, ob RAW-Gelände oder Görlitzer Park, jeder dieser belasteten Orte braucht eine spezielle Lösung, wie der Senator sie angedeutet hat, und zwar vor allen Dingen mit einer ständigen und ausgebauten Anwesenheit der Polizei. Sie reden der Videotechnik allein das Wort.

[Heiko Melzer (CDU): So ein Quatsch!]

Wir sagen: Wir brauchen eine Präsenz, Einsatzkräfte vor Ort. Wir werden sie verstärken, wir haben sie schon verstärkt,