Protocol of the Session on May 4, 2017

Hier kann, sollte und muss der Senat in Berlin Flagge zeigen. Ein Senat, der sich gerne seiner Leistung bei der Herausbildung der Digitalhauptstadt Europas rühmt, muss sich auch der Schlammzone der Digitalisierung annehmen. Berlin kann auch hier digitaler Vorreiter sein, und zwar bei der konsequenten Ahndung von Menschenfeindlichkeit im Netz mit einer guten und personell starken Justiz. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Gelbhaar das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An manchen Tagen wünsche ich mir die Piraten ins Parlament zurück. Man kann denen vieles vorhalten, aber eins waren sie nie – unvorbereitet. Sie hatten die Gesetze gelesen, zu denen sie Anträge geschrieben haben. Die waren teilweise spröde, teilweise langweilig, aber sie waren sehr präzise. Das kann man bei Ihnen gerade nicht sagen.

Die 50 Millionen Euro – das bestreite ich gar nicht, das hat das ZDF richtig gesagt, das finden Sie auch im Gesetz. Sie haben aber gesagt: 50 Millionen Euro Bußgeld würde drohen, wenn einzelne Einträge nicht gelöscht werden. Dazu haben Sie diese Riesenrechnung aufgemacht. Das stimmt nicht. In § 4, Bußgeldvorschriften, steht – ich muss jetzt leider das Tablet benutzen, ich will nachher mein Gesetz zurück –,

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LINKEN]

was ich vorlesen möchte, weil es auch sprachlich so wunderbar gelungen ist, wie es nur Juristen hinkriegen können:

Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 einen Bericht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht.

Diesen Katalog gibt es; da kommt das Löschen von Einträgen einfach nicht vor. Deswegen: Lesen Sie sich das durch, ehe Sie solche Fake-News in die Welt setzen! Machen Sie es genau, oder lassen Sie es!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das Tablet kann ich schließen. – Ich komme zum zweiten Punkt. Sie stellen sich hier ans Pult und brüllen was von Massenvernichtungswaffen. Geht es eine Nummer kleiner?

[Ronald Gläser (AfD): Leider nicht!]

Massenvernichtungswaffen – welche Bilder Sie damit erzeugen! Dann haben Sie in Ihrer Rede drei- bis viermal Angst, Angst, Angst gerufen. Sie wollen Angst erzeugen.

[Melanie Kühnemann (SPD): Genau!]

Das ist Ihr Geschäftsmodell, davon leben Sie.

[Lachen bei der AfD – Zurufe von der AfD]

Sie begründen das damit, dass die Leute Angst davor haben, dass die Meinungsfreiheit tangiert wird. Sie sind die Fraktion, die hier von Lügenpresse redet, die die öffentlich-rechtlichen Medien einschränken will.

[Zurufe von Harald Laatsch (AfD) und Stefan Franz Kerker (AfD)]

Sie sind diejenigen, die die Meinungsfreiheit einschränken wollen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Buchholz und des Herrn Gläser? Sie müssten sich in der Reihenfolge entscheiden; es gibt zwei Zwischenfragen.

Ich würde eine zulassen.

[Heiterkeit]

(Bernd Schlömer)

Herr Buchholz zeigt großzügig auf Herrn Gläser. – Dann bitte, Herr Gläser, Sie haben das Wort!

Geschätzter Herr Kollege Gelbhaar! Haben Sie schon mal von dem Unterschied zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung gehört?

[Antje Kapek (GRÜNE): Nimm die andere! – Heiterkeit bei den GRÜNEN]

In der Tat hätte ich jetzt gerne noch die andere Frage. – Natürlich kenne ich den Unterschied. Aber natürlich werden Sie mir auch zustimmen, dass die Leute, die beim ZDF oder bei anderen Sendern arbeiten, auch eine eigene Meinung haben und die in Form von Kommentaren auch verbreiten dürfen. Oder sind Sie nicht dieser Meinung?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Solange sie in Ihrem Sinne ist! – Zurufe von Thorsten Weiß (AfD) und Stefan Franz Kerker (AfD)]

Okay, danke! – Zurück zu den Punkten, die trotzdem noch zu sagen sind. Wir finden das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auch nicht so prickelnd; das will ich mal vorwegnehmen. Sie kritisieren es allerdings an der falschen Stelle. Das Gesetz ist uns viel zu weit gefasst, weil es nicht nur Facebook und Co. adressiert. Das Gesetz verlangt eine gerichtliche Vorprüfung; man kann extrem lange juristisch darüber streiten, ob das richtig ist. Die Befürchtung, dass Filtermechanismen eingeführt werden, hätten im Gesetz ausgeschlossen werden können, was nicht passiert ist. Sodann ist – das hat die Kollegin Helm schon formuliert – die Unterscheidung zwischen rechtswidrigen und offensichtlich rechtswidrigen Einträgen nicht stimmig und kaum nachvollziehbar. All das hätten Sie kritisieren können, haben Sie aber nicht getan.

Stattdessen haben Sie sich auf Fake-News und HateSpeech und Ähnliches bezogen. Ganz ehrlich: Das Thema Fake-News behandelt der Gesetzentwurf gar nicht. Wenn, dann wendet er sich dem Thema Hate-Speech zu, und zwar bei den Fragen, wo Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte aufeinandertreffen. Da gibt es ein Spannungsverhältnis. Das ist aber auch nicht erst so, seitdem das Internet erfunden wurde, das ist schon immer so. Dem ist der Staat zivil- wie strafrechtlich auch immer schon begegnet. Es ist strafbar, jemanden zu beleidigen oder zu verleumden, jemandem übel nachzureden. Das kann richtig Geld kosten, wie viele nun übrigens auch lernen müssen. Insofern geht auch Ihre Begründung des Antrags fehl. Wenn Sie die Zeitungen ordentlich lesen, werden Sie festgestellt haben, dass zum Beispiel Claudia Roth viele solcher Strafurteile erwirkt hat, weswegen

auch viele Nutzer nun lernen, dass das Geld kostet, wenn man jemanden im Netz übel beleidigt oder verleumdet.

Natürlich kann es auch zivilrechtlich untersagt werden, dass solch eine Beleidigung permanent bei Facebook steht. Das sind die Fragen, die schon geklärt sind. Die einzige Frage ist: Soll Facebook aus der Nummer raus sein? – Nein, das sollen sie nicht. Das ist wie bei jeder normalen Veranstaltung so, dass der Veranstaltungsmanager auch eine gewisse Pflicht hat. Genau diese Pflicht beschreibt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit, wie gesagt, den vielen Problemen, die da dranhängen. Natürlich ist Facebook nicht raus aus dem Spiel.

[Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Ich habe noch ein Zitat herausgesucht. Sie tun ja immer so, als ob Sie davon betroffen wären und Ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt wäre. Es ist so, dass die Meinungsfreiheit nicht die Beleidigungsfreiheit umfasst.

Herr Gelbhaar! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Luthe?

Na, gerne!

Herr Luthe! Sie haben das Wort.

Ich war gerade so in Fahrt.

Es tut mir leid, ich wollte Sie gar nicht bremsen. Ich würde mich nur freuen, wenn Sie noch mal kurz Ihre Position erläutern könnten, ob Sie – bei der Bewertung der Frage, was jetzt tatsächlich eine strafrechtlich relevante Äußerung ist und was nicht, das habe ich bisher noch nicht verstanden – der Auffassung sind, dass das tatsächlich ein Privatunternehmen tun sollte, oder ob das eine hoheitliche Aufgabe ist, so wie es Kollegin Helm herausgearbeitet hat.

Es ist relativ einfach. Natürlich obliegt die strafrechtliche Bewertung einem Gericht. Aber natürlich ist auch eine zivilrechtliche Bewertung gegeben, und Facebook hat sich daran zu halten, wie Portale schon seit zehn Jahren rechtswidrige Äußerungen, die offensichtlich rechtswidrig sind, löschen. Darauf hat man sogar einen Anspruch; den haben Sie, den habe ich.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Und gerade haben wir von der Wirtschaft gesprochen: Gerade die ist da sehr tätig, wenn sie im Netz verleumdet wird, das untersagen zu lassen und die Portale in Haftung zu nehmen. Das gibt es alles schon.

Ich will noch mal darauf hinaus, dass die AfD kein Unschuldslamm ist. Ich will ein Zitat bringen, das lautet:

Es geht Angela Merkel darum, Deutschland umzuvolken.

Und weiter heißt es:

Ich will mich nicht länger von einer verantwortungslosen Unfruchtbaren regieren lassen.

Das ist das, was Sie unter Meinungsfreiheit verkaufen. Herr Andreas Wild meldet sich schon und ist anscheinend immer noch stolz auf dieses Zitat. Ich finde, Sie sollten sich entschuldigen, denn das ist das, was wir im Netz nicht haben wollen, und das ist auch das, was verboten ist und verboten gehört.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Und da finde ich auch, dass – wenn eine Betroffene oder ein Betroffener Facebook darauf hinweist – man nicht erst zum Staatsanwalt rennen muss, dass man nicht erst zum Gericht rennen muss, sondern dass das so offensichtlich ist, dass Facebook das auch selber hinkriegen sollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]