Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Problem, über das wir heute reden, nämlich dass besondere Bedarfsgruppen schwer an Wohnraum kommen, beschäftigt uns ja schon seit Jahren. Und was sind das für Gruppen? – Menschen mit Behinderungen, die im Rollstuhl sitzen; Jugendliche aus Jugendhilfeeinrichtungen, die ab dem 18. Lebensjahr faktisch auf der Straße liegen, weil sie keine Wohnung mehr finden. Für Menschen mit besonderen Schwierigkeiten und für Menschen mit geringem Einkommen ist es faktisch schon seit Jahren nicht möglich, sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu versorgen. Und dann gibt es – das ist sehr ärgerlich – Geschäftemacher, die Wohnungen zweckentfremden. Da werden rollstuhlgerechte Wohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt und die Menschen im Rollstuhl auf die Straße gesetzt. Da werden eben Wohnungen aus spekulativen Gründen jahrelang leerstehen gelassen. Und ich sage Ihnen: Wer das tut, handelt asozial.
Insofern bietet das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz, § 17, schon seit Jahren die Möglichkeit einzuschreiten. Ich habe dazu im Januar einige Anfragen gestellt und festgestellt, dass diese Möglichkeit trotz dieser Notlage, die seit Jahren besteht, von den Bezirken bislang nicht genutzt worden ist. Insofern geht es hier nicht darum, den Bürgerschreck zu spielen und Leuten Angst zu machen, dass ihre Eigentumswohnung enteignet werden soll, sondern es soll genau diejenigen treffen, von denen ich gesprochen habe, und die es dann auch zu Recht trifft. Ich bin mit Kollegin Schmidberger einig, dass wir um jede Wohnung kämpfen müssen. Nur das wird das Problem der Wohnraumversorgung, vor allem auch für die Flüchtlinge, natürlich nicht lösen.
Dazu hat der Senat allerdings auch sehr wenig getan. Was ist denn z. B. mit den 120 Objekten, die von der Bundesanstalt für Immobilienmanagement im März gemeldet worden sind, die jetzt zwischen LAGeSo und BIM irgendwie hin und her gereicht werden? Man befindet sich seit einem halben Jahr in der Prüfphase. Es ist nichts passiert. Herr Brauner, wenn Sie also von den Modularbauten reden: Seit März wurden 60 Grundstücke gemeldet. Und es sind gerade mal im Oktober zwei Bebauungspläne verabschiedet worden in Marzahn. Wenn wir mit dem Tempo weitermachen, dann sehe ich schwarz für all die Menschen, die auf der Straße liegen bzw. die sich selber nicht mit Wohnraum versorgen können.
Insofern unterstützen wir auch diesen Antrag der Linken und appellieren an den Senat, diese Diskussion auch mal als einen Weckruf zu sehen, die jahrelange Untätigkeit in diesem Bereich zu beenden und dafür zu sorgen, dass
sich auch Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Einschränkungen auf dem Wohnungsmarkt versorgen können.
Die nächste Katastrophe kommt ja auf uns zu, wenn die Träger des betreuten Wohnens, vor allem diejenigen, die Menschen mit psychischen Behinderungen versorgen, ihre Objekte verlieren, weil Geschäftemacher und neue Immobilienspekulanten ihre Verträge mit fadenscheinigen Begründungen kündigen. – Damit werden wir uns auch noch beschäftigen müssen. – Ja, wo sollen die denn dann hin? Haben Sie denn Platz in den städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder Objekte in den Bezirken, um diese Menschen zu versorgen?
Herr Kollege Spies! Können Sie sich erklären, warum die Prüfung gerade der Bundesimmobilien so lange dauert?
Ich bin fassungslos. Ich habe dafür keine Erklärung. Ich glaube, es handelt sich hier, wenn nicht um Verwaltungsversagen, um grobes politisches Versagen der Verantwortlichen.
In diesem Sinne: Stellen Sie sich endlich den Problemen! Und vor allem, was nicht passieren sollte – das sage ich zum Ende ausdrücklich –: Bitte spielen Sie die verschiedenen Gruppen nicht gegeneinander aus; nicht die wohnungslosen Jugendlichen gegen die Flüchtlinge oder die behinderten Menschen im Rollstuhl gegen die psychisch Kranken! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke, Kollege Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und
Wenn der Wunsch geäußert wird, dann würde ich sagen, die Senatorin Kolat und Senator Henkel werden gerade gesucht. Dann warten wir die kleine Sekunde. – Herr Henkel ist schon da. Und Henkel ist zuständig. Das reicht. – Bitte, Herr Kollege!
Für die finanzielle Unterstützung der Mitglieder der Härtefallkommission ist Frau Kolat zuständig seit einigen Wochen. Aber gut. Ich denke, wenn Herr Henkel das hört, dann ist das in Ordnung.
Ich will mit einer kleinen Anekdote beginnen. Als Klaus Wowereit hier das letzte Mal von uns gewählt werden wollte, es gab ja diese Zeit mal, 2011, stellte er sich bei uns in der Fraktionssitzung vor. Ich fragte ihn konkret, was er sich vorstelle in der Flüchtlingspolitik in der kommenden Legislaturperiode beizubehalten, zu ändern, was die Schwerpunkte seien. Er dachte ein bisschen nach und sprach dann lobend über die Arbeit der Härtefallkommission, dass diese Arbeit beibehalten werden und unterstützt werden solle vom Berliner Senat und von ihm als Regierendem Bürgermeister. Nun könnte man sagen, dass das vielleicht ein bisschen sehr spezifisch war als Thema. Ich würde sagen: Ich interpretiere das positiv. Das war einfach eine Aussage, die sehr für die Arbeit dieser Kommission spricht, die in den letzten Jahrzehnten geleistet wurde.
Die Härtefallkommission kennen sicherlich die wenigsten Menschen in Berlin. Für diejenigen, die sie kennen, ist sie aber umso wichtiger, weil sie häufig die wichtigste oder die letzte Anlaufstelle ist, um ihren Verbleib hier in Berlin zu sichern. Die Kommission gibt es bereits seit 1990. Sie wurde damals als bundesweit erste Kommission eingerichtet, damals also als bundesweites Vorzeigemodell. Seit 2005 arbeitet sie auf der Grundlage einer eigenen Verordnung. Sie beinhaltet Vertretungen aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Bereichen der Flüchtlings-, Migrations- und Frauenpolitik. Das heißt, dort ist die
Zivilgesellschaft – an fast einziger Stelle – auch wirklich vertreten im Bereich Aufenthalts- und Abschiebepolitik im Lande Berlin. Insofern ist gerade dieses Commitment vom damaligen und bis vor kurzem noch Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wichtig, und dieses Commitment der Koalition im Bereich Integration und Asyl war gerechtfertigt.
Vier Jahre später ist dieses Bekenntnis auf die Probe gestellt. Zwar gibt es mittlerweile eine – am letzten Donnerstag auch wieder bestätigte – finanzielle Unterstützung der Mitglieder der Härtefallkommission für diese wichtige Arbeit, die dort geleistet wird. Aber ihre inhaltliche Arbeit wird wenig wertgeschätzt, zumal es offensichtlich ja auch eine neue Form von Abschiebepolitik gibt, wie Herr Senator Henkel heute Morgen ja auch wieder offensichtlich demonstriert hat.
Über diese Information und über diese Frage, wie die Arbeit der Härtefallkommission läuft, wie sie auch von der Verwaltung und dem Senat wertgeschätzt wird, gab es am 4. Juni eine umfassende Veranstaltung, eine Fachtagung, zu der auch eine umfangreiche Broschüre rausgebracht wurde, die ich Ihnen nur ans Herz legen kann. Einige Punkte, die sich auch innerhalb dieser Broschüre abbilden, möchte ich Ihnen jetzt näherbringen.
Die Kommission gibt, obwohl sie anerkannte Mitglieder in dem Bereich hat, in dem sie tätig ist, nur unverbindliche Empfehlungen ab. Die Empfehlungen landen dann bei Senator Henkel auf dem Tisch, der darüber entscheidet und ihnen folgen kann oder auch nicht. Das Ärgerliche ist, es gibt keine Erklärung für die Ablehnung. Das heißt, die Kommission und damit auch die Antragstellenden sind komplett vom Wohlwollen des – offensichtlich hier zutage getretenen – Hardliners Henkel abhängig. Diese Begründung wäre sinnvoll, deswegen fordern wir sie auch: Sie würde Transparenz schaffen, und bestimmte Aspekte der Ablehnung – z. B., ob noch ein Gutachten fehlt oder ein Zeugnis oder ob zu wenig Geld verdient wird – könnten dann vielleicht noch korrigiert oder einvernehmlich ausgeräumt werden.
Ein konkretes Beispiel für die zum Teil absurden Gründe, warum es hier in Berlin Aufenthaltsbeendigungen gibt: Das haben wir letztes Jahr, im Jahre 2014, gesehen, als die Berlinerin Simran Sodhi abgeschoben werden sollte. Sie arbeitete im Vorzeigeprojekt von Frau Senatorin Kolat als Integrationslotsin in Treptow-Köpenick. Die Ausländerbehörde verweigerte ihr eine Verlängerung des Aufenthaltsstatus mit der Begründung, ihr Job – noch mal zur Erwähnung: es war ein Vorzeigeprojekt des Senats – sei nicht von öffentlichem Interesse. Erst zahlreiche Medienberichte und eine Petition mit über 20 000 Unterschriften konnten hier ein Umdenken bewirken. Aber nicht alle von Abschiebung bedrohten Menschen haben solches Glück und so viele Fürsprecher und Medienaufmerksamkeit.
Dass es sich hier um einen falschen Trend handelt, zeigen auch die Gesamtzahlen. Der Anteil der anerkannten Härtefälle verringerte sich von über 70 Prozent im Jahr 2011 auf rund 35 Prozent im Jahr 2014. So wurden im vergangenen Jahr von 189 vorgelegten Anträgen 107 abgelehnt. Daher gilt auch, dass Härtefallentscheidungen viel stärker an humanitären Gesichtspunkten auszurichten sind als z. B. an der Höhe des Einkommens.
Neben dieser Umsteuerung finde ich aber auch, dass andere Akteure hier noch aktiver werden könnten, um die Arbeit der Kommission wertzuschätzen. Z. B. – und weil Asylpolitik auch kein Orchideenthema ist, als das es lange hier behandelt wurde – könnte entsprechend dem Bericht des Stasi- oder Datenschutzbeauftragten ein jährlicher Bericht an das Abgeordnetenhaus gehen, mit dem wir uns hier beschäftigen und dazu auch eine Aussprache vornehmen.
Insofern gilt es, dass vor allem eine Trendumkehr bei der aktuellen auf Willkür und Härte orientierten Aufenthalts- und Abschiebepolitik des Senats gebraucht wird. Darum haben wir z. B. jetzt auch noch einen Antrag zur Reorganisation der Ausländerbehörde eingebracht, der unter einem späteren TOP noch aufgerufen wird. Aber es gilt auch, dass wir alle die Arbeit der Härtefallkommission besser würdigen und wertschätzen können; und das soll auch dazu dienen, dass das Commitment dieser Koalition zur Kommission und dass das Versprechen von Klaus Wowereit damals, dass die Koalition weiter zur Arbeit der Kommission steht, keine hohle Phrase war! – Vielen Dank!
Ich erteile ihm das Wort. – Ich stelle fest, Sie haben Zuspruch bekommen für diese Entscheidung. Freut mich! – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Bei dem hier vorliegenden Antrag geht es im Wesentlichen um die Entscheidungspraxis der Berliner Härtefallkommission. Eine Ausrichtung der Härtefallentscheidungen an humanitären Gesichtspunkten ist bereits Praxis. Derzeit ist es so, dass die Kommission aus humanitären Gründen oder besonders schwerwiegenden persönlichen Gründen einen Verbleib bzw. eine Aufenthaltserlaubnis positiv empfeh
len kann. Ihre Aufgabe ist es, im Falle von gesetzlich begründeten Härten das Aufenthaltsrecht in Einzelfällen abzumildern.
Zunächst vielleicht noch einmal zu den Prüfkriterien – für diejenigen, die das vielleicht nicht wissen: Dies sind keinesfalls nur eine bestehende Lebensunterhaltssicherung, sondern z. B. auch ein besonderer Betreuungsbedarf oder psychische Erkrankungen. Es gibt keine festen Kriterien. Jeder Gesichtspunkt, der eine Härte bedeutet, ist darzustellen sowie jeder Hinweis auf gelingende Integration: Wie lange ist die Person hier? Wie ist die Integration? Aber auch durchaus Gründe für eine persönliche Unmöglichkeit, im Land der eigenen Staatsangehörigkeit zu leben! Lebt die Familie hier? Wie ist es mit Schule, Arbeit, Ausbildung, Lebensunterhaltssicherung oder der Aussicht, dass diese möglich sein wird? Ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten, Hobbys, die eine Verankerung in Berlin bedeuten? Es ist dabei kein entscheidungserheblicher Faktor, ob man in Berlin geboren wird. Es handelt sich da ja um ein sogenanntes Gnadenrecht. Dennoch werden eine lange Aufenthaltsdauer, eine Geburt in Berlin oder sogar ein lebenslanger Aufenthalt als Härtegesichtspunkt miteingebracht. Also eine Reihe an Faktoren und Umständen, die zu berücksichtigen sind!
Es ist richtig: Auch Straftaten sind anzugeben und werden vom Innensenator auf der Negativseite mit angezeigt. Die Geschäftsstelle der Härtefallkommission erstellt einen Aktenauszug aus der Verfahrensakte der Ausländerbehörde – das ist der sogenannte Verlauf der aufenthaltsrechtlichen Genese, so heißt das ganz genau – und erwähnt dabei alle Straftaten, so auch laufende Ermittlungsverfahren. Hier darf natürlich die allgemeine Unschuldsvermutung aber nicht außer Acht gelassen werden. Auf der anderen Seite ist auch die positive persönliche Entwicklung nach Straftaten bzw. eine besonders positive Entwicklung im Vollzug oder bei Drogentherapien von Abhängigen mit zu berücksichtigen. Besondere Härten stellen unter anderem häusliche Gewalt durch den Ehemann im Herkunftsland oder der Status als Opfer von Menschenhandel dar.
Zur Entscheidungspraxis hat der Kollege Reinhardt schon etwas gesagt. Ich mache es kurz, um an dieser Stelle einfach auch Zeit zu sparen. Es ist richtig – die Härtefallkommission kann mit Zweidrittelmehrheit den Innensenator um die Aufenthaltserlaubnis nach § 23a im Aufenthaltsgesetz ersuchen. Der Senator muss dieses Votum mit in die Prüfung ziehen, hat aber letzten Endes die Letztentscheidungsbefugnis. Wenn es noch neue Situationen oder Fakten gibt, ist es auch möglich, an dieser Stelle nachzuverhandeln und mit ihm das Gespräch zu führen. Für diesen Fall muss darauf hingewirkt werden, dass während des Nachverhandelns die betroffene Person auch noch vor Abschiebung geschützt wird und die zu erteilende Duldung nicht nur bis zur ersten Entscheidung des Innensenators gilt.