Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Arndt! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Schmidberger. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es komisch und auch irgendwie ein bisschen witzig, dass die SPD hier den Antrag der Linken kritisiert, aber selbst in dem Punkt nichts Dergleichen vorzuweisen hat.
Lieber Herr Dr. Arndt! Sie könnten doch einfach mal selbst initiativ werden und es von mir aus auch besser machen als die Linken, aber Sie sollten einfach mal was tun.
Gute Frage! – Wohnraumrückgewinnungsprogramm – über diesen verschrobenen Titel will ich mich jetzt hier nicht äußern, aber die Probleme, die in diesem Antrag angesprochen werden, müssen wirklich dringend angepackt werden.
Seit Jahren steigt die Zahl der Personen, die besonderen Wohnbedarf haben oder von Obdachlosigkeit betroffen sind – und das bei immer weniger Angebot. Das Wohnungslosenhilfesystem in Berlin ist praktisch kollabiert. Wir erleben eine neue Wohnungsnot in dieser Stadt. Menschen, die es schaffen, aus der Wohnungslosigkeit heraus und in die Wohnungslosenhilfe hineinzukommen, müssen von sozialen Trägern nach Jahren wieder auf die Straße gesetzt werden. Das ist eine absurde Situation, die viel kostet und fast nichts bringt. Deshalb unterstützen wir Grünen auch den Antrag der Linken.
Viele Punkte, die in dem Antrag genannt werden, sollten übrigens auch selbstverständlich für die zuständigen Senatsverwaltungen sein. Wenn wir jetzt darüber debattieren müssen, welche zusätzlichen Vereinbarungen zu schließen sind und welche rechtlichen Ergänzungen wir möglicherweise brauchen, dann zeigt das doch deutlich, dass die Koalition und der Senat den Schuss leider immer noch nicht gehört haben.
Der Antrag fordert, dass die Bezirke auch finanziell in die Lage versetzt werden sollen, leer stehende Wohnungen zu beschlagnahmen beziehungsweise anzumieten. Dass eine Beschlagnahmung rechtlich möglich ist, zeigt die derzeitige Praxis des LAGeSo. Hier würde es den Bezirken bereits helfen, wenn sie vom Senat einen garantierten Ausgleich der entstandenen Kosten bekämen. Die Hürden sind hoch. Da hat Herr Czaja recht, aber so, wie er behauptet, dass das rechtlich nicht möglich sei und wir erst BVG-Bahnhöfe beschlagnahmen und nutzen müssten, stimmt das nicht. Das ASOG ermöglicht diesen notwendigen Spielraum. Die grundgesetzlich zugesicherte Eigentumsfreiheit der Eigentümer ist aus gutem Grund dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und öffentlichen Frieden untergeordnet.
Zu dem Beispiel Kreuzberg, das die SPD anbringt: Der Eigentümer von Riehmers Hofgarten war jetzt nur bereit, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, weil ihm eine Beschlagnahmung angedroht wurde.
Wichtig wäre nun – nach dem Vorbild der rot-grünen Regierung in Hamburg –, die Verfahren dazu zu vereinfachen, damit in der Krisensituation schnell agiert werden kann und es keine Einzelfallprüfungen geben muss.
Frau Kollegin Schmidberger! Nur aus Interesse, weil ich das den gestrigen Berichten und Interviews nicht entnehmen konnte: Wie viele Wohnungen werden denn jetzt konkret bereitgestellt im Bereich Riehmers Hofgarten, nachdem jetzt anscheinend die eigentlich geplante Beschlagnahmung vom Tisch ist?
Derzeit weiß ich, dass der Eigentümer mit unserer Bezirksbürgermeistern, Frau Herrmann, im Gespräch ist. Die verhandeln das gerade, und zwar nicht nur, wie viele Wohnungen das sind, sondern auch, um welche Preise es geht. Wir haben da einige Probleme. Der Eigentümer hat nämlich sehr lange behauptet, die Wohnungen würden genutzt. Komischerweise standen vor ein paar Tagen Umzugswagen vor der Tür, und es wurden frisch gekaufte Möbel reingestellt. Aber ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind. Außerdem ist es ein Beispiel. Wir brauchen viel mehr in der gesamten Stadt.
In dieser angespannten Situation brauchen wir menschenwürdige Unterbringung. Dazu gehören auch leer stehende Wohnungen. Laut Berliner Mieterverein sind es bis zu 5 000 in der ganzen Stadt. Es kann nicht sein, dass wir Obdachlose und Geflüchtete in Traglufthallen oder Zelten menschenunwürdig unterbringen und gleichzeitig mehrere Tausend Wohnungen in dieser Stadt leer stehen. Ich finde, das können und dürfen wir uns in dieser Notlage nicht leisten.
Was wir darüber hinaus aber noch viel dringender brauchen, ist mehr dauerhaft zur Verfügung stehender Wohn
raum. Auch weil das Neubauprogramm des Landes Berlin erst anläuft, wäre es zentral, den Bestand an Wohnraum endlich in den Fokus Ihrer Wohnungspolitik zu rücken, Herr Geisel. Deshalb muss endlich der Leerstand kontrolliert werden. Seit einem Jahr haben wir in Berlin ein Zweckentfremdungsverbot, und trotzdem wissen wir immer noch nicht, wie viele leer stehende Wohnungen es in der Stadt wo gibt. Wären die Bezirke damals von Anfang an mit genügend Personal für die Umsetzung des Gesetzes ausgestattet worden, hätten wir heute eine Übersicht über bestehenden Leerstand in der Stadt. Im besten Fall hätten wir sogar gar keinen spekulativen Leerstand mehr. Wie sollen, Herr Dr. Arndt, mit 34 neuen Stellen 1,6 Millionen Mietwohnungen in dieser Stadt kontrolliert werden? – Das geht nur mit genügend Personal. Hier sparen Sie an der falschen Stelle, Herr Geisel.
Der Antrag fordert Vereinbarungen auch mit den privaten Wohnungsunternehmen. Das ist auch sehr sinnvoll und auf jeden Fall dringend notwendig, weil wir leider nur 16 Prozent der Wohnungen in Berlin im Landesbesitz haben. Warum haben Sie sich bisher nicht bemüht, Kooperationen mit den großen privaten Wohnungsunternehmen zu vereinbaren – außer früher einmal mit der GSW? Sie selber sagen doch immer, dass es ohne die private Wohnungswirtschaft nicht geht. Dann sorgen Sie jetzt auch dafür, dass große Anbieter endlich Verantwortung in dieser Stadt übernehmen können!
Uns fliegt der ganze angespannte Wohnungsmarkt um die Ohren, und es entsteht zu wenig neuer bezahlbarer Wohnraum. Bis Sie so viel neu gebaut haben, wie wir brauchen, wird sich die Zahl der Wohnungslosen leider nahezu verdoppeln. Wohin soll das führen, wenn wir jetzt nicht alle erdenklichen Maßnahmen in die Wege leiten? Deshalb bin ich der Meinung: Es lohnt sich, um jede einzelne bezahlbare Wohnung in dieser Stadt zu kämpfen.
Danke schön! – Die CDU-Fraktion hat Herrn Kollegen Brauner als Redner benannt, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wohnraumrückgewinnungs/-enteignungs-wieauch-immer-Programm – toller Name, den Sie sich da ausgedacht haben. Ich glaube, Sie schießen weit über das Ziel hinaus mit dem, was Sie hier formuliert haben, werte
Kollegen von den Linken. Wir haben als Senat schon eine ganze Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet. Ich denke nur daran, dass wir im Bereich der Wohnungspolitik – das ist ein Teil dessen, was Sie ansprechen – relativ viel getan haben, damit all die Menschen, die nach Berlin kommen, und alle Berlinerinnen und Berliner einen guten Zugang zum Wohnungsmarkt haben und auch zu einer gedämpften Mietpreisentwicklung beigetragen wird. Was Sie aber jetzt mit diesem Antrag tun und was Sie nur ein bisschen kaschieren, ist die Situation, dass Sie insbesondere das Thema Flüchtlinge dazu nutzen wollen, massivste Eigentumseingriffe und gleichzeitig auch eine Beunruhigung der Bevölkerung herbeizuführen.
Das ist – der Kollege Arndt hat es schon angedeutet und sehr richtig gesagt –, Öl ins Feuer gießen. Sie legen die Lunte an etwas, das Sie gar nicht mehr beherrschen können. Deswegen halte ich es für unverantwortlich, dass Sie mit einem solchen Verfahren arbeiten wollen.
Nein! – Die Formulierung, die Sie hier benutzt haben „Wohnraumrückgewinnungsprogramm“ mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge – – Wir machen Politik für die ganze Stadt. Wir kümmern uns um alle. Wir kümmern uns um die Berlinerinnen und Berliner mit unserer Wohnungspolitik, die aus drei Säulen besteht: Mietpreisbremse, Zweckentfremdungsverbotsgesetz und Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Und wir kümmern uns um die Flüchtlinge in gleicher Art und Weise. Und wir kümmern uns um diejenigen, die nach Berlin ziehen und hier neue Wohnungen beziehen wollen, die gerade neu gebaut werden. All das haben wir getan, und wir differenzieren dabei nicht.
Dieser Antrag differenziert, und er ist deshalb gefährlich. Wir werden diesem Antrag in der Art und Weise, wie er jetzt gestellt ist, natürlich nicht zustimmen.
Ich will Sie aber ermuntern, an der Stelle einmal einen Blick darauf zu werfen, was wir im Bereich der Flüchtlinge – erstens – schon getan und – zweitens – angekündigt haben. Erstens hat sich der Kollege Czaja sehr intensiv damit auseinandergesetzt: Wie werden wir wieder Eigentümer und Herr im Bereich der Flüchtlingsunterbringung. Frau Lompscher telefoniert gerade, aber unter
ihrer Ägide ist man das Thema überhaupt nicht aktiv angegangen, wie man mit Ressourcen umgeht, sondern man ist eher im Bereich des Verkaufes und der Privatisierung tätig geworden. Wir haben den Schalter gemeinsam mit unserem Koalitionspartner umgelegt und sind jetzt wieder Herr im eigenen Haus, in dem Fall Herr in der eigenen Flüchtlingsversorgung.
Wir haben das Thema modulare Bauten. Auch hier hat Herr Czaja entsprechend agiert, und zusammen mit den werten Senatskollegen sind wir dort auf dem Weg der Beschaffung und der Errichtung solcher Einrichtungen, sodass wir nachher hier selbst steuern können.
Und gleichzeitig läuft die Diskussion, wie wir in schneller Art und Weise 15 000 Wohnungen, vielleicht auch mehr, weitere, schnell errichteten Wohnraum hier in der Stadt schaffen können, der natürlich für Flüchtlinge, aber sicherlich auch für andere Gruppen am Wohnungsmarkt zugänglich ist, damit wir auch in diesen neuen Wohnungen eine entsprechende Mischung und ein Abbild der Gesellschaft finden. Wir differenzieren nicht, sondern wir sagen: Wir müssen hier schnell und entschlossen handeln, wie wir das schon in anderen Bereichen der Wohnungspolitik getan haben. Und das bedeutet, dass wir investiv in die Vorhand gehen.
Und jetzt sage ich mal eins: Erfreulicherweise können wir es. Finanziell sind der Senat und das Abgeordnetenhaus in der Lage, dies zu untersetzen mit einem Haushaltsbeschluss, der einen Schwerpunkt auf Investitionen legt und auch darauf, dass wir unsere eigenen Immobilien dafür nutzen oder schaffen. Sie glauben doch nicht im Ernst, wenn Sie jetzt hier zu dem Zwangsinstrument greifen, dann vielleicht auch noch auf dem sehr dünnen juristischen Brett, dass Sie günstig an diesen Wohnraum kommen? Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Sie werden hier Höchstpreise zahlen für Immobilien, die vielleicht sehr fragwürdig sind, wo man am Ende sehr froh ist, nach langem juristischem Kampf, dass der Senat es vielleicht beschlagnahmt. Ich halte es für viel klüger, dass wir an der Stelle selbst investieren, den Wohnraum schaffen, nutzbar machen für Flüchtlinge, für Studenten, für Personen, die vielleicht kleinen Wohnraum benötigen, den dort auch unterbringen, und eben nicht nur einzelnen Gruppen zureden, sondern für alle in der Stadt, für alle Berlinerinnen und Berliner und für alle, die neu herkommen, und nicht Einzelgruppen bevorzugen, das ist gefährlich, sondern wir machen eine Politik aus einem Guss. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Brauner! – Für die Piratenfraktion erteile ich dem Kollegen Spies das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!