Protocol of the Session on June 11, 2015

aber da, wo dann sozusagen die Pflicht des Handelns kommt, die vornehmste Pflicht dieses Hauses, für die Finanzierungsgrundlagen zu sorgen, da tauchen Sie ab. Da muss ein Paradigmenwechsel erfolgen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Solange taugt das sonst alles nichts. Da fassen wir uns bitte gemeinsam an die eigenen Nasen und versuchen, das zu entwickeln, was man Courage nennt, nämlich mit den entsprechenden Ansätzen in die Haushaltsberatungen zu gehen. Ich weiß, dass wird in dieser Wahlperiode sicher nichts mehr werden, aber ich hoffe einfach auf ein bisschen mehr guten Willen bei unseren Nachfolgern in der 18. Wahlperiode. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt Frau Kollegin Lange das Wort. – Bitte schön!

Herr Brauer! Sie stimmen mir doch sicher zu, dass die Bibliotheken zumindest bis jetzt in kommunaler Trägerschaft, also in der Obhut der Bezirke, sind? Sie stimmen mir sicher auch weiterhin zu, dass wir in der letzten Legislaturperiode genau das versucht haben, Eigenbetrieb und ähnliche Modelle zu entwickeln, die allesamt am Rat der Bürgermeister gescheitert sind und nicht nur am Veto des Regierenden Bürgermeisters? Wir können gern über ein Bibliotheksgesetz sprechen, aber ich bin der Meinung, wenn wir ein Bibliotheksgesetz nicht finanziell unterlegen, dann haben die Bibliotheken nichts davon.

Vielen Dank! – Zur Erwiderung hat noch mal der Kollege Brauer das Wort. – Bitte schön!

Den Begriff „Bibliotheksgesetz“ habe ich kürzlich in einem Papier gelesen, das heute schon mehrfach zitiert worden ist. Ich will jetzt die offenen Wunden vom heutigen frühen Nachmittag nicht noch einmal aufreißen.

[Uwe Doering (LINKE): Sag‘ doch Koalitionsvertrag!]

Genau! Da steht das auch drin.

Frau Lange! Sie haben vollkommen recht. Bibliotheksgesetz, okay. Meinethalben auch ein Landeskulturgesetz. Wenn es aber finanziell nicht untersetzt wird, dann liegt das einzig und allein am haushälterischen Nichthandlungswillen der Koalition. Es ist Ihre Entscheidung, ein solches Gesetz mit den entsprechenden Mitteln zu unterlegen. Wenn Sie das nicht wollen oder nicht tun, sorry, dann setzen Sie sich bitte mit Ihren eigenen Haushältern auseinander, aber nicht mit der Opposition. Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Schlede das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bangert! „Unsägliche Beratungsresistenz“ habe ich von Ihrer Seite vernommen. Ich habe das so verinnerlicht, fühlte mich gleich erwischt. Meine verehrte Kollegin! Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, die zeitgemäße Kooperation der Zentral- und Landesbibliothek mit den

Bibliotheken – das ist zwar schon von 2014, da war die ZLB auf dem Tempelhofer Feld noch nicht gestorben, aber es würde ja nach wie vor gelten, denn die Zentral- und Landesbibliothek existiert ja auch ohne ein neues Gebäude –, dann gibt es eine Standortplanung sowie die Vereinbarung von Mindeststandards, die festlegen, welche verbindlichen Aufgaben die Berliner Bibliotheken haben – das wollen Sie alles im Konzept oder Gesetz, davon steht hier auch etwas –, und dann Anregungen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen eine Finanzierung der verbindlichen Aufgaben ermöglichen. Damit habe ich nur einen ganz kleinen Teil dessen genannt, was Sie sich wünschen: Ein Konzept mit einer Kommission und finanziell unterlegt.

Was Sie bei all ihren Diskussionen – Frau Lange hat gerade darauf hingewiesen – übersehen, ist unsere zweistufige Verwaltung. Die Bibliotheken bekommen ihre Gelder. Wir reden in diesem Moment von den Bezirksbibliotheken und noch nicht von den wissenschaftlichen und noch nicht von den privaten, Schul- und Fahrbibliotheken. Die sind in der finanziellen Grundausstattung durch unseren Haushalt gewährleistet, der aber als Globalhaushalt in den Bezirken gilt. Wenn wir ein Gesetz machen, das all dies umfasst, Standards setzt, personelle, ausstattungsmäßige, medienmäßige, dann muss ich dieses letztlich den Bezirken entziehen. Die können nur noch umsetzen, sind aber nicht mehr Haushälter im eigentlichen Sinne. Daran scheitert dieses Konzept. Denn, Frau Bangert, das Konzept, das schon auf dem Tisch lag, ist ja auch vom Rat der Bürgermeister abgelehnt worden, weil die sich in ihrer Kompetenz beschnitten sahen. Wir kommen wieder auf die zentrale Problematik: Lassen wir es bei einer globalen Haushaltsgestaltung in den Bezirken oder nicht? Dieses ist wieder ein Ansatz dazu, die Bezirke in diesem Punkt in ihrer Eigengestaltung zu entmachten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das sehe ich nicht ein.

Herr Kollege Schlede! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bangert?

Bitte!

Herr Schlede! Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die ZLB schon seit geraumer Zeit intensiv mit etlichen Bezirksbibliotheken kooperiert, sich mit denen austauscht, Shared Services betreibt, also dass im Grunde genommen die Zusammenarbeit schon in vielen Bereichen stattfindet, aber dass es einfach auch untersetzt, dass es ausgeweitet

werden muss? Da gibt es Möglichkeiten trotz Zweistufigkeit der Verwaltung. Diese Möglichkeiten wären viel intensiver zu nutzen, aber dafür müssen Sie natürlich auch die Voraussetzungen und Strukturen schaffen.

Das war fast ein Gegenvortrag. Es ist mir bekannt. Die Zusammenarbeit ist auch effektiv. Sie läuft unter den jetzigen Bedingungen sehr ordentlich. Es geht dabei unter anderem um Infrastruktur und beispielsweise auch um ITAusstattung. Es gibt einen kooperativen Bibliotheksverband Berlin-Brandenburg, ein Kompetenznetzwerk für Bibliotheken, Bibliotheken im Stadtteil. Das ist uns allen bekannt. Die gibt es bereits. Die Kooperation ist sehr wohl effektiv.

Aber das meinen Sie gar nicht mit dem Konzept. Ein Konzept umfasst in dem Maß, wie Sie es dargestellt haben, geradezu in Gesetzform eine Totalität der Erfassung der Berliner Bildungslandschaft in Form der Bibliotheken.

[Sabine Bangert (GRÜNE): Das steht bei Ihnen im Koalitionsvertrag!]

Der Kollege Schlede hat das Wort.

Schönen Dank, Herr Präsident! – Das ist in Ihrem Antrag sowohl wörtlich gefordert wie auch in diesem Sinn begründet. Aus diesem Grund stößt es immer wieder auf den entschiedenen Widerstand der Bezirke. Wenn Sie heute ein Konzept seitens der Bezirke brächten, das von uns fordert, finanziert das, wird es so von uns umgesetzt. Wir gestalten nichts um und zweigen auch kein Geld ab. Dann sind wir sicherlich mit dabei. Solange das aber nicht der Fall ist, rennen wir hier nicht offene, sondern verschlossene Türen ein.

Die Effizienz wollen wir gern erhöhen. Aber unter anderem sind unsere Partner in der Haushaltsgestaltung in diesem Fall diejenigen, die das Geld mit einsetzen und umsetzen; es sind die Bezirke. Wir legen auch sehr großen Wert darauf. Interessanterweise sind die Bezirke in der Gestaltung ihrer Bibliothekslandschaft qualitätsmäßig sehr unterschiedlich aufgestellt. Es gibt welche, die mehr oder weniger Tabula rasa machen, andere konzentrieren sich mit einem hohen Aufwand darauf. Es gibt wieder andere, die am Personal sparen, manche an der Ausstattung. Das ist nicht einheitlich, aber von uns auch nicht unbedingt in den zwölf Bezirken auf einen einheitlichen Standard zu bringen. Wir wollen, dass die Bezirke weiter mitarbeiten, denn das hilft denen am meisten, die die Bezirksbibliotheken aufsuchen, die eine hohe Nachfrage

haben und auch in Zukunft behalten sollten. An der Qualität liegt uns. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Wolfgang Brauer (LINKE): Eigentlich wollen Sie nur, dass alles bleibt, wie es ist!]

Schönen Dank! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Magalski das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Für uns Piraten sind Bibliotheken trotz der und gerade durch die Möglichkeiten des Internets und des digitalen Wandels nicht nur als sozialer Lernort für die Wissensvermittlung, für Sprach- und Lesekompetenz, sondern auch als ein Zentrum für Medienkompetenz sowie besonders für demokratische und politische Bildung bis auf Weiteres unverzichtbar.

Bereits 1995 nahm das Abgeordnetenhaus einen Bibliotheksentwicklungsplan zur Kenntnis, der aber nie umgesetzt wurde. Fast 20 Jahre später ist dieser veraltet und teilweise unbrauchbar. Selbst wenn also der Wille in diesem Haus bestünde, einen Plan umzusetzen, so wäre der alte mittlerweile überholt. Das begründet sich nicht nur aus den Updates der IT-Infrastruktur und neuer Medien, sondern auch mit der Weiterentwicklung des Nutzer/-innen/-interesses, das sich gewandelt hat.

Ein neuer Bibliotheksentwicklungsplan wird dringend benötigt. Ich möchte das noch einmal anhand einiger Fakten unterlegen. Das Bibliothekssterben in Berlin schreitet scheinbar unaufhaltsam voran. Seit der ersten Lesung zu diesem Antrag sind schon wieder einige dazugekommen. Von den noch im Jahr 2010 über 100 Bibliotheken in Berlin werden wohl schon 2016 keine 70 Bibliotheksstandorte mehr übrig sein. Der Landesrechnungshof hält mittelfristig gar eine Reduktion auf 42 Bibliotheksstandorte für angemessen. Damit sinken allerdings auch die Medieneinheiten pro Einwohner, und die Wege zur nächsten Bibliothek würden auch immer länger.

Wenn wir uns aber den demografischen Wandel anschauen, wird die Altersstruktur derjenigen, die auf eine Bibliothek in der Nähe angewiesen sind, viel größer werden. Da hilft die geringe Anzahl an mobilen Bibliotheksbussen auch nur sehr bedingt. Die Liste der zu behebenden Mängel im Berliner Bibliothekswesen ist leider noch länger. Ich möchte exemplarisch noch einige davon nennen. Die Webpräsenz des Verbundes der öffentlichen Bibliotheken Berlins, des VÖBB, unter www.voebb.de ist – um es einmal vorsichtig auszudrücken – in die Jahre gekommen. Das Gleiche gilt für die Katalogoberfläche. Eine Katalog-App fehlt völlig. Es gibt immer noch weder ein Online-Bezahlsystem, noch eine Online-Bibliotheks

(Sabine Bangert)

anmeldung, obwohl das Land Berlin eine Rahmenvereinbarung mit Paypal abgeschlossen hat. Wann wird die eigentlich umgesetzt? Es fehlt ein gemeinsames Corporate Design des Verbunds. Entsprechend schwach ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, also überall Web 1.0 oder darunter. Was ist da los, Herr Renner?

Ich führe es noch ein wenig fort, wenn es in Ordnung ist. Es gibt weder einen gemeinsamen, bezirksübergreifenden Leseausweis noch einen gemeinsamen Jahresbericht des VÖBB. Das Netz der Schulbibliotheken ist nicht in den Verbund integriert. Es gibt keinen für die Schulen definierten Bibliotheksstandard. Dass das EDV-System insgesamt veraltet ist, muss ich nicht extra erwähnen, tue es aber dennoch, auch wenn es weh tut. Nach dem Personalabbau ist ein Mitarbeiter für etwa 40 000 Medienentleihungen im Jahr zuständig. Angestrebt waren einmal 25 000.

Der Anschaffungsetat pro Einwohner sollte eigentlich bei 1,50 Euro liegen, liegt aber effektiv nur bei 1,12 Euro mit sinkender Tendenz. Last but not least ist die Versorgung migrantischer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Medien in Muttersprache mehr als dürftig. Besonders in Bezirken, wo deren Anteil sehr hoch ist, trägt es nicht gerade dazu bei, das dringend benötigte zusätzliche Bildungsangebot bereitzustellen. Geld für all dies ist nicht vorhanden, weil die Mittel nicht als zweckgebundene Globalzuweisungen ankommen. Sie werden zweckentfremdet oder zu 100 Prozent in den Kernaufgaben verbraucht. Schon aus der 2005 veröffentlichen Einschätzung der Expertenkommission Neuorganisation der Berliner öffentlichen Bibliotheken geht hervor, dass die Kosten- und Leistungsrechnung für Bibliotheken nicht zweckdienlich ist. Eine leistungsorientierte Budgetzuweisung findet nicht statt.

Diese Kritik greift unter anderem auch der Arbeitskreis Kritische Bibliothek auf und fordert eine Abschaffung der bisherigen Kosten- und Leistungsrechnung, weil „sie sich nicht als geeignetes Instrument zur gleichmäßigen Förderung der Bibliotheken entwickelt hat“.

Den vorliegenden Antrag sehen wir also als einen guten Schritt an, die Finanzierung der Bibliotheken auf der Grundlage eines Bibliotheksentwicklungsplans sicherzustellen, indem Standards und Mindestanforderungen formuliert sind, die Verbindlichkeit erlangen, mit stärkeren zentralen Vorgaben und direkten Zuschüssen aus dem Landeshaushalt. Perspektivisch sollte der Bibliotheksentwicklungsplan in ein Berliner Bibliotheksgesetz münden, das den Erhalt der vorhandenen Einrichtungen und den angemessenen Unterhalt und die Weiterentwicklung der öffentlichen Bibliotheken zur Pflicht des Landes Berlin macht, denn Bildung ist und bleibt Landessache. Mit der voraussichtlichen Ablehnung dieses Antrags allerdings zieht sich die Koalition leider abermals aus der Verantwortung.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht. – Zum Antrag Drucksache 17/1620 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten auch mit Änderungen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piratenfraktion, die Grünen und die Linken. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe nunmehr auf

lfd. Nr. 13 A:

Präsenztag verpflichtend als Fortbildungstag festlegen

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 4. Juni 2015 Drucksache 17/2313

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1967

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1967-1

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist heute nicht vorgesehen. Die Fraktionsgeschäftsführer haben sich aufgrund finanzieller Folgewirkung des Antrags auf eine Rücküberweisung an den Hauptausschuss verständigt. Ich schlage vor, den Änderungsantrag ebenfalls an den Hauptausschuss zu überweisen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.