Protocol of the Session on June 11, 2015

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Ist es für Sie nicht seltsam, dass der Senator seit Anfang des Jahres Verträge prüft, aber bis heute, dem 11. Juni 2015, kein einziger Vertrag geschlossen werden konnte, aber viele Einrichtungen ohne Verträge entstehen? Ist das nicht der größere Schaden für das Land Berlin, und denken Sie, dass der Senator überhaupt ein Konzept hat, welchen Verträgen er zustimmen kann, wenn er bisher allen nicht zustimmen konnte?

Soweit ich dem Senator in der Sondersitzung am 28. Mai folgen konnte, sind von den 64 vorhandenen Einrichtungen in Berlin 22 ohne aktuellen Vertrag und elf müssen nachverhandelt werden. Das zeigt aber auch, dass hier nicht einfach irgendetwas abgeschlossen wird, sondern auch verhandelt werden muss. Diese Tatsache müssen wir bei der nächsten Sondersitzung zu diesem Themenfeld erörtern.

Wir beide sind nicht in der Situation, dass wir alle Verträge kennen. Wir haben uns vielleicht einen Ausschnitt im Datenraum anschauen können. Deswegen halte ich es für ein bisschen übertrieben zu behaupten, dass alle Verträge so sind. Genaues Hinschauen ist in der Tat unsere gemeinsame Aufgabe.

Ich will ergänzen, dass es aus unserer Sicht positiv zu bewerten ist, dass seit Jahresanfang die Verträge nicht einfach mehr abgeschlossen werden, sondern eine zusätzliche Fachaufsicht draufschaut – somit mehr Augen und mehr Fachkenntnisse auf diese Verträge schauen und sie bewerten – und dass mehr Personal vom Senat bewilligt worden ist, damit das Landesamt für Gesundheit und Soziales schneller fit gemacht werden kann, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Es muss unser gemeinsames Interesse sein, das Landesamt für Gesundheit und Soziales, mit dem fast jeder sechste Berliner in irgendeiner Form zu tun hat, wieder so fit zu kriegen, dass es den notwendigen Aufgaben und den Zielvereinbarungen gerecht wird.

Es ist auch sehr wichtig, dass wir bei aller möglichen Kritik – ob berechtigt oder nicht, werden wir demnächst erörtern – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort unterstützen, denn sie machen eine sehr wichtige, auch sehr harte Aufgabe. Viele von ihnen sind nervlich ziemlich ausgepowert. Deshalb ist es wichtig, dass wir schauen, dass dort mehr Personal hineinkommt und Unterstützung findet.

(Canan Bayram)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Reinhardt?

Herr Reinhardt – bitte schön!

Bitte schön, Herr Reinhardt!

Frau Radziwill! Ich habe eine Verständnis- und Informationsfrage, weil Sie gerade sagten, Sie hätten bisher leider nicht die Zeit gehabt, die ganzen Verträge anzuschauen: Wir diskutieren über die möglicherweise rechtswidrigen Verträge intensiv seit November 2014. Das sind nach meiner Rechnung acht Monate. Sie wissen zufälligerweise, dass Sie sich per IFG und auch nach Artikel 45 Abs. 2 der Verfassung von Berlin Akteneinsicht geben lassen und sich die Verträge anschauen können wie jeder andere Berliner und jede andere Berlinerin. Sie haben es offensichtlich bisher nicht gemacht. Die Frage ist: Warum? Und wann haben Sie vor, sich diese Verträge anzuschauen?

Sehr geehrter Herr Reinhardt! Ich weiß nicht, wie viele von den 149 Abgeordneten dies gemacht haben. Ich weiß, dass Sie sehr intensiv daran sind und dass ein Teil der Verträge von Frau Bayram angeschaut wurde. Wir informieren uns innerhalb der Koalition selbstverständlich auch. Die Wege dort sind möglicherweise ein bisschen anders, aber das heißt nicht, dass wir uns nicht darum bemühen. Die Unterstellung, die Sie in Ihre Frage gebracht haben, verbitte ich mir. Wir sind kollegial in der Zusammenarbeit so gut, dass diese Behauptung sicherlich nicht gerechtfertigt ist.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich denke, dass wir den Antrag auch so verstehen können, dass die Grünen bemüht sind, ihre Position für die nächste Sondersitzung darzustellen. Wir werden in der Beratung die Inhalte, die dort vorliegen – nämlich die Handlungsempfehlungen und die Ergebnisse des Prüfberichts – , gemeinsam würdigen und beraten. Ich zumindest freue mich auf die nächste Ausschussberatung. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Radziwill! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Ülker Radziwill! Es ist ein bisschen Klippschulniveau, was wir nach zwei Jahren erreicht haben – so lange reden wir über dieses Thema. Und jetzt höre ich, Herr Czaja sei seit einiger Zeit sehr bemüht – das ist schön –, das LAGeSo müsse fit gemacht werden – aber seit Jahren reden wir darüber, dass die gar nicht ausreichend Personal haben.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben vor etwa sieben Monaten einen ähnlichen Antrag der Piraten diskutiert, und jetzt haben die Grünen noch einmal so etwas vorgelegt. Damals hat uns Herr Krüger erklärt – er wird sicherlich gleich noch zu Wort kommen –, dass es gute Anfänge bei der Aufklärung der Ungereimtheiten und der Vergabe der Flüchtlingsunterkünfte gibt. – Ich habe mir Ihre Rede noch einmal angeguckt; das müssen Sie auch mal lesen! – Die Innenrevision würde jetzt ermitteln, der Landesrechnungshof sei eingeschaltet, und eine Vorverurteilung sei nicht angemessen. Das fand die SPD auch. Jetzt liegen uns die ersten Ergebnisse vor. Man konnte auch viel in der Presse lesen, und wenn man sich die ganzen Unterlagen angeguckt hat, dann weiß man: Viel Falsches stand da nicht drin.

Nach zweieinhalb Jahren stehen wir also immer noch vor den gleichen Fragen. In der Zwischenzeit kann man die Fragen auch noch konkreter formulieren: Es ist gar nicht mehr die Frage, ob dem Land Berlin ein Schaden entstanden ist – es ist die Frage, wie hoch dieser Schaden ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Insgesamt stellt sich die Frage: Wer hat eigentlich von wem wie viel Geld bekommen und warum? – Zu alledem haben Sie nichts gesagt. – Die Kollegin Radziwill möchte gern eine Frage stellen. Ich will mich nicht einmischen, aber wenn sie sich immer meldet, macht mich das nervös.

Ich wollte Ihnen nicht ins Wort fallen. Aber wenn Sie schon darauf hinweisen, dann frage ich Sie jetzt einfach ganz direkt, ob Sie eine Frage zulassen würden, Frau Kollegin.

Selbstverständlich!

Dann bitte, Frau Radziwill!

Sehr aufmerksam, liebe Elke Breitenbach! Ich würde gern wissen: Liegen Ihnen die Handlungsempfehlungen und die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer vor? Sie reden so, als ob bestimmte Behauptungen schon bestätigt und begründet seien. Ist es denn nicht sinnvoll, auf die gemeinsame Beratung am 22. Juni zu warten? Das ist in ein paar Tagen.

Es geht um den vorliegenden Antrag der Grünen. Der hebt überhaupt nicht darauf ab, wie die Zukunft gestaltet werden könnte. Das sind übrigens Anträge, die Sie von den Piraten, den Grünen und von uns schon seit zweieinhalb Jahren vorgelegt bekommen haben – die haben Sie alle schon versenkt!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Hier geht es um die Frage: Was ist denn eigentlich schiefgelaufen? Wie kommt man jetzt zu dem Punkt zurück, wo man rechtmäßig handelt? – Das ist der Punkt der Grünen, und das war auch der Punkt der Piraten.

Zu den Flüchtlingsunterkünften: Wenn wir jetzt noch 60 Flüchtlingsunterkünfte haben – Herr Gerstle hat im letzten Ausschuss gesagt, es seien an die 70 –, dann haben wir 22, die gar keinen Vertrag haben, was Sie eben gesagt haben. Elf haben keinen gültigen Vertrag. – Liebe Frau Radziwill! Es hat sich die letzten Jahre nichts geändert.

Jetzt komme ich zu Herrn Krüger, und ich hoffe, er nimmt dazu Stellung: Herr Krüger hat gesagt, dass wir unbedingt die Ertüchtigung landeseigener Immobilien und die Container brauchen. Warum? – Weil wir – so hat es Herr Krüger letztes Jahr gesagt – die Wintersituation meistern müssen. – Herr Krüger! Jetzt haben wir Sommer, und jetzt gucken wir uns einmal an, wie Ihr Herr Czaja die Wintersituation gemeistert hat. Es war grandios: Die Flüchtlinge waren erbärmlich in Turnhallen untergebracht, und Ihre tollen Container, diese Blechbüchsen, stehen bis zum heutigen Tag nicht! Und von der Ertüchtigung der landeseigenen Immobilien wird immer viel geredet – jetzt habe ich etwas von 2017 gelesen –, aber wenig gemacht. Beim Handeln insgesamt ist noch viel Luft nach oben!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo uns die Grünen einen Antrag mit der Überschrift vorlegen, die Praxis der rechtswidrigen Vergabe bei Flüchtlingsunterkünften zu beenden. Wenn wir mit einer völligen Selbstverständlichkeit einen solchen Antrag beraten, der nichts anderes als Wege aufzeigt, wie man Gesetze einhalten

kann, dann ist das der nächste Punkt des heutigen Tages, wo wir den Tiefpunkt dieser Koalition erleben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Bis zum heutigen Tag haben Sie, Herr Czaja, es immer noch nicht geschafft, ein transparentes Vergabeverfahren zu entwickeln, aber Ihre Koalition klatscht Ihnen immer noch Beifall. Sie haben es immer noch nicht geschafft, verbindliche Standards – mit dem kann man gar nicht reden; der hört nicht zu – aufzustellen und entsprechende Kontrollen auszuführen. Das alles wurde uns zugesagt. Das alles liegt nicht vor, und die Koalition sagt immer noch: Da müssen wir mal gucken, was passiert. – Es wird einfach nichts passieren!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ganz zum Schluss, Kollegin Bayram: Sie haben einmal darauf verwiesen – und ich finde, das müssen wir bei Ihrem Antrag diskutieren –, dass die Auflösung eines Vertrags Probleme aufwerfen kann. Das haben Sie dem Kollegen Reinhardt damals gesagt. Und dann sagten Sie – ich zitiere –: Denn all die Pflichtverletzungen muss man nachweisen, und dann müssen die Nachweise noch vor Gericht Bestand haben. – Das haben Sie gerade auch gesagt. Das müssen wir uns dann genau angucken. Da sind wir dann auch wieder mit der Kollegin Radziwill an einem Punkt. Deshalb freuen wir uns jetzt auf die großen Aufklärungen, die wir in den nächsten Wochen gemeinsam betreiben werden!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Krüger das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab sagen: Ich habe etwas gegen diese grenzenlose Arroganz, mit der hier diskutiert wird. Können wir uns nicht darauf verständigen, dass das ein sehr wichtiges Sachthema ist, wo man sich auch untereinander effektiv kritisieren kann – das ist berechtigt –, wo man aber auch eine normale Sprachebene im Umgang miteinander hat? Können wir nicht dahin zurückfinden? – Ich würde das begrüßen.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Elke Breitenbach (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten – –

Nein, jetzt möchte ich erst mal, wenn es geht, zusammenhängend vortragen. Außerdem haben wir dann ja auch noch mal in den Ausschüssen intensive Diskussionsmöglichkeiten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ganz schön arrogant! – Fabio Reinhardt (PIRATEN): Das finde ich arrogant, Herr Krüger!]

Wieso ist das arrogant?

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Weil sie eine Frage stellen wollte!]

Ja, und ich möchte jetzt ausführen, und das darf ich doch noch. Das ist doch wohl keine Arroganz, wenn ich mich darauf beziehe.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Ich finde, schon!]

So, und jetzt würde ich gern reden.

Ich unterstelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir Parlamentarier – alle – an einer lückenlosen Aufklärung des Komplexes „Vertragsvergabe an verschiedene Betreiber von Flüchtlingsunterkünften“ durch das LAGeSo interessiert sind. Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass Aktenführung und Entscheidungsprozesse auf einem sicheren Fundament errichtet werden, was auch zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis hin zur Führungsspitze des Landesamtes unabdingbar ist. Aus Versäumnissen zu lernen, hat noch nie geschadet und ist in einer Demokratie eine Pflichtaufgabe der Verwaltung. Davon bin ich fest überzeugt. Schließlich steht bei allem im Mittelpunkt der Umgang mit der enorm wachsenden Zahl von Flüchtlingen in unserer Stadt, mit Menschen aus Bürgerkriegsgebieten, die bei uns Ruhe und Rechtssicherheit suchen.

Solange jedoch – und da muss ich auf das zurückkommen, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe – nicht alle Fakten lückenlos auf dem Tisch sind, habe ich große Bedenken, aus Vorverurteilungen heraus Urteile zu fällen. Sie stellen zumindest in Ihrer Antragsbegründung wieder PeWoBe und GIERSO an den Pranger. Wir wissen jedoch, dass die derzeit laufende externe Prüfung der Vertragsvorgänge erst vor wenigen Tagen auch auf andere Träger ausgeweitet wurde, um die Frage zu beantworten, ob mögliche Vergabemängel, wie immer unterstellt, PeWoBe und GIERSO bevorteilt haben oder ob sie strukturelle Mängel im Vergabesystem darstellten. Hierzu ist meines Erachtens der finale Prüfungsbericht am 16. Juni abzuwarten, um seriös urteilen zu können.