Protocol of the Session on June 11, 2015

Dazu haben wir Ihnen bereits mehrere Angebote unterbreitet. Mehr Autobahnverkehr durch die Stadt zu leiten ist umwelt- und verkehrspolitisch schlicht verantwortungslos,

[Beifall bei den PIRATEN]

nicht nur den Anwohnerinnen und Anwohnern und all denjenigen gegenüber, die sich dort temporär aufhalten. Schon für den jetzigen 16. Bauabschnitt von Neukölln zum Treptower Park wurden Hunderte Kleingärten vernichtet und sogar Wohnhäuser abgerissen. Menschen wurden einfach aus ihren Lebensräumen verjagt. Auch mehrere Hundert Bäume sind gefällt worden – ein stadt- und umweltpolitischer Irrsinn, wo Wohnraum und Stadtbäume knapp werden.

(Harald Wolf)

Für den hier von der Koalition geplanten Weiterbau bis nach Friedrichshain ist mindestens Gleiches zu erwarten. Wir alle wissen bereits: Autobahnen führen in ihrem Umfeld zu einem Verfall der Infrastruktur. Je näher Wohngebäude an innerstädtischen Autobahnen stehen, desto schlechter ist ihr Instandhaltungszustand. Lärm- und Abgasbelastungen sind eigentlich unzumutbar. Dennoch, so unsere Erfahrungen und zukünftigen Befürchtungen, werden diese trotz aller Widrigkeiten von Menschen mit geringem Einkommen in Anspruch genommen werden. Eben diese Anwohnerinnen und Anwohner werden enorm in Mitleidenschaft gezogen. Gesundheitsschädliche Belastungen durch Lärm und Abgase werden von Ihnen, liebe CDU-SPD-Koalition, billigend in Kauf genommen. Der Umwelt, ob Tiere oder Pflanzen, geschieht es gleichermaßen. Sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon einmal mit wachem Auge per S-Bahn auf dem südlichen S-Bahnring vom Innsbrucker Platz über Bundesplatz, Heidelberger Platz, Hohenzollerndamm nach Halensee gefahren

[Zuruf von der CDU: Ja!]

und haben sich neben der angrenzenden Autobahn die unmittelbar danebenstehenden Häuser genau angeschaut? Ich bin mir sicher, dass auch Sie dort nicht wohnen möchten.

Auch die Kosten sind unglaublich. Für den derzeitigen 16. Bauabschnitt sind rund 500 Millionen Euro veranschlagt – ja, sie kommen vom Bund, trotzdem: Steuerverschwendung! Und wer glaubt, dass das reicht, war mindestens die letzten 15 Jahre im Dauertiefschlaf. Wer das bereits bekannte konzipierte Vorhaben für den 17. Bauabschnitt kennt, wonach die A 100 teilweise in einem Doppelstocktunnel verlaufen soll, erahnt den deutlich höheren finanziellen Aufwand hierfür. Dies steht in keiner annähernden Relation zu den ständig thematisierten Engpässen und Einsparungen bei sozial-, umwelt-, kultur- und bildungspolitischen Themen in Berlin und in diesem Land.

Die gesamte Planung der Stadtautobahn mit dem zentralen Bestandteil Stadtring stammt aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts und wurde seit 1958 abschnittsweise realisiert. Die nach wie vor lärmungeschützten Bereiche der älteren Bauabschnitte der A 100 sind diesbezüglich zum Teil dringend sanierungsbedürftig. Hier wären Bundesgelder weit sinnvoller und für die Bevölkerung entlang der Trasse hilfreicher aufgehoben als in einem Weiterbau der A 100.

Herr Senator Geisel! Sie vernichten durch den raumgreifenden Bau einer Autobahn aktiv wertvollen Wohn- und auch Naherholungsraum – beides bereits jetzt zunehmend geringer werdende Flächen in Berlin. Das Fortführen des Baus der A 100 ist ganz klar ein Vernichtungsprogramm an Lebensqualität mitten in unserer Stadt,

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

und das leider abermals mit Unterstützung der SPD. Der A 100-Weiterbau ist zwar eines der Lieblingsprojekte der CDU, und auf Bundesebene ist der Verkehrsminister Ramsauer von der CSU Vorreiter für diesen teuren Betonweg, doch die SPD tanzt trotz auch kritischer Stimmen – zumindest in der Vergangenheit war das so – diese Irrsinnspolka weiter mit.

Der enorme Protest in der Stadt gegen dieses Projekt wird einfach ignoriert. Doch ich sage Ihnen: Sollten SPD und CDU heute mit ihrer Fraktionsmehrheit diesen Antrag beschließen und damit die Weiterplanung der A 100 befördern, werden sich sehr viele Berlinerinnen und Berliner mit aller Kraft wehren. Dass ziviler Ungehorsam wie in der Beermannstraße und mit der Besetzung von Bäumen vom Senat kriminalisiert wird, zeigt die grobschlächtige Hilflosigkeit dieser Regierung im Umgang mit ihren Einwohnerinnen und Einwohnern. Nein, hier wird nicht mehr auf Dialog gesetzt, sondern der Bagger mit dem Bausenator am Steuer auf Eskalation über die A 100 gefahren.

Ich fordere Sie eindringlich auf, dieses unrühmliche Projekt zu stoppen. Autobahnen in der Stadt sind nicht zukunftsfähig. Ich gehe sogar noch weiter: Seit einigen Jahren wurden Stadtautobahnen weltweit wieder abgerissen oder rückgebaut, so geschehen etwa in New York, San Francisco oder Seoul. Lassen Sie uns diesem Beispiel folgen! – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Magalski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/1999 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderungen der Beschlussempfehlung Drucksache 17/2307 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD, die Fraktion der CDU und der fraktionslose Abgeordnete.

[Harald Moritz (GRÜNE): Auszählen!]

Gegenstimmen? – Das sind Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion.

[Mehrheit! von der LINKEN und den GRÜNEN]

Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. – Einen Moment bitte! – Damit ist der Antrag mit Änderungen angenommen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Nee! – Zuruf von der LINKEN: Was? Das war die Mehrheit, eindeutig!]

(Philipp Magalski)

Herr Kollege! Sie dürfen gerne die Zählkompetenz des Präsidiums infrage stellen, aber bitte nicht in dieser Form. Sie können gern den Hammelsprung beantragen, das steht Ihnen frei.

[Zurufe]

Wir sind uns einig hier oben.

Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE), Dirk Behrendt (GRÜNE), Canan Bayram (GRÜNE) [Erklärung zur Abstimmung gem. § 72 GO Abghs]:

Mit unserem Abstimmungsverhalten bekräftigen wir unsere Ablehnung des Weiterbaus der A 100 bis zur Frankfurter Allee. Wir halten diese Entscheidung weiterhin für einen schweren verkehrspolitischen Fehler, der an die Auto- und Betonideologie der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts erinnert. Wir werden auch in Zukunft entschiedenen Widerstand gegen die Idee, eine Autobahn mitten durch ein Wohngebiet zu bauen, leisten.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Praxis der rechtswidrigen Vergabe bei Flüchtlingsunterkünften sofort beenden

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2315

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. – In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Bayram, bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag, in dem wir fordern, die Praxis der rechtswidrigen Vergabe bei den Flüchtlingsunterkünften sofort zu beenden, und haben dargestellt, wie dieses Beenden aussehen kann. Teilweise geht es darum, dass festgestellt werden soll, ob es bei Verstößen gegen die Landeshaushaltsordnung oder das Vergaberecht möglich ist, die Verträge vorzeitig zu beenden, weil sie gar nicht rechtmäßig zustande gekommen sind. Teilweise geht es darum, Verträge mit Betreibern darauf zu überprüfen, inwieweit deren Zuverlässigkeit überhaupt noch gegeben ist. Einmal geht es dabei um die mangelnde Zuverlässigkeit wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Gerüchteweise gibt es Andeutungen, dass der eine oder andere Betreiber nicht mehr zahlungsfähig sein soll. Dann geht es auch darum, dass die Zuverlässigkeit infrage gestellt ist, wenn die Betreiber so häufig gegen geschlossene Verträge verstoßen, dass man nicht mehr

davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft vertragskonformes Verhalten an den Tag legen werden.

Wir haben den Antrag eingebracht, weil wir die akute Gefahr eines Schadens für das Land Berlin befürchten. Das hat auch die letzte Sondersitzung des Sozialausschusses mit sich gebracht, dass diese Frage aufgeworfen worden ist, sowie der Revisionsbericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales. In diesem Zusammenhang hat mein Kollege Heiko Thomas, Ihnen, Herr Senator Czaja, gesagt: Es geht jetzt um Ihren Kopf. Sie allein tragen die Verantwortung dafür, wie das Land Berlin vor Schaden bewahrt werden kann. Wenn Ihnen das nicht gelingt, müssen Sie daraus Konsequenzen ziehen. Herr Czaja! Ich ergänze: Ihnen steht das Wasser bis zum Hals, denn Sie haben in den letzten Wochen und Monaten nicht darstellen können, wie Sie eigentlich die seit langem bekannten Missstände beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, und insbesondere bei den beiden Firmen PeWoBe und GIERSO, beheben wollen. Dass dort Missstände bestehen, ich allgemein in der Stadt bekannt.

Mittlerweile soll das LAGeSo tatsächlich gegen einzelne Heimbetreiber wegen Vertragsverletzungen Vertragsstrafen eingefordert haben. Wir fordern, daraus auch eine Konsequenz zu ziehen, denn – das habe ich in dieser Runde bereits gesagt – ich will nicht verantworten, dass die privaten Heimbetreiber dem Land Berlin gegenüber auch noch Schadenersatzforderungen geltend machen können. Das heißt, diese Entscheidungen, die wir hier einfordern, müssen gerichtsfest sein und es muss klar sein, dass dem Land Berlin kein Schaden aus unwürdigen Flüchtlingsunterkünften entsteht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir Grünen haben uns Gedanken gemacht. Wir haben ganz klar vorgeschlagen, sowohl beim Runden Tisch Flüchtlinge als auch in anderen Zusammenhängen, dass wir Stadtteilunterkünfte wollen. Wir wollen Stadtteilunterkünfte für temporäres Wohnen. Am liebsten hätten wir die Menschen natürlich in Wohnungen, aber es ist im Moment so, dass Menschen jahrelang in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen. Das, finden wir, ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb fordern wir, dass Rahmenverträge mit gemeinnützigen Trägern abgeschlossen werden, die eine Zehnjahresgarantie dafür erhalten, dass die Plätze vom Land Berlin genutzt werden. Wir wollen, dass die gemeinnützigen Betreiber in den Stand versetzt werden, menschenwürdige, anständige, temporäre Stadtteilunterkünfte einzurichten, mit einer Anbindung an die soziale Infrastruktur in den Stadtteilen.

Nach wie vor gilt das, was für uns Grüne relevant ist bei dem Thema Geflüchtete: Jeder Cent, den wir als Haushaltsgesetzgeber bewilligen, soll den Flüchtlingen zugutekommen und nicht in die Taschen von dubiosen Heimbetreibern fließen. Die PeWoBe mit Penz im Hintergrund hat schon in den Neunzigerjahren mit GIERSO und der Firma Sorat Geld gescheffelt und schlechte

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Da stehen Sie, Herr Czaja, in der Pflicht, das zu beenden. Gehen Sie daran, nehmen Sie die Verantwortung an und schließen Sie endlich diese Heime, aber gerichtsfest!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank Frau Bayram! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Radziwill – bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Bayram! Wir sind zusammen an der Stelle, dass wir sagen, dass jeder Cent, den wir ausgeben, in der Tat den Geflüchteten helfen muss und nicht für Missbrauch und als Gewinn bestimmter Leute bestimmt ist. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, als Abgeordnete genau zu schauen, wie dieses Geld verwendet wird. Wir wollen selbstverständlich gemeinsam in der nächsten Sondersitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales – wir haben am 22. Juni die nächste Sondersitzung – erörtern, welche Ergebnisse die Wirtschaftsprüfer vorlegen. Es werden zudem Handlungsempfehlungen, darüber hat Herr Czaja in der letzten Sondersitzung am 28. Mai berichtet, vorliegen. Wir werden dann diesen Antrag erörtern.

Fakt ist, dass seit Beginn dieses Jahres, so hat es Senator Czaja in der letzten Sondersitzung mitgeteilt, weitere Vergaben ohne eine Fachaufsicht, ohne Kontrolle aus dem Haus Soziales nicht mehr erfolgen. Das heißt, die Behauptung, aktuell würden weiterhin rechtswidrige Verträge geschlossen, stimmt so nicht mehr. Selbstverständlich müssen wir aber auch schauen, was in der Vergangenheit passiert ist. Auch die Ergebnisse der vertieften Innenrevision, die uns seit letztem Donnerstag im Datenraum vorliegen, haben wir noch nicht bewertet. Die Infos, die wir über die Presse erhalten haben, sind durchaus interpretationswürdig und fordern uns auf, dort mehr hineinzuschauen.

Fakt ist auch, dass aus unserer Sicht der Senator in den letzten Monaten seiner Aufgabe, besser und stärker zu kontrollieren, nachkommt. Es ist deutlich, dass der Senator es begrüßt, dass der Landesrechnungshof eingreifen, kontrollieren und prüfen will. Das muss man hervorheben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Bayram?

Schauen wir mal. Bitte!

Bitte!

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Ist es für Sie nicht seltsam, dass der Senator seit Anfang des Jahres Verträge prüft, aber bis heute, dem 11. Juni 2015, kein einziger Vertrag geschlossen werden konnte, aber viele Einrichtungen ohne Verträge entstehen? Ist das nicht der größere Schaden für das Land Berlin, und denken Sie, dass der Senator überhaupt ein Konzept hat, welchen Verträgen er zustimmen kann, wenn er bisher allen nicht zustimmen konnte?