Protocol of the Session on June 11, 2015

Solange jedoch – und da muss ich auf das zurückkommen, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe – nicht alle Fakten lückenlos auf dem Tisch sind, habe ich große Bedenken, aus Vorverurteilungen heraus Urteile zu fällen. Sie stellen zumindest in Ihrer Antragsbegründung wieder PeWoBe und GIERSO an den Pranger. Wir wissen jedoch, dass die derzeit laufende externe Prüfung der Vertragsvorgänge erst vor wenigen Tagen auch auf andere Träger ausgeweitet wurde, um die Frage zu beantworten, ob mögliche Vergabemängel, wie immer unterstellt, PeWoBe und GIERSO bevorteilt haben oder ob sie strukturelle Mängel im Vergabesystem darstellten. Hierzu ist meines Erachtens der finale Prüfungsbericht am 16. Juni abzuwarten, um seriös urteilen zu können.

Feststellen können wir bezüglich der Vertragsvergabe und -gestaltung, dass der Senator – Frau Radziwill hat es erwähnt – bereits seit Monaten, mit Jahresbeginn, jeden neuen Vertragsabschluss gesondert prüfen lässt. Derzeit – und auch das wollen wir doch nicht verschweigen, das ist doch unser Argumentationsstand – wird ein spezieller Bereich von elf Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die sachkompetent aus anderen Verwaltungen und Institutionen zusammengezogen wurden, in der Verwaltung des LAGeSo zur Bearbeitung und Gestaltung der derzeit 22 offenen Verträge sowie für die Neuausschreibung von zehn Objekten, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen, eingesetzt, um später – das wissen wir auch – durch neu einzuarbeitendes Personal wieder ersetzt zu werden. Denn richtig ist – und da treffen wir uns –: Objekte an Träger zu vergeben, ohne schriftliche Verträge abzuschließen, kann nur bei drückender Nachfrage nach Unterbringungsplätzen kurzeitig, nicht jedoch über längere Zeit hingenommen werden.

Wenn sich im abschließenden Prüfungsbericht erweisen würde, dass einzelne Verträge ohne Wahrung der Landeshaushaltsordnung seitens der Verwaltung abgeschlossen wurden, geht das nicht zwingend auf das Konto der jetzigen Betreiber. Haben sie nicht Anspruch auf die Wahrung der Vertragsinhalte, und entstünde ihnen nicht ein Entschädigungsanspruch bei einseitiger Kündigung durch die Verwaltung ohne Fristenwahrung? – Darauf muss man zumindest eine Antwort finden.

Wo Betreiber ihren Vertragspflichten nicht nachgekommen sind bzw. nicht nachkommen, ist das zu rügen. Auch das haben wir hier schon x-mal gesagt. Ihnen ist Gelegenheit zur zeitnahen Nachbesserung zu geben, aber – und auch da sind wir uns doch ganz schnell wieder einig – bei wiederholten massiven Verstößen eines Betreibers ist dieser in Regress zu nehmen und im Wiederholungsfall auch von weiteren Vertragsvergaben auszuschließen. Auch hier werden wir auf die Ergebnisse des Gutachtens am 16. Juni zurückgreifen müssen und können. Zugleich erwarten wir, dass gegebenenfalls schon jetzt erwiesene Schlechtleistungen mit Strafzahlungen belegt und diese, Herr Senator, auch konsequent eingetrieben werden.

Alle weiteren Aspekte dieses Antrags werden wir in den zur Überweisung anstehenden Ausschüssen – natürlich insbesondere in der Sondersitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses, aber auch in weiteren Sitzungen, die wir sicherlich haben werden – zu besprechen haben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat nun die Frau Abgeordnete Bayram. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Krüger! Wenn Sie die Ergebnisse von den Wirtschaftsprüfern schon am 16. bekommen, obwohl uns der Senator angekündigt hat, dass wir die erst am 17. bekommen, hoffe ich, dass Sie nicht so arrogant sind, uns diese dann nicht zur Verfügung zu stellen, sondern uns ebenfalls schon dann an den Ergebnissen teilhaben lassen.

[Ülker Radziwill (SPD): Ich glaube, das war ein Versprecher! – Weitere Zurufe]

Ich würde bitten, dass die Frau Kollegin Breitenbach und der Kollege Reinhardt das auch bekommen – also alle Abgeordneten, die damit befasst sind.

Herr Kollege! Sie haben ein bisschen so getan, als würde das alles demnächst völlig überraschend kommen, was die Wirtschaftsprüfer uns präsentieren werden. Im Unterschied zu Ihnen sehe ich eher, dass die Verstöße einfach größtenteils aktenkundig sind. Damit Sie einen Eindruck davon bekommen, warum ich darauf komme, will ich Ihnen aus der Indikatorenliste Korruption vorlesen, die im Land Berlin gilt, um ein besonderes Augenmerk darauf zu haben, dass bestimmte Probleme im Sinne eines Schadens für das Land Berlin nicht entstehen.

Unter C, I. – Auftragsbezogene Indikatoren –, Punkt 3 heißt es: „Etatbefugnis, hoher Ermessensspielraum Einzelner“. – Wir haben eine Berichterstattung, dass Frau Schütz als Abteilungsleiterin 1,3 Millionen Euro einfach in einer E-Mail zusagt. Das ist eine Situation, über die wir reden müssen, und das ist auch etwas, was der Senator sofort abstellen könnte, wenn er denn wollte. Er hat ja die Fachaufsicht. Er müsste sie nutzen.

Unter Punkt 4 heißt es: „Relative Häufigkeit der Auftragsvergabe durch bestimmte Bedienstete“. – Schauen Sie sich die Akten an! Es sind immer die Gleichen. Es sind immer die Gleichen, die mit denselben die Verträge abschließen. Und es ist auch kein Geheimnis – das können Sie sich anschauen –, dass in einem Fall sogar der Mitarbeiter anderen Mitarbeitern, die einen gemeinnützigen Träger reinsetzen wollen, dann sagt: Viele Köche verderben den Brei. Lasst uns doch wieder die PeWoBe nehmen! Die kennen wir.

Damit komme ich zum nächsten Punkt – 5. –: „Lange Dauer der ‚Geschäftsbeziehung‘“. – Auch dazu haben wir eine Berichterstattung. 30 000 Euro werden der PeWoBe wegen guter Geschäftsbeziehungen erlassen. Demgegenüber haben wir auch die Situation, dass man wegen der

guten Geschäftsbeziehungen das Geld sofort über den Tisch gibt, obwohl die Rechnung nicht stimmt.

Und ich möchte als Letztes auch noch Punkt 8 anführen: „Verstöße gegen verwaltungs- und vergaberechtliche Vorschriften“. – Herr Krüger! Sie wissen doch jetzt schon, dass es diese Verstöße gibt. Und mittlerweile kann ich auch nur bestätigen, was Kollegin Breitenbach gesagt hat: Diese Ahnungslosigkeit, die uns manche Senatoren in Bezug auf ihre Geschäftsbereiche vormachen wollen, zeigt nur, welchen Tiefpunkt diese Koalition mittlerweile erreicht hat. Es wäre vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn sie am heutigen Tag beendet worden wäre.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Möchten Sie antworten, Herr Krüger? – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Frau Bayram! Ich hoffe, wir sind uns einig, dass wir die externen Prüfer nicht ans Werk gesetzt haben, um Steuergelder zu verschenken, sondern um nachprüfbare und klare Aussagen zu haben, die jenseits von jeglichen Spekulationen stehen. Wenn das so ist, müssen wir auch das Recht haben, diese Berichterstatter in dem, was sie sagen, ernst zu nehmen. Das wollen wir sehr gern tun. Die Dinge, die immer – Sie wissen das schon – nur so etwa in die Gegend gestellt werden, reichen mir nicht aus. Dafür haben wir gerade gesagt, dass wir nicht nur eine interne Revision, sondern eine von außen haben wollen, um hier klare Fakten zu bekommen. Dann werden wir auch entsprechend reagieren. Der Tatbestand, dass immer ein und derselbe Mitarbeiter etwas in der Vergabe zu tun hat, sagt nichts aus. Glauben Sie mir: Ich war zehn Jahre in einer Verwaltung tätig. Da haben auch immer dieselben die Vergabe gemacht, einfach deshalb, weil es ihre Zuständigkeit war. Wir müssen doch die Frage stellen, ob sie dabei Dinge verletzt, Leute begünstigt oder nicht begünstigt haben. Es müssen erst die Fakten auf den Tisch. Dann können wir handeln.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Krüger! Frau Kollegin Radziwill! Es ist jetzt schon etwas schwierig. Einerseits werfen Sie Arroganz vor, dann sagen Sie

wiederum, Sie müssten auf die Fakten warten. Das ganze Thema ist aber nicht neu. Die Grünen haben hier zu Recht einen Antrag zum Thema Vergabepraxis im LAGeSo eingebracht. Wir diskutieren das aber mindestens schon seit den erwähnten sieben Monaten und eigentlich noch länger. Wir hatten es schon mehrfach vorher im Ausschuss behandelt.

Ich verstehe, dass Sie das kritisch sehen, muss aber einfach noch einmal feststellen, dass Frau Kollegin Radziwill sagt, sie hätte in den sieben Monaten leider keine Zeit gehabt, sich die Verträge anzuschauen

[Ülker Radziwill (SPD): Das habe ich so nicht gesagt!]

Doch, Sie haben gesagt, dass Sie in den vergangenen Monaten leider nicht die Zeit hatten, sich das umfassend anzuschauen. Wenn man dann die Frage stellt, wann Sie dafür die Zeit haben, bekommt man eben auch keine Antwort.

Jetzt ist es aber tatsächlich so, dass wir im November den Antrag gestellt hatten, die Vergaben an die GIERSO und die PeWoBe einzustellen, und das auf guter Grundlage. Die Fakten sind und waren bekannt, dass es dort massive Missstände und dass es inzwischen auch Rückforderungen an die Betreiber in relevanter Höhe gibt. Ich habe gerade noch eine Anfrage zurückbekommen, wo ich mich nach der Haarlemer Straße erkundigt habe. Mir wurde explizit noch einmal bestätigt, dass dort über 162 000 Euro an Rückforderungen an den Betreiber PeWoBe gestellt wurden. Diese Verstöße und Mängel sind Fakten. Sie können auch nicht weiter sagen, dass Sie noch einmal warten, bis mehr bekannt ist.

Sie haben unseren Antrag im Ausschuss aufgerufen und vertagt, aufgerufen und vertagt, aufgerufen und vertagt, aufgerufen und dann mit der besonderen Lustigkeit das Ganze bis zu den Sommerferien wieder vertagt. Sie haben den Antrag von uns jetzt zur kommenden Sozialausschusssitzung vertagt, immer mit dem Hinweis, dass erst der Revisionsbericht abgewartet werden müsse, dann mit dem Hinweis, dass ein Revisionsbericht entstehe und ein zweiter Revisionsbericht benötigt werde, der auch abgewartet werden müsse, dann mit dem Hinweis, dass man den Wirtschaftsprüfungsbericht braucht. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Sie auch weiterhin Spaß an den Debatten im Sozialausschuss finden werden, bin aber auch sicher, dass Sie unseren Anträgen nicht zustimmen werden, wenn jetzt der dritte, vierte, fünfte, sechste Bericht endlich vorliegt, die alle unisono das bestätigen, worüber wir hier seit Monaten reden. Insofern halte ich an der Stelle nichts davon, dass Sie auch diesen Bericht abwarten und in irgendeiner Ausschusssitzung besprechen wollen.

Inhaltlich sage ich noch einmal ganz kurz etwas dazu. Natürlich geht es darum, dass die Verträge des Landes mit den Unternehmen GIERSO und PeWoBe hier problematisch sind und auf eine transparente und nachvoll

ziehbare Art und Weise zustande kommen müssen. Das Problem ist, dass diese Verträge auch dazu führen, dass Mindeststandards unterlaufen werden und unterlaufen wurden und dass letztendlich in den letzten Jahren eine Stimmung entstanden ist, die zu einer Art Goldgräberstimmung unter potenziellen Betreibern führt, die sich auf Kosten der Schutzsuchenden bereichern wollen.

Wir haben es mittlerweile durch die Debatte immerhin geschafft, dass einer von den beiden problematischen Betreibern, nämlich die GIERSO, nicht mehr im Betreiberpool ist. Aber auch die haben immer noch 900 Flüchtlinge, 900 Unterkunftsplätze in ihren Unterkünften, die sie weiter betreiben und von denen nicht klar ist, wie lange das noch laufen soll. Wir haben dort außerdem Vertragslaufzeiten von bis zu zehn Jahren. Gerade im Winter wurde noch die Unterkunft in der Rennbahnstraße eröffnet. Es bleibt erst einmal, wie es ist.

Bei der PeWoBe gibt es noch einmal eine andere Dimension. Dort ist es so, dass sie auch weiter Zuschläge und weiter neue Unterkünfte bekommt und dass sie ihren Marktanteil innerhalb der letzten drei Jahre in relevanter Art und Weise erweitert hat. Damals waren es etwa 11 Prozent, jetzt sind es – das stand auch in der Anfrage, die ich gerade zurückbekommen habe – 21,5 Prozent. Allein in den Unterkünften dieses einen Betreibers ist mehr als jeder fünfte Flüchtling untergebracht, der in einer Berliner Unterkunft lebt. Das ist wirklich eine relevante Zahl. An der Stelle muss man schon noch einmal schauen, dass man dort diese Mängel abstellt und dort zu einem transparenten und nachvollziehbaren Vergabeverfahren kommt.

Eine Sache noch: Ich finde es schon problematisch, wenn man immer so tut, als seien es nur die Privaten, die problematisch sind, und alle Freigemeinnützigen seien wunderbar und hätten überhaupt keine Probleme. Das ist so nicht richtig. Erstens gibt es über PeWoBe und GIERSO hinaus noch andere Private, die massive Mängel aufweisen. Das haben wir schon einmal in Anfragen und Sitzungen thematisiert. Es gibt auch Freigemeinnützige, bei denen nicht alles ganz rund läuft. Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Problemlage ist aber unterschiedlich. Die Privaten haben in der Regel ein höheres Finanzkapital im Hintergrund als die Freigemeinnützigen. Die Privaten haben in der Regel auch weniger Probleme mit der Rechnungslegung. Sie können schneller zusagen und können sich leichter auf eine neue Situation einstellen. Gerade deswegen wäre es wichtig, dass der Senat auch bei den Freigemeinnützigen in eine Unterstützungsleistung tritt und hilft, bestimmtes Kapital im Vorfeld zu bekommen, um beispielsweise eine Unterkunft zu bauen oder zu eröffnen. Darauf geht der Antrag an der Stelle nicht ausreichend ein. Im Gegenteil: Es wird hier suggeriert, als würde man die Vergabeverfahren komplett von der Finanzkraft möglicher Betreiber abhängig machen. Das geht in eine falsche Richtung. Letztlich spielt die

Finanzkraft nicht unbedingt eine große Rolle in der Frage, ob ein Betreiber verantwortlich agiert und ob es ein Betreiber ist, der sich um die sozialen Anliegen der Flüchtlinge kümmert und in der Lage und willens ist, vertragssichere Abschlüsse zu machen.

Das Problem bleibt erhalten. Wir werden es weiter diskutieren. Ich kann nur an den Senat appellieren, das Problem des Senats nicht zum Problem der Flüchtlinge zu machen, die zu uns in die Stadt kommen. Darauf läuft es letztendlich hinaus. Wenn die Fachaufsicht mit der Prüfung der Verträge, wie es aktuell aussieht, nicht nachkommt, ist das kein Freifahrtschein für den Absturz der Mindeststandards in den Flüchtlingseinrichtungen. Auch darüber haben wir diskutiert. Haken Sie nach! Machen Sie rechtssichere Verträge! Aber sorgen Sie dafür, dass wir endlich mehr Unterkunftsplätze haben und dort die Mindeststandards eingehalten werden! Ich kann immer wieder nur an Sie appellieren, Ihren Job zu machen und zügig damit anzufangen. – Danke schön!

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht. Zu dem Antrag Drucksache 17/2315 wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss vorgeschlagen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das vernehme ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tarifeinheitsgesetz ablehnen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2317

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Das Tarifeinheitsgesetz liegt dem Bundesrat zur Abstimmung vor. Deshalb müssen wir diesen Antrag heute beschließen, wenn wir tatsächlich irgendetwas gestalten wollen. Ansonsten kann man es natürlich auch verschnarchen, wie es die Koalition jetzt tut und sagt, man schickt es einfach einmal in den Ausschuss. Dann sind alle Messen gelesen, und wir können eine Nachschau betreiben.

Wir haben den dringlichen Antrag heute vorgelegt, weil wir finden, dass dieses Tarifeinheitsgesetz im Bundesrat vom Land Berlin abgelehnt werden muss.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE) – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Warum finden wir das? – Das Tarifeinheitsgesetz ist ein Eingriff in die Tarifautonomie. Die Tarifautonomie ist ein sehr hohes Gut in diesem Land. Das Tarifeinheitsgesetz schränkt die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso ein wie das Streikrecht. Damit werden letztlich alle Gewerkschaften und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschwächt, die für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne kämpfen. Das wollen wir nicht. Deshalb muss dieses Tarifeinheitsgesetz verhindert werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Das Gesetz geht von Folgendem aus: Wenn Gewerkschaften sich in einem Betrieb nicht einigen können, gilt der Vertrag, den die mitgliedsgrößte Gewerkschaft ausgehandelt hat. Man weiß aber nicht, wie man herausbekommt, welche Gewerkschaft eigentlich wie viele Mitglieder hat. Da gibt es auch noch Datenschutz. Das interessiert dabei niemanden. Aber dieses Gesetz tut so, als hätten wir überhaupt noch nie erlebt, dass mehrere Gewerkschaften einen Tarifvertrag aushandeln. Das ist natürlich völliger Humbug. Das haben wir seit Jahrzehnten. Ich komme aus der Gewerkschaft HBV, die gibt es heute gar nicht mehr. Wir mussten immer mit der DAG – die gibt es heute auch nicht mehr – gemeinsam verhandeln. Keine Tarifverhandlung ohne die DAG – das war nicht immer schön, aber es gab einen Tarifvertrag. Heute sind beide Gewerkschaften bei Verdi. Man kann sich Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst angucken, wie viele Gewerkschaften dort verhandeln, immer gab es eine Einigung. Das heißt: Natürlich ist es richtig, einen gemeinsamen Tarifvertrag hinzubekommen, um nicht zu sagen: Ich bin ein großer Fan von Nähe, von dem Grundsatz „ein Tarif, ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag“. Ich finde, man muss alles tun, um dies zu fördern.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber man muss deshalb kein Gesetz schaffen. Man darf kein Gesetz schaffen, denn ob es eine Tarifeinheit gibt oder nicht, ist einzig und allein die Angelegenheit der verhandelnden Gewerkschaften und ihrer Mitglieder. Politik darf nicht in die Tarifautonomie eingreifen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]