[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]
Hier stellt sich insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der CDU eine Frage. War ihre Abkehr von der Atomkraft nach Fukushima reine Wahltaktik, ja oder nein? Das müssen Sie heute hier beweisen. Wir haben zu diesem Antrag sofortige Abstimmung beantragt, weil es unsinnig ist, ihn in den Ausschuss zu überweisen, weil das Konsultationsverfahren jetzt läuft. Wenn die Ausschussberatung vorbei ist, ist das Konsultationsverfahren schon beendet. Wir müssen heute entscheiden, ob wir diese Stellungnahme abgeben wollen oder nicht. Das müssen Sie heute entscheiden. Die SPD hat signalisiert, dass sie durchaus dabei wäre, wenn Sie mitmachen. Deshalb richtet sich die Frage an Sie von der CDU, ob Sie heute mit uns stimmen, dass Berlin die berechtigten Einwände gegen das polnische Atomprogramm deutlich macht. Oder beerdigen Sie diesen Antrag hier in einer zweitrangigen Beerdigung im Ausschuss, indem Sie ihn so weit durch die Ausschussberatung zeitlich verzögern, dass Berlin diese Stellungnahme nicht abgibt?
Ich möchte Frank Henkel zitieren, der am 17. März hier gesagt hat, dass er die neue energiepolitische Linie von Angela Merkel gegen die Atomkraft unterstütze, und in dem Zusammenhang sagte, es würde aber nichts an der Situation ändern, wenn Deutschland die Energiewende beschleunigt, während unsere europäischen Nachbarn neue Kernkraftwerke bauen, die nicht unseren hohen
Sicherheitsstandards entsprechen. Er sagte weiter, dass neue Kraftwerke in Frankreich oder Polen für Deutschland und Berlin sicherheitsrelevant seien. Da hat Herr Henkel recht. Halten Sie heute Wort! Ermöglichen Sie eine Sofortabstimmung und eine breite Mehrheit für diesen Antrag! Es wäre wichtig, dass Berlin eine klare kritische Stellungnahme gegen dieses Atomprogramm abgibt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Kollege Schäfer! Drei Städtenamen: Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Jeder verbindet damit etwas. Wir alle wissen, Atomenergie ist keine Lösung für Energiefragen, weder in Deutschland noch irgendwo sonst auf der Welt, denn sie bringt eine Last von Problemen mit sich. Sie ist in Summe – das sagt die SPD schon seit über eineinhalb Jahrzehnten – unverantwortbar. Atomkraft hat keine Zukunft und darf keine Zukunft haben.
Wir erkennen selbstverständlich an, dass sowohl das polnische Parlament als auch die polnische Regierung selbst entscheiden können, welche Energiepolitik sie für ihr Land verfolgen können. Gerade unter guten Nachbarn in der europäischen Union muss es aber erlaubt sein – es ist, das ist auch gut so, rechtlich vorgeschrieben – mit einer strategischen Umweltprüfung – Kollege Schäfer hat darauf hingewiesen – auch länderübergreifend Stellungnahmen abzugeben. Darum ist es wichtig, dass sich Berlin ebenso wie andere Bundesländer dazu positioniert. Das teilen wir als SPD-Fraktion.
Für uns ist aber auch klar, dass das, was die Grünen heute als Schnellschussantrag vorgelegt haben, zu kurz greift. Auch nicht die Ergänzung der Linken macht daraus einen guten Antrag. Ich will es kurz begründen: Bei einer strategischen Umweltprüfung geht es zunächst darum, ob man grundsätzlich auf dem richtigen Weg ist, pro oder gegen Kernkraft, ja oder nein. Wir sehen das ähnlich äußerst kritisch, wie Sie es im Antrag ausführen, ob die polnische Regierung und die Gutachter, die ihnen diese Bewertung aufgeschrieben haben, überhaupt die Alternativen geprüft haben. Polen hat die unglaubliche Chance, viele Windräder auf dem Festland zu errichten, also sehr preiswert alternative Energien zu nutzen. Das ist in diesem Gutachten und den diversen Umweltprüfungen für diese strategische Umweltprüfung praktisch nicht durchgeführt worden. Es ist ein absolutes Manko. Das sehen wir genauso. Da müssen wir als Land Berlin zusammen
mit Brandenburg anbieten, auf den Bereich der erneuerbaren Energien, der besseren Forschung und Entwicklung zu wirken. Wir haben ein Technologiecluster Energietechnik hier im Land Berlin zusammen mit Brandenburg. Wir sind als Land Berlin aufgefordert, unsere Hilfe anzubieten, die man auch bei unseren polnischen Nachbarn sieht. Es gibt eine Alternative zur Kernenergie, und die heißt, erneuerbare Energien nutzen. Dafür wollen wir Sie heute hier gewinnen.
Es gibt auch im Rahmen einer strategischen Umweltprüfung immer die detaillierte Prüfung. Wie sieht es eigentlich grundsätzlich mit der Risikobehaftung beim Einsatz von Atomkraftwerken aus? Was ist mit der Freisetzung von radioaktiven Stoffen bei Störfällen und Unfällen? Was ist mit den Emissionen, die es gibt, auch im Normalbetrieb, beispielsweise auch bei anderen, nicht radioaktiven Dingen? Was ist mit der völlig ungeklärten Frage der Endlagerung von Atomabfall? Weder die Bundesrepublik Deutschland und erst recht nicht Polen haben eine Antwort auf die Frage, wo der über Jahrzehnte und Jahrhunderte, ja Jahrtausende strahlende Atommüll eigentlich hin soll. Schließlich, ich sagte es anfangs, ist die Alternativenprüfung in diesem Dokument völlig ungenügend.
Als Berliner Abgeordnetenhaus sollten wir uns tatsächlich dazu positionieren. Aber – das ist meine herzliche Bitte an die beiden Fraktionen, die heute einen Antrag und einen Änderungsantrag dazu stellen – es gibt einen Beschluss des Landtags Brandenburg vom 9. November 2011. Dort haben sich mehrere Fraktionen zusammengesetzt, bevor es einen Parlamentsantrag gab, und überlegt, ob man dazu nicht überfraktionell eine Stellungnahme erarbeiten kann. Ich wage hier die Hoffnung auszudrücken, dass wir es hinbekommen – es gibt fünf Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus –, dass alle Fraktionen dieses Parlaments bei der grundsätzlichen Ablehnung des Einsatzes der Atomkraft zusammenarbeiten und das dann in einer gemeinsamen, umso stärkeren Resolution aufschreiben.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Schäfer (GRÜNE): Warum haben Sie die Vorschläge gemacht?]
Kollege Schäfer, jetzt hört es auf mit den Zurufen. Mit Verlaub, Sie haben diesen Antragstext weder mir noch jemandem von der CDU vorher zur Verfügung gestellt. Ich kannte ihn nicht, bevor er ins Plenum gekommen ist. Auch der Änderungsantrag der Linken liegt mir seit zehn Minuten vor. Erzählen Sie bitte nicht, dass das vorher – –
Kollege von den Piraten! Es geht darum, ob man sich vor Einbringung eines Antrags zusammensetzt und eine gemeinsame Formulierung versucht hinzubekommen.
Meine Damen und Herren Kollegen, lassen Sie doch bitte den Redner fortfahren. – Sie haben das Wort, Herr Buchholz!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Lassen Sie uns die Chance nutzen. Der 4. Januar ist ein wichtiges Datum, aber vor allem für die Einwendungen, die die Bürgerinnen und Bürger sowie der Senat machen müssen. Das wird der Senat auch tun. Es geht aber darum, dass wir uns als Parlament auch danach noch äußern können. Im Gegenteil! Wenn wir einen einstimmigen Beschluss hinbekämen, wäre das ein klares Signal.
Kollege Doering! Auch die Bundesregierung, auch das Land Brandenburg werden etwas schreiben. Mir geht es darum, dass wir gemeinsam mehr auffallen. Wenn wir hier Anträge einer gegen den anderen verabschieden, wird es gegenüber der polnischen Regierung nur eine sehr geringe Wirkung haben.
Jawohl! Lassen Sie uns die Chance nutzen – wir bieten Ihnen dazu die Hand –, gemeinsam zu zeigen: Liebe Freunde in Polen! Wir wollen keine neuen Atomkraftwerke, weder in Deutschland, noch in Polen. Das können und das sollten wir zusammen beschließen und nicht im Sektierertum jeder einzeln. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Buchholz! – Für die Fraktion der Linken hat jetzt die Kollegin Platta das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen nun ein bisschen weiter herunter und erinnern uns: Seit mehreren Tagen berät die Welt auf der 17. Klimakonferenz, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Erde nachhaltig zu entwickeln und weiter bewohnbar zu halten. Viele Beratungen vorher haben schon stattgefunden mit hoffnungsvollen und weniger hoffnungsvollen Ausgängen. Als sich die Welt 2008 in Poznań traf, tat sie das in einem Land, das zwar noch in der Lage ist, seinen Energiebedarf aus eigenen Rohstoffen zu decken, dafür aber überwiegend feste fossile Brennstoffe in einem mehrheitlich überalterten Kraftwerkspark nutzt. Ich hole Ihnen die Zahlen gerne wieder ins Gedächtnis. Es sind in Polen 37 Prozent Braunkohle und 54 Prozent Steinkohle. Dass die daraus resultierende CO2-Emission auch im Klimaschutzindex bewertet wird, hat am Ende dazu geführt, dass Polen im jüngsten Bericht von den 61 bewerteten Ländern lediglich Platz 56 belegte. Damit ist Polen das Schlusslicht in der EU.
Und Polens Energiehunger wächst weiter. So war es folgerichtig für einen souveränen Staat, dass 2009 durch die polnische Regierung einige grundlegende Maßnahmen beschlossen wurden, die sowohl die Energiebereitstellung als auch den Klimaschutz bis 2030 berücksichtigen sollten. Da zu diesem Zeitpunkt trotz der sich abzeichnenden positiven Bilanz der geförderten Einführung von erneuerbaren Energien und vieler Proteste auch in der Bundesrepublik Gespräche über eine Laufzeitverlängerung für bestehende Atomkraftwerke geführt wurden, ist es nicht verwunderlich, dass Polen sich bei der Erarbeitung einer eigenen Strategie für den Einstieg in die Kernenergie entschieden hat.
Aber die Welt hat sich weitergedreht. Die katastrophalen Zustände im Zwischenlager und dem geplanten Endlager für radioaktive Abfälle wurden öffentlich, die Risikobewertung der Atomkraft wurde nach den einschneidenden Ereignissen in Japan neuen Kriterien unterworfen, und die Bundesregierung hat nach einer breiten und wirkungsvollen Protestbewegung den – für uns Linke nicht konsequent genug, aber immerhin – Atomausstieg erneuert.
In Südafrika, auf der UN-Klimaschutzkonferenz, wurde die Bundesrepublik vor wenigen Tagen für ihre vorbildliche Leistung und ihre reale Emissionsminderung ausgezeichnet. Honoriert wurden der Anstieg des Anteils der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien von 6,3 Prozent im Jahr 2000 auf inzwischen über 20 Prozent in diesem Jahr sowie die dazugehörigen politischen Maßnahmen.
Doch wie sieht die Situation in Polen aus? – Hier scheint die Welt Anfang März 2011 stehen geblieben zu sein. Die EU-Richtlinie zur strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung formuliert das Ziel, die Beurteilungsgrundlagen
im Rahmen der Ausarbeitung und Annahme umwelterheblicher Pläne und Programme zu verbessern und so ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und Fortschritte auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung zu gewährleisten. Diese Richtlinie hat uns in das länderübergreifende Beteiligungsverfahren zum polnischen Energieprogramm gebracht und erwartet auch eine Reaktion. Die vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie des polnischen Kernenergieprogramms liest sich streckenweise wie uns schon bekannte Werbebroschüren der internationalen Atomindustrie, mit Bildern von Kraftwerken in blühenden Landschaften, angedachten Havarieplänen, wie wir sie etwa für relativ kleine Forschungsreaktoren wie die am Wannsee gesehen haben, und sauberen Transporten der hochradioaktiven Abfälle, für deren Endlagerung auch in Polen erst in 50 Jahren ein Konzept als notwendig angesehen wird. Auf wenigen Seiten werden Ausführungen zu erneuerbaren Energien bei der notwendigerweise zur Verfügung stehenden Alternativenvariantenprüfung gemacht. In keiner Weise wird eine ehrliche Alternativenprüfung dargestellt. – Doch unser polnischer Nachbar kann auch anders. Wir Linke unterstützen die noch junge Antiatombewegung in Polen, die diese Atompläne für Polen und Europa verhindern will.
Herr Buchholz ist schon darauf eingegangen: Im Landtag Brandenburg hat es bereits einen Beschluss der SPD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen gegeben. In einer Mehrheit sprach man sich dort gegen die Absichten der Republik Polen und deren geplantes Energieprogramm aus.
Ich komme gleich zum Schluss. – Diese Landtagsregierung wird also einen entsprechenden Bericht nach Polen schicken. Wir erwarten das auch von Berlin. Deshalb sollten wir heute zu einer Beschlussfassung kommen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland weist die Verantwortung für die Außenpolitik, für die Europapolitik vor allem dem Bund zu. Dafür gibt es gute Gründe. Einer dieser Gründe, Herr Kollege Schäfer, ist die Erkenntnis,
dass man im Verhältnis zu anderen Staaten seine Ziele vor allem durch Diplomatie erreicht, nicht so sehr durch Beschwerdeanträge.
Der Bund verfügt nun mal über diese diplomatische Kompetenz. Der vorliegende Antrag geht leider genau den entgegengesetzten Weg und will mit einem Beschwerdeverfahren gleich mit der Tür ins Haus fallen. Die CDU-Fraktion hält diesen Weg nicht für sinnvoll.
Herr Kollege Buchholz hatte einen ähnlichen Impetus. Lassen Sie uns versuchen, dieses Thema im Dialog mit unseren polnischen Nachbarn zu erörtern! Auf der einen Seite hat natürlich jedes Land das Recht, seinen Energiemix selbst festzulegen, nicht nur Deutschland, sondern auch Polen. Auf der anderen Seite ist auch richtig, dass Sicherheit ein europäisches Gut ist und daher auch europäisch koordiniert werden muss.
Im April dieses Jahres hat der polnische Umweltminister bei einem Besuch bei Umweltminister Röttgen zugesagt, dass alle Atompläne inklusive auch der Standortfrage in einem breiten Dialog über das Übliche hinaus mit der deutschen Seite erörtert werden, um die volle Transparenz dieses Prozesses zu erreichen. Wir nehmen den polnischen Umweltminister gerne beim Wort und werden uns in diesen Dialog einklinken, und zwar nicht nur über die Frage der atomaren Sicherheit, sondern auch über die Frage des Umbaus der Energiewirtschaft in Richtung erneuerbare Energien. Sie alle können sicher sein, dass wir von unseren Nachbarn, ja sogar weltweit, interessiert betrachtet werden, ob uns dieser Umbau gelingen wird.