Insgesamt gesehen sind die Vorbereitungen auf den Winter – so die Aussage der Experten – besser als im letzten Jahr. Es hat sich also gelohnt, in den letzten Jahren den Finger immer wieder in die Wunde zu legen.
Ich möchte aber einen Punkt noch ganz besonders betonen: Was die Kundinnen und Kunden der S-Bahn in jedem Fall verlangen können, ist eine bessere und rechtzeitigere Information. Es kann nicht sein, dass die DB im Regionalverkehrbereich oder bei den Fernverbindungen über das Internet für jeden einzelnen Zug sehr schnell Verspätungen bekannt geben kann, aber im Berliner S-Bahnsystem so etwas nicht möglich ist. Wenigstens an den Bahnhöfen, auch dort, wo es keine modernen Zuganzeiger gibt, muss die Information für die Fahrgäste so verbessert werden, dass sie sich ernst genommen fühlen.
Wer 20 Minuten in eisiger Kälte darauf wartet, dass irgendwann einmal ein Zug vorbei kommt, der wird das so schnell nicht vergessen. Wer aber rechtzeitig informiert ist, zumindest einen wärmenden Ort aufsuchen oder auf andere Verkehrsmittel ausweichen kann, der wird es zu schätzen wissen. Eine vernünftige Informationspolitik für die Kundinnen und Kunden ist das Mindeste und das Nächste, was die S-Bahn sicherstellen muss.
Wir werden das Wintergeschehen bei der S-Bahn weiterhin sehr genau beobachten und kritisch begleiten. Natürlich würde ich Ihnen heute gern eine andere Botschaft übermitteln, aber wir sind noch nicht über dem Berg. Gerade was das Personal anbelangt – Herr Wolf hat völlig recht –, hätte in den vergangenen Monaten noch mehr passieren können. Zieldatum der S-Bahn ist Ende 2012 – ich habe es eben schon erwähnt. Ich möchte mehr als nur einen Verkehr, der sich wieder normalisiert. Mein Ziel ist ein anderes. Ich will, dass sich die Bedingungen, unter denen unser S-Bahnverkehr läuft, so verändern, dass das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, nicht noch einmal geschehen kann. Das heißt aber bei all dem, was schon alles abgearbeitet worden ist und was gut und richtig ist: Wir brauchen erstens eine neue Vertragskonstruktion und wir brauchen neue Züge. Erst dann lässt sich die S-Bahnkrise vollständig beheben. Hierfür haben wir die notwendigen Schritte eingeleitet. Wir werden Schritt für Schritt das umsetzen, was wir auch im Koalitionsvertrag
festgehalten haben. Wir setzen alle Mittel ein, um eine S-Bahnkrise, wie wir sie hatten, künftig zu verhindern. Ich habe dargestellt, mittels welcher Gremien und Vertragsänderungen wir schon einiges erreicht haben und wo wir dran bleiben werden.
Zweitens werden wir noch im Jahr 2011 – das heißt, innerhalb der nächsten zehn Tage – Verhandlungen mit der Deutschen Bahn mit dem Ziel aufnehmen, die S-Bahn Berlin GmbH zu erwerben. Parallel dazu wird rechtlich geprüft, inwieweit eine Gesamtvergabe des S-Bahnnetzes an einen Betreiber möglich ist.
Drittens: Sollten die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn nicht zu einem positiven Ergebnis führen, wird die Koalition die rechtssichere Vergabe über eine Ausschreibung starten. Soweit eine Gesamtvergabe vergaberechtlich nicht möglich ist, wird für den Betrieb des Ringes samt Zubringerstrecken – also dem, was wir immer das Viertelnetz nennen – eine Ausschreibung für einen Betrieb mit Neubaufahrzeugen gestartet. Damit wird auch der Prozess der Wagenbestellung, der so wichtig ist, mit der Industrie auf den Weg gebracht. Die Vertragslaufzeit soll mindestens zehn Jahre betragen.
Viertens: Die Ausschreibung wird vorsehen, dass nach Ablauf eines neuen Betreibervertrages das Land eine Kaufoption auf den Fuhrpark bekommt. Mit der Deutschen Bahn AG wird verhandelt werden, zu welchem Preis und zu welchen Bedingungen sie die Wagen der Baureihe 481 verkaufen würde. Dies eröffnet, Herr Wolf, Berlin die langfristige Möglichkeit, die S-Bahn auf ein kommunales Unternehmen übergehen zu lassen, ohne dass es zu irgendeiner Form von Zerschlagung kommt. Da gibt es nachvollziehbare Befürchtungen, wie ich finde, unter anderem bei den Beschäftigten der Deutschen Bahn.
Nein! – Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren! Allen, die immer wieder fragen, weshalb das alles nicht schneller geht, sage ich: Wir sprechen über Entscheidungen, die für Berlin die allergrößte Tragweite haben. Es geht um Milliarden Euro Steuergelder, wenn man den gesamten Zeitraum betrachtet. Es geht um die Ausgestaltung eines Vertrags, der für die Berlinerinnen und Berliner das Beste herausholt, was machbar ist. Wir entscheiden über die Grundlagen des S-Bahnverkehrs für mindestens die nächsten 25 Jahre. Das bricht man eben nicht einfach so über das Knie.
Da geht es darum, dass man den besten Weg sucht. Das können die Berlinerinnen und Berliner von uns erwarten, und das tun wir auch.
Mobilität ist Daseinsvorsorge. Ein öffentliches Unternehmen, so wie es die S-Bahn als Tochter der Deutschen Bahn AG ist, hat die Pflicht, diese Dienstleistung zu erfüllen. Daran werden wir die Bundesregierung wie auch die Deutsche Bahn als Verantwortliche im Interesse der Berlinerinnen und Berliner nach wie vor erinnern. Es ist unser gemeinsames Interesse, zu dem Zustand zurückzukehren, den wir vor wenigen Jahren noch hatten, das nämlich die S-Bahn in unserem ÖPNV ein unverzichtbarer und verlässlicher Bestandteil für die Berlinerinnen und Berliner ist. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Senator Müller! – Wünsche für eine zweite Rederunde liegen mir nicht vor. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden. – Entschuldigung! Gibt es doch einen Wunsch? – Kurzintervention. Herr Kollege Gelbhaar, das ist beim Senat nicht zulässig. Sie haben auch keine Redezeit mehr. Das ist leider nicht möglich.
Zum Antrag der Fraktion Die Linke mit der Drucksachennummer 17/0048 wird die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Berliner Stellungnahme zum polnischen Atomkraftprogramm: Verstöße gegen europäisches Recht nicht hinnehmbar
Für die Beratungen steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Als Redner ist mir der Kollege Schäfer benannt worden. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die polnische Regierung hat den Einstieg in die Atomkraft beschlossen – kurz nach Fukushima. Für das erste AKW, das in Polen geplant ist, ist auch ein Standort nahe Kolberg avisiert, 230 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Kein bestehendes AKW liegt näher an unserer Stadt.
Vorweg: Natürlich hat Polen das souveräne Recht, über seine Energieversorgung im Rahmen der EUVorschriften – –
Herr Kollege! Ich darf Sie kurz unterbrechen. – Ich bitte die Kollegen hinten im Saal – die Zeit wird gestoppt –, ihre „Sprecherrunde“ draußen zu absolvieren.
Danke! – Natürlich hat Polen das Recht, souverän über seine Energieversorgung im Rahmen der EUVorschriften zu entscheiden, aber gleichzeitig hat das Land Berlin die Pflicht, die Interessen und Rechte seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Mit diesem Programm zum Atomeinstieg verletzt die polnische Regierung EU-Recht. Ich nenne drei Beispiele. Erstens: Die strategische Umweltprüfung entspricht nicht den EU-Normen, weil sie den aktuellen Wissensstand ignoriert. Ich zitiere einmal aus der sogenannten strategischen Umweltprüfung der Polen:
Bei schwerwiegenden Havarien wird man nur solche Maßnahmen ergreifen müssen wie die Verabreichung von Jodtabletten. Diese stören das normale Leben der Menschen nicht. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Störfalls ist geringer als einmal pro eine Million Jahre.
Wer so etwas nach Tschernobyl und Fukushima schreibt, hat wirklich ganz bewusst die aktuellen Kenntnisse ignoriert.
Das EU-Recht verlangt außerdem bei einem solchen Verfahren die Prüfung von Alternativen. Auch dies hat die polnische Regierung nicht nach den Vorschriften getan.
Drittens verbindet die polnische Regierung ihren Atomeinstieg mit einem Eingriff in EU-Wettbewerbsrecht; denn sie benennt in ihrem Atomeinstiegsprogramm einen Betreiber und sichert diesem Wettbewerbsvorteile zu. Ich zitiere:
Die polnische Regierung verletzt mit ihrem Atomprogramm EU-Recht und damit die Rechte der Berlinerinnen und Berliner. Deshalb fordern wir heute den Senat auf, bei der EU Beschwerde einzulegen. Wir fordern ihn auf, im laufenden internationalen Konsultationsverfahren diese rechtlichen Bedenken deutlich zu machen. Wir unterstützen den Ergänzungsantrag der Linken.