Protocol of the Session on May 22, 2014

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Denn dieser Senat investiert kaum in die Energiewende. Wir haben es eben bei der Diskussion um das Stadtwerk wieder gehört. Die dringendste Investition, die ansteht, für den Dampf der MVA Ruhleben eine Turbine zu bauen und mehrere Zehntausend Haushalte mit Strom und Wärme zu versorgen, die will der Senat, will dieses Stadtwerk nicht machen. Klimapolitik unter Senator Michael Müller besteht darin, Konzepte und neue Konzepte und noch einmal Absichtserklärungen und Papiere zu produzieren, aber es fehlen die Maßnahmen, es fehlen die Investitionen. Jetzt soll es ein Energiewendegesetz geben, darin steht aber nur: Der Senat muss noch mehr Konzepte machen und noch mehr Konzepte und Evaluationsberichte, aber Maßnahmen stehen auch da nicht drin.

Und in dem Haus, in dem diese Papiere geschrieben werden, da pfeift der Wind durch die Fensterritzen. Der Dienstsitz des Klimaschutzsenators ist eins der klimaschädlichsten Gebäude dieser Stadt. Und woran liegt das? – Weil auch hier der Senat nicht in der Lage ist, in Klimaschutz zu investieren, noch nicht einmal im Haus des Senators.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und da ist das, was die GASAG vorhat, nämlich in Energiedienstleistung zu investieren, das heißt, Investition in energieeffiziente Gebäude, genau der richtige Weg und

(Jörg Stroedter)

genau das, was Berlin fehlt. So verstehe ich auch den Kern des Antrags der Fraktion Die Linke, dass wir endlich von den Absichtserklärungen zum Handeln, zu den Investitionen in Energieeffizienz kommen.

Herr Dr. Garmer! Ich sage das gleich vorab: Es geht hier nicht um die Frage, ob da private oder staatliche Investitionen besser sind. Wir werden beides brauchen. Wir werden in dieser Stadt beides brauchen, damit wir endlich unabhängiger von Öl, Kohle und Gas und den steigenden Preisen für diese knappen Ressourcen werden. Und die GASAG braucht Eigentümer, die massiv in diese neue Konzernstrategie investieren, die nicht wie bisher vor allem die Gewinne herausziehen. Und da ist jetzt die Frage, Herr Wolf: Ist der Senat ein solcher Eigentümer? Und da muss man schauen: Investieren die Berliner Wasserbetriebe in die Klärschlammverwertung? – Sie tun es nicht. Wird in die Turbine investiert, die wir brauchten, um den BSR-Dampf zu verwandeln? – Es wird nicht investiert. So schön das ist, dass Herr Stroedter das Stadtwerk zu einem echten Player machen will: Wir haben heute wieder gehört, es soll keine Kunden haben, und so richtig viel produzieren soll es auch nicht. Es gibt keine Investitionspolitik in den Klimaschutz in dieser Stadt, und das ist der Kern des Problems, das wir haben!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Insofern ist natürlich auch die Frage bei der GASAG entscheidend: Ist ein Einstieg des Senats bei der GASAG mit festen Investitionszusagen verbunden oder nicht? Ein Eigentümer, der die Gewinne herauszieht, um den Kaufpreis zu refinanzieren, hilft der GASAG nicht weiter.

In den Ausschussberatungen werden wir es uns nicht leicht machen mit Ihrem Antrag, denn auf der einen Seite sehen wir nicht, dass Gashandel keine staatliche Aufgabe ist, auf der anderen Seite teilen wir Ihre Auffassung, dass die Eigentümerstruktur der GASAG unbefriedigend ist und hier Veränderungen anstehen. Auf der einen Seite sehen wir, dass, wenn Veränderungen kommen, es Situationen geben kann, bei denen das Land einsteigen muss. Wir wollen nicht, dass Gazprom oder ähnliche Player bei der GASAG etwas zu sagen bekommen. Andererseits sehen wir aber auch, dass das Gasnetz ein relevanter Teil der GASAG ist. Aufgrund der Risiken, die wir da sehen, wird es mit uns Grünen keine Politik nach dem Motto geben: Privatisierung bei den Gewinnen, Sozialisierung bei den Risiken. Das machen wir sicherlich nicht mit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich erlebe die Diskussion hier so, dass die SPD ihr Nichtstun beim Klimaschutz mit einer großen Rekommunalisierungsdecke überklappt.

[Lars Oberg (SPD): Verklappt!]

Jetzt heißt es immer: Rekommunalisierung! Als würde die Eigentümerstruktur eines Unternehmens die Probleme lösen, als würde es irgendetwas bringen, wenn Herr Wo

wereit Aufsichtsratschef eines bisher privaten Unternehmens wird. Das glauben die Beschäftigten nicht, das glauben auch wir nicht.

Die CDU sagt dagegen immer: Verstaatlichung ist des Teufels. Die Privaten sollen investieren. – Eine Einigkeit gibt es darin, dass dieses Land keine nennenswerten Investitionen in den Klimaschutz plant. Das wollen weder SPD noch CDU. Das ist der Kitt, der Sie zusammenhält. Die Oppositionsfraktionen, das weiß ich aus den Gesprächen, sind sich einig, dass wir diese Investitionen brauchen. Wir brauchen sie massiv, nur so werden wir unabhängig von Kohle, Öl und Gas.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Herr Kollege Wolf! Ihren Wunsch, den Kerngedanken dieses Antrags ernsthaft und gründlich zu prüfen und möglichst gute Lösungsstrategien zu entwickeln, werden wir von unserer Seite erfüllen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Garmer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schäfer! Verstaatlichung ist des Teufels – so haben Sie mich gerade zitiert, noch bevor ich Gelegenheit hatte, meine Rede zu halten. Das ist, glaube ich, ein Novum in diesem hohen Haus.

[Steffen Zillich (LINKE): Nein!]

Der vorliegende Antrag der Linksfraktion zur Verstaatlichung der GASAG kommt völlig zur Unzeit – Herr Kollege Stroedter hat bereits darauf hingewiesen –, abgesehen davon, dass Sie ohnehin keine sinnvolle Begründung dafür liefern. Die GASAG befindet sich derzeit in einem juristisch hoch komplexen Konzessionsvergabeverfahren, in dem sie nach dem Ausscheiden von Alliander gute Chancen, aber keine Garantie hat. Ausgerechnet in dieser komplizierten Situation nach Verstaatlichung zu rufen, ist ein Störfeuer, das der GASAG und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht gut tut, nicht gut tut, das möchte ich einmal betonen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sagen Sie es noch mal!]

Die Begründung für diesen Antrag ist einigermaßen mysteriös. Da wird auf den Cashflow aus dem Netzbetrieb abgehoben. Cashflow, eine betriebswirtschaftliche Größe – was hat die mit Energiepolitik zu tun?

[Heidi Kosche (GRÜNE): Wenn Sie das nicht wissen!]

(Michael Schäfer)

Darüber hinaus ist der Netzbetrieb – auch das wissen Sie seit Langem – durch die Bundesnetzagentur hundertprozentig durchreguliert. Jeder Netzbetreiber müsste dieselben Aufgaben erfüllen. Energiepolitik lässt sich damit jedenfalls nicht machen.

Dann schreiben Sie noch, die energiepolitischen Ziele des Senats beträfen auch den wettbewerblichen Bereich, die Bereitstellung von Energiedienstleistungen, Erzeugung und Vertrieb von erneuerbaren Energien usw. Das ist sicherlich richtig, Herr Wolf. Aber wo steht geschrieben, dass der Senat das alles selbst machen muss? Eine solche Zielsetzung, alles zwingend selbst zu machen, hat der Senat jedenfalls nicht.

Wir haben in Berlin kompetente und engagierte private Energieversorgungsunternehmen, die mit hohem Kapitaleinsatz und viel Know-how jahrelang eine sichere und bezahlbare Energieversorgung sichergestellt haben. Diese privaten Energieversorger haben darüber hinaus Klimaschutzvereinbarungen mit dem Land Berlin abgeschlossen und nicht nur abgeschlossen, sondern auch eingehalten. Sie tragen dadurch zum Gelingen der Energiewende und zum Klimaschutz in Berlin bei. Meine Damen und Herren von der Linksfraktion! Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass es auch private Anbieter gibt, die ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten – und das auch noch wesentlich wirtschaftlicher und effizienter, als das Land Berlin es jemals leisten könnte.

Stattdessen fordern Sie reflexartig und ohne stichhaltige Begründung die Verstaatlichung eines erfolgreichen privaten Unternehmens, dabei gibt es kein Problem, zu dem die Verstaatlichung der GASAG die Lösung wäre. Sie haben, wenn ich das so sagen darf, einen ziemlich eindimensionalen Politikansatz. Immer wenn Sie irgendwo ein Problem – oder auch nur ein vermeintliches Problem – sehen, fordern Sie reflexartig die Verstaatlichung. Um das in einem Bild auszudrücken: Für einen Hammer ist jedes Problem ein Nagel. Für eine Sichel ist jedes Problem ein Grashalm.

[Oh! von der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns in der EnqueteKommission zur Energiepolitik, die gestern gestartet ist, sachlich und in Ruhe über das Ergebnis des Konzessionsvergabeverfahrens sprechen, wenn es denn in Kürze vorliegt. Ich bin sicher, dass wir dann gemeinsam zu dem Ergebnis kommen werden, dass eine Verstaatlichung der GASAG nicht notwendig ist, und zwar auch dann nicht, wenn es zu Veränderungen im Gesellschafterkreis der GASAG kommen sollte. Solche Veränderungen sind immer möglich, aber unser Privatisierungsvertrag aus den 1990er-Jahren bietet uns als Land Berlin die Möglichkeit, bei solchen Veränderungen mitzureden – auch ohne Gesellschafteranteile zu übernehmen. Wenn es denn dazu kommen sollte, dann werden wir diese Verantwortung auch wahrnehmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Mayer. – Bitte sehr!

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Werte Gäste! 151 Jahre lang, so kann man lesen, lag die Gasversorgung der Berliner in kommunaler Hand. Seit 1998 ist das anders. Die Frage, die sich jetzt stellt: Macht es Sinn, durch den Kauf der GASAG die Gasversorgung im weitesten Sinne in kommunale Hand zurückzubringen? Es ist natürlich eine Frage von Risiken und Chancen. Dass es politisch sehr sinnvoll sein kann, hat Harald Wolf ganz gut dargelegt. Unabhängig davon stellt sich aber natürlich die Frage, welche Probleme man sich damit möglicherweise einhandelt.

Schaut man sich ein bisschen die Geschichte an, stellt man fest, dass es vermutlich keine schlechte Idee war, das Unternehmen damals zu verkaufen. Zu dem Zeitpunkt – 1994 – gab es Jahresfehlbeträge von 134 Millionen sowie erhebliche strukturelle Probleme. Da kann man dann feststellen, dass die Sanierung eigentlich ganz gut gelungen ist. Das war aber nicht das Ende der Turbulenzen bei der GASAG. Man kann das Management nicht unbedingt beneiden, schaut man sich die letzten zehn Jahre an. Ich erwähne nur den Erdgasspeicherunfall 2004 und die Liberalisierung des Energiemarktes, wodurch die GASAG letztlich 20 Prozent Marktanteil an Wettbewerber verloren hat. Dann diese skurrile Situation, dass die GASAG ihre Gesellschafter verklagen musste, weil ihnen die langfristigen Gaslieferverträge auf die Füße gefallen waren und es die Gesellschaft wohl in den Ruin getrieben hätte, wenn es nicht zu einem Vergleich gekommen wäre. Viele dieser Probleme sind gelöst und überwunden. Nichtsdestotrotz musste die GASAG im Jahr 2012 noch mal 145 Millionen Euro auf den Gasspeicher abschreiben. Was sicherlich auch noch interessant wird, wenn es jetzt um das Gasnetz geht, ist die Frage, inwieweit aus dem Sale-and-Leaseback-Geschäft wieder alles zurückgekauft wurde oder ob es da auch noch irgendwelche verdeckten Risiken gibt.

Was wir aber unabhängig jetzt von diesen ganzen Details sehen, ist, dass Gas derzeit nicht als Wachstumsmarkt eingeschätzt wird – das ist, glaube ich, klar – und Gas derzeit auch nicht als Zukunftstechnologie wahrgenommen wird. Das heißt, insgesamt – egal, wie man es betrachtet – sieht die Zukunft der GASAG nicht unbedingt rosig aus, aber – jetzt kommen einige größere Aber – erstens kann sich diese Situation langfristig durch neue Technologien wie Power to Gas durchaus ändern. Da

(Dr. Michael Garmer)

spielt das eine wichtige Rolle, das wird aber sicherlich eher ein Zeithorizont von 20 Jahren werden. Aber noch mal Hand aufs Herz, wenn man sich die GASAG so als Unternehmen noch mal anschaut, dann ist sie nach wie vor tief mit kommunalen Strukturen verbunden. Sie wird, glaube ich, allgemein als sympathisches Unternehmen angesehen. Es gibt viele Verbindungen zu anderen landeseigenen Unternehmen, Synergien, was weiß ich, mit anderen Betrieben, BSR.

Eigentlich sieht die GASAG, wenn man sie sich anschaut, im Großen und Ganzen wie ein Stadtwerk aus. Allein vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftlichen Aussichten vielleicht nicht ganz so rosig sind, glaube ich, lohnt es sich, ernsthaft zu schauen, ob man als Land nicht einfach zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, vielleicht doch ein gutes Geschäft machen kann und eben ein Stadtwerk bekommen kann. Ich freue mich auf jeden Fall, das Ganze noch mal vertieft in den Ausschüssen zu debattieren.

Zur Frage des Zeitpunktes, die Herr Garmer aufgeworfen hat, ich habe mich in der Tat gefragt: Ist es jetzt die richtige Zeit? Macht es überhaupt Sinn, das irgendwie öffentlich hier im Parlament zu diskutieren? Sollte nicht lieber der Senat still und heimlich einfach mal was unternehmen?

[Heidi Kosche (GRÜNE): Niemals!]

Aber ich würde mich jedenfalls freuen, wenn die Gelegenheit, die ich hier deutlich sehe, nicht völlig ungenutzt verstreichen würde. – Vielen Dank!

[Beifall von Alexander Spies (PIRATEN) – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Mayer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag wird die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie – federführend –, an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und an den Hauptausschuss beantragt. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 15