Protocol of the Session on May 22, 2014

Christopher Lauer (PIRATEN) [Erklärung zur Abstimmung gemäß § 72 GO Abghs]:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe das am Dienstag schon mal in der Fraktionssitzung bei uns gesagt, deswegen fällt es mir leicht, mich hier zu wiederholen: Soviel Richtiges in der Debatte um diesen Antrag gesagt worden ist, so ist mir ein bisschen das Messer in der Hose aufgegangen, als ich bemerkte, welche Systematik sich dahinter erkennen lässt.

Ich habe das Gefühl, hier wird gerade Wahlkampf im Parlament betrieben. Das ist auch vollkommen in Ordnung, aber da könnten wir uns geschickter anstellen. Wir hätten eine Entschließung machen können, eine Feierstunde: Die EU ist supergeil, und wir finden, das ist die tollste Erfindung seit dem Zweiten Weltkrieg! – Das kann ich aus eigener Anschauung sagen, mein Großvater wurde mit 15 Jahren eingezogen, ich nicht, also hat die EU etwas gebracht. Sehr schön!

Was ist das für ein Antrag? – Normalerweise sagen wir dem Senat, er solle etwas tun. Wir machen eine Entschließung. Hier steht noch nicht mal, wie dieser Wahlaufruf veröffentlicht werden soll.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Im Internet!]

Soll das jetzt per Brief an alle Berlinerinnen und Berliner gehen?

Insbesondere problematisch finde ich: Wir sagen den Berlinern: Nehmt eure demokratischen Rechte wahr! – Super! Dann wäre dieser Wahlaufruf aber folgendermaßen gewesen: Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen: Liebe Berlinerinnen und Berliner! Geht am 25. Mai zur Wahl. Begründung: Wählen ist gut. – Und dann sagen wir: Geht wählen! – Und in der Debatte wird das damit verbunden: Geht aber die Richtigen wählen!

So sehr ich dem zustimmen kann, was zu Rechtspopulismus, Nazis und Europafeinden gesagt wurde – in der Systematik, dass wir sagen: Nehmt euer demokratisches Recht wahr, aber wenn ihr es wahrnehmt, dann doch bitte so, wie es im Interesse unserer Partei ist – –

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Das steht doch im Antrag!]

Wir haben bewusst eine Trennung zwischen Fraktionsarbeit und Parteiarbeit, und wir vermischen es durch die Systematik dieses Antrags gerade massiv miteinander.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Guck dir doch den Antrag noch mal an!]

Deswegen habe ich dagegen gestimmt. Ich finde es nicht gut, wenn wir auf diese Art und Weise im Parlament Wahlkampf machen.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Was machen Sie denn gera- de? Was ist denn Ihre Rede außer Wahlkampf? – Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Entschuldigen Sie, Herr Schäfer! Sie sollten sich schämen, dass Sie hier die Wahrnehmung parlamentarischer Rechte einzelner Abgeordneter als Egoshow desavouieren. Aber ich werde Sie gerne daran erinnern, wenn ich das nächste Mal das Gefühl habe, dass bei Bündnis 90/Die Grünen möglicherweise nicht das Sachinteresse – –

Vielen Dank, Herr Lauer!

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 19

Mehrheitsanteile der GASAG übernehmen

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1649

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von grundsätzlich fünf Minuten zur Verfügung. Die Regelung der Anrechnung der Redezeiten ist Ihnen bekannt. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag wollen wir den Senat auffordern, mit den gegenwärtigen Anteilseignern der GASAG, mit Vattenfall, mit E.ON und mit GDF Suez, Gespräche aufzunehmen mit dem Ziel, Mehrheitsanteile an der GASAG zu erwerben.

Dass unternehmerischer Einfluss auf das Gasgeschäft in Berlin wirtschaftspolitisch und energiepolitisch sinnvoll ist, scheint der Senat mit seiner Bewerbung für das Gasnetz zum Ausdruck gebracht zu haben; denn man würde sich nicht um das Gasnetz bewerben, wenn man der Meinung wäre, es machte keinen wirtschaftlichen und energiepolitischen Sin. Nur glaube ich, dass die Bewerbung um das Gasnetz als alleiniger Schritt zu kurz gesprungen ist.

Sehen wir uns die Konstellation nach dem Ausscheiden von Alliander aus dem Konzessionsverfahren an! Es gibt nur noch zwei Bewerber, das sind die GASAG und Berlin Energie, das sich um 100 Prozent des Netzes bewirbt. Damit sind für den Ausgang dieses Konzessionsver

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

fahrens eigentlich nur zwei Szenarien denkbar: Das erste Szenario – ich rede jetzt nicht über die Wahrscheinlichkeit dieser Szenarien –: Berlin-Energie ist erfolgreich, übernimmt das Gasnetz, und die GASAG verfügt über keinen Netzbetrieb mehr. Das bedeutet gleichzeitig, dass bei der GASAG der Cashflow, das heißt, die Einnahmen aus dem Netzbetrieb, weg sind. Wer sich damit etwas näher beschäftigt hat, weiß, dass der Cashflow der GASAG zu über 50 Prozent aus dem Netzbetrieb kommt.

Gleichzeitig – das war in den Diskussionen der letzten Wochen und Monate deutlich geworden – sind eigentlich alle Fraktionen in diesem Hause der Auffassung, dass das neue Geschäftsmodell der GASAG als Energiedienstleister, als Energiemanager, als Unternehmen, das auch in quartiersbezogene Energiekonzepte investiert, ein sinnvolles Konzept ist. Dazu braucht das Unternehmen aber Investitionsmittel. Wenn ich dem Unternehmen den Cashflow wegnehme, ist die GASAG nur noch eine reine Handelsorganisation, eine Hülle, und wird nicht mehr in der Lage sein, diese Funktion zu erfüllen. Ich glaube, das kann politisch nicht wirklich gewünscht sein – jedenfalls wenn ich das ernst nehmen, was bisher aus allen Fraktionen zu diesem Thema erklärt worden ist.

[Beifall bei der LINKEN]

Und auch die Überlegung, die ich vor allen Dingen aus dem Abgeordnetenhaus gehört habe, na ja, wir nehmen der GASAG erst das Netz weg, dann ist sie nichts mehr wert, und dann kriegen wir ganz leicht die GASAG, ist zu kurz gesprungen und berücksichtigt nicht die Tatsache, dass hier nicht nur das Land Berlin und die GASAG Player sind, sondern dass wir es hier mit drei Eigentümern zu tun haben, die alle wirtschaftliche Probleme haben, insbesondere E.ON und Vattenfall. Und das Letzte, was sie in einem solchen Fall tun würden, wäre, dass sie den Kaufpreis für die Netzanteile im Konzern in der GASAG lassen, sondern die würden das natürlich nach Abbezahlung der Kredite auscashen und an ihre Eigentümer ausschütten. Und die würden das Weite suchen. Das wäre das Resultat. Und ich sage, das kann politisch nicht gewünscht sein.

Im anderen Falle, die GASAG behält das Netz zu 100 Prozent, ist auch nicht wirklich etwas gewonnen, weil in diesem Falle hier kein unternehmerischer Einfluss des Landes Berlin, kein energiepolitischer Einfluss des Landes Berlin gewährleistet ist und weil wir es nach wie vor mit Gesellschaftern in der GASAG zu tun haben, die eigentlich raus wollen aus der GASAG, die kein strategisches Interesse mehr an der GASAG haben, insbesondere Vattenfall und E.ON, die 2010 schon raus wollten.

Deshalb sage ich: Wenn man will, dass das Land energiepolitischen Einfluss auf das Gasgeschäft nehmen kann, wenn man will, dass die GASAG als Energiemanager erfolgreich ist und die Investitionsmittel dafür hat, wenn man will, dass die GASAG eine stabile Gesellschafterstruktur hat, in der das Land Berlin auch etwas zu

sagen hat und das Land Berlin Einfluss darauf nehmen kann, und wenn man auch will, dass wir nicht nur ein Stadtwerk ohne Kunden haben, sondern ein Stadtwerk mit Kunden, muss man dafür sorgen, dass der Senat in Verhandlungen mit den Gesellschaftern der GASAG eintritt über den Erwerb von Mehrheitsanteilen, möglicherweise gemeinsam mit kommunalen Partnern.

[Beifall bei der LINKEN]

Und ich würde mir wünschen, dass wir eine ernsthafte und gründliche Diskussion über dieses Thema führen. Wir haben durchaus in vielen Fragen einen breiten energiepolitischen Konsens, zumindest was die Absichtserklärungen angeht. Ich würde mir wünschen, dass wir ernsthaft und gründlich über diese Frage diskutieren und dass das nicht im üblichen parlamentarischen Ritual einfach mit Handheben abgestimmt wird, weil dieser Antrag von den falschen Leuten kommt, sondern dass man sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Pavel Mayer (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Stroedter. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wolf! Selbstverständlich werden wir das sorgsam debattieren und auch sorgsam prüfen. Ich werde Ihnen heute hier auch nicht sagen, dass man nicht über alles diskutieren kann, auch über Ihren Antrag, ganz klar. Der Zeitpunkt des Antrags überrascht natürlich doch, weil man einfach schauen muss, wo wir gerade sind. Wie Sie wissen, befinden wir uns in einem laufenden Konzessionsverfahren. Es läuft schon eine Weile. Der Hauptausschuss hat Ende Januar den 3. Verfahrensbrief zur Kenntnis genommen. Der Senat wird möglicherweise oder sehr wahrscheinlich noch im Juni über die Konzessionsvergabe entscheiden. Und die getroffene Entscheidung wird uns, dem Abgeordnetenhaus, unverzüglich zugeleitet werden.

Das Land Berlin beteiligt sich – das haben Sie zu Recht gesagt – mit dem landeseigenen Unternehmen BerlinEnergie an der Vergabe der Gasnetzkonzession. Es gibt schon drei Szenarien bei zwei Bewerbern: Szenario GASAG, Szenario Berlin-Energie und die Mischvariante. Berlin-Energie bewirbt sich um eine 100-prozentige Übernahme. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer Kooperationslösung mit einem 51-prozentigen Landesanteil. Und da will ich auch gleich sagen: Im Unterschied zur ehemaligen Konstruktion bei den Wasserbetrieben, die Sie kritisch gesehen haben, die auch ich kritisch sehe,

(Harald Wolf)

ist das Modell der Kooperation hier zeitlich klar begrenzt durch die Befristung der Konzession.

Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich die Bewerbung des landeseigenen Unternehmens Berlin-Energie und hält sowohl eine 100-prozentige Übernahme als auch eine Kooperationslösung für möglich. Nach der positiven Konzessionsentscheidung wird bekanntermaßen der LHO-Betrieb in eine GmbH umgewandelt und entsprechend mit Eigenkapital ausgestattet. Ich kann auch nicht sehen, wie Sie in Ihrer Begründung schreiben, dass hier automatisch Arbeitsplätze verlorengehen, denn wenn Berlin-Energie den Zuschlag bekommen würde, würden ja dort selbstverständlich neue Arbeitsplätze entstehen, vielleicht sogar die gleichen Arbeitsplätze. Die GASAG würde einen Kaufpreis für das Netz erhalten. Und es ist aus meiner Sicht reine Spekulation zu unterstellen, dass dieser automatisch als Gewinn an den Mutterkonzern abgeführt wird.

Es ist unstrittig, dass – anders als bei den Beteiligungen in den Bereichen Wasser und Strom, das haben Sie auch ausgeführt, das teile ich durchaus – die Erfahrung mit der GASAG als Energieunternehmen durchaus positiv sind. Der von der Linken hier aber vorgeschlagene Weg kommt zum falschen Zeitpunkt, denn wenn der Fall eintreten sollte, dass Berlin-Energie weder eine 100prozentige Übernahme erhält noch eine Kooperationslösung, dann kommen auch anschließend, möglicherweise ähnlich wie im Bereich Wasser, andere Alternativen infrage. Sie haben zu Recht gesagt, darauf bin ich auch stolz, wie das beim Wasser abgelaufen ist. Da haben wir eben sowohl bezogen auf RWE als auch bezogen auf Veolia die Anteile zu einem guten Preis zurückbekommen. Wir können heute sehen, wie die Konsequenzen sind. 15 Prozent Frischwasserpreissenkung, 6 Prozent Abwasserpreissenkung, das sind ja gute Nachrichten.

Dann haben Sie das Berliner Stadtwerk angesprochen. Auch dazu will ich etwas sagen. Ich glaube nicht, dass die Entwicklung des Berliner Stadtwerks abhängig ist von einer Übernahme der Mehrheitsanteile bei der GASAG. Hier müssen wir sehen, wie wir im Rahmen des Beschlusses, den wir hier gefasst haben, Möglichkeiten haben, das Stadtwerk zu einem echten Player auszubauen. Das will die SPD-Fraktion. Wir wollen, dass das Stadtwerk ein echter Player in dieser Stadt wird.

[Beifall bei der SPD]

Insofern müssen die Vergabeverfahren im Bereich Strom und Gas abgewartet werden. Wir gehen davon aus, dass der Vorstand der BWB, bei dem das Stadtwerk angesiedelt ist, uns entsprechende Vorschläge machen wird. Wir haben schon gestern in der Enquete-Kommission vereinbart, dass wir das in der nächsten Sitzung entsprechend tun werden. Wir haben überhaupt in der EnqueteKommission die Möglichkeit, über unsere energiepolitischen Ziele, die in Berlin sind, zu diskutieren und Konsequenzen zu ziehen. Sie können sich auf eins verlassen:

Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass der Weg der Rekommunalisierung im Bereich Energie fortgesetzt wird und Fehler der Vergangenheit korrigiert werden. Ja, die erfolgreiche Rekommunalisierung der BWB tut der Stadt ausgesprochen gut, das ist für uns ein Anspruch, auch in den anderen wichtigen Feldern Strom und Gas Gutes zu tun. Wir wollen den Berlinerinnen und Berlinern die Chance geben, stärker Einfluss auf diese Entscheidungen zu haben. Wir wollen natürlich auch günstige Preise in der Stadt garantieren. Das ist unsere Politik. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schäfer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die GASAG hat sich vor einem Jahr eine bemerkenswerte neue Konzernstrategie gegeben. Sie will sich zu einem „umfassend kundenorientierten, ökologisch engagierten und unternehmerisch erfolgreichen Energiemanager für Berlin und Brandenburg“ entwickeln. Dazu kommt: Die GASAG will ganz massiv in die Energiewende investieren. Genau das hat Berlin dringend nötig.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]