Wir brauchen vor allem die Planzahlen für die Straßenobdachlosigkeit. Die lassen sich nicht so einfach erfassen, das hat der Kollege Beck schon erwähnt. Ich habe es im Ausschuss schon gesagt: In Hamburg und München geht das, mit statistischen Erhebungen. So etwas könnte man auch in Berlin einrichten.
Es ist natürlich auch ein Skandal, dass wir die Zahl der Räumungen nicht kennen. Die Zahl der Räumungsklagen erhalten wir vielleicht noch über die Bezirke, weil die ja der sozialen Wohnhilfe gemeldet werden, damit sie was unternimmt. Was macht sie? – Sie schreibt einen Brief, und damit ist es erledigt. Wirkliche Hilfe sieht anders aus. Wie viele dann tatsächlich geräumt worden sind, wissen wir nicht. Auch das könnte man auf Landesebene machen.
Das, was wir eigentlich brauchen, eine bundesweite Wohnungsnotfallstatistik, das kriegen wir so nicht. Man könnte es ja mal mit einer Bundesratsinitiative versuchen. Es gibt aber auch Handlungsbedarf im Land, und ich fasse den Antrag der Grünen so auf, dass Herr Czaja dann auch dazu aufgefordert wird, sich mal damit zu beschäftigen, wie man das, was man hier im Land machen kann, noch besser machen kann. Dem Antrag können wir insofern auch zustimmen.
Vielen Dank, Herr Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/0703 empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit und Soziales mehrheitlich gegen Grüne und Piraten bei Enthaltung der Linke auch mit Änderung die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Die Linke. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 2. September 2013 Drucksache 17/1154
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Antrag zur Einrichtung eines Fonds für Gruppen, die sich am Karneval der Kulturen beteiligen, ist von SPD und CDU in beiden Ausschüssen, Wirtschaft und Kultur, kommentarlos abgelehnt worden. Die Koalition hat keinen einzigen Grund für die Ablehnung dargelegt, und deswegen bin ich heute gespannt, das erste Mal etwas darüber zu hören.
Hier noch mal die Eckdaten: Der Karneval der Kulturen bekommt vom Senat ca. 250 000 Euro. Er kostet 750 000 Euro. Die Differenz bringt das Karnevalsbüro alleine auf. Das heißt: Auf jeden Euro Fördermittel kommen zwei Euro Sponsorengelder bzw. Einkünfte aus den kommerziellen Ständen – nicht alle Stände sind kommerziell. Welches Projekt in dieser Stadt schafft es, regelmäßig die Fördermittel zu verdoppeln? Der Karneval bringt außerdem nach Schätzungen der Investitionsbank Berlin jährlich 4,2 Millionen Euro an öffentlichen Einnahmen. Für die Jahre 2001 bis 2011 geht die Investitionsbank Berlin in ihrem Gutachten von einem zusätzlichen Bruttoinlandsprodukt von 54,2 Millionen Euro aus und schätzt die erhaltenen bzw. geschaffenen Arbeitsplätze in diesem Zeitraum auf 220. Dazurechnen müsste man auch die Kosten, die die Gruppen für ihre Wagen und Formationen aus der eigenen Tasche aufbringen. Bei 80 Gruppen und durchschnittlichen Kosten von 5 000 Euro sind das noch mal 400 000 Euro. Damit habe ich sehr vorsichtig gerechnet, denn viele Formationen kosten sehr viel mehr. Kostüme, Wagenmiete, Material für die Gestaltung der Wagen, aber auch die Mittel für die technischen Sicherheitsvorkehrungen, Probenräume, Werkstätten, das alles bringen die Künstlerinnen und Künstler, die den Karneval zu dem machen, was er ist, selbst auf.
Wir haben nicht diskutiert und daher auch keine Antwort erhalten auf die Frage, warum der Senat noch nie eine Besucheranalyse für den Karneval durchgeführt hat. Für den CSD wurde das schon zweimal gemacht, und die vorgelegten Analysen sind eine enorme Unterstützung, auch bei der Suche nach Sponsoren. Kultur wird in dieser Stadt wie eine endlos nachwachsende Ressource verschleudert und vergeudet. Der Kultursenator Klaus Wowereit hat genug persönlichen Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern, um zu wissen, dass Kreativität sich immer ausdrücken muss und sich unter allen Umständen Wege zur Realisierung sucht. Wen könnte man also besser schröpfen und ausbeuten als die Menschen, die das, was sie machen, gerne machen und damit auch gar nicht aufhören können?
Die Kreativen sind die Melkkühe in der Berliner Kulturpolitik. Der Karneval der Kulturen gehört zu den großen Berliner Kulturereignissen – neben dem CSD, der Berlinale usw. Damit könnte Berlin in einer Reihe mit London, Rio, Aguja, Zürich und anderen gehören, die ihren Karneval der Kulturen zum Teil natürlich sehr viel größer feiern. Überall werden diese Events auch öffentlich gefördert, nur hier wird es als Folklore-Trallala kleingehalten. Die Berliner Politik ist noch lange nicht so weltoffen, wie sie gerne tut, und wir bleiben an diesem Thema dran!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja schön, dass wir dieses Thema nach viermaliger Vertagung heute nun wirklich mal auf der Tagesordnung haben. In meiner Fraktion war es ja schon ein Running Gag: Wirst du deine Karnevalsrede dieses Mal halten können? – Nee, dann war sie wieder weg, aber die Grünen wiederum wollten es auch nicht abstimmen. Gut, Sie wollen eine Erläuterung haben, warum die Ablehnung in den Ausschüssen erfolgt ist. Mir leuchtet von daher ein, warum Sie darüber reden wollen. Ich werde es kurz machen, habe jetzt auch nichts aufgeschrieben,
aber bei einer guten Büttenrede hat man ja auch keinen Zettel in der Hand, sondern das wird frei vorgetragen.
Warum wollen die Grünen es überhaupt diskutieren? – Sie wollen die Botschaft rüberbringen: Wir sind die Guten! Das ist Ihre Botschaft, die Sie immer rüberbringen wollen.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Zuruf von Thomas Birk (GRÜNE)]
Die Grünen wollen also Mitnahmeeffekte einkalkulieren, sagen: Egal, Hauptsache, dort fließt etwas, am besten für unsere Klientel!
Ich wollte bloß erfahren, da sie uns jetzt erzählen wollen, was die Grünen rüberbringen wollen: Was wollen Sie denn rüberbringen?
Dazu wollte ich gerade kommen. Ich wollte gerade sagen, die Grünen haben die Botschaft: Wir sind die Guten –,
Wir gehen sogar verantwortungsvoller mit den Mitteln um, denn wir sorgen dafür, dass der Karneval der Kulturen seit 2010 mit 270 000 Euro jährlich aus dem Haushalt finanziert wird. Sie haben recht mit Ihrer Aufstellung, Frau Kahlefeld, dass dies natürlich nicht hinreichend ist. Warum auch? Wir haben die Werkstatt der Kulturen, die das Karnevalsbüro betreibt. Die organisieren, dass man 750 000 Euro bis 800 000 Euro pro Karneval der Kulturen auf die Beine gestellt kriegt, und zwar nicht alles mit Staatsknete, sondern auch mit Einnahmen aus dem Fest selbst. Was ist daran eigentlich verwerflich?
Nein! Dieses Mal möchte ich den Gedanken mal zu Ende führen. – In der Hinsicht kann man im Grunde auch den Kollegen Braun beruhigen, der jetzt nicht im Saal ist, der im Ausschuss ja die Befürchtung geäußert hatte, dass sich Leute dort eine goldene Nase an den Ständen verdienen und hinterher ein ganzes Jahr davon leben.
Die Standmieten sind da durchaus marktüblich, und das ist durchaus ein Teil des Konzeptes, dass man damit den Karneval finanziert. Sponsoren tragen dazu ebenfalls bei.
Wir haben es übrigens gerade dieser Tage wieder bei dem echten Karneval, bei dem mit dem Rosenmontagsumzug, gesehen, wo es hinführt, wenn all diese Dinge nicht gewährleistet sind, wenn die Vereine wirklich vor die Frage gestellt sind, ob sie dafür Sorge tragen sollen, dass Absperrungen stattfinden, dass Strom und Wasser da sind und andere Dinge geleistet werden. Dies alles wird ja vom Land Berlin unter anderem mit dem Zuschuss von 270 000 Euro geleistet. Und das ist doch eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür, dass dieses Fest überhaupt stattfinden kann. Insofern kann ich nicht erkennen, warum jetzt weitere Gelder an die Gruppen direkt fließen müssen. So etwas gibt es ja übrigens auch. Es gibt ja immer einen Wettbewerb beim Karneval der Kulturen. Da wird dann von einer Jury bewertet – wie von Ihnen gefordert –, welche Gruppe zum Beispiel ein Preisgeld verdient. Das ist sehr vernünftig, und das scheint mir sehr viel zielführender als ein populistischer grüner Antrag, den wir nicht brauchen.
Ich möchte gerne zwischenfragen! Ich verstehe nämlich nicht, warum Sie glauben, dass die Gruppen kein Geld brauchen. Meine Frage ist, ob Sie überhaupt eine Vorstellung haben, wie diese Gruppen, die das alles – ihre Kostüme und Wagen – ehrenamtlich machen, das alles finanzieren. Haben Sie sich damit überhaupt einmal beschäftigt? Wenn ja, möchte ich wissen, wie Sie darauf kommen, dass diese Gruppen kein Geld brauchen.
Ich verstehe diese staatsfixierte Denkweise überhaupt nicht. Natürlich brauchen diese Gruppen Geld, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Auch die anderen Karnevalsgruppen, die ich nannte, brauchen Geld. Wenn die Neuköllner Fahnenschwinger beim Karneval der Kulturen mitmachen – was sie tun – oder die Berliner Handwerkskammer seit Jahren – die finanzieren das natürlich auch alles selbst. Auch andere Gruppen sind in der Lage, das selbst zu finanzieren. In den vielen Städten, die Frau Kahlefeld genannt hat – London und andere –, ist nicht immer der Staat als großer Geldgeber im Hintergrund, sondern da ist natürlich viel Privatinitiative. Deshalb meine ich, können wir, indem wir die Rahmenbedingungen schaffen, den Karneval ermöglichen. Aber natürlich müssen die Gruppen auch selbst etwas dazu beitragen. Da sehe ich gar kein Problem.