Protocol of the Session on September 12, 2013

[Beifall bei der LINKEN]

Allein, die Verhältnisse, die sind nicht so. Der rechtliche Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber wird gebraucht, weil klassische Beschwerdewege, weil interne Kontrollsysteme unserer Unternehmen und Behörden zunehmend versagen. Wie kann es so weit kommen, dass eine Altenpflegerin aus Angst, ihren ohnehin schon zu schlecht bezahlten Job zu verlieren, es nicht wagt, Missstände gegenüber den Kollegen, der Pflegedienstleitung oder den Beschäftigtenvertretungen anzusprechen, wenn es denn überhaupt Beschäftigtenvertretungen gibt und deren Gründung und Arbeit nicht von vornherein behindert wird. Hier müssen wir auch ansetzen.

[Beifall bei der LINKEN]

Dass Menschen nur in der Anonymität wagen, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und drohenden Schaden für die Allgemeinheit aufzudecken, und Rechtsschutz brauchen, das ist der eigentliche Skandal. Es gibt hier leider keine verbindlichen Regeln. Deshalb hat auch Die Linke im Bundestag beantragt, die Bedeutung von Whistleblowing für die Gesellschaft anzuerkennen und Regelungen zum Schutz von Betroffenen festzuschreiben. Das war im Juli 2011. Der vorliegende Antrag der Grünen will eine weitere Bundesratsinitiative. Dagegen ist

(Sven Kohlmeier)

absolut nichts einzuwenden. Es gab ja bereits solche Bemühungen. Im Jahr 2011 hat Berlin gemeinsam mit Hamburg einen entsprechenden Antrag im Bundesrat eingebracht. Der wurde abgelehnt. Es ist gut, da dranzubleiben. Ob die Debatte diesmal angesichts der aktuellen spektakulären Entwicklungen ein anderes Ergebnis bringen wird, ist noch fraglich.

Keine Frage ist, dass man gut im eigenen Haus anfangen kann. Wir können hier im Land Berlin und für das Land Berlin etwas tun. Und dieser Anfang ist ja auch schon gemacht. Das Abgeordnetenhaus hat bereits vor drei Jahren, am 1. Juli 2010 beschlossen, die Korruptionsbekämpfung zu verbessern, und zwar, indem neue Wege einer vertraulichen Hinweisgabe eröffnet wurden, zunächst für die Berliner und in der Berliner Verwaltung, aber immerhin. Zum einen wurde beschlossen, eine Vertrauensperson zu bestimmen, an die man sich mit Hinweisen wenden kann, zum anderen sollte es ein elektronisches System über das Internet ermöglichen, anonym Hinweise zu geben. Ersteres ist umgesetzt worden. Es gibt einen externen Vertrauensanwalt, der seit knapp zwei Jahren tätig ist. Einige Bezirke haben eigene Vertrauensanwälte eingesetzt. Hier wäre es jetzt an der Zeit, die bisherigen Erfahrungen auszuwerten. Die Tätigkeit des Vertrauensanwalts war für zwei Jahre konzipiert. Eine Evaluation der Pilotphase war angekündigt. Wie steht es damit? Wir müssen nämlich nun entscheiden, ob wir eine Fortsetzung des Ganzen sinnvoll finden oder nicht.

Zweitens: Das Hinweissystem per Internet, also die Möglichkeit der anonymen Meldung, hat noch immer nicht das Licht der Welt erblickt. Der dafür nötige Gesetzentwurf steht immer noch aus. Ebenso gibt es noch keine konkrete Kalkulation für die Personal- und Sachkosten, im Haushalt keinen Ansatz. Im März 2012 antwortete Frank Henkel auf eine Kleine Anfrage von Klaus Lederer, dass kurzfristig eine Arbeitsgruppe alles Nötige für die Installation der webbasierten Hinweisgeberplattform prüfen und entsprechende Schritte einleiten werde. Bewegt sich da überhaupt etwas? Wenn ja, warum dauert es so lange? Welchen Stellenwert hat die Korruptionsbekämpfung eigentlich im Land Berlin?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir können und sollten natürlich im Bundesrat die Initiative ergreifen, wie vorgeschlagen, aber wir sollten auf jeden Fall die Zeit nutzen, unsere landeseigenen Ideen für Hinweisgeber weiterzuentwickeln und voranzutreiben. Die Erhöhung der Gerichtsgebühren hat ja dem Land Berlin, wenn vielleicht auch nicht 32 Millionen jährlich, so doch aber einige Milliönchen mehr Einkommen in die Kasse gespült. Einiges davon könnte gut dafür eingesetzt werden, um die organisatorischen und personellen Voraussetzungen für unser Berliner elektronisches Hinweissystem endlich umzusetzen. Vor allem aber, lassen Sie uns gesamtgesellschaftlich dafür sorgen, dass Whistleblowing ein Notausgang ist, den man gar nicht erst benutzen muss!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Rissmann. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen, wie vom Kollegen Behrendt wortreich ausgeführt, Whistleblowerinnen und Whistleblower besser schützen. Das setzt denklogisch voraus, dass Hinweisgeber, die schutzwürdig sind, im Moment in unserem Land nicht ausreichend vor arbeits- oder dienstrechtlichen Konsequenzen geschützt sind. Da schon diese Ausgangsthese falsch ist, ist auch der Antrag überflüssig. Die derzeitige Rechtslage schützt Hinweisgeber, die ihren Arbeitgeber bei Verletzung gesetzlicher Pflichten anzeigen, mehr als ausreichend. Zum Beispiel, Kollege Behrendt: § 17 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes, §§ 53 ff. des Bundesimmissionsschutzgesetzes, dort konkret § 58, §§ 84 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes und insbesondere § 612a BGB, der ein Maßregelverbot postuliert, das den Hinweisgeber schützt. Dienstrechtliche Vorschriften für Landesbeamte hat der Kollege Kohlmeier bereits genannt.

Auch ist das Abgeordnetenhaus gar nicht zuständig. Berufen wäre der Deutsche Bundestag, da es um die Änderung von Bundesrecht geht. Der Deutsche Bundestag hat sich auch mit verschiedenen Initiativen auseinandergesetzt. Die Berliner Grünen wollen offenbar den Fall des Edward Snowden zum Anlass nehmen, hier ein bisschen Wahlkampf zu machen.

In der regelmäßig ruhigen Atmosphäre unseres Rechtsausschusses werden Sie dann, lieber Kollege Behrendt, nach dem Wahlkampf in Ruhe erläutern können, wo es hier überhaupt Handlungsbedarf gibt und warum das nicht ein bloßer Schaufensterantrag ist. – Danke!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Rissmann! – Und für die Piratenfraktion Herr Kollege Dr. Weiß – bitte schön!

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Grünen kommt zur richtigen Zeit, steht in meinem Manuskript. Inzwischen müsste ich wahrscheinlich ergänzen, dass damit nicht die richtige Uhrzeit gemeint ist. Die

(Katrin Möller)

Namen von Whistleblowerinnen und Whistleblowern wie Chelsea Manning und Edward Snowden sind in aller Munde. Der Zeitpunkt ist richtig. Anlass für diesen Antrag besteht auch. Man könnte ihm höchstens die Schwäche zugestehen, dass er sich etwas leichtfertig dem Vorwurf aussetzt, eine reine Wahlkampfgeste zu sein. Vielen Dank, Herr Rissmann! Das stand auch vorher in meinem Manuskript. Danke für die Zusammenarbeit!

Man könnte ihm vorwerfen, dass er ein wenig ungefähr in seiner Formulierung ist. Allerdings wird er ja in der Begründung noch deutlich ausführlicher. Und er verweist auf ganz konkrete Regelungsvorschläge, die die Grünen und die SPD im Deutschen Bundestag vorgeschlagen haben. Es gibt auch einen der Linken, der dort nicht erwähnt wird. Das wurde auch schon aufgeführt. Und es ist durchaus richtig, hier noch einmal eine Initiative zu ergreifen, auch vom Land Berlin aus, um die Bundesregierung oder dann ggf. eine andere Bundesregierung an ihre Verpflichtung oder Versprechen zu erinnern.

Whistleblower sind nicht nur die Mannings oder Snowdens, die das Fehlverhalten von Staaten anprangern und dafür politisch verfolgt werden. Whistleblower sind alle, die in einem Betrieb, einer Verwaltung oder einer Organisation Verfehlungen aufdecken und den Mut haben, darauf hinzuweisen. Dass diese Menschen, denen wir für ihren Mut dankbar sein sollten, unzureichend geschützt sind, sollte klar sein. Dankbar sollten wir ihnen sein, weil sie den Mut haben, auch auf eigenes Risiko zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Das ist eine Form von Zivilcourage. Und das ist auch – wenn ich das mal in der Woche des bürgerschaftlichen Engagements erwähnen darf – eine Form von bürgerschaftlichem Engagement, vielleicht auch ein Thema für den neu gegründeten Ausschuss dieses Hauses.

[Beifall bei den PIRATEN]

Ich komme zum nächsten Punkt: Wir können hier nicht nur – das wurde auch schon ausgeführt – auf der Bundesebene ansetzen. Auch im Land Berlin sollten wir uns die Frage stellen, was wir tun können und was wir verbessern können. Welche Regelungen rechtlicher oder anderer Natur gibt es, die den Schutz von Whistleblowern, insbesondere in der Verwaltung und im Wirkungsbereich der Verwaltung auf landesrechtlicher Ebene verbessern können? Gibt es dort geeignete Stellen oder Verfahren, um Hinweise auch vertraulich zu behandeln, auch abseits des formellen Dienstweges oder abseits, sagen wir, gleich der Strafanzeige?

Erwähnt wurde schon von Frau Möller völlig zu Recht der bereits 2010 von diesem Haus beschlossene Hinweisgeber zur Korruptionsbekämpfung. Dort warte ich immer noch auf die Antwort zu einer Kleinen Anfrage, die ich gestellt habe. Ich habe jetzt in den Antworten zu den Berichtsaufträgen gelesen, dass jetzt anscheinend in den nächsten beiden Jahren doch irgendetwas passieren soll.

Ich bin mal gespannt. Die Position des Vertrauensanwaltes wurde geschaffen. Sie muss evaluiert werden.

Diese Aspekte, was über die Initiative, die wir völlig unterstützenswert finden, hinaus auch landesrechtlich getan werden kann, würden wir gern in die Beratung im Ausschuss mit einbeziehen, möglicherweise auch in Form eigener Anträge. – Vielen Dank, und ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir danken auch, Herr Kollege Dr. Weiß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfohlen. Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 18 war bereits Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nummer 5.4. Der Tagesordnungspunkt 19 war Priorität der Fraktion der CDU unter Nummer 5.3. Die Tagesordnungspunkte 20 bis 22 stehen auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 23 wurde bereits in Verbindung mit der Aktuellen Stunde behandelt. Die Tagesordnungspunkte 24 bis 26 stehen wiederum auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 27 wurde ebenfalls bereits in Verbindung mit der Aktuellen Stunde behandelt. Der Tagesordnungspunkt 28 war Priorität der Piratenfraktion unter Nummer 5.1. der Tagesordnungspunkt 29 wurde als Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 5.5 behandelt.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung findet statt am Donnerstag, dem 26. September 2013 um 13 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg!

[Schluss der Sitzung: 20.42 Uhr]

(Dr. Simon Weiß)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 9:

Burschenschaften in Berlin

Große Anfrage der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0992

vertagt

Lfd. Nr. 11:

Einführung einer Wohnungslosenstatistik für das Land Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 3. Juni 2013 Drucksache 17/1055

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0703

vertagt

Lfd. Nr. 12:

Kulturförderung zeitgemäß gestalten: Reform des Abrechnungsverfahren für konzeptgeförderte, privatrechtlich organisierte Theater und Theater-/Tanzgruppen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 19. August 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 28. August 2013 Drucksache 17/1134

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1028