Frau Präsidentin! Herr Lauer! Es ist ja Wahlkampf, darum zitiere ich erstens Peer Steinbrück: Hätte, hätte, Fahrradkette!
[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Hat doch der Kohlmeier schon gemacht, meine Güte! – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]
Hat er schon? Da sehen Sie mal, wie gut wir uns ergänzen! – Zweitens: Sie haben offenbar nicht verstanden, wie es geht. Sie haben etwas von der Charité aufgegriffen,
haben es in Antragsform gebracht und dabei übersehen, dass es bereits in der Mache ist, dass es bereits vorgesehen ist, dass es bereits im Haushalt abgebildet ist. Das wollen Sie jetzt überdecken, indem Sie Ihre dritte Kurzintervention machen. Besser wird es dadurch nicht.
Und noch mal: Wenn Sie der Meinung sind, dass 110 000 Euro nicht ausreichend sind, dann müssen Sie im Rahmen der Haushaltsplanberatungen einen Änderungsantrag einbringen und einen Mittelansatz formulieren, der aus Ihrer Sicht auskömmlich ist. In der Sache ist die Einrichtung einer Opferschutzambulanz unstreitig. Sie ist offenbar von der Senatsverwaltung für Justiz vorgesehen und nachlesbar im Haushaltsplanentwurf, der schon seit vielen Wochen vorliegt. Insofern ist das hier eine unnötige Beschäftigung, und Sie dürfen gern zur Kenntnis nehmen, dass ich Ihren Antrag als vollkommen überflüssig erachte. – Danke!
Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Albers. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Konzept zur Gewaltopferschutzambulanz gibt es in Berlin seit 2008. Das hat damals der neue Leiter der Gerichtsmedizin, Tsokos, mitgebracht. Die Kosten beliefen sich damals, berechnet für drei bis sechs Arztstellen, die man dazu braucht, auf etwa 500 000 Euro. 20 000 Euro waren für Sachkosten angesetzt, und 80 000 Euro sollte es kosten, diese Stelle in Berlin bekanntzumachen. Wir haben ein ähnliches Projekt – das ist schon erwähnt worden – in Hamburg, wir haben ein ähnliches Projekt in Bonn. Das sieht aber etwas anders aus als das, was die Piraten in ihrem Antrag formuliert haben. In Bonn haben Sie einen 24-stündigen Bereitschaftsdienst, der Telefongespräche annimmt und ggf. dann auch intervenieren kann – Wartezeit bis zu zwei Tagen. Das Problem, das sich hier darstellt, ist in der Tat, dass Sie mit den 110 000 Euro, die Sie eingestellt haben, einen ersten Schritt machen. Aber das wird dem – deswegen ist der Antrag vielleicht nicht so überflüssig, wie Herr Rissmann meint –, was inhaltlich gemeint ist, bei Weitem nicht gerecht, denn mit den 110 000 Euro schaffen Sie es gerade, einen Facharzt und eine Sekretärin einzustellen. Den können Sie aber nicht 24 Stunden im Dienst lassen, und den müssen Sie auch in Urlaub schicken. Also ist allein von daher schon das Konzept zu hinterfragen. Ich bin gespannt, wie Sie uns im Ausschuss erklären werden, wie das funktionieren soll. Über den Sinn müssen wir uns hier nicht unterhalten.
Ich habe allerdings auch Probleme mit dem Antrag der Piraten, denn die Begrifflichkeiten gehen da manchmal
durcheinander, weil da auch von Versorgung und Behandlung die Rede ist. Das ist strikt zu trennen. Sie brauchen eine Anlaufstelle. Ob die zentral sein muss – da habe ich meine Zweifel. Dezentral wäre viel besser, weil die Leute natürlich bei schwereren Verletzungen z. B. ja zunächst einmal ins Krankenhaus kommen, das Primat auf der medizinisch notwendigen Versorgung liegt und die Spurensicherung möglicherweise in den Hintergrund zu treten hat. Deswegen muss man über den dezentralen Aspekt natürlich auch diskutieren. Grundsätzlich ist die Idee in Ordnung, aber Behandlung und Therapie muss man davon trennen, denn eine zentrale Anlaufstelle für alle Gewaltopfer in Berlin zu schaffen inklusive Behandlung, ist einfach nicht machbar. Nach Ihren Zahlen, die Sie genannt haben, sind es 17 700 Fälle, mit denen man im Jahr rechnen muss. Das sind dann 48,5 Fälle pro Tag, zwei Fälle pro Stunde. Das werden Sie in einer zentralen Anlaufstelle bei Weitem nicht bewältigen können. Da ist der dezentrale Ansatz der einzig richtige. Aber über die Details können wir im Ausschuss gern diskutieren. – Danke!
Vielen Dank, Herr Dr. Albers! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die erste Lesung. Ich habe den Antrag vorab federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und an den Hauptausschuss überwiesen und darf hierzu Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Monteiro. – Bitte sehr.
Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Menschen in diesem Haus, aber auch außerhalb des Parlaments ist es ein persönliches Anliegen, die Welt, Deutschland, Berlin, die Arbeitswelt gerechter zu machen. Ich gehöre zu diesen Menschen, und zur Gerechtigkeit gehört für mich, dass Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Mit meiner Lebens- und Parlamentserfahrung weiß ich, dass eine Resolution „Für eine gerechtere Welt“ wenig bis gar nichts bewegt. Auch das Warten auf den SanktNimmerleins-Tag oder die Zeit nach den Bundestagswahlen hilft uns nicht. Es braucht viele kleine, aber ganz konkrete Schritte, die vorbereitet, diskutiert, beschlossen und am Ende auch gegangen werden müssen, Schritte, die einen Rahmen setzen, der unserer Gesellschaft nach oben und nach unten Grenzen vorgibt und zugleich Freiraum für Eigenverantwortung und das Handeln der Tarifpartner lässt.
Eine dieser notwendigen Grenzen nach unten ist ein Mindestlohn. Natürlich brauchen wir einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser ist besser und wirksamer als ein Landesmindestlohn. Aber ein Landesmindestlohn ist um vieles besser als gar kein Mindestlohn. Er ist eine freiwillige Selbstbindung des Landes Berlin, ein Zwischenschritt und zugleich eine Weichenstellung in einer Zeit, in der Tarifbindungen rückläufig sind.
Frau Breitenbach! Ihnen möchte ich zwei Dinge sagen: Bis vor zehn Tagen hätten Sie nicht gedacht, dass SPD und CDU heute so einen Gesetzesantrag einbringen werden. Und schon fangen Sie an zu mäkeln und geben uns helfende Hinweise.
Ich habe es gerade draußen beim RBB von Ihnen gehört. Da war ich dieselbe Person – Sie vielleicht nicht!
Zweitens: Es gibt keinerlei Erkenntnisse, dass ein Landesmindestlohngesetz negative Auswirkungen auf Tariftreue hätte. Mindestlohn und Tariflohn sind zwei Seiten einer Medaille, die wir aber nicht in einem einzigen Gesetz regeln wollen. Also verzichten Sie bitte einfach mal auf diese Unterstellungen heute, und vergessen Sie nicht unsere bereits getroffenen Regelungen zur Tariftreue im Berliner Ausschreibe- und Vergabegesetz!
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nehmen wir im Mindestlohnbereich Verantwortung dort wahr, wo wir es können, überall dort, wo wir, umgangssprachlich gesagt, unser Geld reinstecken.
Dazu komme ich gleich, kleinen Moment, nicht so ungeduldig! – Wir haben uns die Gesetzgebungsverfahren in Bremen und in Hamburg angeschaut und die dort gemachten Erfahrungen aufgegriffen.
Vielleicht lesen Sie es einfach mal selbst! Dann können Sie sich selbst korrigieren, die Chance möchte ich Ihnen gern einräumen. Unser Gesetz liegt vor. – Unser Gesetz sieht vor, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Berliner Verwaltung, der Landesunternehmen und der Berliner Beteiligungen mindestens einen Lohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde erhalten. Berlin ist immerhin an 56 Gesellschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie an 140 Tochterfirmen beteiligt.
Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass alle Empfänger von Zuwendungen den Mindestlohn zahlen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Leistungserbringer im Sozialrecht den Mindestlohn erhalten und dass die Menschen, die über einen Arbeitsvertrag in Beschäftigungsmaßnahmen wie Bürgerarbeit oder FAV – Förderung von Arbeitsverhältnissen – tätig sind, den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Es geht um einen Mindestlohn, um eine absolute Lohnuntergrenze, um nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Den Wettlauf mit anderen Mitbewerbern um den höchsten Mindestlohn werden und wollen wir nicht gewinnen. Wir orientieren uns – das ist die Stärke der SPDFraktion – am Machbaren. Die Höhe des Berliner Mindestlohns soll alle zwei Jahre vom Senat überprüft und bei veränderten wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen entsprechend angepasst werden. Damit folgen wir der Systematik des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes, bei dem ebenfalls der Senat über die Höhe des Mindestlohns entscheidet.
Aber wir gehen noch einen Schritt weiter, indem wir die Zweijahresfrist zur Überprüfung der Höhe des Mindestlohns zwingend vorsehen.
Nein, ich möchte jetzt zum Ende kommen, ich bin auch fast durch. – Das Landesmindestlohngesetz ist kein Allheilmittel. Es löst weder das Problem einer generellen tariflichen Entlohnung noch das Problem der Entlohnung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Da müssen wir, glaube ich, bundesweit herangehen. Wir werden die Probleme ebenfalls anpacken, aber lassen Sie uns zu
Ich bin glücklich, dass wir heute hier das Landesmindestlohngesetz in erster Lesung behandeln. Ich bedanke mich bei den Grünen und ganz besonders bei Frau Bangert für das Einbringen des Bremer Landesmindestlohngesetzentwurfs in Berlin und den Nachdruck, den dies ohne Zweifel erzeugt hat. Ich bedanke mich sehr bei der CDUFaktion für den großen Sprung über den sprichwörtlichen Schatten, was gewiss nicht leicht, aber immer ehrenvoll ist. Ich danke der SPD-Fraktion für die Unterstützung. Ich wünsche dem Landesmindestlohngesetz viele stolze Mütter und Väter,
Patentanten und -onkel, Menschen, die es gemeinsam auf die Welt bringen, kritisch begleiten, wachsen und gedeihen lassen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Monteiro! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bangert. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Monteiro hat es gerade gesagt: Bereits im März 2012 hat unsere Fraktion einen Antrag auf ein Landesmindestlohngesetz eingebracht. Über ein Jahr hat die Koalition die Beratung unseres Antrags durch diverse Vertagungen blockiert. Am vergangenen Donnerstag wurde unser Gesetzesantrag von der Koalition im Ausschuss für Arbeit, Integration und Frauen abgelehnt. Angesichts der verstrichenen Zeit ist dies ärgerlich, aber durch unsere Initiative haben wir die Koalition gezwungen, selbst ein Landesmindestlohngesetz vorzulegen. Unglaublich, aber wahr, sie bewegt sich, die große Koalition.
Leider aber gleicht Ihr Fortschritt einer Schnecke, dabei hatten Sie sich bereits im Koalitionsvertrag auf einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro bei den öffentlichen Auftragsvergaben geeinigt. Umso unverständlicher ist, dass sich die SPD über zwei Jahre quälen muss, um ihren Koalitionspartner davon zu überzeugen, dass Berlin ein Landesmindestlohngesetz braucht. Das zeugt nicht von einer erfolgreichen Zusammenarbeit, das zeugt von ge