Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kohlmeier! Wenn wir am Ende des Tages eine mit jährlich 1,2 Millionen Euro ausgestattete Opferschutzambulanz bekommen, bin ich auch später bereit zu behaupten, dass es eine Idee der Koalition war, weil es mir darum geht, dass wir das durchbekommen.
Der Punkt, wo wir uns anscheinend noch nicht einig sind, ist, mit welchen Mitteln man diese Ambulanz ausstattet. Haben wir quasi eine Opferschutzambulanz light, wo es nur einen Facharzt gibt, oder haben wir im Grunde genommen die Opferschutzambulanz, wo Sie 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche hingehen können, wo Sie mehrere Ärzte haben, wo Sie die Fachärzte haben, die auch herangezogen werden können? Wir müssen meiner Meinung nach ein bisschen aufpassen, dass wir, wenn wir das machen, was Sie mit den 110 000 Euro geplant haben, bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht den Eindruck erwecken, wir hätten eine ganz tolle Opferschutzambulanz. Wenn dann Leute, die anonym Spuren sichern lassen wollen, die Erfahrung machen müssen: Ich kann gerade nicht hingehen, weil es nach 18 Uhr ist, ich kann die Spuren nicht sichern lassen. – wie auch immer diese Light-Version, die Sie geplant haben, aussieht –, kann das dazu führen, dass diese Personen in ihrer traumatischen Situation noch mehr traumatisiert werden.
Schauen Sie sich die Zahlen von der Charité an! Da sagt man ganz klar, für zwei Personen in dieser Stelle benötige man 158 000 Euro. Wir haben nur 110 000 Euro in den Justizhaushalt eingestellt, aber die Kosten für 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche sind, wie gesagt, 1,2 Millionen Euro. Ich bin der Meinung – das können Sie teilen oder anderer Meinung sein –, dass es für uns als Politik sehr schwer wird zu argumentieren, warum man bei allen Projekten des Landes Berlin, bei allen Mehrausgaben, die wir bei Bauprojekten oder anderen Fehlplanungen teilweise haben, nicht 1,2 Millionen Euro im Jahr hat, um eine solche Sache einzurichten, die es im Land Berlin nicht gibt und die für die von solchen Straftaten Betroffenen eine deutliche Hebung der Lebensqualität wäre. Wenn wir in diesen Haushaltsverhandlungen die 1,2 Millionen Euro nicht lockermachen können, sind wir – auch die Opposition – unter einem Rechtfertigungsdruck.
Liebe Kollegen der Piratenfraktion! Wir wollen Ihnen keine Nachhilfe im Haushaltsrecht geben, aber eine Anmerkung sei erlaubt:
Wenn Sie 1,2 Millionen Euro für ein bestimmtes Projekt einstellen wollen, von dem in diesem Haus wohl alle überzeugt sind, dass wir es in Berlin brauchen, dann müsste nicht ein Antrag auf fünf Seiten in Textform geschrieben, sondern ein Antrag zur Änderung des Haushalts gestellt werden. Die Möglichkeit haben Sie offenbar, weil der Gesundheitsausschuss nächste Woche tagt. Der Rechtsausschuss tagt ebenfalls nächste Woche. Dann machen Sie doch einen Vorschlag zur Änderung des Haushalts, kapitel- und titelkonkret mit den entsprechenden Summen, und machen einen Gegenfinanzierungsvorschlag, dann kann man es als Anlass nehmen, darüber zu diskutieren! Aber mit einem fünfseitigen Textantrag
[Steffen Zillich (LINKE): So wie bei den Wohnungsbauanträgen der Koalition! – Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]
Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Frau Abgeordnete Kofbinger. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Erst einmal ist es doch ein bemerkenswerter Umstand, es ist Wahlkampf, und wir sind uns einig, darüber sollten wir uns jetzt einmal eine Runde freuen.
Jetzt geht es um ein wirklich wichtiges Thema, und ich möchte gerne ein Thema innerhalb dieses Themas aufgreifen. Ich möchte mich jetzt nicht in die Finanzdiskussion einmischen, ob es wirklich 1,2 Millionen Euro braucht oder ob die Anschubfinanzierung, so sehe ich das, mit 110 000 Euro jetzt nun ausreicht und noch einmal 110 000 Euro bei Gesundheit nötig sind – der Einstieg ist das Wichtige. Das ist auch das richtige Zeichen.
Mir geht es als Frauen- und Gleichstellungspolitikerin, als die ich heute hier zusammen mit den Rechts- und Innenpolitikern stehe und diese Rederunde bestreiten werde, im Wesentlichen darum, dass zwei Dinge geschehen müssen: Es muss diese anonyme Spurensicherung geben. Die gibt es in Berlin noch nicht. Das ist ein misslicher Umstand. Ich werde jetzt auch nicht anfangen wie
In der Tat ist es so, dass unter einer rot-grünen Regierung in Nordrhein-Westfalen 2011 dieses Projekt gestartet wurde, und zwar in Köln. Und da hat man eben sehr gute Erfahrungen gemacht.
[Beifall bei den GRÜNEN – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ich will jetzt nichts sagen, aber wir haben es erfunden!]
Und ich freue mich außerordentlich, dass ich heute den CDU-Justizsenator Heilmann loben kann, dass er sich das ganz offensichtlich angeschaut hat und ohne Vorbehalte parteipolitischer Natur dazu durchgerungen hat, dieses wunderbare Projekt jetzt mit nach Berlin zu nehmen. Deshalb sind wir auf seiner Seite. Ich glaube, es gibt auch – ich gucke jetzt mal kurz zu meinem Gesundheitspolitiker – nichts gegen diese 110 000 Euro im Haushalt einzuwenden. So ist das, da freue ich mich.
Aber noch einmal zurück zur anonymen Spurensicherung. Wir wissen, dass die Vergehen, Verbrechen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den allerseltensten Fällen verurteilt werden. Das ist der missliche Umstand, mit dem wir hier auch umgehen. Denn letzten Endes soll eine solche anonyme Spurensicherung gerichtsfestes Material sichern, und wenn sich das Opfer innerhalb einer gewissen Frist, es sind zehn Jahre, irgendwann einmal zu einer Anzeige entscheiden sollte, diese herbeigezogen werden können. Das ist das, was im Kern dahintersteckt. Deshalb ist der Umstand, dass wir eine anonyme Spurensicherung jetzt in Berlin haben werden, schon einmal gut. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern hinken wir hinterher, aber wir werden uns jetzt auf diesen Weg begeben. Wir haben eine grottenschlechte Verurteilungsquote z. B. was die Straftat Vergewaltigung angeht, ca. 700 Vergewaltigungen werden jedes Jahr angezeigt. Ein Bruchteil kommt überhaupt nur zum Prozess. Verurteilungen in dem Bereich sind es unter 20 im Jahr. Das kann nicht sein. Wir gehen bei der Straftat Vergewaltigung davon aus, dass nicht 700 Vergewaltigungen in Berlin pro Jahr passieren, sondern 10-, 12- oder 15-mal mehr.
Dann kommen wir auch zu den Beratungsstellen. Da sieht es ähnlich aus. Da sehen wir, dass LARA – das ist die Beratungsstelle für vergewaltigte Frauen und Mädchen – ungefähr 650 Beratungen im Jahr durchführt, und in 6 Prozent der Fälle, also ungefähr 40, gibt es eine Anzeige. – Und warum ist das so? Warum führen 600 Beratungen in diesem Bereich nicht zu einer Anzeige? – Das ist ganz einfach. Die Zeugenaussage dieser Zeugin ist das schwächste Glied in der Kette, das sagt Ihnen auch jeder Strafverteidiger oder jede Strafverteidigerin: Da kriege ich meinen Mandanten aber frei. – Ohne Spurensicherung
wird es nicht zu mehr Verurteilungen kommen. Das können wir uns gesellschaftspolitisch nicht leisten. Das sind schwere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, und die müssen wir mit aller Härte verfolgen. Wir müssen sie auch ahnden. Und jeder Baustein, der dazu beiträgt, dass es zu einer besseren Aufklärung von Straftaten kommt, dass es zu einer größeren Verurteilungsquote der Täter kommt, ist hilfreich und wird gerne genommen, auch von meiner Fraktion. Deshalb, glaube ich, dass wir da noch zusammenkommen werden.
Noch kurz zum Antrag der Piraten, auch wenn er lang ist: Es gibt nichts gegen eine Gewaltschutzambulanz einzuwenden. Das ist eine alte Idee, das so zu machen. Gerade die beratenden Projekte sind sehr damit einverstanden. Ob die aber 1,2 Millionen Euro kosten muss, das würde ich gerne mit Ihnen in den Fachausschüssen beraten, weil Sie hier doch eine sehr lange Liste von Fachärztinnen und Fachärzten, die zur Verfügung stehen müssen, aufgelistet haben. Ich möchte Ihnen ans Herz legen, sich das sehr gute NRW-Projekt anzugucken. Ich habe hier einen Flyer dabei, den gebe ich gleich Herrn Heilmann, falls er den noch nicht kennt, sonst kriegt ihn der Pirat. – Man kann das auch alles ganz normal in Krankenhäusern durchführen. Das wurde z. B. –
Und damit komme ich auch zum Ende. – das wurde z. B. in Bonn und Umgebung an zwölf verschiedenen Stellen gemacht. Ich glaube, das wäre ein Weg, den wir auch gemeinsam beschreiten können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema!
Vielen Dank, Frau Kofbinger! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Rissmann. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was Frau Kollegin Kofbinger zu viel geredet hat, kann ich weniger reden, weil ich nämlich feststellen kann, dass wir uns in der Sache offenbar alle einig sind und meine drei Vorredner das Projekt oder die Einrichtung einer Opfer-/Gewaltschutzambulanz ausreichend beschrieben haben. Also muss ich das auch nicht mehr tun.
So bleibt es, dass ich festhalten kann, dass der Antrag der Piraten überflüssig ist, weil die Justizverwaltung dieses
Projekt bereits – und das sage ich Ihnen jetzt einmal – im Doppelhaushalt in Kapitel 0600, Titel 684 06, Seite 22 oben in Band 5, Einzelplan 06 des Haushaltsplanentwurfs mit 110 000 Euro etatisiert hat unter dem Stichwort „Zuwendung an die Charité, Opferschutzambulanz (neu)“. Hätten Sie den Haushaltsplan gelesen, hätten wir uns diese Rederunde sparen können.
Da Sie jetzt behaupten, es gehe Ihnen darum, dass Sie mehr als 110 000 Euro haben wollen, wäre es richtig gewesen, wenn Sie nächsten Mittwoch im Rechtsausschuss einen Änderungsantrag gestellt hätten, statt 110 000 Euro 200 000 Euro, 1 Million, 10 Milliarden oder was auch immer anzusetzen, jedenfalls ist diese Rederunde überflüssig.
Wir sind für die Einrichtung einer Opferschutzambulanz und werden deshalb im Rechtsausschuss den Haushaltsplanentwurf auch an dieser Stelle unterstützen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Rissmann! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Rissmann! Dann hat das ja doch nicht so gut funktioniert, wie wir das eben noch am Rande des Plenums, wie es so schön heißt, besprochen haben. Ich finde es erst einmal sehr charmant, dass Sie hier sagen, Anträge seien überflüssig. Das weise ich hier an der Stelle zurück. Ich finde, Sie haben das nicht zu kommentieren, wenn hier eine Fraktion von ihrem Recht Gebrauch macht, Anträge zu stellen.
Zweitens zielen Sie darauf ab, dass wir einen Änderungsantrag stellen könnten. Ja, wir können natürlich einen Änderungsantrag stellen,
aber die Sache an der Geschichte ist doch auch, dass wir hier die Priorität an dieser Stelle nutzen, um im Rahmen der Öffentlichkeit, die eine solche Plenarsitzung hat, auf dieses Anliegen aufmerksam zu machen.
Das könnte Ihnen, wenn Sie sagen, dass das eine tolle Idee ist, ja recht sein, dass die Berlinerinnen und Berliner
Dann kommen wir noch genau dazu, dass Sie sagen, diese Opferschutzambulanz sei schon eingestellt. Ich habe Sie vorhin schon einmal auf Berechnungen der Charité hingewiesen, dass eine Fachärztin und eine Sekretärin an dieser Stelle 158 000 Euro im Jahr kosten würden. Das heißt, im aktuellen Haushaltsplan wird es so sein, dass eben nur diese Facharztstelle knapp finanziert ist und Sie dann die Person, die für einen Teil der Arbeit, damit das dort funktionieren kann, auch eingestellt werden müsste, nicht eingestellt werden kann. Dann passiert genau das, was ich vorhin schon erwähnt hatte, dann wird gesagt, Berlin hat eine Opferschutzambulanz, eine Gewaltschutzambulanz für die Betroffenen von Sexualstraftaten, und wir haben gar keine. Das ist dann ein Etikettenschwindel. Das können wir ja gerne bei Bauprojekten und sonst wo machen, aber bei dem Thema fände ich doch ein bisschen schade, um mal ganz vorsichtig zu sein.
Was Ihre Einlassungen angeht, von wegen, hätten Sie den Haushaltplan gelesen, dann – –, aber Sie haben ja ein paar Senatoren im Senat. Das ist doch eine gute Einstellung. Dann sollen die das demnächst einfach immer sagen, wenn es hier um Anträge und sonst irgendwas geht: Hätten Sie den Haushaltsplan gelesen, hätten Sie den Antrag nicht stellen müssen. – Dann können wir uns eine Reihe von Debatten in diesem Haus sparen und alle zwei Jahre einmal Plenum machen. Das kommt ja diesem Gedanken des Halbtagsparlaments auch entgegen. Sie haben eine Mehrheit in diesem Haus. Das können Sie ja gern irgendwie verändern. – Aber noch mal zur Sache: Mit dem Geld, das Sie in den Haushaltsplan eingestellt haben, wird es nicht funktionieren, insbesondere nicht 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche. Ich glaube – das sagen CDU-Innenpolitiker ja auch ganz gerne –: Das Verbrechen schläft nicht.