Protocol of the Session on May 30, 2013

Gleiches gilt in Sachen Sprachlerntagebuch, das vielleicht einen nicht ganz zutreffenden Namen hat. Es ist eigentlich eher eine Dokumentation des kindlichen Entwicklungsverlaufes auf sehr persönlichem Niveau und gibt Einblicke in das Familienleben und auch in Probleme und Gewohnheiten. Frau Burkert-Eulitz hat es beschrieben. Sprachlerntagebuch ist hier vielleicht nicht der ganz zutreffende Begriff.

Eine verpflichtende Weitergabe würde das Sprachlerntagebuch in Inhalt und Form auf jeden Fall verändern. Dann wäre es nicht mehr dasselbe. Außerdem fallen die Bücher je nach Zeitressource der jeweiligen Erzieherin bzw. des jeweiligen Erziehers in der Ausführung sehr unterschiedlich aus. Also ist das Sprachlerntagebuch kein geeignetes Instrument zur Informationsweitergabe. Es gehört dem Kind und der Familie, und es soll weiterhin in deren Ermessen liegen, ob und in welchem Umfang es an die Schule gegeben wird. Es ist mehr als unzulässig, Eltern mangelnden Kooperationswillen zu unterstellen, wenn sie das Buch behalten möchten, zumal die Freiwilligkeit der Weitergabe immer ausdrücklich zugesichert wurde.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) und Martin Delius (PIRATEN)]

So sieht es ja auch der Berliner Datenschutzbeauftragte.

Anstatt also Wege zur Umgehung des Datenschutzes zu erfinden, investieren Sie lieber mehr in Entwicklung, Sicherung und Ausbau der Strukturen und in die Zusammenarbeit zwischen Kitas und Grundschulen, damit die Grundschulen bereits vor Schuleintritt Eltern und Kinder kennenlernen können und frühzeitig Vertrauen aufgebaut werden kann! Dann klappt es sicher auch ohne Verpflichtung mit der Weitergabe von Informationen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) und Martin Delius (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Für eine Kurzintervention hat jetzt der Herr Kollege Oberg das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Kollegin Möller! Sie haben viele richtige Dinge gesagt, und einen zentralen Satz möchte ich gern unterstreichen. Der lautet: Es geht um gute Übergänge. – Ja, das ist richtig. Wir müssen, wenn wir uns die aktuelle Situation anschauen, aber selbstkritisch einräumen, dass das mit den guten Übergängen bislang nicht optimal klappt. Also

müssen wir die Frage beantworten, was besser zu machen ist.

Sie haben ja recht, dass Einladungen auszusprechen sind und dass die Erziehungspartnerschaft zu pflegen ist. Aber was ist unsere Antwort auf nicht angenommene Einladungen? Was machen wir mit den Kindern – und um die geht es; es geht nicht um die Eltern, sondern um die Kinder –, bei denen die Eltern diese Einladung einfach nicht annehmen? – Die kümmern sich nicht, und dann sorgen sie dafür, dass ganz zentrale Informationen, die in der Kita bereits gesammelt wurden und die enorm wichtig sind, um das Kind zu fördern, verloren gehen. Ich glaube, wir können uns das nicht anschauen und sagen: Das ist dann halt so. Wir müssen noch eine Einladung mehr aussprechen – und noch eine. – Ja, es ist richtig. Wir brauchen immer und immer wieder Einladungen. Wir brauchen aber endlich auch eine Antwort darauf, was passiert, wenn diese Einladung nicht angenommen wird. Deshalb ist es sehr richtig, dass die Erkenntnisse, die die Erzieherinnen und Erzieher im Sprachlerntagebuch dokumentieren, an die Schule weitergegeben werden.

Frau Burkert-Eulitz hat vorhin gesagt, viele Eltern wünschten sich, dass ihre Kinder als unbeschriebenes Blatt an die Schule weitergehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind aber keine unbeschriebenen Blätter, sondern es sind Kinder, die eine Sprachentwicklung hinter sich haben, die genau dokumentiert ist. Es wurde ein Erkenntnisschatz angesammelt. Der soll dann einfach in die Spree geworfen werden, wenn die Eltern keine Lust haben, ihn weiterzugeben? – Das kann nicht die richtige Antwort sein. Deshalb möchten wir, dass das, was die Erzieherinnen und Erzieher in vielen Stunden Arbeit an Erkenntnissen gesammelt haben, an Ansatzpunkten, um Kinder zu fördern, weitergegeben wird. Das Ziel ist doch klar: Jedes Kind soll so gut Deutsch können, dass es der Schule folgen kann. Jedes Kind soll eine faire Chance auf Bildung haben. Darum geht es. Das soll hier erreicht werden. Deshalb muss ein Weg gefunden werden, wie die Erkenntnisse aus dem Sprachlerntagebuch rechtssicher an die Schule weitergeben werden können.

Nun haben Sie recht, dass in dem Sprachlerntagebuch eine ganze Menge persönlicher Sachen stehen. Dann lassen Sie uns im Ausschuss darüber diskutieren, wie in geeigneter Form die zentralen Erkenntnisse der Sprachentwicklung und des Spracherwerbs aus diesem Sprachlerntagebuch herausdestilliert werden können, um sie an die Schule weiterzugeben. Diese Sachen nicht weiterzugeben, kann keine Option sein. Sich darauf zu verlassen, dass die Eltern es tun, das können wir gerade in den Fällen, in denen die Kinder ganz besonders unsere Unterstützung brauchen, leider nicht tun. Deshalb: Denken Sie an die Kinder, denken Sie daran, dass diese Kinder jede Förderung verdienen und dass man die gute Arbeit der Kita bitte nicht einfach in die Spree werfen sollte, nur weil die Eltern keine Lust haben, diese Informationen

weiterzugeben! Unsere Kinder brauchen eine Chance und sind sicher keine unbeschriebenen Blätter. – Danke!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Frau Möller!

Herr Oberg! Das ist echt eine Unterstellung, dass die Eltern keine Lust haben, wichtige Informationen für die Förderung ihrer Kinder weiterzugeben.

[Lars Oberg (SPD): Es gibt solche Eltern!]

Alle Menschen, die ich aus meinem persönlichen Umfeld kenne, haben das Sprachlerntagebuch bei sich behalten. Auf diese Art konnte ich das auch nur angucken, denn in den Kitas wird es nicht gezeigt, weil es solche gesicherten Daten sind.

[Lars Oberg (SPD): Das ist doch Quatsch!]

Doch, wird es nicht! Ich weiß nicht, wann Sie zuletzt eine Kita besucht haben!

[Lars Oberg (SPD): Vor weniger als zwölf Stunden!]

Lassen Sie sich einmal ein Sprachlerntagebuch zeigen! Das wird Ihnen aus Datenschutzgründen nicht gegeben. Und das ist auch richtig so. Ich finde, das muss berücksichtigt werden. Es ist eine Unterstellung, dass Eltern keine Lust haben, ihre Kinder zu fördern.

Es hat noch in keinem Bereich, wenn es um Pädagogik geht, wenn es um ein soziales Miteinander geht, um Gemeinwesenarbeit, noch nie haben Sanktionen zu irgendetwas geführt. Man muss zu den Menschen hingehen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es gibt keinen einfachen Weg.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Aufsuchende Sozialarbeit! Noch nie gehört?]

Ich weiß auch, dass es viele Eltern gibt, die der Einladung nicht folgen. Dann muss man eben hingehen. Wir bauen ja in dieser Stadt am Netzwerk Kinderschutz und dergleichen mehr. Es werden Familienzentren gebaut. Warum machen Sie das denn, das sind doch Ihre eigenen Initiativen? – Um Menschen früher zu erreichen – über Familienhebammen etc. Es werden richtige Wege gegangen und jetzt kommen Sie hier mit so einer restriktiven Lösung. Das verstehe ich überhaupt nicht!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Für eine zweite Kurzintervention hat Frau Kollegin Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich kann die Ausführungen der Kollegin Möller nur unterstreichen. Was Sie hier machen, ist: Sie machen das Sprachlerntagebuch mit ihrem Antrag, so, wie es eingeführt ist, wie es funktioniert, kaputt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Lars Oberg (SPD): Quatsch!]

Das kann ich Ihnen erklären. Es handelt sich um einen privaten Betreuungsvertrag der Eltern mit der Kita. Was Sorgerecht ist, sollten Sie eigentlich wissen. Die Eltern geben in der Kita nur preis, was sie möchten. Wenn die nicht wollen, dass überhaupt ein Sprachlerntagebuch geführt wird, gibt es überhaupt kein Sprachlerntagebuch. Es gibt keine Kitaakte wie bei einer Behörde Schule, die irgendwie geführt wird. Kita funktioniert nur auf freiwilliger Basis. Was Sie machen, ist, eine aus einer obrigkeitsstaatlichen Entwicklung stammende Konnotation auf ein freiwilliges Instrumentarium wie Kita zu übertragen.

[Lars Oberg (SPD): Das ist doch Quatsch!]

Eine Kita ist eine freiwillige Einrichtung und nichts, was vom Staat angeordnet wird.

[Lars Oberg (SPD): Sie soll auf Frau Möller reagieren, nicht auf mich!]

Wenn Sie eine Kitapflicht wollen, müssen wir an einer anderen Stelle darüber sprechen. Aber, ich als Elternteil entscheide, was in diesem Sprachlerntagebuch steht.

Frau Kollegin! Sie gehen bitte auf die Kollegin Möller ein!

[Zurufe von der LINKEN]

Wenn Sie daherkommen und sagen, das ist nicht in Ordnung, dann werden die Eltern nicht darauf eingehen. Dann wird das Sprachlerntagebuch, so, wie es eingeführt ist, wie es gut funktioniert, kaputt gemacht. Und, wie Frau Möller Ihnen auch dargestellt hat, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kita aufgehoben wird, das werden Sie damit erreichen. Nichts anderes wird auch die Senatsverwaltung, die das prüft, sagen. Der Datenschutz geht vor, und das Sorgerecht liegt bei den Eltern. Die entscheiden darüber, was im Sprachlerntagebuch steht und was nicht. Die werden auch weiterhin darüber entscheiden, was an die Schulen geht und was nicht. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Frau Kollegin Möller! Möchten Sie den Ausführungen von Frau Burkert-Eulitz etwas entgegensetzen? – Das ist nicht der Fall.

[Zurufe von der SPD]

Dann kommen wir jetzt zum Kollegen Delius.

[Zurufe von der SPD und den GRÜNEN]

Wenn sich die Herren wieder beruhigt haben, kann jetzt der Kollege Delius fortsetzen. – Bitte schön, Herr Kollege Delius, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden über zwei Anträge, die im Prinzip eines gemeinsam haben: die Silbe „Sprach“ im Titel. Die Koalition möchte 2 500 Euro von jeder Familie kassieren, die aus welchem Grund auch immer, ihr Kind nicht zur verpflichtenden Sprachstandsfeststellung schickt. Das ist eine ordnungspolitische Maßnahme, die nichts mit Sprachförderung zu tun hat. Ich glaube, es lohnt sich, das hier einmal festzustellen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Idee ist auch nicht neu. Auch Ihr Exsenator Zöllner hat das 2010 bei der Einführung der Sprachstandsfeststellung schon vorgeschlagen, wollte damals 500 Euro kassieren. Daraus ist dann nichts geworden. Ich gehe davon aus, dass in der damaligen Koalition Diskussionen darüber geführt worden sind. Die Logik, ein Bußgeld führe dazu, dass Kinder zur Sprachstandsfeststellung geschickt werden, erschließt sich mir darüber hinaus nicht. Frau Möller hat auch schon ausgeführt, dass es andere Möglichkeiten gibt, beziehungsweise Zwang nicht funktioniert.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Ist aber die Praxis der Schulämter!]

Niemand hat bisher umfänglich untersucht, weshalb Kinder nicht zur Sprachstandsfeststellung geschickt werden, was genau in welcher Bevölkerungsgruppe, in welchem sozialen Zusammenhang und Umfeld die Gründe sind, weshalb das nicht passiert.

In der Vergangenheit hat sich gerade im Bereich Schule gezeigt: Mehr Zwang führt nicht zur Verbesserung der Situation. Das kann man auch so festhalten. Die Koalition glaubt offenbar, dass die vorhandenen Sanktionen nicht ausreichen. Das kann man verstehen, auch wenn man sieht, dass der Senat schon per Antwort auf eine Kleine Anfrage bekanntgegeben hat, dass er in der Richtung etwas tun möchte.