Protocol of the Session on May 30, 2013

In der Vergangenheit hat sich gerade im Bereich Schule gezeigt: Mehr Zwang führt nicht zur Verbesserung der Situation. Das kann man auch so festhalten. Die Koalition glaubt offenbar, dass die vorhandenen Sanktionen nicht ausreichen. Das kann man verstehen, auch wenn man sieht, dass der Senat schon per Antwort auf eine Kleine Anfrage bekanntgegeben hat, dass er in der Richtung etwas tun möchte.

Wir wollen, dass den Eltern und Kindern mehr Anreize gesetzt werden, notwendige und sinnvolle Maßnahmen von sich aus zu unterstützen. Statt noch einmal nachzutreten, sollte der Senat stärker darauf setzen, solche Maßnahmen zu begründen, und um Verständnis werben. So kann eine staatliche Sprachförderung überhaupt erst erfolgreich sein. Ein empfindliches Bußgeld, das auf den Ordnungsämtern mehr Arbeit macht, als es Erfolg erbringen kann, lehnen wir ab.

Zum Sprachlerntagebuch: Die Koalition fordert hier etwas vom Senat, was der längst ausdiskutiert hat, so zumindest meine letzte Information. Es wird so getan, als müsse man den Senat erst auffordern, sinnvolle Regelungen zu schaffen, um den Übergang von Kita zur Schule, was das Sprachlerntagebuch angeht, zu ermöglichen. Wenn man ein, zwei Blicke in das Berliner Datenschutzgesetz wirft, ergeben sich daraus Bedingungen für die rechtssichere Weitergabe, die ich Ihnen kurz zitieren möchte. Zum einen:

Die Eltern sind bereits bei Eintritt des Kindes in die Kita darüber zu informieren, dass sie die Einwilligung verweigern bzw. widerrufen können.

Das ist § 6 Abs. 3 Satz 3 Berliner Datenschutzgesetz. – Zweitens:

Die Einwilligung bedarf der Schriftform.

Das ist § 6 Abs. 4 Satz 1 Berliner Datenschutzgesetz. – Drittens:

Soll die schriftliche Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werden, muss bei der Gestaltung auf die Einwilligung besonders hingewiesen werden.

Das ist § 6 Abs. 4 Satz 2 Berliner Datenschutzgesetz.

Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass im Falle der Verweigerung

das ist ein ganz wichtiger Punkt! –

die Androhung von Nachteilen besteht.

Wir dürfen also nicht den Eindruck erwecken, als würden Eltern Nachteile dadurch entstehen, dass sie Sprachlerntagebücher lieber bei sich behalten und nicht der Schule weitergeben. Das steht im Berliner Datenschutzgesetz in § 6 Abs. 5 Satz 2 dieses Gesetzes.

Die Maßnahmen lösen die Rechtssicherheit, so wie ich gerade vorgelesen habe, aber nicht das Problem ungleicher schulischer Verhältnisse. Auch ein anderes Problem geht der Antrag der Koalition nicht an, und zwar die Frage, was genau sollten Lehrerinnen und Lehrer eigentlich mit dem Tagebuch machen. Wofür ist es da im Unterricht? Wie wird es genutzt? Wem wird es vorgestellt? Wird es in der Klasse diskutiert? Wird es für die individuelle Förderung im Zwiegespräch genutzt? Wird der Unterrichtsplan individuell angepasst? Und so weiter und so fort. Wie soll das Tagebuch in den Unterricht ein

gebunden werden? Welche Erhebungen sind eigentlich wirklich pädagogisch interessant für den Unterricht? Das ist auch eine Frage, die nicht gestellt wird. Allein um sicherzustellen, dass Kindern kein Nachteil in der Schule entsteht, wenn Eltern die Weitergabe verweigern, müssten diese Fragen beantwortet und dem Gesetz Rechnungen getragen werden. Gleichzeitig ist es so, dass jedes Sprachlerntagebuch nicht nur die persönliche Entwicklung des Kindes und der Familie abzeichnet, sondern auch auf die persönliche Einsicht und Ansichten der Erzieherinnen eingeht. Das ist eine Dialogform, die dort beschrieben wird. Damit muss umgegangen werden können, da müssen Lehrerinnen und Lehrer überhaupt erst mal lernen, damit umzugehen, wenn man das weitergeben will. Es gibt sicherlich sinnvollere Maßnahmen, eine Sprachstandsentwicklung im Übergang von Kita zur Schule abzuzeichnen, zu dokumentieren und zu ermöglichen als das Sprachlerntagebuch einfach so weiterzugeben.

Das ist die abschließende Frage: Was brauchen die Lehrkräfte eigentlich wirklich an Informationen, und wie muss die Sprachförderung in der Kita und in der Schule ablaufen? Diese Fragen beantworten Sie mit Ihrem Antrag nicht. Das Interesse haben Sie auch gar nicht. Ihnen geht es darum, möglichst schnell irgendetwas zu tun, was so aussieht und, wie gesagt, mit der Silbe „Sprach-„ beginnt. Alles andere kann ich hier nicht sehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Für eine Kurzintervention hat der Kollege Schlede das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Delius! Ich habe mir mal ein solches Sprachlerntagebuch, es umfasst knapp 100 Seiten mit Anlagen, zu Gemüte geführt, mal ein bisschen im Inhalt geblättert – und von wegen, die Eltern füllen das aus, mitnichten!

[Martin Delius (PIRATEN): Habe ich nicht gesagt!]

Das wird – das bezieht sich auf Frau Burkert-Eulitz, die hat so etwas erwähnt – in der Kita begleitet und entfaltet die sprachliche Entwicklung des Kindes.

Jetzt kommen Sie mir mit Datenschutzgründen, und auf der anderen Seite sagen Sie, es ist doch außerordentlich wichtig, dass die sprachliche Entwicklung gefördert wird. Wer kann sie denn besser fördern als derjenige, der zu Beginn der Grundschulzeit die Information aus der Kita hat, wie jedes einzelne Kind sich über dieses Sprachlerntagebuch – da geht es überhaupt nicht um familiäre Situationen oder Ähnliches – entwickelt hat, was es kann bei

spielsweise. Das steht hier sehr deutlich drin, worauf ein Lehrer sofort aufbauen kann, was Satzbildung angeht beispielsweise, was Benennung von Gegenständen angeht beispielsweise, was Situationen angeht, wie weit es in der Lage ist, so etwas zu schildern oder ob es sprachlos bleibt. Was kann denn ein Lehrer Besseres haben als diese Information zur Förderung des Kindes von vornherein? Herr Delius, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ein Lehrer – Entschuldigen Sie, seien Sie mir nicht böse – so blöd ist, ein solches individuelles Sprachlerntagebuch mit den Kindern zu diskutieren coram publico. Nein, aber er ist in der Lage, mit den notwendigen Informationen ausgestattet, was wir fordern von unseren Lehrern, eine individuelle Förderung der einzelnen Schüler zu planen. Warum will ich ihm denn diese Information vorenthalten, welche – Sie haben ja gesagt, was sozusagen im Datenschutz festgehalten ist – –

Kleinen Moment, Herr Schlede, ich muss mal kurz unterbrechen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, doch da diese Spontanversammlungen jetzt mal wieder aufzulösen, Platz zu nehmen oder rauszugehen! Das gilt für alle.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist eine solche Missachtung des Parlaments!]

Wir warten einen Moment, wir kriegen das hin. Herr Kreins, bitte schön! Frau Lange! Entweder hinsetzen oder rausgehen! – Setzen Sie fort!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Stattdessen sozusagen den Übergang begleitungslos zu gestalten, wo ich bereits Informationen zu verwertbaren Ergebnissen für die Grundschule habe, und dann zu ersetzen durch ein sogenanntes – schöner Begriff – Übergangsmanagement: Wir haben doch bereits detaillierte Auskünfte, auf die jeder fachlich pädagogisch Geschulte eingehen kann, die er entsprechend qualifiziert in den Unterricht zur Vorbereitung und für die Gestaltung des Unterrichts einbringen kann. Von daher ist es mir völlig unerfindlich, dass diese Hürde hier aufgebaut wird. Und die sollten wir tatsächlich im Sinne der betroffenen Schülerinnen und Schüler und eines funktionierenden und effektiven Anfangs in der Schule abbauen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Wiederum hat der Kollege Delius das Wort – bitte schön!

Herr Schlede! – Vielen Dank an den Präsidenten, der offensichtlich sehr kulant war bei der Regelung, dass Sie sich auf mich beziehen müssen. – Ich habe nur aufgezählt, was die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Weitergabe eines solchen Dokumentes sind und habe in Zweifel gezogen, dass genau dieses Dokument dafür geeignet ist, in der Schule direkt eingesetzt zu werden. Sie haben da das Blankoformat dieses Sprachlerntagebuchs in der Hand gehabt. Machen Sie sich mal den Spaß, fragen Sie mal Bekannte, die gerade jetzt Kinder haben, Ihre Kinder wahrscheinlich,

[Lars Oberg (SPD): Urenkel!]

gucken Sie sich das mal an, und gucken Sie mal verschiedene Sprachlerntagebücher an, wie unterschiedlich das ist, was dort drin steht! Das ist nicht so einfach. Ich halte die meisten Grundschullehrer, die ich kenne, grundsätzlich sowieso alle Grundschullehrerinnen und auch alle anderen Lehrer für in der Lage, so was zu interpretieren. Das ist aber sehr viel Arbeit, und es ist nicht üblicherweise das sinnvollste Mittel. Jetzt sich darauf zu kaprizieren, dass man alle Probleme beim Übergang von der Kita in die Schule, was den Sprachstand angeht, löst, indem man dieses Buch weitergibt, ist schlicht falsch. Das ist nicht belegbar. Zum anderen, ich weiß, bei Ihnen ist es nicht so, aber Herr Oberg wird es Ihnen bestätigen können: Ein Großteil dieses Buchs wird auch von Eltern ausgefüllt.

[Lars Oberg (SPD): Nein!]

Nicht an allen Kitas, das ist richtig. Vielleicht haben Sie eine Kita, bei der das nicht so ist. Aber ich habe letzte Woche eine Kita besucht, bei der das auch so ist. Die machen das mit Absicht, weil es sich wie gesagt um ein Zusammenspiel zwischen Eltern, Erzieherinnen und Kindern handelt.

Was ich Ihnen noch sagen will: Wir sind ja dafür, dass die sinnvollen Informationen weitergegeben werden.

[Dr. Ina Czyborra (SPD): Na also!]

Es betrifft auch nicht nur den letzten Teil, von dem immer geredet wird, wenn man sagt, das ist datenschutzrechtlich weniger bedenklich, denn den halte ich für pädagogisch völlig irrelevant. Da steht drin, was die Kinder irgendwann mal selbständig gemacht haben. Das hat mit dem aktuellen Stand und mit einer wirklichen Entwicklungsbeschreibung nicht viel zu tun. Es ist diese Tabelle, die Sie da sich angucken können. Den Rest muss man vernünftig aufarbeiten. Darüber müssen wir uns unterhalten. Nichts anderes habe ich gesagt. So zu tun, noch mal, dass das Sprachlerntagebuch einfach nur weitergegeben werden muss, im Notfall mit Zwang, und dann wird alles gut, und die Lehrer können dann darauf eingehen, ist nicht richtig. Das ist falsch. Das bietet Gefahren, was die individuelle Entwicklung auch im Zusammenspiel mit

der Familie der Kinder angeht, auf die ich nicht eingehen möchte. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags und des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Einvernehmlich ist im Ältestenrat darum gebeten worden, dass für die Beratung des Gesetzesantrags im Bildungsausschuss auch der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zugeladen wird.

Ich komme zur

lfd. Nr. 8:

Nachwahl eines stellvertretenden Mitglieds des Untersuchungsausschusses BER

Drucksache 17/0544 (bereits verteilt)

Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Zur Wahl wird von der SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Sven Heinemann anstelle von Frau Abgeordneter Ellen Haußdörfer vorgeschlagen. Wer Herrn Heinemann zum stellvertretenden Mitglied des Untersuchungsausschusses BER wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind alle Fraktionen, auch der fraktionslose Kollege. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist Sven Heinemann gewählt. – Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege!

[Beifall]

Der Tagesordnungspunkt 9 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich komme zur