Protocol of the Session on May 16, 2013

Weitere Nachfragen haben wir nicht.

Wir kommen nunmehr zur Frage Nr. 7 des Kollegen Stephan Lenz von der CDU-Fraktion über

Verfassungstreue von Milli Görüs?

Bitte schön, Herr Kollege!

Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die Verfassungstreue von Milli Görüs in Berlin?

2. Erhält Milli Görüs Zuwendungen seitens des Senats oder aus anderen öffentlichen „Kassen“?

Herr Senator Henkel – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Lenz! Bei der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs handelt es sich um eine Organisation, die in ihrer ideologischen Ausrichtung auch Ziele verfolgt, die mit der freiheitlichdemokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Die islamistische Ausrichtung der IG MG geht auf das politische Konzept von Erbakan zurück, dass dieser 1973 in dem gleichnamigen Buch „Milli Görüs“ – übersetzt „Nationale Sicht“ veröffentlichte. Erbakans Ziel war es, die türkischen Bürger unter dem Dach von Nationalismus und Islamismus zu einen und in der Türkei einen islamistischen Staat zu errichten. Als politisches und gesellschaftspolitisches Ordnungsmodell propagierte er eine gerechte Ordnung, in der die Scharia gilt und sich das politische Handeln an den Prinzipien von Koran und Suna orientiert. Erbakan lehnte wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien wie Volkssouveränität und Parteienpluralismus als unvereinbar mit der sogenannten, aus seiner Sicht gerechten Ordnung ab. Er forderte einen Systemwechsel nicht nur in der Türkei, sondern in der gesamten Welt.

In ihren offiziellen Verlautbarungen präsentiert sich die IG MG als eine auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung stehende Organisation, die sich für den Dialog zwischen türkischen Muslimen und der deutschen Gesellschaft einsetzt. Auch der Berliner Landesverband, dessen Vorstand von der IG-MG

(Bürgermeister Frank Henkel)

Zentrale ernannt wird, zeigt durch Teilnahme an zahlreichen sozialen Projekten Dialogbereitschaft.

Zur zweiten Frage: Der Senat geht davon aus, dass die IG MG – zumal als eine in den Jahresberichten aller Verfassungsschutzbehörden erwähnte Organisation – nicht direkt mit öffentlichen Mitteln begünstigt wird. Allerdings zählt die Organisation diverse Einrichtungen zu ihrem Einflussbereich und beteiligt sich, wie schon erwähnt, an zahlreichen Projekten, die möglicherweise auch aus öffentlicher Hand gefördert werden. Aus diesem Grund kann eine Partizipation an diesen Fördermaßnahmen, jedenfalls heute und von mir an dieser Stelle nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Vielen Dank! – Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege Lenz? – Nein. – Dann der Kollege Taş bitte!

Danke, Herr Präsident! – Herr Henkel! Danke für die Ausführungen! Sind Ihnen eventuell Kontakte der CDU zur Berliner Milli Görüs bekannt? Ist Ihnen bekannt, dass der ehemalige Pressesprecher bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen, Herr Erkan Taşkiran, von der CDU aufgestellt worden ist?

Bitte schön, Herr Senator Henkel!

Dass der von Ihnen Benannte kandidiert hat, ist mir wohlbekannt. Inwieweit es Bezüge gibt, kann ich Ihnen allerdings nicht beantworten. Sie sind mir nicht bekannt.

Vielen Dank! – Weitere Fragen liegen mir nicht vor.

Dann kommen wir zur Frage Nr. 8 der Kollegin Anja Kofbinger von den Grünen über

Streichung bei „Balance“ und „Lesbenberatung“ ist rechtswidrig!

Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Billigt der Senat die Streichung von jeweils 15 000 Euro bei den Projekten „Balance“ und „Lesbenberatung“ im laufenden Jahr, obwohl verbindliche Zuwendungsverträge existieren?

2. Welche sachlichen Gründe führt der Senat für die Streichung der Gelder bei der „Lesbenberatung“ an, oder ist dies eine Reaktion auf den drohenden Ausschluss der CDU vom diesjährigen CSD?

Herr Senator Czaja – bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kofbinger! Sie wissen, dass auf Antrag aller Fraktionen im März 2012 eine Anhörung im Abgeordnetenhaus zur Situation obdachloser Frauen in Berlin durchgeführt wurde. Es wurde thematisiert, dass der überwiegende Teil wohnungsloser Frauen unter gravierenden psychischen Problemen, oft infolge von Gewalterfahrungen, leidet. Die GEBEWO gGmbH stellte in der Anhörung ein seit 2009 aus Stiftungsmitteln finanziertes Modellvorhaben vor, in dem eine Psychologin in der Einrichtung „FrauenbeDacht“ beschäftigt wurde, dessen Finanzierung jedoch auf das Jahr 2012 begrenzt war.

Die Weiterführung dieses Projekts wurde von Abgeordneten aller Fraktionen sehr befürwortet und gefordert. Auch der Ausschuss für Integration, Arbeit und Frauen äußerte sich in dieser Weise im September 2012. Dennoch wurden keine Mittel für die Förderung des Projekts in den Haushalt eingestellt. Stattdessen hat der Hauptausschuss beschlossen, dass die Finanzierung durch Mittelumschichtungen aus den Förderprogrammen Integriertes Gesundheitsprogramm – IGP – und Integriertes Sozialprogramm – ISP – zu je 50 Prozent für die Förderung des Projektes für 2013 zu realisieren ist. Während aus dem integrierten Sozialprogramm 30 000 Euro aufgrund einer besonderen Projektkonstellation erbracht werden konnten, waren im IGP alle Mittel bereits in der Finanzierungsplanung gebunden.

Deswegen wurde entschieden, die Zuwendungen 2013 um jeweils 15 000 Euro bei den Projekten Familienplanung Balance – Beratungs- und Versorgungsstelle – und der von Ihnen eben erwähnten Lesbenberatung „Psychosoziales Beratungszentrum für Frauen und transidente Menschen“ zu kürzen. Diese Projekte wurden nicht aus inhaltlichen Erwägungen gewählt. Beide Projekte arbeiten engagiert und leisten einen wichtigen Beitrag für die psychosoziale und gesundheitliche Betreuung ihrer Zielgruppen. Vielmehr wurden sie gewählt, weil sie zu den am höchsten geförderten Projekten im Handlungsfeld „besondere gesundheitliche Handlungsbedarfe“ gehören und daher davon ausgegangen werden kann, dass diese Kürzungen die Projekte nicht substanziell gefährden, auch wenn Leistungskürzungen in Kauf genommen werden müssen.

(Senator Mario Czaja)

Zuwendungsrechtlich ist zu bemerken, dass beide Projekte – wie alle anderen IGP-Projekte eben auch – einen vorläufigen Bescheid für den Zeitraum Januar bis Juni 2013 hatten. Der endgültige Zuwendungsbescheid kann erst nach Vorliegen des Verwendungsnachweises für das Vorjahr erlassen werden. Auf die Gewährung einer Zuwendung besteht kein Rechtsanspruch, und im Bescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus der Bewilligung nicht geschlossen werden kann, dass auch in künftigen Haushaltsjahren oder im nächsten halben Jahr mit einer Förderung im bisherigen Umfang gerechnet werden kann. Die Kürzung dieser Zuwendung ist also entgegen der in Ihrer Überschrift verwendeten Begrifflichkeit „rechtswidrig“ nicht rechtswidrig, sondern entspricht dem üblichen Verfahren in den gedeckelten Programmen IGP und ISP.

Es war also die Entscheidung des Parlaments und auch Ihre Entscheidung, die diesen Parlamentsbeschluss herbeigeführt haben. Das Parlament hat den Auftrag erteilt, eine Kürzung im IGP und im ISP vorzunehmen. Innerhalb des ISP waren vorhandene Projektmittel noch frei. Das ist in einem gedeckelten IGP-System nicht der Fall. Sie selbst haben also diese Kürzungen beschlossen.

[Zuruf: Frechheit!]

Frau Kollegin Kofbinger! Wollen Sie eine Nachfrage stellen? – Bitte schön!

Selbstverständlich! – Sie haben vergessen, die zweite Frage zu beantworten. Aber das können Sie gleich mit der Beantwortung meiner Nachfrage machen. Das würde mich sehr interessieren, weil die zeitliche Nähe zwischen der Streichung bei der Lesbenberatung und dem drohenden Ausschluss der CDU vom CSD offensichtlich ist.

Aber gut! Lassen wir das einmal sein! Ich finde Ihre Antwort zynisch, dass wir das selber beschlossen hätten. Sie wissen genau, dass die Intention immer war, die Mittel für diese dringend benötigte und wichtige Stelle für obdachlose Frauen in dieser Stadt aus rücklaufenden Mitteln zu nehmen. Das hat natürlich auch den Hintergrund, dass Sie in Ihrem Bereich kein Gender-Budgeting machen.

Aber gut! Wollen wir eine Gemeinsamkeit feststellen, und das ist ja wohl die, dass wir beide, Herr Czaja und ich, es für unerträglich halten, dass hier jeden Monat in Millionenhöhe Beton verbaut wird und sich die soziale Infrastruktur letzten Endes mit den Krümeln abfinden muss. Deshalb frage ich ganz konkret nach: Stimmt es denn, da die Streichungen weder sachgemäß noch zweckmäßig sind, dass sie gemacht wurden, weil es Frauenprojekte sind? – Es wurde ja Geld für Frauen auf

gewendet – nämlich für obdachlose Frauen –, und deshalb wurden die Streichungen auch bei zwei Frauenprojekten vorgenommen.

Herr Senator Czaja!

Zunächst einmal zur Entscheidung bei zurücklaufenden Mitteln: Das ist innerhalb des ISP möglich. Im IGP gab es keine zurücklaufenden Mittel. Dies wurde auch im Rahmen der Haushaltsberatung, also der Beantragung ihrer Umschichtung immer deutlich so formuliert. Das heißt, den Abgeordneten war klar, aus welchem Handlungsfeld dann Kürzungen vorzunehmen sind, nämlich aus den besonderen gesundheitlichen Bedarfslagen.

Das Zweite ist: Es handelt sich bei beiden Projekten um die mit am besten finanzierten in diesem Handlungsfeld. Dahin gehend ist diese Kürzung vorgenommen worden.

Drittens: Normalerweise gibt es einen Lenkungskreis gemeinsam mit der Liga, der diese Maßgaben vorgibt. Das war aber aufgrund der Kürze der Zeit und Ihres Beschlusses so nicht möglich, sodass die Operative selbst an dieser Stelle denjenigen, die jetzt die Zuwendung durchführen, nämlich die Mitarbeiter beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, einen Vorschlag unterbreiten und diesen fachlich begründen, und wir als Verwaltung sind diesem Vorschlag gefolgt. Es ist also nicht so, dass bei Frauenprojekten gekürzt wurde, weil an anderer Stelle ein Frauenprojekt notwendig war, sondern weil das Parlament einen Auftrag erteilt und das Handlungsfeld definiert hat und wir danach eine Schwerpunktsetzung vorgenommen haben.

Das genderpolitische Rahmenprogramm der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales existiert, und es wird auch fortgeführt. Ihre Fragestellung zur Verschiebung von frauenpolitischen Schwerpunkten kann ich nicht nachvollziehen. Das bleibt unverändert.

Herr Kollege Magalski zur zweiten Nachfrage, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Könnte es sein, dass die Streichung der Zuwendung federführend von Staatssekretär a. D. Büge veranlasst wurde und dass diese Entscheidung nun, nach dessen Ausscheiden, vom Senator rückgängig gemacht wird?

Herr Senator Czaja, bitte schön!

Herr Abgeordneter! Wenn Sie sich das Organigramm der Senatsverwaltung ansehen, sehen Sie, dass Staatssekretär Büge für den Bereich Soziales zuständig ist und die Staatssekretärin Demirbüken-Wegner für den Bereich Gesundheit. Wir reden beim Integrierten Gesundheitsprogramm von einer Leistung des Liga-Programms, die im Bereich Gesundheit bearbeitet wird, sodass die Organisation innerhalb des Hauses so ist, dass ein Vorschlag aus dem Bereich Gesundheit formuliert wird, dieser Vorschlag dann über den Tisch der Staatssekretärin geht und eine endgültige Entscheidung von uns getroffen wird. Das ist auch in diesem Fall so geschehen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Aber wenn ich dazu das Inhaltsprotokoll des Hauptausschusses lese, dann ist das Parlamentstäuschung gewesen!]

Vielen Dank!

Dann kommen wir jetzt zur Frage Nr. 9.

GESOBAU: Modernisierung überfordert Mieterinnen und Mieter