Erst einmal, Herr Kollege Lederer, ist es rechtlich festgeschrieben. Wie Sie als Jurist wissen, gibt es da keinen Entscheidungsspielraum, sondern es ist zwingend vorgeschrieben, auch wie die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden. Natürlich wird das auch entsprechend umgesetzt.
Ganz unabhängig davon staune ich, dass ausgerechnet bei diesem Thema so danach gefragt wird und es diese Reaktionen gibt, weil wir seit Jahren öffentlich mit allen Beteiligten darüber diskutieren. Es gibt Verbände und Institutionen, die kaum ein anderes Themenfeld als den Ausbau der TVO beackern. Wir haben also eine breite öffentliche Bürgerbeteiligung.
Herr Senator! Es gibt ja auch sehr viele Leute, die dagegen sind. Es gibt eine reiche und sehr widersprüchliche Bürgerdiskussion. Meine Frage aber bezieht sich darauf: Beabsichtigt denn der Senat, EU-Fördermittel oder andere EU-Finanzierungsmöglichkeiten in die Planung einzubeziehen? Wenn ja, in welchem Maße?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Matuschek! Natürlich machen wir es in diesem Fall wie in anderen auch so, dass wir prüfen, ob andere Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, und sie werden dann entsprechend eingebunden. In welchem Umfang das hier konkret der Fall ist, kann ich Ihnen in der Summe nicht benennen.
2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat zur Umsetzung einer kleinräumigeren Bedarfsplanung, und welche Konzepte hat er dafür?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ludewig! Sie sehen, welch großes Interesse Ihre Frage selbst bei der Opposition auslöst. – Zu Ihrer ersten Frage: Insgesamt ist Berlin gut mit Ärzten, Haus- und Fachärzten, versorgt. Deswegen gibt es auch eine Zulassungssperre aufgrund der allgemeinen Überversorgung. Allerdings ist, wie Sie auch aus Ihrem Bezirk Pankow wissen, die Verteilung der Ärztinnen und Ärzte innerhalb der Stadt sehr ungleich, und wir haben hohe Disparitäten in den unterschiedlichen Haus- und Facharztgruppen zu verzeichnen. Es gibt deutlich überversorgte Bezirke wie Charlottenburg-Wilmersdorf auf der einen Seite und eher schlechter versorgte Bezirke wie Neukölln auf der anderen Seite. Bei der fachärztlichen Versorgung sind die Unterschiede zwischen den Bezirken teilweise noch größer als bei der hausärztlichen Versorgung.
Klar ist aber auch, dass wir bei der Diskussion über die ärztliche Versorgung in Berlin auch die schwierige Situation in Brandenburg mitbeachten müssen, da dort die Arztdichte in ganz Deutschland am niedrigsten ist und wir dies mit im Blick haben müssen, wenn wir die Berliner ärztliche Versorgung anders und differenzierter regeln wollen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Das zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz sieht erstmals Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder bei der ambulanten Bedarfsplanung vor, die die Grundlage für die Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist. Das Land hat seitdem im Landesausschuss, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Kassen und der KV über die Bedarfsplanung entscheiden, ein Mitspracherecht und die Rechtsaufsicht über die Entscheidungen des Landesausschusses. Das heißt, es prüft die Entscheidungen rechtlich und kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden.
Rechtsaufsicht bedeutet aber nicht, dass das Land Entscheidungen auf ihre Zweckmäßigkeit hin prüfen kann, wenn die bundesrechtlichen Regelungen Entscheidungsspielräume für die Beteiligten dieses Landesausschusses zulassen.
Zum Jahreswechsel ist eine neue Bedarfsplanungsrichtlinie in Kraft getreten, die, anders als bisher, zwischen verschiedenen Arztgruppen differenziert und hier unterschiedliche Planungsbereiche vorsieht, die eine kleinräumigere Planung insbesondere bei Hausärzten und der sogenannten allgemeinfachärztlichen Versorgung ermöglichen. Für die Flächenstaaten ist die kleinräumige Planung damit bereits bundesrechtlich vorgesehen.
Für Stadtstaaten wie Berlin ändern die bundesrechtlichen Vorgaben jedoch nichts daran, dass Berlin eine Planungsregion bleibt. Die Anknüpfung an unterschiedliche Planungsregionen und Versorgungsebenen hat für Berlin als gleichzeitig kreisfreie Stadt, Raumordnungsregion und KV-Bezirk keine Veränderungen zur Folge. Der Landesausschuss muss also für Berlin entscheiden, ob und wie innerhalb Berlins für die vier Arztkategorien differenziert und damit regional abgewichen werden soll. Dies ist im Bedarfsplan gerichtsfest zu begründen. Bei der Entscheidung darüber werden damit verbundene zusätzliche Zulassungen wegen der für die Stadt insgesamt bestehenden Überversorgung sicher eine ausschlaggebende Rolle spielen.
Eine weitere wesentliche Neuerung der Bedarfsplanungsrichtlinie, die auf Druck aller Länder bereits im Versorgungsstrukturgesetz angelegt ist, ist die Möglichkeit der Abweichung von deren Vorgaben aufgrund regionaler Besonderheiten. Die Bedarfsplanungsrichtlinie erhält hierzu eine Regelung, die nicht abschließend ist, aber eine Reihe konkreter Anknüpfungspunkte benennt, zum Beispiel die regionale Demographie, also der über- oder
unterdurchschnittliche Anteil von Kindern oder älteren Menschen, die regionale Morbidität, zum Beispiel auffällige Prävalenzen oder Indizienraten, sozialökonomische Faktoren, zum Beispiel die Erreichbarkeit oder Entfernung, geographische Faktoren wie Gebirge, Flüsse, Randlagen oder Inseln, was beispielsweise für den Bezirk Treptow-Köpenick bei seiner weiträumigen Struktur mit viel Wald und Seen eine Rolle spielen könnte. Zudem sind infrastrukturelle Besonderheiten möglich, wie Verkehrsanbindungen, aber auch Sprechstundenzeiten, Arbeitszeiten und Versorgungsschwerpunkte des Vertragsarztes, die Barrierefreiheit oder der Zugang zu Versorgungsangeboten.
Mit dem gemeinsamen Landesgremium, das dank der Koalition im Dezember 2012 in Kraft getreten ist, entspricht auch das Berliner Landesgesetz der Möglichkeit, ein Forum zu schaffen, um die Diskussion über diese regionalen Besonderheiten in Berlin vorzunehmen. Das Gremium kann allerdings nur Empfehlungen abgeben. Entscheidungen trifft weiterhin der Landesausschuss von Kassen und KV. Wir sind also auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Selbstverwaltung angewiesen.
Aus meiner Sicht muss zumindest in einem ersten Schritt darüber gesprochen werden, dass für die hausärztliche Versorgung auf die Bezirke abgestellt wird und nicht mehr Berlin insgesamt als Versorgungsregion betrachtet wird. Auch die Berücksichtigung von Indikatoren wie die Morbidität oder sozioökonomische Fragestellungen ist für uns ein wichtiges Thema. Wir haben daher am vergangenen Freitag noch einmal eine Studie unseres Hauses als auch eine Berichterstattung der Patientenbeauftragten vorgestellt. In Berlin haben wir im Gegensatz zu Hamburg und Bremen eine ausgesprochen gute Sozial- und Gesundheitsberichterstattung, sodass die Datengrundlage bereits vorhanden ist, um diese sozioökonomischen und morbiditätsbetrachtenden Faktoren mit einfließen zu lassen.
Vielen Dank! – Herr Kollege Ludewig! Haben Sie eine Nachfrage? – Nein! Dann kommt der Kollege Thomas zu Wort. – Bitte schön!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist zwar ausführlich dargestellt, leider wird das alles nicht kommen, insofern sollten Sie zuhören. Das, was Herr Czaja hier verkündet, wird so nie passieren. Deshalb frage ich den Senator: Wie schätzen Sie es denn ein, dass die Kassenärztliche Vereinigung Ihnen eigentlich jetzt schon mit auf den Weg gegeben hat, dass das zwar alles wünschenswert wäre, dass sie das aber alles in den nächsten Jahren nicht machen wird. Die Frage ist insofern, was Sie
denn glauben, von dem umzusetzen, bzw. ob es nicht dringend notwendig wäre, eigentlich – worüber wir ja lange im Ausschuss diskutiert haben – einen ganz anderen Weg einzuschlagen, und ob Sie nicht dringend eine viel breitere Unterstützung der Öffentlichkeit und der Aktiven in dem Bereich bräuchten. Die Kassenärztliche Vereinigung hat Ihnen jetzt eigentlich mit auf den Weg gegeben, dass es ziemlich egal ist, was Sie erzählen.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Thomas! Ich habe Sie in der Vergangenheit viel kämpferischer erlebt und hatte immer den Eindruck, dass Sie mit uns gemeinsam dafür werben, dass wir für die ärztliche Versorgung in Berlin mehr tun. In Pankow, Ihrem Heimatbezirk, haben wir das gerade durch eine gute Vereinbarung zwischen den medizinischen Versorgungszentren der Helios-Kliniken und der Kassenärztlichen Vereinigung erreicht, womit wieder bessere ambulante, fachärztliche und hausärztliche Versorgung möglich ist. Also, ich erwarte von Ihnen genauso viel Kämpfertum wie in der Vergangenheit, um dieses Thema umzusetzen. Dazu gehört natürlich auch ein wenig Verhandlungsgeschick und die Möglichkeit, mit den unterschiedlichen Akteuren zu sprechen.
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung hat sich im Januar dieses Jahres nicht nur mit der Frage beschäftigt, wie es um die Übergangsgelder der Vorstände steht, sondern die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung hat auch dem Vorstand die Möglichkeit mit auf den Weg gegeben, beginnend mit der hausärztlichen Versorgung und der Versorgung im Bereich der Kinderärzte ein kleinräumige Betrachtung in Berlin vorzunehmen. Das war ein positiver Beschluss der Vertreterversammlung, und ich nehme das auch so positiv zu Kenntnis.
Zudem ist es so, dass ich gestern noch einmal ein langes Gespräch mit den Vertretern, die sich mit der Gesundheitsberichterstattung unseres Hauses beschäftigen, als auch mit denen, die die Aufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigung haben, geführt habe und in einen intensiven Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung eingetreten bin und wir unsere unterschiedlichen Modelle diskutiert haben, um das Landesgremium, das am 8. März erstmalig in Berlin tagen wird, gut vorzubereiten und schon im Vorfeld darüber zu sprechen, wie wir Daten miteinander abgleichen können.
Wir sind uns einig darüber, dass wir in Berlin differenzierte Betrachtungen heranführen müssen und dass es beispielweise in Teilen von Neukölln große Probleme gibt, ordentliche kinderärztliche Versorgung zu erreichen
oder Lungenärzte zu finden. Wir sehen aber auch, dass die reine Betrachtung von Bezirken manchmal nicht hilft, weil innerhalb des Bezirks Pankow bestimmte Facharztrichtungen gut aufgestellt sind, aber gerade in den Gebieten, in denen viele Jüngere leben, die Kinderärzte fehlen.
Hinzu kommt, dass ich bei einer kleinräumigeren Planung auch darauf achten muss, dass man nicht Versorgungsgebiete abschließt, wie beispielsweise bei der kinderärztlichen Versorgung, und heute in Pankow Kinderärzte zulässt, die dann dort in zehn Jahren gar keine Arbeit mehr haben werden, weil in dem Quartier, in dem heute viele Kinder sind, diejenigen dann nachgewachsen sind und dann vielleicht einen Kieferorthopäden oder Augenarzt brauchen, aber eben keinen Kinderarzt mehr. Dann ist der Umzug dieses Sitzes mit einer kleinräumigen Verteilung nicht so einfach. Dafür sind Instrumente des Zulassungsausschusses besser zu nutzen.
Das gilt es zu bereden: mit der Kassenärztlichen Vereinigung, die positive Signale gegeben hat, zu einer kleinräumigen Betrachtung zu kommen, und mit den Krankenkassen. Auch hier haben wir unterschiedliche Einzelgespräche geführt. Wir sind auch mit der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen verabredet, noch vor dem Landesgremium ein gemeinsames Gespräch zu führen, um dann auf dieser Grundlage die notwendigen Gremien zu bilden, die Daten zusammenzutragen und auch datenschutzrechtlich miteinander zu dem Ausgleich zu kommen, der notwendig ist, bis hin zu den Fragestellungen, in welchen Bezirken mehr Patienten privat versichert und in welchen Bezirken weniger privat versichert sind, Dinge, die jetzt in die Bedarfsplanung so nicht einfließen, weil nur die Zahl der gesetzlich Versicherten betracht wird. Wo überregionale Fragestellungen eine Rolle spielen, ob beispielsweise in Pankow mehr Menschen aus dem Umland die Versorgung in Anspruch nehmen, als dies in Treptow-Köpenick der Fall ist, dafür sind Zahlen von den anderen Kassenärztlichen Vereinigungen in Brandenburg notwendig.
Sie sehen, es gibt eine Fülle von Aufgaben, und diese werden wir in dem gemeinsamen Landesgremium besprechen. Die Vorbereitungen dafür sind getroffen. Und: Ja, ich werde auch weiterhin dafür werben, dass wir eine kleinräumige Betrachtung haben und dass Sozialindikatoren – Morbidität, Altersdurchschnitt, all diese Fragestellungen – bei der Betrachtung eine Rolle spielen, denn die Untersuchung der Patientenbeauftragten zeigt, dass die ärztliche Versorgung in den Gebieten, in denen Menschen mit einer schlechteren Sozialstruktur leben, in denen die Morbidität höher ist, in denen die Erkrankungsrate höher ist, schlechter ist als in den anderen Stadtteilen, und darauf muss man Einfluss nehmen.
Das werden wir in diesem Gremium auch tun. Ich lade Sie gern ein, sich daran konstruktiv zu beteiligen und diesen Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung und
den Kassen auch mit zu führen und nicht gleich zu resignieren. So habe ich Sie bislang jedenfalls nicht kennengelernt.
Es kommt nicht darauf an, die Instrumente des Bedarfs festzustellen, sondern wir wären daran interessiert, dass Sie die Instrumente benennen, mit denen Sie die aktuelle ungleichmäßige Verteilung auch beseitigen.