Danke, Herr Kollege Mayer! – Da diese Stellungnahme, die ja voller fachlicher Fehler ist, auch vom Regierenden Bürgermeister unterschrieben ist – meinen Sie nicht auch, dass es eine gute Idee wäre, wenn sich der Regierende Bürgermeister einmal öffentlich inhaltlich in dieser Frage äußern würde?
Auf jeden Fall! Das ist die Stellungnahme des Senats, und das kann man nicht auf die ausgeschiedene Senatorin schieben. Aber es wäre wichtig zu wissen: Steht der Senat heute noch hinter diesem Murks von Stellungnahme? – Ich werde das in Kürze erfragen.
Es lohnt sich vor allem noch, auf Herrn Garmer einzugehen. Er hat gesagt: Eine staatliche Aufsicht ist im Grunde die Lösung des Ganzen; wir haben bundesgesetzliche Regelungen und die Bundesnetzagentur, und es gibt keine
zwingenden Argumente. – Zwingende Argumente vielleicht nicht, aber sehr, sehr viele gute Argumente finanzieller Art und hinsichtlich der vertraglichen Ausgestaltung. Es geht um 20 Jahre, und als Anstalt öffentlichen Rechts hat man dann die Kontrolle. Dabei ist sicherlich auch richtig, dass man damit rechtliches Neuland betritt.
Zum Markteintritt, zum Henne-Ei-Problem, das Sie angesprochen haben: Hier ist die Rechtssituation ganz klar, dass die Ausschreibungskriterien nicht so gestaltet sein dürfen, dass sie den Eintritt neuer Teilnehmer verhindern. Das wäre rechtlich auch nicht zulässig. Aber es stimmt auch, dass das ein Riesenminenfeld ist.
Zu der Kompetenzvermutung bei den Privaten, die Sie geäußert haben: Ich denke, man kann sie genauso gut für das Land Berlin aussprechen. Es hat es im Energiebereich und in anderen Bereichen geschafft, durchaus erfolgreich Unternehmen zu führen, wenn auch nicht immer.
Zum Thema Vattenfall, das gerade von Herrn Karsten angesprochen wurde: Ich habe schon in einer früheren Rede ausgeführt, dass es bei Vattenfall ein Riesenproblem gibt – es ist kein wirklich kommunal orientiertes Unternehmen. Auch was die Zukunftsfähigkeit angeht, ist das alles nicht so sicher. Wer einmal den Geschäftsbericht des Konzerns gelesen und geguckt hat, wo dort überall gespart werden soll, wird das sehen. Und auch die Hamburger Lösung wäre für Berlin eine ganz, ganz schlechte Lösung.
Abschließend fasse ich zusammen: Wir halten die Stellungnahme des Senats zum Energieversorgungsgesetz für wenig sachgerecht. Der Senat zeigt sich, wenn er daran festhält, als höchst unwillig, die Bürger in die Energiewende einzubeziehen. Wir begrüßen und unterstützen die Ziele des „Energietischs“ und fordern den Senat auf, in dieser wichtigen Frage der Daseinsvorsorge den Schulterschluss mit den Berliner zu suchen. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Haus hat die Vorlage Drucksache 17/0452 zur Kenntnis genommen.
Zu dem Antrag Drucksache 17/0305 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Linke und Piraten, bei Enthaltung der Grünen – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke und die Piratenfraktion. Die Gegenstimmen bitte! – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Danke schön! Dann ist das abgelehnt.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion, und das Wort hat der Abgeordnete Herr Kowalewski. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich kann es kurz machen: Wir haben einen einfachen, soliden und leicht verständlichen Antrag eingebracht. Er ist so gut – er hat sogar 94 Prozent Zustimmung im Liquid Feedback bekommen.
Wir haben in diesem Raum und in den Ausschüssen schon ein paarmal darüber gesprochen, dass Männer und Frauen in den verschiedenen Lohn- und Besoldungsgruppen sehr unterschiedlich vertreten sind. Das ist ein Ergebnis, dass wir dank Gender-Budgeting inzwischen erfahren haben.
Wir gehen natürlich auch davon aus – weil vieles dafür spricht –, dass etwa Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Beeinträchtigungen benachteiligt sind, auch wenn das nicht ganz so leicht feststellbar ist. Aber einiges deutet darauf hin. Es heißt dann immer, man könne am Personalbestand nicht eben einmal etwas machen, ihn einfach anpassen. – Ja, das ist richtig. Aber wir stehen gerade jetzt aufgrund ganz einfacher demografischer Entwicklungen vor einem ziemlich großflächigen Austausch der Verwaltung rund um das Jahr 2017.
Herr Kowalewski, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Könnten die übrigen Kolleginnen und Kollegen bitte etwas leiser sein und dem Redner die gebührende Aufmerksamkeit widmen? – Danke!
Vielen Dank! – Wie gesagt: Die Verwaltung wird sich zum Großteil um das Jahr 2017 herum austauschen, einfach aufgrund der Tatsache, dass viele in Rente gehen werden und eben neue Menschen eingestellt werden müssen, um sie zu ersetzen. Wenn wir nach 2017 eine gerechtere Situation vorfinden, uns nicht mehr darüber beschweren und sagen wollen, dass man daran leider nichts machen könne, dann ist jetzt der Moment, um zu handeln.
Die Verwaltung würde ja anscheinend selbst gern anonymisierte Bewerbungsverfahren annehmen – das sieht man auch in der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drucksache 17/10450 von Frau Dr. Kahlefeld und Frau Remlinger –, allerdings hat sie leider keine Standards, wie man das macht. Das ist natürlich auch nicht einfach, und deswegen braucht man die Möglichkeit zu evaluieren, was da ein vernünftiges Verfahren wäre.
Wir wollen mit unserem Antrag nicht aufs Geratewohl die gesamte Personalpolitik umpflügen. Wir wollen einen einjährigen Pilotversuch, beschränkt auf eine Verwaltung und einen Eigenbetrieb. Pilotversuche sind ja bei der großen Koalition sehr beliebt – man sieht das zum Beispiel an den sich absenkenden Bussen. Aber dieses Thema ist für alle Berliner sehr wichtig, die von einer Verwaltung und von Betrieben, in denen die Diversität der Bevölkerung auf allen Ebenen repräsentiert ist, ungemein profitieren würden.
Wenn es keine nachvollziehbare Verbesserung bringen sollte – das ist allerdings kaum zu erwarten –, war es den Versuch wert, und wir können uns etwas anderes überlegen. Wenn es aber funktioniert, hätten wir endlich ein Instrument gefunden, mit dem die Personalverteilung gerechter und die Bevölkerung besser repräsentiert werden kann. Man braucht dann auch keine Senatoren zu verschleißen, weil beispielsweise Headhunter Frauen wieder einmal kaum Chancen lassen.
Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken und von den Grünen, dass Sie auch an diesem Versuch interessiert sind, deswegen rede ich jetzt einmal kurz mit der CDU. Die Diskriminierungsstelle Ihrer Bundesministerin hat einen ähnlichen Modellversuch durchgeführt. Man muss sagen, er wurde sehr erfolgreich durchgeführt. Die SPD hat selbst die anonymisierten Bewerbungen haben wollen und hat sie auch in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Gestern hat die SPDFraktion in Friedrichshain-Kreuzberg mit Drucksache 0286/IV einen vergleichbaren Antrag angenommen. Das Thema ist also überall beliebt. Deswegen freue ich mich auf eine sehr wohlwollende Beratung und Behandlung in den Ausschüssen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Becker das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Konzept anonymisierter Bewerbungsverfahren sieht idealtypisch vor, dass Bewerberinnen oder Be
werber die wichtige erste Hürde des Bewerbungsverfahrens, die Einladung zu einem Gespräch, durch versteckte persönliche Angaben leichter nehmen sollen. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch soll nur aufgrund der Qualifikation erfolgen. Sie ist die empfindlichste Stelle im Bewerbungsprozess, an der sich Diskriminierungen einschleichen können.
Kritische Merkmale wie Aussehen, Name, Adresse, Geburtsdatum, Familienstand oder Herkunft werden in diesem Verfahren im Vorfeld anonymisiert. Damit wünscht man sich einen geschlechtsuntypischen und diskriminierungsfreien Bewerbungsprozess. Die üblichen Bewerbungsinformationen können Personalverantwortliche wie sonst auch einsehen, etwa Anschreiben oder Lebenslauf. Die Ergebnisse der erwähnten IZA-Studie stimmen auf den ersten Blick hoffnungsvoll. Grundsätzlich sprechen folgende Punkte dafür: Das Verfahren stellt nur auf die fachliche und persönliche Eignung ab. Es beruht auf der Annahme, dass sich Vorbehalte im Gespräch weniger stark auswirken als bei einer Entscheidung, die auf Basis schriftlicher Bewerbungsunterlagen getroffen wird. Es wird generelles Umdenken befördert: Weg von persönlichen Vorurteilen oder Vorlieben, hin zu mehr Fakten in der Bewerberauswahl.
Auf den zweiten Blick zeigen sich aber auch Nachteile, die nicht von der Hand zu weisen und mir wichtig sind, sie zu benennen: Persönliche Merkmale werden zu Makeln, die versteckt werden müssen. Sie werden zu Ausschlusskriterien erklärt, mit denen sonst keine Chance bestünde, überhaupt den Job zu bekommen. Das kann nicht das Ziel sein, denn das wäre eine Art institutionalisierter Diskriminierung. Ein weiterer Kritikpunkt: Geübte Personalverantwortliche können das ungefähre Alter über Berufserfahrung und Zeugnisse ermitteln. Private Aktivitäten lassen Rückschlüsse auf das Geschlecht zu. Damit werden die anonymisierten Daten durch die Hintertür wieder sichtbar gemacht.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren gehören dort, wo es passt, in den Instrumentenkoffer professioneller Personalauswahl.
Wir auch! – Doch muss weiter getestet werden, ob und wie sie wirken und wo sie gegebenenfalls geeignet erscheinen.
Der Pool potenzieller Bewerberinnen und Bewerber lässt sich womöglich vergrößern, weil sie motivierter sind, sich überhaupt zu bewerben.
Lassen Sie mich zum Sonderfall Land Berlin kommen. Hier gilt das Landesgleichstellungsgesetz, das LGG. Es sieht in § 6 Auswahlverfahren vor, dass in Bereichen, beispielsweise bei der Messe, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, alle Bewerberinnen oder mindestens eben
so viele Männer wie Frauen zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, sofern sie die formal notwendige Qualifikation für die Stelle besitzen. Dazu sind der Frauenvertreterin vor Beginn des Auswahlverfahrens alle Bewerbungsunterlagen, auch die der abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber, vorzulegen, damit sie diese auf LGG-Konformität überprüfen kann. Zu diesem Zweck muss das Geschlecht erkennbar sein.
In diese Richtung geht auch das Partizipations- und Integrationsgesetz. Hier strebt der Senat die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst entsprechend deren Anteil an der Bevölkerung an. Aus frauen- und migrationspolitischer Sicht heißt das: Ein auf freiwillige Basis gestelltes anonymisiertes Bewerbungsverfahren könnte im öffentlichen Dienst des Landes Berlin gegebenenfalls einen Rückschritt bedeuten, weil die beiden oben angeführten Gesetze zu berücksichtigen sind. Unter Einbeziehung der beteiligten Ressorts muss eine sorgfältige Prüfung erfolgen. So hat das Frau Kolat im Arbeitsausschuss vom 19. April 2012 gesagt. Sie steht der Erprobung neuer Verfahren der diskriminierungsfreien Personalbeschaffung sehr aufgeschlossen gegenüber. Der Senat wertet zurzeit die Studie aus und wird seine Schlussfolgerungen ziehen.
Wir unterstützen ausdrücklich geeignete Verfahren, die gegen Diskriminierung und für Gleichstellung wirken. Wir als SPD-Fraktion haben den Senat vor der Sommerpause aufgefordert, im Kontext mit Entgeltungleichheit auch das anonymisierte Verfahren probeweise einzubeziehen. Die Koalition steht dem Antragsanliegen wohlwollend gegenüber. Dem vorliegenden Antrag fehlt jedoch ein Verweis auf die Beachtung der zwingenden Vorgaben des LGG. Daher beantragen wir vorerst die Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Becker! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Dr. Kahlefeld das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen den Antrag der Piratenfraktion zur Einführung anonymisierter Bewerbungen. Modellversuche hat es allerdings schon genug gegeben. Es wäre an der Zeit, endlich diese Bewerbungsverfahren einzuführen,
sowohl in der Verwaltung als auch in den Unternehmen mit mehrheitlicher Landesbeteiligung. Die Einführung von Bewerbungen ohne Foto wäre sofort möglich und schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. In Frankreich, der Schweiz, Schweden und Großbritannien haben Studien die positiven Effekte anonymisierter Bewerbung belegt. Belgien hat bereits seit Anfang 2005 gesetzlich festgelegt, dass in Bewerbungen für die Verwaltung weder der Name, noch Alter oder das Geschlecht stehen dürfen. In den USA, dem Land, das zugleich ein erfolgreiches Quotensystem vorzuweisen hat, sind anonymisierte Bewerbungen Standardverfahren. Es handelt sich also – um diesen Einwand vorwegzunehmen, den Frau Becker gerade noch einmal genannt hat – nicht um eine Alternative zu den sogenannten positiven Maßnahmen, sondern beides sind Verfahren, die durchaus vereinbar sind.
Positive Maßnahmen, eine Bevorzugung bestimmter Gruppen in Bewerbungsverfahren, sind in Deutschland ohnehin nur bei gleicher Qualifikation möglich. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eröffnen den Zugang zu öffentlichen Ämtern. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung als solche wahrzunehmen und objektiv einzuschätzen ist aber offenbar genau das Problem, wenn man das Bewerbungsfoto einer Frau oder einen Bewerber mit dem Geburtsort Bagdad vor sich hat.