Protocol of the Session on November 25, 2010

Einerseits soll durch den Gesetzesentwurf das Aufkommen der Vergnügungsteuer erhöht, andererseits ein Rückgang der gewerblichen Geldgewinnspielgeräte bewirkt werden. Das ist paradox, weil ein signifikanter Rückgang der Geldgewinnspielgeräte einem erhöhten Steueraufkommen zuwiderläuft. Weniger Geldgewinnspielgeräte heißt nämlich weniger Steueraufkommen. Tatsächlich ist ein Rückgang der gewerblichen Geldgewinnspielgeräte nicht zu erwarten, weil der Betrieb auch nach der Steuererhöhung profitabel sein wird. Eine Besteuerung der Geräte, die deren Betrieb unwirtschaftlich macht, ist nämlich wegen des sogenannten Erdrosselungsverbots überhaupt nicht möglich. Außerdem übersehen Sie, dass die wirtschaftlichen Erträge möglicherweise nicht zwingend aus dem Spielbetrieb generiert werden, sondern die Spielhallen auch deshalb so zahlreich aus dem Boden schießen könnten, weil sie der Geldwäsche dienen.

Zudem ist zu bedenken, dass sich die Erhöhung der Vergnügungsteuer nicht nur gegen Spielhallen, sondern auch gegen das Gastgewerbe richtet. Eine Abwägung oder Bewertung der Auswirkung auf das Gastgewerbe fehlt in Ihrem Gesetzesentwurf aber völlig. Das alles wissen Sie auch, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Die logische Schlussfolgerung ist, dass dieser Gesetzesentwurf nicht mehrere, sondern nur ein Ziel verfolgt, nämlich die Erhöhung des Steueraufkommens.

[Beifall bei der CDU]

Was bedeutet dies? – Das bedeutet zunächst einmal, dass Sie das edle Motiv der Verhinderung von Spielhallen vorgeben, aber in Wirklichkeit nur Ihren maroden Haus

halt durch zusätzliche Einnahmen sanieren wollen. Das hat der Senat gestern im Hauptausschuss auch zugegeben. Dort wurde ausdrücklich betont, dass die Erhöhung der Vergnügungsteuer auf die Begrenzung der Spielhallen allenfalls eine ergänzende Wirkung entfalten kann.

Wenn man sich die Anreizwirkung und die sich daraus ergebenden gesellschaftspolitischen Implikationen Ihres Gesetzesentwurfs näher anschaut, kommt der Zynismus Ihres Antrags vollends zur Geltung, denn der Anreiz des Senats besteht ausschließlich in höheren Einnahmen. Kinder- und Jugendschutz ist Ihnen da völlig egal.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Daniel Buchholz (SPD): Das ist eine Unterstellung, die Sie zurücknehmen sollten! – Christian Gaebler (SPD): Ganz mies!]

Wie sieht die Realität aus? Die Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin kommt – übrigens mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Gesundheit – in ihrer aktuellen Publikation über die Einhaltung des Jugend- und Spielerschutzes in Berliner Spielhallen zu folgendem Fazit:

Die stichprobenartige Erhebung zur Einhaltung des Jugend- und Spielerschutzes in 44 Berliner Spielhallen hat gezeigt, dass die Maßnahmen zum Jugend- und Spielerschutz nicht konsequent umgesetzt und damit die rechtlichen Vorgaben nicht umfassend eingehalten werden.

Statt, wie von der CDU vorgeschlagen, die Zahl der Spielhallen deutlich zu begrenzen, haben sich SPD und Linke entschlossen, an der Spielsucht mitverdienen zu wollen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Daniel Buchholz (SPD): Erzählen Sie nicht dauernd solchen Unsinn! Das ist eine Unverschämtheit! Sie wissen es selber besser! – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Diese Haltung ist unmoralisch, weil Sie Spielsüchtige nicht schützt, sondern ausbeutet. Diese Missstände mit der Erhöhung der Vergnügungsteuer bekämpfen zu wollen, ist absurd. Deshalb kommt die Entscheidung des Senats, die Vergnügungsteuer zu erhöhen, einer Kapitulation vor dem Phänomen der Spielhallenflut gleich.

[Beifall bei der CDU]

Dass die Steuererhöhung auch nur eine einzige Spielhalle verhindern wird, ist nicht zu erwarten, weil das Geschäft dafür viel zu profitabel ist. Nur wenn die Erhöhung der Vergnügungsteuer im Zusammenhang mit der Beschränkung der Spielhallen als zusätzliches Element eingeführt wird – Herr Buchholz! Jetzt hören Sie doch mal zu, jetzt wird es wichtig für Sie! –,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

könnte sie eine ordnungspolitische Wirkung entfalten. Deshalb wollen wir Ihren Entwurf nicht von vornherein ablehnen. Aber erst dann, wenn über die Zahl der Spielhallen, die wir zulassen wollen, entschieden worden ist,

kann wirtschaftpolitisch über den angemessenen Steuersatz entschieden werden. Wir fordern Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, deshalb auf, die Beratung über die Erhöhung der Vergnügungsteuer so lange zurückzustellen, bis über den betreffenden Gesetzesentwurf der CDU-Fraktion entschieden worden ist.

[Beifall bei der CDU]

Unser Gesetzesentwurf ist nämlich im Gegensatz zum Versuch des Senats in erster Linie geeignet, Spielsucht zu bekämpfen, Kinder- und Jugendschutz zu gewährleisten und die Spielhallenflut zu begrenzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort für die SPD-Fraktion hat Kollege Zackenfels. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der Spielhallen in Berlin explodiert. In den letzten vier Jahren hat sich die Anzahl der Geräte von 5 800 auf 10 000 nahezu verdoppelt. Deswegen sagen wir in der SPD-Fraktion: So geht das nicht weiter.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Marion Seelig (Linksfraktion)]

Zugleich sagen wir von dem Gesetz, das wir heute in erster Lesung behandeln, dass es sich um ein gutes Gesetz handelt. Sehr verehrte Frau Bung! Ausdrücklich: Es handelt sich um ein gutes Gesetz, und zwar aus folgenden Gründen:

[Uwe Goetze (CDU): Ja, für Ihr Niveau!]

Zum einen ist es ein erster Schritt im Rahmen einer Gesamtkonzeption, die ich Ihnen gern im Anschluss noch einmal kurz erläutern werde. Zum Zweiten kommt in diesem Gesetz im Ergebnis heraus, dass wir die Suchtgefährdung eindämmen werden. Und schließlich – da sagt der finanzpolitische Sprecher natürlich nicht nein, aber das ist nur ein Nebeneffekt – sind wir über insgesamt 25 Millionen Euro mehr nicht unglücklich. Aber – noch einmal ausdrücklich – das ist nicht das Motiv für dieses Gesetz. Werte Frau Bung! Deswegen sind Sie mit Ihrer Kritik diesbezüglich auch ins Leere gelaufen. Das wesentliche Motiv ist die Eindämmung der Spielsucht.

Ihre Kritik, die Sie zumindest gestern im Hauptausschuss vorzutragen versucht haben, wonach es zu einem Kneipensterben kommen werde, ist ebenfalls nicht richtig. Denn das Automatengeschäft gehört nicht zum Kerngeschäft des Kneipiers, und auch die kenntnisreichen Abgeordneten Ihrer eigenen Fraktion haben gestern klar herausgearbeitet, dass es natürlich nicht darum geht, die kleine Eckkneipe infrage zu stellen. Dieses geschieht auch nicht durch dieses Gesetz.

[Uwe Goetze (CDU): Wo waren Sie denn gestern? Bei Vattenfall? Zurufe von der FDP: Bei Vattenfall!]

Es ist aber notwendig – und da bewegen wir uns durchaus auch in einem europäischen Rahmen –, dass wir uns dieses Thema Eindämmung noch einmal vergegenwärtigen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinen verschiedensten Urteilen – zuletzt am 8. September 2010 – die Suchtgefährdung durch Automatenspiele ausdrücklich hervorgehoben und auch die öffentlichen Bereiche aufgefordert, diesbezüglich tätig zu werden.

Wir sehen uns des Weiteren durch ein Urteil von gestern Abend bestätigt. Nach diesem Urteil aus Leipzig wird auch der ordnungspolitische Rahmen für Glücksspiel – zwischen privatem und öffentlichem Bereich – neu zu definieren sein. Aber dieses Urteil enthält ganz klar die Aussage, dass das staatliche Monopol überhaupt nur bei einer konsistenten Bekämpfung von Suchtgefahr zu vertreten ist. Die Bekämpfung von Suchtgefahr ist ein wesentlicher Aspekt, und dieses Gesetz mit seinen steuerlichen Auswirkungen ist ein Baustein auf diesem Weg der Bekämpfung der Suchtgefahr.

[Beifall bei der SPD – Uwe Goetze (CDU): Das glauben Sie doch selber nicht!]

Aber natürlich glaube ich das. Und wenn Sie mit Fachleuten reden, dann werden die Ihnen das bestätigen, werter Herr Goetze! Dass Sie darüber nicht Bescheid wissen, kann ich das nicht ändern.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Das Zweite ist, dass wir mit diesem Gesetz – und deswegen reden wir von Gesamtkonzeption – natürlich da nicht anhalten wollen, sondern wir müssen noch zwei weitere wesentliche Schritte gehen. Der eine Schritt betrifft die Baunutzungsverordnung. Auch damit muss man sich auseinandersetzen. Es muss eine Bundesratsinitiative geben, damit im Stadtbild die Möglichkeit gegeben wird, durch die Baunutzungsverordnung diese Spielhallen dorthin zu platzieren, wo man möchte. Und wir tragen uns mit dem Gedanken, ein Spielhallengesetz auf den Weg zu bringen, welches z. B. auch eine Begrenzung nach Stadtquartieren vorsehen könnte. Auch damit tragen wir letztendlich dazu bei, dass sowohl die Anzahl als auch die Wirtschaftlichkeit bzw. Rentabilität dieses Angebots an die Menschen abnimmt, und wir tragen im Ergebnis dazu bei, dass die Menschen, die süchtig sind, keine Möglichkeit mehr haben, ohne Weiteres dieser Sucht nachzugehen.

Zum Schluss möchte ich noch etwas anderes loswerden – im Zusammenhang mit den Konzessionsinhabern der Spielbanken, an die ich gern auch von dieser Stelle aus noch einmal eine Warnung richten möchte. Wir haben im Februar 2010 das Spielbankengesetz geändert und haben einen wirtschaftlichen Vorteil zugunsten der Betreiber – ganz viele gemeinsam hier im Haus – mit verabschiedet. Ich würde es nicht goutieren, wenn dieser Vorteil nun

missbraucht wird, um 35 Arbeitsplätze im klassischen Spiel infrage zu stellen, wie man das teilweise jetzt mitbekommen hat. In diese Sache muss ebenfalls Bewegung kommen. – Ansonsten bedanke ich mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Marion Seelig (Linksfraktion)]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat Kollege Esser. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Appell von Herrn Zackenfels an die Betreiber der Spielbank in der Frage des klassischen Spiels mit Personal, die Mitarbeiter nicht einfach dadurch zu ersetzen, dass sie eine große Spielhalle mit Daddelautomaten werden, schließen wir uns ausdrücklich an.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das war der Sinn und Zweck der Gesetzgebung, die wir einmütig im Parlament gemacht haben. – Das sehen Sie auch so, Herr Goetze, nicht?

Ansonsten rate ich in dieser Lage zu ein bisschen mehr Ehrlichkeit und ein bisschen Abrüstung. – Verehrte Frau Bung! Sie haben die Frage gestellt, ob 20 Prozent ein wirtschaftlich vertretbarer Steuersatz ist. Da kann ich mit der gleichen Intensität die Frage stellten: Sind 70 Spielhallen für die Automatenindustrie, die Gastronomie, die Spielhallenbetreiber und die Menschen, die dort arbeiten und davon leben, eine wirtschaftlich tragfähige Größe? Wir sind uns doch einig: Ob Steuer- oder Ordnungspolitik – wir versuchen, die Spielhallen und die Automaten zu treffen. Wer ehrlich ist, der weiß aber, er trifft immer auch die Menschen, die ihre Geschäfte mit diesen Automaten machen und die dort arbeiten und davon leben. Alles andere ist eine Lüge. Dass wir uns wechselseitig hinstellen und uns zum Vertreter der Betroffenen machen, indem die einen sagen: Ich mache die Steuer, die ist unbedenklich, aber die ordnungspolitische Maßnahme, die ist für euch ganz schlimm – und Sie umgekehrt sagen: Ich mache eine totale Einschränkung der Konzessionen und Zulassungen, das schadet den Beteiligten nicht, aber die Steuer die ist ganz schlimm – das ist meiner Ansicht nach eine völlig verdrehte und unehrliche Diskussion.

Beides ist meiner Ansicht nach nötig, das haben Sie selbst gesagt, Frau Bung. Wir brauchen eine Kombination aus steuerlichen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen. Natürlich ist das für die Betroffenen, da müssen wir ehrlich sein, nicht friktionsfrei und folgenlos, aber wir haben die Abwägung zu treffen, ob uns die Ziele, das Glücksspiel aus stadtentwicklungspolitischen Gründen einzuschränken und aus Gründen der Bekämpfung der Erscheinungen von Spielsucht, die wir gehäuft vor uns sehen, und mögli

cherweise auch aus dem Motiv – das Sie angesprochen haben – der Bekämpfung der Geldwäsche in der Abwägung nicht wichtiger ist. Bisher habe ich den Eindruck, die Antwort auf diese Frage, ich weiß nicht, ob auch bei der FDP, aber sonst bei allen anderen Fraktionen ist: ja. Da sind wir uns mal einig und sollten uns dann auch wechselseitig keine Vorwürfe machen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bung?

Ja, bitte!

Herr Esser! Sie sind Haushaltspolitiker! Wie erklären Sie sich denn die Äußerung von Herrn Nußbaum, dass Sie einerseits die Spielhallen zurückdrängen wollen, andererseits aber 9 Millionen Euro mehr durch die Erhöhung der Vergnügungsteuer einnehmen wollen? Ist das nicht ein wenig unehrlich?

Kann sein.

[Gelächter bei der Linksfraktion]

Ich bin ja nicht im Kopf von Herrn Nußbaum. Und ich sage auch, die Finanzverwaltung war gestern nicht so aufgestellt, dass sie uns diese 9 Millionen Euro genau herleiten konnte, die eine Resultante aus zwei Bewegungen sind, nämlich einerseits rein rechnerisch der Steuererhöhungen und, der entgegenwirkend, einer irgendwie zu bewertenden Lenkungswirkung. Das Resultat dieser beiden Bewegungen ist dann das, was man an Mehreinnahmen bei den Steuern hat. Das muss kein Widerspruch sein.

[Frank Zimmermann (SPD): Sehr gut!]