Stefan Zackenfels

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Last Statements

Danke, Herr Präsident! – Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Einrichtung zum Beispiel eines Tourismusfonds zur Abfederung und für Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit hoch frequentierten Innenstadtbereichen, wie dies der stellvertretende Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Herr Dr. Beckers vorschlägt, positiv gegenüberstehen könnten?
Danke schön! – Ich frage die für Tierschutz zuständige Senatorin Lompscher: Gibt es Maßnahmen, konkret, mit denen der Senat die Trauerarbeit der Katze Muschi nach dem Tod des kranken Mäuschen unterstützt?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der Spielhallen in Berlin explodiert. In den letzten vier Jahren hat sich die Anzahl der Geräte von 5 800 auf 10 000 nahezu verdoppelt. Deswegen sagen wir in der SPD-Fraktion: So geht das nicht weiter.
Zugleich sagen wir von dem Gesetz, das wir heute in erster Lesung behandeln, dass es sich um ein gutes Gesetz handelt. Sehr verehrte Frau Bung! Ausdrücklich: Es handelt sich um ein gutes Gesetz, und zwar aus folgenden Gründen:
Zum einen ist es ein erster Schritt im Rahmen einer Gesamtkonzeption, die ich Ihnen gern im Anschluss noch einmal kurz erläutern werde. Zum Zweiten kommt in diesem Gesetz im Ergebnis heraus, dass wir die Suchtgefährdung eindämmen werden. Und schließlich – da sagt der finanzpolitische Sprecher natürlich nicht nein, aber das ist nur ein Nebeneffekt – sind wir über insgesamt 25 Millionen Euro mehr nicht unglücklich. Aber – noch einmal ausdrücklich – das ist nicht das Motiv für dieses Gesetz. Werte Frau Bung! Deswegen sind Sie mit Ihrer Kritik diesbezüglich auch ins Leere gelaufen. Das wesentliche Motiv ist die Eindämmung der Spielsucht.
Ihre Kritik, die Sie zumindest gestern im Hauptausschuss vorzutragen versucht haben, wonach es zu einem Kneipensterben kommen werde, ist ebenfalls nicht richtig. Denn das Automatengeschäft gehört nicht zum Kerngeschäft des Kneipiers, und auch die kenntnisreichen Abgeordneten Ihrer eigenen Fraktion haben gestern klar herausgearbeitet, dass es natürlich nicht darum geht, die kleine Eckkneipe infrage zu stellen. Dieses geschieht auch nicht durch dieses Gesetz.
Es ist aber notwendig – und da bewegen wir uns durchaus auch in einem europäischen Rahmen –, dass wir uns dieses Thema Eindämmung noch einmal vergegenwärtigen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinen verschiedensten Urteilen – zuletzt am 8. September 2010 – die Suchtgefährdung durch Automatenspiele ausdrücklich hervorgehoben und auch die öffentlichen Bereiche aufgefordert, diesbezüglich tätig zu werden.
Wir sehen uns des Weiteren durch ein Urteil von gestern Abend bestätigt. Nach diesem Urteil aus Leipzig wird auch der ordnungspolitische Rahmen für Glücksspiel – zwischen privatem und öffentlichem Bereich – neu zu definieren sein. Aber dieses Urteil enthält ganz klar die Aussage, dass das staatliche Monopol überhaupt nur bei einer konsistenten Bekämpfung von Suchtgefahr zu vertreten ist. Die Bekämpfung von Suchtgefahr ist ein wesentlicher Aspekt, und dieses Gesetz mit seinen steuerlichen Auswirkungen ist ein Baustein auf diesem Weg der Bekämpfung der Suchtgefahr.
Aber natürlich glaube ich das. Und wenn Sie mit Fachleuten reden, dann werden die Ihnen das bestätigen, werter Herr Goetze! Dass Sie darüber nicht Bescheid wissen, kann ich das nicht ändern.
Das Zweite ist, dass wir mit diesem Gesetz – und deswegen reden wir von Gesamtkonzeption – natürlich da nicht anhalten wollen, sondern wir müssen noch zwei weitere wesentliche Schritte gehen. Der eine Schritt betrifft die Baunutzungsverordnung. Auch damit muss man sich auseinandersetzen. Es muss eine Bundesratsinitiative geben, damit im Stadtbild die Möglichkeit gegeben wird, durch die Baunutzungsverordnung diese Spielhallen dorthin zu platzieren, wo man möchte. Und wir tragen uns mit dem Gedanken, ein Spielhallengesetz auf den Weg zu bringen, welches z. B. auch eine Begrenzung nach Stadtquartieren vorsehen könnte. Auch damit tragen wir letztendlich dazu bei, dass sowohl die Anzahl als auch die Wirtschaftlichkeit bzw. Rentabilität dieses Angebots an die Menschen abnimmt, und wir tragen im Ergebnis dazu bei, dass die Menschen, die süchtig sind, keine Möglichkeit mehr haben, ohne Weiteres dieser Sucht nachzugehen.
Zum Schluss möchte ich noch etwas anderes loswerden – im Zusammenhang mit den Konzessionsinhabern der Spielbanken, an die ich gern auch von dieser Stelle aus noch einmal eine Warnung richten möchte. Wir haben im Februar 2010 das Spielbankengesetz geändert und haben einen wirtschaftlichen Vorteil zugunsten der Betreiber – ganz viele gemeinsam hier im Haus – mit verabschiedet. Ich würde es nicht goutieren, wenn dieser Vorteil nun
missbraucht wird, um 35 Arbeitsplätze im klassischen Spiel infrage zu stellen, wie man das teilweise jetzt mitbekommen hat. In diese Sache muss ebenfalls Bewegung kommen. – Ansonsten bedanke ich mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Meyer! Was die Schuldenbremse betrifft, muss ich Ihnen direkt antworten. Ich bin nie ein Anhänger dieses Tanzes um das goldene Kalb gewesen. Ich stelle aber fest, dass am Ende des Tages gerade Ihre Bundesregierung, die schwarz-gelbe, die erste gewesen ist, die diese Schuldenbremse infrage gestellt hat. Ich erinnere da an die Milliardenlöcher, die in Sonderfonds untergebracht werden sollten am Anfang dieser Legislaturperiode, um nicht in Konflikt mit der neuen Schuldenbremse zu kommen. Ich finde, dass Sie für jemanden, der am Ende des Tages auf der Bundesebene in einer Koalition verhaftet ist, die im Moment – wir sagen es mal vorsichtig – relativ
plan- und kopflos in finanzpolitischen Angelegenheiten agiert, hier gerade den Mund sehr voll genommen haben.
Es ist – das wird auch aus der mittelfristigen Finanzplanung relativ deutlich – kein verlorenes Jahr, das Jahr 2011, wie die Opposition es hier darzustellen versucht. Das ist es deswegen nicht, weil wir zum einen natürlich einen Haushalt haben; wir haben einen Doppelhaushalt 2010/2011. In dem können Sie nachlesen, was konkret im Jahr 2011 geplant ist bzw. wo was umgesetzt werden wird. Und deswegen gehe ich ganz gelassen mit diesem Vorwurf um. Ich finde, dass wir in den verschiedenen strukturellen Entscheidungen, die anstehen, ob das das Fallkostencontrolling im Transferbereich ist, ob das überhaupt die Systeme im HzE-Bereich sind, ob das entsprechend die Schulstrukturreform ist, die am Ende des Tages auch dazu dient, die Kosten zu reduzieren im Bereich der Bildung, ob das andere Dinge sind – ich glaube, wir brauchen uns nicht zu verstecken, auch was Verwaltungs- und andere Reformen betrifft. 2011 wird ein sehr gutes, ein sehr solides und handwerklich sauberes Jahr. Ihr Vorwurf läuft da definitiv ins Leere, Herr Meyer.
Das Zweite: Sie haben gestern – das haben Sie heute nicht wiederholt, aber ich hatte gestern schon den einen oder anderen Moment, wo ich dachte, vielleicht hat er doch recht, der gute Herr Meyer – im Hauptausschuss probiert darzustellen oder zu behaupten, dass das Land Berlin anders als andere Bundesländer 2011 nicht so rigoros herangehen würde, wie Sie es für notwendig erachten. Sie hatten Schleswig-Holstein genannt. Ich darf den werten Damen und Herren hier im Haus noch mal in Erinnerung rufen: Schleswig-Holstein ist dieses Land im Norden, das von einem Ministerpräsidenten auf Abruf regiert wird, der gerade ein Verfassungsgerichtsurteil einkassiert hat, das ihm deutlich macht, dass seine Interpretation des Wahlgesetzes mehr als fragwürdig ist. Aber das ist Ihr Beispiel, das Sie gestern uns als Vorbild präsentieren wollten. Und da dachte ich, Mensch, vielleicht ist es wirklich so, dass Schleswig-Holstein besser ist als wir; kann ja sein. Man guckt mal, was die anderen machen. Ich habe mir deshalb noch mal rausgeholt, was dort an strukturellen Einsparungen 2011 oder jetzt vorgesehen ist. Die Zahl, die ich gefunden habe, lautet: Bis 2020 sollen 5 300 Stellen im Landesdienst abgebaut werden. 5 300, stellen Sie sich das mal vor, innerhalb von 10 Jahren. Haben Sie noch in Erinnerung, wie viel wir hier in Berlin geschafft haben? Guter Herr Meyer, ist Ihnen das klar, 5 300 Stellen, wo wir im Land Berlin in den letzten Jahren 35 000 Stellen abgebaut haben?
Und dann stellen Sie sich hin, gestern im Hauptausschuss, heute haben Sie es zum Glück nicht getan, und sagen: Das ist das Vorbild, nach dem wir uns richten sollen. – Ich glaube, dass Sie den Kompass verloren haben. Ich glaube, dass Sie nicht wissen, was tatsächlich Konsolidieren bedeutet. Ihr Hinweis auf Schleswig-Holstein macht das deutlich.
Am Ende des Tages führt kein Weg vorbei an der Feststellung – und das ist wirklich das Wichtige an der Debatte –, dass wir die Haushalte sowohl in Berlin, aber auch in anderen Bundesländern nicht nur über die Ausgabenseite werden sanieren können, werter Herr Meyer. Sie können noch so sehr einsparen, Sie können noch so sehr probieren, Effizienzreserven zu heben – am Ende des Tages müssen wir über die Einnahmesituation reden. Und da kommen wir nicht umhin, uns auch mit dem Bund auseinanderzusetzen. Und da sage ich Ihnen einmal: Bisher ist der Bund dort kein verlässlicher, um nicht zu sagen, ein sehr unverlässlicher Partner gewesen für die Kommunen und Gemeinden. Und deswegen haben Sie auch einen schweren Stand, wenn Sie uns verkaufen wollen, dass Sie etwas Gutes für Berlin machen wollten. Ob das das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gewesen ist – Sie wissen, das war die Sache mit den Hoteliers, nicht wahr – oder andere Gesetze: Sie agieren nachweislich inklusive des in dieser Woche zu beratenden Haushaltsbegleitgesetzes 2011 zum Schaden der Städte und Gemeinden in unverantwortlicher Weise, angefangen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz über die Diskussion der Gewerbesteuer und der Gemeindefinanzreform bis zu dem heute zu erörternden Haushaltsbegleitgesetz 2011. Sie sind diejenigen – das sage ich jetzt wirklich ernst –, die im Begriff sind, die Totengräber der kommunalen und der städtischen Gestaltungsspielräume in der Bundesrepublik Deutschland zu werden.
Diesem ernsthaften Vorwurf haben Sie sich bisher noch kein einziges Mal gestellt und heute erst recht nicht. Das ist wirklich eine vertane Chance. – Herzlichen Dank!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Anträge, die wir Ihnen heute vorlegen, bilden ein inhaltliches Paket, das wir gerne mit „Rettungsschirm für die Kommunen“ überschreiben.
Das Verhalten von Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren von der bürgerlichen Opposition, ist in gewisser Weise ein Lackmustest. Ich stellen Ihnen auch dar, warum das so ist: Sie müssen im Rahmen der Beratungen abwägen, ob Sie sich aus parteipolitischem Kalkül von den Anträgen distanzieren oder die Interessen von Berlin als Ganzes in den Vordergrund stellen wollen. Ich glaube, Sie müssen zu der Überzeugung gelangen, dass Sie den Anträgen zustimmen müssen.
Fakt ist, dass der kommunale Finanzierungssaldo im Jahr 2009 mit einem Defizit von 4,5 Milliarden Euro abgeschlossen hat, nachdem er im Vergleich zu 2008 um 12 Milliarden Euro abgesackt ist. Fakt ist auch, dass die Kassenkredite der Kommunen 2009 auf eine Rekordhöhe von 35 Milliarden Euro gestiegen sind und dass der kommunale Anteil an der Nichterstattung bei den Kosten der Unterkunft um 27 Prozent auf 11 Milliarden Euro angewachsen ist. Diese Fakten sind auch in den Reihen der schwarz-gelben Koalition unbestritten.
Gleichzeitig ist die Kommune aber der Garant der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Kommune – ob in der Fläche oder den Stadtstaaten – muss für einen ÖPNV sorgen, der bezahlbar ist. Sie muss dafür sorgen, dass Kultur bezahlbar bleibt, dass der Jugend- und Sportbereich finanziert werden. Und die Kommune ist es auch, die ab dem Jahr 2013 den gesetzlichen Betreuungsanspruch der unter Dreijährigen mit einem Volumen von ca. 700 Millionen Euro jährlich finanzieren muss.
Gleichzeitig stellen wir aber anhand der ersten Zahlen fest, dass es eine strukturelle Unterfinanzierung gibt. An dieser Feststellung führt kein Weg vorbei. Da halte ich es für besonders schäbig – das möchte ich Ihnen am Beispiel der Gewerbesteuer noch einmal darstellen –, dass die Damen und Herren von der CDU heute – nach der Wahl – offensichtlich etwas ganz anders tun als das, was sie vor der Wahl versprochen haben. Die CDU – in Person der Kanzlerin – hat im Mai 2009 gesagt, die Gewerbesteuer solle unangetastet bleiben. Sie hat dann im Koalitionsvertrag die Gemeindefinanzreform eingerichtet und hat sich darin nunmehr mehr oder weniger für ein Prüfmodell ausgesprochen, dessen erste Textziffer folgendermaßen lautet: Das Gewerbesteuergesetz wird aufgehoben. Sie können sicher sein, dass ich meinen Kollegen im Bundestag bei entsprechenden Änderungen der Gewerbesteuer vorschlagen würde, einen sogenannten Lügenausschuss zur Untersuchung eines möglichen Wahlbetrugs seitens der CDU einzurichten.
Im Rahmen der Beratung der vorliegenden Anträge fordere ich Sie auf: Stehen Sie zu Artikel 28 unseres Grundgesetzes, der die kommunale Selbstverwaltung schützt, der den notwendigen engen Bezug zwischen Wirtschaft und Kommune im Bereich der Gewerbesteuer zum Ausdruck bringt! Haben Sie zumindest in diesem Bereich noch Respekt vor der Verfassung, wenn Sie ihn schon in der Energiepolitik nicht mehr haben!
Die Ihnen vorliegenden Anträge sind unser Beitrag zur Rückkehr zu einer seriösen, bundesweiten Haushalts- und Finanzpolitik, insofern wir das auf Landesebene überhaupt machen können. Sie sind vor allen Dingen ein Appell und die Bitte, sich im Rahmen der bundespolitischen Debatte seriös zu verhalten. Ich wiederhole noch einmal: Sie sind für Sie, meine Damen und Herren von der bürgerlichen Mehrheit, der Lackmustest. Entscheiden Sie sich für Ihre Koalition auf Bundesebene oder für die Interessen des Landes Berlin? Ich hoffe, Sie entscheiden sich für Berlin. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Henkel! Ich finde, für eine Partei, deren Vorsitzende Wortbruch begeht, haben Sie heute den Mund sehr voll genommen. Das muss ich Ihnen mal sagen.
Ihre Parteivorsitzende ist eine Kanzlerin des Wortbruchs. In ihrer Rede hier in Berlin auf dem Deutschen Kommunalkongress am 26. Mai hat sie gesagt – ich zitiere:
Ich habe auf dem Deutschen Städtetag eine Zusage gemacht, die wir auch halten werden: Die Gewerbesteuer bleibt unangetastet. Daran werden wir in keiner Weise rütteln.
Was ist passiert? – Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz reduziert die Zurechnung der Mieten und Pachten von 65 auf 50 Prozent, mindert damit die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und ist nichts weniger als ein – ich zitiere Christian Ude – „Anschlag auf die kommunale Investitionskraft“. Angela Merkel beginnt diese Legislatur mit gebrochenen Wahlversprechen.
Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat einen Preis, und das sieht man an diesem Haushalt. Zwischen der Steuerschätzung Mai 2008 und der im Mai 2009 belaufen sich die Ausfälle für alle Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Deutschland zusammen auf knapp 100 Milliarden Euro. Für Berlin bedeutet das rund 2,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr in 2010 und 2011.
Es gibt natürlich Parallelen im Ausgabenanstieg, weil es den Menschen in diesen Zeiten schlechter geht: Kosten der Unterkunft konjunkturbedingt 50 Millionen Euro in zwei Jahren! Kosten der Unterkunft bundesgesetzlich bedingt durch die Herabsetzung des Zuschusses des Bundes 33 Millionen Euro pro Jahr! Bürgschaftsausfälle bei
der gewerblichen Wirtschaft 12 Millionen Euro pro Jahr! Und bei den Zinsausgaben ein Mehr von 200 Millionen Euro in diesem Zweijahreszeitraum! – Das alles zusammen ergibt die 5,5 Milliarden-Nettokreditaufnahme, von der wir heute reden.
Deswegen lautet die erste Frage, der wir uns fairerweise stellen müssen: Gibt es nennenswerte Stellschrauben? – Dazu vergegenwärtigen wir uns noch mal die Position von Bündnis 90/Die Grünen in diesen Haushaltsberatungen, die bekanntermaßen und anerkennenswerterweise auch die Seriösesten gewesen sind: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagt uns, es könnten 200 Millionen Euro eingespart werden. Das würde bedeuten: 10 Prozent! Aber das Erste, was sie dann täten – das ist uns aus den vergangenen Jahren bekannt –, wäre, uns vorzuwerfen, wir hätten Risiken ungeahnten Ausmaßes. Das haben Sie uns in den vergangenen Jahren immer vorgehalten.
Die redliche Antwort auf die Frage nach den Stellschrauben lautet also: „Nein, es gibt keine Stellschrauben!“ bzw. „Nein, wir sind nicht bereit, an diesen zu drehen!“ – Als Beispiel sei hier die Situation im öffentlichen Dienst angeführt. Zu den großen Ausgabeblöcken gehört der Bereich Personal, und jedes Prozent weniger Lohn bedeutet letztendlich 60 Millionen Euro weniger Ausgaben. Aber auch da haben wir immer wieder klar gesagt: Nach der Durststrecke der letzten Jahre kann es nicht so weitergehen. Es gibt mehr für die Menschen im öffentlichen Dienst. Die Tarifverhandlungen laufen, und wir sind bereit, das auch finanziell in diesem Haushalt zu unterstützen.
Die zweite Frage ist immer: Sind wir ein Einzelfall? – Ich finde, da beginnt das Grundsätzliche, das diesen Haushalt auszeichnet. Die Antwort heißt auch da: Nein, wir sind es nicht. – Der Regierende Bürgermeister hat noch einmal darauf hingewiesen: Wir reden hier von strukturellen Problemen, von Problemen, die die gesamte Bundesrepublik Deutschland hat und die wir dann auch als solche ansprechen müssen. Die Kassenkredite, der Dispositionskredit der öffentlichen Haushalte, sind im ersten Halbjahr auf 32,6 Milliarden Euro gestiegen. Das ist ein Rekord. Das entspricht einem Anteil von 41 Prozent an der Gesamtverschuldung der Kommunen. Der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben der Kommunen hat sich seit 1970 um zwei Drittel verringert, der Anteil der Sozialausgaben verfünffacht.
Die Situation der Länder ist nicht besser als die der Kommunen. Ich habe hier noch einmal die Eröffnungsbilanz des Landes Hessen. Wenn Sie darin nachsehen, werden Sie feststellen, dass der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag für das Land Hessen – das allgemein gerade von konservativer Seite als Erfolgsmodell propagiert wird – ganze 57 Milliarden und 900 Millionen Euro beträgt. Das ist die Bilanz, die auch in anderen Bundesländern im Moment vorgelegt wird. Der Rahmen der künftigen bundesdeutschen Finanz- und Haushaltspolitik steht und heißt Schuldenbremse. Innerhalb dieses Rah
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki
mens entscheidet sich auch, ob wir nachhaltig die öffentlichen Haushalte angehen, ob wir Generationengerechtigkeit oder Klientelpolitik betreiben. Da habe ich große Sorge, denn das Tricksen ist schon von der neuen schwarz-gelben Regierung probiert worden. Man vergisst das zu schnell in diesen Tagen der Mediendemokratie. Aber erinnern wir uns: Vor drei Wochen hatte diese Regierung Schwarz-Gelb vor, allen Ernstes einen Nachtragshaushalt zur Bildung eines Sonderfonds durchzuwinken. Das war nichts anderes als ein Schattenhaushalt, der nichts anderes ist, als die Flucht vor Haushaltswahrheit und -klarheit, und ich bin froh, dass kollektiv in der Bundesrepublik Deutschland der Aufschrei entstanden ist, denn das darf man ihnen nicht durchgehen lassen.
Ich will nun eine Meldung von 10.09 Uhr heute zitieren, und zwar den „Spiegel Online“, der in diesem Zusammenhang noch mal feststellt:
Der Bund plant 100 Milliarden Euro neue Schulden.
Und dann weitergeht:
Die schwarz-gelbe Finanzplanung gerät aus den Fugen.
Ihre Finanzplanung gerät aus den Fugen. Da kann ich doch mit Fug und Recht und mit Stolz feststellen: Eine solche Meldung hat es unter Rot-Rot in den letzten acht Jahren nie gegeben – niemals.
Was hätten Sie uns hier gehäutet, wenn es eine solche Meldung gegeben hätte! Sie sind verantwortlich dafür, dass die Dinge aus den Fugen geraten. Deswegen appelliere ich an Sie, und das tue ich jetzt leise und fast bittend: Die Einnahmen können wir nicht erhöhen. Das wissen Sie. Sicher ist auch, dass Sie und die FDP, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die eine oder andere Ausgabe kürzen würden. Sie würden sicherlich gemeinsam mit der FDP, wenn Sie denn hier an der Regierung wären, auch Wohnungsbaugesellschaften verkaufen. Aber Sie müssen einfach einsehen, dass das keine nachhaltigen Effekte mit sich bringt. In dieser Zeit, wo die Bodenplatte föderaler Finanzpolitik dabei ist, auseinanderzubrechen, brauchen wir vernünftige Stimmen. Ich appelliere an Sie, sich bei den anstehenden Lösegeldgesprächen der Kanzlerin am Sonntag mit Schleswig-Holstein in die Stimme der Vernunft einzureihen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz darf nicht durch den Bundesrat!
Noch nie hat es bei der Verabschiedung eines Gesetzes so viele persönliche Erklärungen gegeben wie bei der Abstimmung über dieses Gesetz am 4. Dezember im Deutschen Bundestag. Ich möchte Ihnen exemplarisch zwei davon zitieren. Die eine aus der FDP-Ecke, Christine Aschenberg, Sebastian Blumenthal, Jürgen Koppelin. Ich zitiere:
Das Land Schleswig-Holstein hat sich verpflichtet, einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu erreichen.
Die CDU-FDP-Landesregierung bekennt sich zu diesem Ziel, und wir wollen Sie dabei unterstützen.
Und jetzt hören Sie zu:
Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn durch Entscheidungen des Bundes nicht zusätzliche Belastungen für den Landeshaushalt eintreten.
Das ist O-Ton Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, und das sollten Sie sich zu Herzen nehmen.
Das zweite Zitat betrifft niemand Geringeres als Dr. Norbert Lammert, den Sie alle kennen, immerhin der Chef des Deutschen Bundestages. Ich zitiere:
Eine Wachstumsbeschleunigung ist von dieser Regelung nicht zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund sage ich noch einmal ernsthaft an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP: Ungeachtet dieses Haushaltes, von dem ich überzeugt bin, dass er solide ist, dass er richtige politische Schwerpunkte setzt, wie Michael Müller das herausgearbeitet hat; er findet diesen Mittelweg zwischen Investitionen und Ausgaben; dieser Haushalt schafft die finanzielle Grundlage für Strukturreformen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Ungeachtet also dieser landespolitischen Auseinandersetzungen: Werden Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst, und reihen Sie sich ein bei denjenigen, die sagen, dass mindestens 80 Prozent der Verantwortung in den kommenden Jahren bei Ihnen und der Bundespolitik liegt! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kern ist Ihres Anliegens, Herr Goetze, ist es, im Grunde genommen eine Aussprache zu erzwingen, wo gar keine Aussprache vorgesehen ist. Dem stellen wir uns jedoch gern. Ich sage dazu Folgendes: Zum Ersten skandalisieren Sie mit dieser Ernennung zu einer obersten Landesbehörde einen Sachverhalt, der sowohl in anderen Bundesländern als auch in Berlin die Regel ist.
In Bayern ist Rechnungshofpräsident Dr. FischerHeidelberger, in der bayerischen Staatskanzlei, persönlicher Referent des bayerischen Ministerpräsidenten, Büroleiter des Leiters der Staatskanzlei, Leiter der Abteilung Richtlinien der Politik, Leiter der Abteilung Wirtschaft, Wissenschaft, Verkehrspolitik und Amtschef des bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz gewesen.
In Schleswig-Holstein war der seit 2004 amtierende Landesrechnungshofpräsident, Dr. Altmann, von 2001 bis 2003 Staatssekretär im Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus. Auch in Berlin war Präsident Horst Grysczyk, Präsident in der
Zeit von 1992 bis 2000, seit 1977 in der Finanzverwaltung Abteilungsleiter, also integraler Bestandteil dessen, was er danach kontrollieren sollte und was er danach auch kontrolliert hat.
Sie tun dem Rechnungshof Unrecht, Herr Goetze. Das muss ich Ihnen einfach einmal so mitgeben. Ich bin nun schon seit einigen Jahren Mitglied im zuständigen Ausschuss und kann Ihnen versichern, dass die Direktoren des Rechnungshofs selbstbewusste, mit der richterlichen Unabhängigkeit ausgestattete Persönlichkeiten sind. Die Kollegen sind selbständig, Herr Goetze, und bleiben es auch.
Wenn man dem Rechnungshof mehr Rechte geben will, muss man anders, als es die beiden Gesetzesanträge vorsehen, die Sie hier zum Anlass genommen haben, weniger die Personalauswahl reformieren als vielmehr den Vollzug stärken. Ein Problem ist nämlich regelmäßig, dass selbst die von Regierungskoalitionen naturgemäß abgeschwächten Beschlussempfehlungen aus dem Haushaltskontrollausschuss seitens der Exekutive ignoriert werden. Dort liegt ein Problem, Herr Goetze, aber nicht in der Auswahl der Persönlichkeiten oder bei der Präsidentschaft.
Wer den Rechnungshof also stärken möchte, muss sich über Sanktionsmöglichkeiten und Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner bzw. unserer Forderungen gegenüber der Exekutive Gedanken machen. Das haben Sie zu keinem Zeitpunkt getan, geschweige denn, in den letzten Jahren. Daher halte ich auch, werte Kollegen der CDU, Ihren Gesetzesantrag zur Amtszeitbegrenzung für wenig zielführend. Es ist gerade die Ernennung auf Lebenszeit, die der Funktion der Präsidentschaft die materielle und ideelle Unabhängigkeit garantiert, die wiederum Grundlage für unbequeme Fragen, unbequeme Entscheidungen und unbequeme Auseinandersetzungen ist.
Das jedoch meines Erachtens gewichtigste Argument ist und bleibt die Person der Kandidatin selbst. Mit der Ernennung von starken Persönlichkeiten, die natürlich dann auch immer eine Lebens-, eine Meinungs-, eine Partei- und eine Wirkungsgeschichte haben, zu hohen Ämtern, gehen regelmäßig politische Auseinandersetzungen einher. Aber es ist unser aller Recht, als Menschen sowieso, aber ich finde auch als die einer Berufung zur Gestaltung öffentlichen Lebens nachgehenden Personen, auf der Grundlage ordentlicher Verfahren, neue Aufgaben in dieser Architektur öffentlicher Institutionen mit dem notwendigen Vertrauen beginnen zu dürfen. Das ist ein Recht, und das sollten wir nicht infrage stellen.
Nehmen Sie daher Abstand von Vorverurteilungen. Sie haben keine Hinweise – ich fordere Sie hier um der intellektuellen Redlichkeit halber nachdrücklich auf, dies nicht zu behaupten –, dass Frau Dunger-Löper den Eid, den sie auf die Verfassung leisten wird, nicht ernst nehmen könn
Uwe Goetze
könnte. Frau Dunger-Löper wird sich ganz sicher nicht in falschen Loyalitäten gegenüber Weggefährten ihrer bisherigen Arbeit verstricken.
Anders ist es da mit der Überlegung eines Vorschlagsrechts seitens des Parlaments. Hier gestehe ich Ihnen Gestaltungsmöglichkeiten zu. Das sollte dieses Haus ruhig einmal debattieren.
Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Mit der Wahl von Hella Dunger-Löper zur ersten Frau an der Spitze des Berliner Landesrechnungshofs verbindet meine Fraktion die Gewissheit einer unparteiischen, souveränen, selbstbestimmten Führung dieses Verfassungsorgans. Diese wiederum gewährleistet eine harte, sachliche Kontrolle der Exekutive. Und das genau ist es, was wir letztendlich alle in diesem Haus wollen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erörtern hier heute einen Krisenhaushalt. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Der Doppelhaushalt 2010/2011 umfasst nach aktuellen Stand ca. 21,9 Milliarden Euro an Ausgaben. Dem stehen rd. 13,2 Milliarden Euro Einnahmen aus Steuern gegenüber, 2 Milliarden Euro aus Bundesergänzungszuweisungen und 4 Milliarden Euro aus sonstigen Einnahmen. Bildet man die Differenz, hat man in jedem der beiden Jahre Schulden in Höhe von 2,7 Milliarden Euro. Damit hat man die Schwierigkeit Berlins vor Augen: rd. 5,5 Milliarden Euro mehr Schulden in zwei Jahren. Das macht bis Ende 2011 insgesamt 66 Milliarden Euro Schulden. Die Frage ist natürlich: Hatten wir eine Alternative? – Die Antwort wird Sie nicht verblüffen: Nein! Wir hatten sie nicht. Wir müssen sparen, wo es geht, dürfen nicht nachsparen, wo es sinnlos erscheint, und müssen Akzente setzen, wo wir es für richtig halten.
Im Bereich Sport hätte der Senat auf die Austragung der Frauenfußball-WM im Jahr 2011 verzichten und dadurch 1,4 Millionen Euro sparen können. Wir denken, der Senat hätte das nicht tun sollen. Es ist gut, dass die Frauenfußball WM von uns mitfinanziert wird.
Der Austausch und die Neubeschaffung von Dienst- und Schutzkleidung bei der Polizei und der Feuerwehr hätte ebenfalls infrage gestellt werden können. Stattdessen ist uns das zweimal 6,4 Millionen Euro wert. Wir von RotRot wollen das so, und das ist auch gut so.
Im Bereich der frühkindlichen Erziehung hätte der Senat in der Tat seine Zusage, das zweite und dritte Kitajahr beitragsfrei zu stellen, infrage stellen können. Stattdessen steht er zu seinem Wahlkampfversprechen und hat
97 Millionen Euro mehr – vom Jahr 2009 zum Jahr 2010 – und 18 Millionen Euro mehr – vom Jahr 2010 zum Jahr 2011 – vorgesehen. Der Haushalt spiegelt die Beitragsfreiheit, den erweiterten Rechtsanspruch und das Entgelt für Tagesmütter wider. Genauso wollen wir es auch.
Ich finde, werter Herr Goetze, dass man diesen Haushalt eigentlich nicht bar jedes Gedankens an die allgemeine Wirtschafts- und Finanzlage besprechen kann, wie Sie es eben getan haben. Da greifen Sie meines Erachtens zu kurz.
Wir müssen an dieser Stelle noch einmal ein wenig ausholen: Als Dr. Sarrazin im Jahr 2002 sagte, der Haushalt sei verfassungswidrig, wähnte sich der Rest der Republik noch weit überlegen. – Sie können sich vielleicht daran erinnern. – Ob Eichel, Hendricks, Oettinger und Stoiber, sie alle waren sich in der Einschätzung einig, Berlin sei an seinen Schulden selbst schuld. Das Ganze gipfelte in einem Urteil des Bruder des Ex-Senators Hassemer, der sich heute nicht zu schade ist, mit Ihnen von den Grünen schlaue Sprüche zur Lage der Stadt zu organisieren. Während Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition – das muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen –, uns wenig unterstützt haben – ich bin mit meiner Formulierung sehr freundlich – und sich bei reichen Ministerpräsidenten südlicher Bundesländer zum Frühstück eingefunden haben, um dann das lindnerische Dampfgeplauder abzulassen, haben wir von Rot-Rot in den letzten Jahren mit einer republikweiten Einmaligkeit die Arbeitszeiterhöhung für alle Landesbeamten auf 42 Wochenstunden, den Austritt aus den Arbeitgeberverbänden und den Solidarpakt mit den Gewerkschaften geschlossen. Wir haben die Anschlussförderung beendet, freiwillige Sozialleistungen wie das Blindengeld gekürzt, bezirkliche Vergleichsrechnungen als Instrument der Kontrolle eingeführt, Liegenschaften veräußert und Flächenmanagement auf die Tagesordnung gesetzt. Deswegen sind Ihre Vorwürfe, in den letzten Jahren seien keine Einsparbemühungen unternommen worden, objektiv nicht gerechtfertigt. Mag sein, Sie hätten mehr gemacht, wenn Sie an der Regierung gewesen wären, liebe Kollegen von der CDU, mag sein, man könnte mehr als Sarrazin sparen, aber bereits das Gemachte war ein Höllenritt, der seinesgleichen sucht.
Ich erkenne daher den Elan der Opposition an, von einer neuen Haushaltsnotlage zu sprechen. Der Punkt ist nur – und das ist paradoxerweise zugleich unsere Hoffnung –, dass wir in Berlin kein Einzelfall mehr sind. Ihre Feststellung ist das, was man im Amerikanischen einen „no brainer“ nennt. Dazu bedarf es wahrlich keines Hirns mehr. Inzwischen sagt die CDU-Bürgermeisterin von Frankfurt am Main, Kollegin Roth, in der Juni-Mitteilung des Deutschen Städtetages:
Die guten Jahre bis 2008 konnten die Haushaltsnöte vieler Städte nicht beseitigen. Auf die Dauer brauchen die Städte, im besonderen Maße finanz
schwache Städte, eine Finanzausstattung, mit der sie ihre Aufgaben bewältigen können. Dazu muss das kommunale Steuersystem weiterentwickelt werden sowie die zugesagte Entlastung bei den Sozialausgaben umgesetzt werden.
Recht hat die Bürgermeisterin von Frankfurt am Main.
Das Aufkommen der gewinnabhängigen Steuern wird weiter zurückgehen. Die Situation wird sich auch in den Jahren 2010 und 2011 nicht bessern. Der Mai-Monatsbericht der Deutschen Bundesbank ist dazu erfrischend deutlich:
Im kommenden Jahr wird sich die Lage der Staatsfinanzen weiterhin erheblich verschlechtern. Schulden und Defizitquote werden voraussichtlich nochmals stark steigen.
Natürlich sind dafür defiziterhöhende Maßnahmen wie die Konjunkturpakete mit verantwortlich. In unserem Fall – das sei an dieser Stelle betont – sind das 158 Millionen Euro bei einem Gesamtvolumen von 632 Millionen Euro. Das ist Geld, das direkt in die Stadt fließt. Allen, die unken, das Geld komme nicht an, sage ich: Lassen Sie diese Miesmacherei! – Wir setzen K II um, und zwar vollständig und schnell.
Natürlich spielt bei der Gesamtlage auch die Rekapitalisierung von Kreditinstituten wie der HSH Nordbank, der LBBW und der Bayerischen Landesbank mit hinein.
Deswegen überspringe ich diesen Teil der rot-roten Erfolgsstory der letzten Jahre. Am Ende können wir uns einer Tatsache nicht verschließen, und auch diese Tatsache finde ich in dem Bundesbankbericht sorgfältig herausgearbeitet. Ich zitiere:
Insgesamt tragen durch politische Entscheidungen verursachte Mehrausgaben erheblich zu dem starken Anstieg der Verschuldung bei.
Weiter heißt es:
Die prognostizierte Einnahmeentwicklung wird maßgeblich durch die politischen Entscheidungen zu Steuerentlastungen bestimmt.
Dann ist hier auch der Ort, an dem wir doch etwas Bundestagswahlkampf machen müssen, werte Damen und Herren von der Opposition. Schwarz-Gelb wäre für dieses Land ein Desaster. Das haben wir hier schwarz auf weiß. Für die Länder, für die Kommunen, für die Städte, für die Menschen. Hören Sie auf, den Menschen in diesem Land etwas vorzulügen! Das ist nicht die Zeit für Steuersenkungen. Sie reiten, werte Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU/CSU, die Gebietskörperschaften in den Ruin. Den Wählerinnen und Wählern muss man von dieser Stelle aus noch einmal sagen: Glauben Sie den Steuersenkungssirenen nicht!
Schauen wir uns noch einmal die Ausgabenseite an. Hierzu ein Zitat aus dem aktuellen Statusbericht Berlins:
Die Transferausgaben in Gänze, Kosten der Unterkunft, Hilfe zur Erziehung, Hilfe in besonderen Lebenslagen werden in unserem Land dieses Jahr prognostiziert 351 Millionen Euro über den Ansätzen liegen.
21 Millionen Euro Mehrausgaben allein für Kosten der Unterkunft! Jetzt suggerieren uns einige, das sei Ausfluss kommunalen Handelns, oder – wie Kollege Goetze es eben getan hat – das sei Ergebnis rot-roter Politik. Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus:
Die Städte haben aufgrund der Wirtschaftskrise und der steigenden Arbeitslosigkeit mit wachsenden Sozialausgaben zu kämpfen, mit zunehmender Tendenz ab dem zweiten Halbjahr 2009.
Der Deutsche Städtetag rechnet damit, dass die Kommunen im Jahr 2010 rund 1,7 Milliarden Euro mehr allein für die Unterkunftskosten werden zahlen müssen. Das ist die zweite Nachricht des Doppelhaushalts, die wir feststellen. Wir sind in Berlin kein Einzelfall mehr. Wir können uns letztendlich auch nur in einem gemeinschaftlichen Versuch mit der Bundesebene im Rahmen der nächsten vier Jahre dahin gehend stark machen, dass wir, was die Steuern betrifft, tatsächlich besser ausgestattet werden. Wir wissen sehr genau, was auf uns zukommt. Das unterscheidet uns ganz wesentlich von Ihnen, Kollege Goetze.
Ich komme jetzt zu einem sehr schwierigen Feld, und zwar den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, deren Vergütung mit 6,5 Milliarden Euro im Jahr natürlich einen riesigen Batzen im Haushalt ausmacht. Ich zitiere erneut eine Einschätzung zum Ende des Kitastreiks und der Vereinbarung mit den Gewerkschaften aus der „Mitteilung des Deutschen Städtetages“:
Die Vereinbarungen für die davon betroffenen rund 220 000 Beschäftigten in kommunalen Kindertagesstätten und Sozialeinrichtungen werden in vielen Städten neue Haushaltslöcher reißen. Besonders einschneidend ist dies für Städte, die bereits mit hohen Defiziten zu kämpfen haben.
Diese Feststellung können wir eins zu eins für Berlin übernehmen. Ja, es wird zu einer Erhöhung der Vergütung im öffentlichen Dienst auch in Berlin kommen, kommen müssen! Alles andere ist Augenwischerei. Aber genau diese eben zitierte Feststellung, dass wir damit neue Haushaltslöcher reißen, trifft auch uns in Berlin. Deswegen, nicht weil wir ihre Arbeit nicht schätzten, hat der Regierende Bürgermeister in dieser Frage eine klare Haltung an den Tag gelegt. Der Haushalt sieht das Auslaufen des Anwendungstarifvertrages vor. Rund 150 Millionen Euro mehr – natürlich ist das Verhandlungsgrundlage, mehr nicht –, Rücknahme der vertraglich vereinbarten Opfer. Aber es ist auch Ausdruck der Sorge, dass sich letztendlich alles mehr und weiter wegbewegt von einer
Situation, in der wir nur das ausgeben, was wir einnehmen.
Deswegen appelliere ich von dieser Stelle aus zu Beginn der Haushaltsberatungen an beide Tarifparteien, sich zu bewegen, und das im Sinn einer vernünftigen Einigung, im Sinn der Stadt. Sonst – glaube ich – stehen wir schlecht da. Planungssicherheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber hoher Preis für kommende Generationen ist das eine Szenario. Innere Emigration, aber ausgeglichene Finanzen ist das andere Szenario. Ich glaube, es ist Konsens, dass es hier irgendwo einen Mittelweg geben muss.
Ich gebe zu, es wird die Herausforderung sein, in den kommenden Haushaltsberatungen deutlich zu machen, dass wir an einer Politik des Mitnehmens festhalten. Nicht Kunst gegen Feuerwehr, Richter oder Richterinnen gegen Erzieherinnen oder Erzieher, Bezirke gegen Land. Gerade die Bezirke zeigen, dass es sich gut anlässt, die Akteure dieser Stadt nicht im Regen stehen zu lassen. Eine Erhöhung der Zuweisung bei HzE auf 360 Millionen Euro im Jahr 2010, ein Ist-Ansatz 2011, der wahrscheinlich noch höher sein wird, eine 50-prozentige Abfederung, keine Mindestveranschlagung im Bauunterhalt – das ist doch nicht nichts, das kann man nicht leugnen, das kann man nicht wegdiskutieren, Herr Goetze!
Trotzdem haben Sie recht, denn es gilt auch hier das strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt das Plenum so, wie es hereingekommen ist. – In den Beratungen haben wir sicherlich noch einige Fragen zu klären. Es kann nicht sein, dass wir den Bereich „Kampf gegen Rechtsextremismus“ nicht gebührend ausstatten. Es kann auch nicht sein, dass wir nicht alles tun, um die Schulstrukturreform finanziell auf guten Grund zu packen. Wir erwarten vom Senat – idealerweise bis zum Ende unserer Beratungen – eine hoffentlich baldige Grundsatzentscheidung zur Zukunft es Bettenhochhauses der Charité und der Krankenversorgung im Land Berlin.
Damit lande ich bei der mittelfristigen Finanzplanung. Die mittelfristige Finanzplanung spiegelt die in der Föderalismuskommission II vereinbarten Haushaltsregelungen wider. Es steht auch so dort. Ich zitiere:
Die rot gestrichelte Linie verbindet die Ausgaben des Jahres 2011 mit den Einnahmen des Jahres 2020, wie sie sich aus der vorangehenden Einnahmenprojektion ergeben.
Ich weiß, Kollege Esser wünscht sich mehr Inhalt, mehr gemeinsame Erörterung dieses Konsolidierungspfades. Aber lassen Sie mich für einen Moment die Beschreibung des angestrebten Mechanismus der Schuldenbremse wie sie im Bericht der Deutschen Bundesbank steht, auf der Zunge zergehen lassen. Ich zitiere:
Um zu vermeiden, dass die Regelgrenze im Haushaltsvollzug systematisch überschritten wird, werden Differenzen zwischen den Ist-Werten und der Schuldengrenze auf einem Kontrollkonto erfasst.
… Übersteigen die dort auflaufenden Schulden einen Schwellenwert von 1 Prozent BIP, so sind sie konjunkturgerecht abzubauen. Mit der neuen Regelung kommt der Schätzung der konjunkturbereinigten Haushaltslage eine wichtige Rolle zu. Diesbezüglich besteht jedoch eine beträchtliche Unsicherheit.
Einen Vorgeschmack dessen, was uns in den kommenden Jahren erwartet, werden Sie, Kollege Esser, uns – das vermute ich – gleich liefern. Natürlich werden wir uns in den kommenden Jahren finanzpolitisch regelmäßig und trefflich streiten können über das, was nun Trendwachstum ist, über das, was der konjunkturbereinigte Haushalt sein könnte oder sein sollte – die ersten Hinweise darauf haben Sie ja schon versucht in der Sitzung des Hauptausschusses zu geben – und Fragen wie: Wie berechne ich das BIP zum Zweck der Schuldenbremse? Das alles wird lange Diskussionen auslösen.
Am Ende des Tages aber glaube ich nicht an die Durchschlagsfähigkeit eines abstrakten Regelwerks, wie es das Schuldenverbot 2020 ist. Allenfalls glaube ich an einen ausgabedämpfenden Charakter. Das mag man zubilligen. Einen reformatorischen Ansatz, geschweige denn einen revolutionären hat die Föderalismuskommission nicht gestemmt. Was mich betrifft, so prognostiziere ich der Schuldenbremse im Übrigen auch eine eher beschränkte Lebensdauer.
Ich habe mir aber – und das zum Schluss – auch die Frage gestellt, wie geht es grundsätzlich weiter. Historisch gibt es dazu eigentlich zwei Wege. Diese beiden Wege will ich kurz skizzieren.
Es gibt die aggressive, prozyklische Politik. Das ist zum Teil das, was wir vorhin vom Kollegen Goetze gehört haben: Senkung von staatlichen Leistungen, Erhöhung von Steuern in Richtung einer harten Konsolidierung. – In Deutschland – Sie wissen oder ahnen es – verbindet man diese Politik mit der Person des ehemaligen Reichskanzlers Brüning. Schaut man in die USA – zu Anfang der 90er-Jahre –, erkennt man das andere Modell: monetär eine Phase von Niedrigzinsen, fiskalpolitisch ein Sparprogramm. – Das ist die sogenannte Triangulation von Präsident Clinton, ein gelungener Policy-Mix aus Konsolidierung und notwendigen Maßnahmen für den Erhalt des sozialen Netzes. Im Ergebnis gelang Clinton zu Beginn seiner zweiten Amtszeit mit dieser Vorgehensweise des Balanced Budget Act ein Rahmenabkommen zur Beseitigung des Defizits. Und genau das ist es, was wir hier brauchen. Genau das: Einen präsenten Staat für die Schwachen, einen starken Staat gegenüber den Starken! – Und das ist es, was dieser Haushalt entsprechend ausweist. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 2009 ist ja nun ein Jahr – das muss man als Finanzpolitiker einfach mal feststellen –, das eigentlich unglaublich spannend ist. Wir haben zum einen die Frage der Konjunkturpakete, die umgesetzt werden müssen und die verabschiedet worden sind. Wir haben die Nachtragshaushalte, konkret ist dieser schon der zweite in diesem Jahr. Und wir haben eine Reihe von grundsätzlichen Fragen, die dieses Jahr geklärt werden: Schuldenbremse, Umgang mit Föderalismus II und so weiter und so fort.
Dabei ist das, was uns heute hier beschäftigt, der zweite Nachtragshaushalt für das Jahr 2009, in Berlin eigentlich ein sehr unspektakuläres Thema – das muss man fairerweise sagen, Kollege Goetze. Ich glaube, das haben auch die sachlichen und – wie ich finde – sehr guten Debatten zwischen I. und II. Lesung gezeigt. Dieser Nachtragshaushalt ist im Wesentlichen nichts anderes als eine Folge der Steuerschätzung. Das hatten Sie bereits angesprochen. Infolge der Steuerschätzung des Mai, 480 Millionen weniger Einnahmen, musste reagiert werden. Das ist erfolgt. Da schenke ich Ihnen auch die Diskussion, die wir teilweise, wie ich finde, relativ kleinlich geführt haben und die Sie zum Glück heute nicht noch einmal aufgeführt haben, wie die Frage des Sicherheitsabschlags – ja oder nein –, die Höhe der Einnahmeerwartung des Liegenschaftsfonds etc. Im Kern – ich glaube, das ist das, was heute zählt bei der Verabschiedung dieses Haushalts, der II. Lesung – ist dieser Nachtragshaushalt ein sauberer, ein ordentlicher und vor allen Dingen ein ehrlicher Umgang mit den Finanzen des Landes Berlin.
Ich will aber die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und habe das in der Vorbereitung meiner Rede schon vermutet, dass auch Sie das nicht tun würden, auf einige der aktuellen Debatten kurz einzugehen. Ich finde, dass wichtig ist, noch mal aus unserer Perspektive herauszuarbeiten, dass wir es auch mittelfristig nicht versäumen, den Kurs zu halten. Das Problem ist letztendlich, in den kommenden Monaten und Jahren diesen Weg zu finden einerseits zwischen den Impulsen für Konjunktur, die wir benötigen, und der notwendigen Konsolidierung und Infragestellung von Strukturen andererseits. Das tun wir, und das tun wir auch in diesem Doppelpack, dass wir sagen: einerseits nicht nachsparen zu wollen und andererseits doch strukturelle Änderungen angehen zu wollen; nicht nachsparen wollen im Bereich Hilfe zur Erziehung zum Beispiel, bei dem Kompromiss, den Dr. Nußbaum mit den Bezirken gefunden hat; nicht nachsparen auch bei der Charité mit dieser absurden Debatte gestern – ich glaube, das war von den Grünen Lisa Paus oder wer auch immer, die dort behauptete, man wolle der Charité Geld entziehen, oder ich weiß nicht, ob das die FDP war –, auf jeden Fall so oder so absurd; aber andererseits auch dem
Uwe Goetze
Anspruch, strukturelle Änderungen auch in schwierigen Zeiten anzugehen.
Das kann ich Ihnen aufzählen. Strukturelle Änderungen z. B. im Bereich Schulstrukturreform, der Einführung entsprechend neuer Schultypen, auch der Investition, die dazu nötig ist – in Mensen und so weiter; aber strukturelle Änderungen auch im Bereich Controlling des Transferbereichs. Der Kompromiss mit den Bezirken sieht eine Reihe von neuen Controllinginstrumenten vor, die dazu beitragen sollen, diesen Bereich unter Kontrolle zu bekommen. Und strukturelle Änderungen – das sage ich an dieser Stelle auch noch mal ausdrücklich – auch für Anstalten öffentlichen Rechts oder Beteiligungen des Landes Berlin wie auch der Charité, weil ich glaube, dass die Auseinandersetzung mit der Schwierigkeit betriebswirtschaftlichen Handelns und dem Spannungsverhältnis, dennoch gute Leistungen zu erbringen und Forschung ordentlich durch- und auszufinanzieren, eine strukturelle Thematik ist, der sich die Charité stellen muss. Insofern, glaube ich, ist die Debatte der letzten Tage und Wochen sinnvoll gewesen.
Ich möchte aber zum Schluss noch mal auf etwas hinweisen, das Sie ein bisschen angedeutet haben, Kollege Goetze, was aber auch nicht zu verkennen ist. Ich glaube, dass wir das bei allem Bemühen letztendlich nicht mehr ohne Weiteres alleine werden schaffen können. Ich fand einen Artikel im Impuls-Newsletter der Böckler-Stiftung vor Kurzem sehr interessant, der – wie ich fand – sehr gut herausgearbeitet hat, dass die Kommunen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland, die Körperschaften, denen viele vorstehen, finanziell im Begriff sind, in schwieriges Fahrwasser zu geraten und finanziell auszubluten. Damit komme ich zu dem, was ich eingangs sagte: Dieses Jahr ist nicht nur das Jahr des – ich will fast sagen – kleinteiligen Nachverabschiedens von Gesetzestexten wie diesem Nachtragshaushalt, sondern es sind auch die Themen Schuldenbremse, Steuer und Steuersenkung oder Nichtsenkung, denen wir uns stellen müssen. Da begrüße ich ausdrücklich noch mal das, was wir heute in der Zeitung lesen konnten, was Dr. Nußbaum dort zum Ausdruck gebracht hat, dass dieses strukturelle, schwierige Fahrwasser, in dem Kommunen, Länder, Städte sich befinden, nicht mehr ohne Weiteres zu bewältigen sein wird, wenn man weiterhin nach wie vor Steuersenkungsdebatten, eine nach der anderen, lostritt.
Deswegen finde ich zusammenfassend: Was das Land Berlin, was diese Koalition, was Finanzpolitik im Land Berlin betrifft, kann man ohne Weiteres feststellen, schon nach diesem kurzen Überblick, dass wir in den Kernfragen, die vor uns stehen, in den kommenden Jahren auf allen Ebenen, ob Bund, ob Land, ob Kommune bzw. Bezirk, alle Zuversicht haben können, dass wir uns in gutem Kurs bewegen. – Herzlichen Dank!
Herr Kollege Meyer! Würden Sie die Zeit noch kurz nutzen, und in Eckpunkten darstellen, wie der Plan der FDP aussieht, um 60 Milliarden Euro Schulden in den kommenden Jahren abzubauen? – Ich bin gespannt auf Ihre Darstellung!
Herr Meyer möchte nur das letzte Wort haben.
Herr Meyer! Es kann – und das hat Herr Esser noch mal ausdrücklich herausgearbeitet – schlechterdings nicht sein, dass Sie ernsthaft die Arbeit der letzten Jahre hier,
Christoph Meyer
die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die Bemühungen – und ich wiederhole das in jeder Plenarsitzung, in der Sie das infrage stellen – und die Kämpfe, die wir hier hatten, um diesen Haushalt entsprechend auf Linie zu bringen, und bei denen Sie nicht an unserer Seite waren, dass Sie sich allen Ernstes hinstellen und uns vorwerfen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Das passt einfach nicht. Und das wissen Sie auch.
Das Zweite ist: Natürlich werden bei weiteren Steuersenkungen – und nicht nur wir nicht, sondern der Rest der Republik auch nicht, die Kommunen nicht, die anderen Städte nicht – die Körperschaften es nicht schaffen, ihre Haushalte in kommenden Jahren oder Jahrzehnten auszugleichen. Wenn Sie sich hier noch mal hinstellen und sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht und uns nicht bemüht, und wir würden das sozusagen alleine schaffen können, würden wir uns bemühen, dann reden Sie wider die Vernunft, und das wissen Sie auch, egal was Sie jetzt als letztes Wort sagen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Goetze! Ich bin schon etwas enttäuscht ob Ihrer entsprechenden Würdigung dieses Nachtragshaushalts, weil ich glaube, dass wir den Begriff Solidarität wirklich anwenden können, dass er aber nicht zu Ihren Gunsten und in Ihrer Interpretation zu verstehen ist. Ich frage mich, während ich mir Ihre Rede noch einmal vergegenwärtige, wo Sie mit dem Land Berlin solidarisch waren, als es darum ging, die wichtigen und schwierigen Entscheidungen vor fünf oder sechs Jahren zu fällen.
Wo waren Sie, Kollege Goetze, als es darum ging, in einer aufgeladenen Atmosphäre hier den Beschäftigten des Landes Berlin zu vermitteln, dass sie auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten müssen? Wo waren Sie, als es darum ging, den freiern Trägern mitzuteilen, dass man die Kosten nicht ohne weiteres würde erstatten können? Wir haben – das lassen wir uns von Ihnen zu keinem Zeitpunkt und auch jetzt nicht kleinreden – in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen, die strukturell und nachhaltig wirken und dazu beitragen, dass dieser Haus
Haushalt und dieses Land auf eine solide Basis gestellt wird. Das lassen wir uns von Ihnen nicht kleinreden.
Das Zweite ist Solidarität. Da kommen wir nachher noch einmal zu der Frage des Konjunkturpakets. Ich finde schon, dass wir auch erörtern sollten, wie viel Geld wir im Rahmen der Solidarität des Bundes und auch Ihrer Fraktion auf Bundesebene und Ihrer Repräsentanten, mit denen Sie hier gefrühstückt haben vor drei oder vier Jahren, erhalten, wenn es darum geht, dass das meines Erachtens nach wie vor Notlageland Berlin Unterstützung über die Bundesgesetzgebung bekommt.
Ich möchte die Zahl hier gar nicht nennen. Kollege Thärichen kann das nachher tun, aber das ist alles andere als Solidarität. Solidarität ist nicht nur eine Einbahnstraße. Das kann ich definitiv feststellen: Solidarität hat dieses Land die letzten Jahre von keinem bekommen. Wir waren auf uns gestellt. Und wir haben gute Arbeit geleistet.
Ich will mich nicht lange ausbreiten. Ich finde, dass Senator Dr. Nußbaum die wesentlichen Punkte dieses Nachtragshaushalts dargestellt hat. Ich freue mich, dass dieser Nachtragshaushalt jetzt tatsächlich zu uns gekommen ist, dass wir ihn schnellstmöglich verabschieden werden. Die Eckpunkte sind dargestellt worden: 1,6 Milliarden Euro zusätzliche entsprechende Kreditermächtigung. Das ist im Wesentlichen die Umsetzung dessen, wofür wir letztendlich nichts können: Die Steuerschätzung geht runter, auch die Bereiche Wohnungswirtschaft und die Inanspruchnahme der Bürgschaft mit 130 Millionen Euro und auch im Bereich Liegenschaftsfonds und den Veräußerungserlösen, die zurückgehen.
Das sind alles Dinge, unter denen wir leiden, die wir aber nicht ohne Weiteres beeinflussen können. Ich freue mich, dass uns der Haushalt jetzt zur Beratung vorgestellt wird. Ich freue mich, dass der Senator auch die Prognosekosten ganz ehrlich mit ca. 40 Millionen Euro integriert und damit deutlich gemacht hat, dass auch in der Steuerschätzung immer ein kleines Problem in der Genauigkeit abzusehen ist. Ich gehe fest davon aus, dass wir gut daran tun, diesen Nachtrag zu verabschieden. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das erste, was wir hinsichtlich des Antrags Drucksache 16/2431 machen müssen, ist festzustellen, dass Sie gerade gesagt haben – das Protokoll wird es sicher noch einmal ergeben –, Sie würden seriöse Gegenfinanzierungen für die 204 bzw. 143 Millionen Euro vorschlagen. Das müssten Sie mir nachher noch einmal kurz zeigen. Ich habe nicht gefunden, was Sie als seriöse Gegenfinanzierung für die Erhöhung der Gelder für die Bezirke vorschlagen. Dazu komme ich später noch einmal. Das ist auch mein grundlegender Vorwurf Ihnen gegenüber. Ich werde versuchen nachzuweisen, dass das, was Sie in diesen Anträgen herausgearbeitet haben, eigentlich nicht seriös ist
Da fange ich gleich mit diesem Antrag und dem, was vor zwei Jahren geschehen ist, an. Sie haben recht: Vor zwei Jahren hat es intensive Auseinandersetzungen mit den Bezirken gegeben. Dass das nichts Neues ist, haben Sie selbst gerade ausgeführt. Ich wusste es nicht, dass das 1977 schon einmal Thema war, aber dass es uns regelmäßig verfolgt, das nehme ich Ihnen gern ab.
Wo Sie jedoch irren, dass wir aus dieser Angelegenheit nichts gelernt hätten. Ich weiß es nicht mehr, aber können Sie mir sagen, wen Sie als Sachverständigen bei der Anhörung zu diesem Thema aufgerufen hatten. Ich kann mich nicht erinnern, dass die CDU-Fraktion in irgendeiner Form bei der Anhörung zum Umgang Landesfinanzen zu Bezirksfinanzen durch besondere Kompetenz von außen oder innen besonders auf sich aufmerksam gemacht hätte oder aufmerksam gewesen wäre. Mit diesem Vorwurf, wir hätten uns damit seit anderthalb Jahren nicht beschäftigt, sollten Sie ganz vorsichtig umgehen. Denn wenn Sie sich den Antrag dessen, was wir gemacht haben, anschauen und auch noch mal vergegenwärtigen, was wir wirklich umgesetzt haben, dann ist dieses nicht haltbar.
Florian Graf
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ein ganz wesentlicher Aspekt vor anderthalb oder zwei Jahren zur Sprache kam, wurde die Problematik genannt, dass die Bezirkshaushalte letztlich zu einem Zeitpunkt debattiert wurden, wo der Gesamthaushalt durch den Senat schon verabschiedet war, und die Möglichkeiten der Intervention in diesem Parlament in dem Kräfteverhältnis zwischen Opposition und Regierungsparteien relativ gering war.
Wir haben daraus gelernt, und wir haben gemeinsam mit Ihnen – deswegen verstehe ich nicht, dass Sie nicht bereit sind, das auch als gemeinsamen Erfolg zu verkaufen – dafür gesorgt, dass die Bezirke vorab erörtert werden. Was ist es denn anderes, das wir im Moment tun, wenn wir das im Unterausschuss Bezirke erörtern, wobei Sie sagen, dass wir nur die Lippen spitzen? – Das kann ja sein, aber am Ende wird dabei Luft herauskommen oder etwas substanziell Gehaltvolles in Form einer Zahl.
Da sage ich Ihnen ehrlich: Ich würde ziemlich viel darauf wetten, dass am Ende des Tages eine Zahl dabei herauskommen wird. Warten Sie in Ruhe ab! Die Senatsbefassung ist am 26. Juni, und der Senat wird dann seinen Haushalt beschließen. Und wir werden uns vorher als Parlament mit den Zahlen auseinandersetzen und uns positionieren können. Sie versuchen, etwas darzustellen, was nicht stimmt, nämlich dass wir aus dem, was vor zwei Jahren geschehen ist, keine Schlussfolgerungen gezogen hätten.
Das ist auch bei dem zweiten Antrag, den Sie aufgerufen haben, der Fall. Sie haben dort vier Punkte aufgeführt, auf die ich mich noch einmal konzentrieren möchte. Es gibt zwei Punkte, denen ich zustimme, nämlich im Antrag Drucksache 16/2430 den Textziffern 3 und 4. Damit habe ich im Prinzip kein Problem. Sie sagen dort, dass das, was den Wertausgleich betrifft, laufend kontrolliert werden muss. Da stimme ich Ihnen zu. Das haben wir übrigens auch in den Antrag Drucksache 16/2313, von dem Sie vorhin sagten, er sei substanzlos, geschrieben. Sie sagen, es solle laufend hinsichtlich des Zielerreichungsgrads berichtet werden. Wir haben in der Drucksache 16/2313 auf Seite 5 im vorvorletzten Absatz die Evaluierung des Wertausgleichssystems und die Untersuchung der Verwendung des Wertausgleichs und Gewinne auf der Basis der Zuweisung durch den Senat aufgeführt. Sie sehen: Das, was Sie fordern, wird schon längst umgesetzt.
Wo ich Ihnen nicht zustimme und was ich ein wenig pharisäerhaft finde, ist die Textziffer 2. Diese sagt: „Die Finanzierung erfolgt zusätzlich.“ Das steht ausdrücklich da. Ich habe mir mit großem Vergnügen noch einmal die Pressemitteilung des Kollegen Goetze von gestern gegriffen, aus der ich zitiere:
Eine strikte Haushaltsdisziplin ist daher unerlässlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Sie können nicht auf der einen Seite sagen, wir wollen mehr
Geld, weil Sie den Bezirken einen Gefallen tun wollen, und auf der anderen Seite per Pressemitteilung herausblasen, die Haushaltsdisziplin sei einzuhalten. – Deswegen finde ich auch Ihre Eingangsbemerkung, Sie würden seriöse Gegenfinanzierungsvorschläge vorlegen, schlichtweg falsch. Sie verhalten sich pharisäerhaft. Das ist bedauerlich, weil ich glaube, dass Sie die Kompetenz hätten, seriöse Gegenfinanzierungsvorschläge zu machen. Das tun Sie – aus welchem Grund auch immer – nicht. Sie ziehen es vor, als Opposition relativ polemisch und nachweislich nicht besonders sachkundig vorzugehen. – Herzlichen Dank!
Ich will nicht auf alle Details eingehen, aber einer Formulierung, die Sie in der Debatte verwendet haben, muss ich widersprechen: Sie sagten, es handele sich um Willkür. Ich weise Sie auf die Textziffer 3.2.2 des Berichts vom 6. März 2002 hin. Herr Graf, es ist ein Problem, dass Sie die Grundlage der Berechnung nicht gelesen haben. In diesem Bericht zur Planung und Budgetierung von Produktmengen steht detailliert, wie die Zuweisung im Wertausgleichssystem zu berechnen und umzusetzen ist. Deswegen noch einmal: Bevor Sie sich hinstellen und von Willkür und Aushöhlung sprechen, sollten Sie sich die Grundlagen der parlamentarischen Beratung und die Beschlusslage anschauen. Sie können dann daraus konkrete Punkte kritisieren, aber das machen Sie nicht. Was ist das für ein Begriff „aushöhlen“? – Das ist billige Polemik. Sagen Sie, was Ihnen konkret an der Systematik des Wertausgleichs missfällt!
Dann haben wir eine gute, detaillierte und interessante Debatte. – Herr Goetze, das ist unter Ihrem Niveau! Ich habe mich auf eine fachliche Debatte gefreut, und stattdessen bekomme ich nur Ihr Geblöke und Begrifflichkeiten von Herrn Graf wie „unterhöhlen“. – Schauen Sie sich die Dokumente an, und lassen Sie uns präzise über die Systematik reden. Das werden wir zu gegebener Zeit im Ausschuss tun. – Herzlichen Dank!
Ich weiß ja nicht, ob der Kollege einverstanden ist.
Wunderbar! Ihnen dürfte doch auch bekannt sein, dass die Bezirke – entgegen Ihrer Darstellung – schon lange die 140 Millionen Euro, die sie für sich als notwendig erachtet haben, im Rahmen einer pauschalen Mehreinnahme in ihre Haushaltsaufstellung hineingenommen haben. Insofern verstehe ich Sie nicht. Die Bezirke sind gerade dabei, das Geld, das sie fordern, in ihren Haushaltsplänen zu berücksichtigen. Von Zwang kann wohl kaum die Rede sein.
Florian Graf
Herr Kollege Czaja! Ich muss Sie berichtigen. Die pauschale Mehreinnahme bedeutet nicht, dass die Bezirke beginnen, das von Ihnen dargestellte Diktat des Senats in Sparvorgaben umzusetzen, sondern das genaue Gegenteil. Durch die Einstellung einer pauschalen Mehreinnahme – das war mein Hinweis vorhin –
nehmen die Bezirke schon vorweg, dass ihnen seitens der Landesebene mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, und zwar in Höhe von 140 Millionen Euro. Meine Frage: Halten Sie die 140 Millionen Euro für sachgerecht, und warum tun Sie das?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist eigentlich abendfüllend, und die fünf Minuten, die wir hier haben, werden der Sache sicher nicht gerecht. Ich finde daher, dass wir uns zu gegebener Zeit vielleicht im Rahmen einer Großen Anfrage oder einer Aktuellen Stunde durchaus noch einmal mit dem Thema befassen sollten. Möglicherweise bietet sich terminlich dazu eine unserer Plenarsitzungen im Umfeld der entscheidenden Sitzung des Bundesrates an.
Wir befinden uns heute nichtsdestotrotz gewissermaßen im Moment einer Phase der „Waffenruhe“. Das Pulver dieser internen Beratungen in der Föderalismuskommission hat sich etwas gelichtet. Wir haben die Ergebnisse vor uns liegen. Ich finde daher, die Entscheidung gestern im Hauptausschuss – dankenswerterweise einstimmig ergangen –, eine Anhörung durchzuführen, gut und richtig und freue mich da entsprechend auf gute Diskussionen.
Trotzdem kann man heute sicherlich schon einiges feststellen, und zwar, dass die große Koalition meines Erachtens hier definitiv eine Chance vertan hat.
Ich bin da weitaus mehr beim Kollegen Liebich als bei Ihnen, Kollege Goetze. Dass es angesichts dieser schiefen Situation überhaupt zu einem Ergebnis gekommen ist, dürfte eher den Protagonisten geschuldet sein, die Karl Schillers Erbe vor Augen hatten und die Suche nach dem
sinnvollen Vermächtnis ihrer politischen Tätigkeit. Nur fürchte ich, dass die Kollegen Struck und Oettinger kaum die Aura eines Karl Schiller erreichen werden, denn dazu ist das Ergebnis, bei allem Respekt, schon sichtbar zu winzig, egal mit welch kraftvollem Getöse auch dieser angebliche Jahrhundertdurchbruch gefeiert wird.
Der Vollständigkeit halber sei selbstverständlich an dieser Stelle Lob für die Fortschritte Genüge getan. Das Ergebnis der Föderalismusreform im Bereich Verwaltung, das immer mit aufgeführt wird, weist sicherlich Fortschritte auf. Aber im Einsetzungsbeschluss der Kommission hieß es eben: Stärkung der aufgabenadäquaten Finanzausstattung, der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und verstärkte Zusammenarbeit und Möglichkeit zur Erleichterung des freiwilligen Zusammenschlusses der Länder. Das alles ist, das muss man ganz objektiv feststellen, nicht so richtig geschehen, wäre aber historisch betrachtet sicherlich das Zeitfenster gewesen, diese Dinge endlich einmal anzugehen.
Der Kern des Kommissionsergebnisses – es ist schon aufgerufen worden – ist nun die Einführung der Schuldenbremse 0,35 Prozent für den Bund, 0 für uns Bundesländer. Dass man überhaupt nach dem Einbruch der größten Krise seit 1929 und den fiskalischen Konsequenzen weltweit von vor einem Jahr noch für unvorstellbar gehaltener Summen nun mehr von null Verschuldung redet, ist mir – bei allem Respekt – nicht immer ganz einsichtig.
Aus Landessicht scheint es fast so, als solle die Schuldenbremse das Alibi für die Abwrackprämie werden. Aber es gibt durchaus Argumente für die Schuldenbremse. Die Tatsache, dass sich hohe Schulden in ihrer Folge dauerhaft in der Verengung staatlicher Handlungsmöglichkeiten niederschlagen, wie auch die Tatsache, dass wir im Vergleich zu 1969 den Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union irgendwie in bundesstaatliches und landesstaatliches Handeln mit integrieren müssen, sind durchaus nachvollziehbare Argumente.
Aber es gibt auch Argumente dafür – und viele davon sind schon aufgerufen worden –, dem Ganzen nicht so richtig zustimmen zu können. Dabei kommt mir das Argument – das meinte Kollege Liebich vorhin – des Sachverständigen Bofinger einer abzusehenden Anlageflucht der deutschen Sparer in amerikanische Papiere ziemlich weit hergeholt vor, bei allem Respekt. Sein deutsches Geld für deutsche Pfandbriefe und Kommunalobligationen wird der Vielfalt und Schönheit einer globalen Welt meines Erachtens nicht ganz gerecht.
Nachvollziehbarer erscheint mir das schon von Bofinger, aber auch von Bsirske aufgeführte Argument einer Steuersenkungsbremse. Aus unseren Seminaren wissen wir, dass der Renditenhebel von Schulden betriebswirtschaftlich attraktiv sein kann, warum also auch nicht für ganze Staaten.
Das überzeugendste kritische Argument ist in meinen Augen ein anderes. Es wird hier wirklich am offenen Grundgesetz operiert. Der Brief der Vertreter der Landtage weist dabei darauf hin, dass die Unabhängigkeit des Haushaltsrechts Ausprägung und Konkretisierung des Bundesstaatsprinzips darstellt und also der Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz unter die – ich finde das immer ein wunderschönes Wort, heute Morgen ist es auch aufgeführt worden – „Ewigkeitsgarantie“ des Artikels 79 Absatz 3 fällt. Ich mag diese Rhetorik der „Versteinerung“ oder „Atmung“ der Haushalte eigentlich nicht, aber es ist schon richtig, ob sie versteinern oder atmen wollen, sollten die Bundesländer immer noch selbst entscheiden dürfen.
Die Föderalismuskommission, aber auch wir hier in diesem Haus – und damit komme ich zum Schluss – arbeiten in der Tat am Herzen einer künftigen bundesstaatlichen Ordnung und sollten uns schon positionieren.
Danke, Frau Präsidentin! – Ein letzter Satz: Wir arbeiten also hier am Herzen der künftigen bundesstaatlichen Ordnung. Wir haben ein Recht, ja eine Pflicht, uns intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen. Ich hoffe also auf spannende Diskussionen im Rahmen der kommenden Wochen, im Hauptausschuss, bei der Anhörung oder vielleicht noch einmal einer Runde hier im Plenum. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sollte es noch eines Nachweises bedürfen, dass die größte Oppositionspartei in Berlin nicht regierungsfähig ist,
so stelle ich doch fest, lieber Herr Goetze, den Nachweis haben Sie nun wirklich heute erbracht. Sie sind nicht regierungsfähig.
Wenn Sie die jährlichen Nobelpreisverleihungen verfolgt haben, wird Ihnen der Name Paul Krugman sicherlich etwas sagen. Paul Krugman ist in den Vereinigten Staaten schon über Jahre als Kritiker der Wirtschaftspolitik von George W. Bush bekannt, auch als Kritiker der Niedrigzinspolitik, die zu dieser Subprimekrise geführt hat. Paul Krugman, der den Wirtschaftsnobelpreis 2008 bekommen hat – und das kann man heute im „Stern“ in einem, wie ich finde, bemerkenswerten Interview nachlesen –, sagt dort einiges auch zu unseren, sage ich mal, SPDMitgliedern im Kabinett. Das will ich jetzt nicht zitieren.
Aber das können Sie ja nachlesen. – Aber Krugman sagt dort auch wörtlich – und das finde ich jetzt spannend, lieber Herr Goetze –:
Manchmal glaube ich, in Deutschland begreift man das ungeheure Ausmaß der Krise immer noch nicht ganz.
Einen besseren Nachweis für seine Aussage als Ihre soeben gehaltene Rede gibt es kaum.
Denn was Sie nicht verstanden haben, Herr Goetze, ist, dass es bei diesem Nachtragshaushalt nicht um den Nachtrag geht. Wo Sie kleinteilig bekritteln, haben andere, hat ein Paul Krugman, haben wir, hat diese rot-rote Regierung in Berlin schon längst verstanden, worum es hier eigentlich geht,
um ein schnelles, kompetentes und sachgerechtes Signal in die Wirtschaft, in die Bezirke, in die Stadt hinein zugunsten von Arbeitsplätzen, lieber Herr Goetze!
Das haben Sie nicht verstanden.
Ich fasse einige Ihrer Debattenbeiträge heute und gestern im Hauptausschuss noch einmal zusammen:
Erstens: Die Investitionen seien möglicherweise nicht konform mit den Bundesregelungen zur energetischen Sanierung. – Bravo!
Zweitens: Das Haushaltsgesetz sei nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. – Das haben Sie hier noch mal wiederholt.
Warum nicht? – Weil § 4 des Haushaltsgesetzes 2008/ 2009 mit dem Notbewilligungsrecht, welches es der Exekutive zubilligt, nicht im Einklang mit Artikel 112 des Grundgesetzes stünde und die Beteiligungsrechte des Parlaments schmälern würde. – Bravo! Das ist wirklich feinsinnig, Herr Goetze! Da kann ich nur sagen, alle Achtung.
Drittens: Das Zahlenwerk selbst sei unvollständig, weil der Einnahmeausfall – das haben Sie hier noch mal wiederholt – aus Lottoeinnahmen zu gering berücksichtigt worden sei.
Das ist wirklich unglaublich schändlich, Herr Goetze, das ist wirklich ungeheuerlich.
Ich bestreite hier jede einzelne Ihrer Äußerungen, auch vorhin, Begriffe wie Willkür, mieser Stil, Ihren Vorwurf: nur 30 Minuten Präsens des Senators, nachdem er sich Ihren Fragen bei der Einbringung des Haushalts in der Ersten Lesung detailreich und auf sehr gutem Niveau gestellt hat und wir debattiert haben, wie sich dieser Nachtrag einordnet. Ich bestreite jede einzelne Ihrer Unterstellungen und gehe im Detail nicht weiter darauf ein. Aber selbst wenn es so wäre, Herr Goetze, sind das alles Bedenken, die es rechtfertigen würden, dem Nachtrag nicht zuzustimmen, frage ich Sie. Ist das wirklich ein Grund, diesem Nachtrag nicht zuzustimmen? Warum lehnen Sie das bundespolitisch zu Recht endlich selbst von Ihrer Kanzlerin inzwischen gewollte konjunkturbelebende Moment dieses Nachtragspakets ab? Ich meine, die Antwort bleiben Sie uns schuldig. Ich zitiere den Präsidenten des Münchner ifo-Instituts Werner Sinn – nun auch kein Sozialdemokrat, meiner Kenntnis nach, in seinen Äußerungen zumindest auf keinen Fall –:
Die deutsche Wirtschaft steht vor der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Auch für das Jahr 2010 sehen wir noch keinen Aufschwung.
Und was machen die Damen und Herren der Opposition? Was machen Sie in der CDU im Landtag in Berlin? – Sie lehnen 630 Millionen Euro Investitionen, die das Land Berlin zur Stabilisierung der Wirtschaft in den Kreislauf
pumpt, einfach ab. Ich nenne das verantwortungslos, Herr Goetze!
Nun kann man sich natürlich, wie das die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90 gestern getan haben, hinstellen und sagen: Gebt mehr Geld! Das Geld hier reicht nicht. – Das ist die Kernaussage Ihrer Kritik gestern gewesen.
Ich finde, das ist okay. Diese Meinung kann man haben. Problem ist nur – und das haben Sie selbst gestern eingestanden, liebe Kollegen Esser und Schruoffeneger –: Bereits das Volumen, das wir heute verabschieden werden, fordert Verwaltung, Stadt, Politik und Wirtschaft in einem Ausmaße, welches unter anderem die Bezirksvertreter mit veranlasst hat, den Senat um Unterstützung bei der Umsetzung des Konjunkturpaketes zu bitten. Das machen wir im Übrigen auch, wie ich finde, mit dem erfolgreichen Instrument der Steuerungsrunde – über alle Häuser hinweg und unter dem Vorsitz von Klaus Teichert von der Senatsverwaltung für Finanzen.
Kollege Schruoffeneger hat das gestern interessanterweise auch gleich relativiert: Nein, nein, es geht nicht darum, mehr Geld auszugeben, hatten Sie gesagt, sondern es geht darum, den Gewinn aus dem Abschluss 2008 – eine interessante Position – beiseite zu packen und ein weiteres Konjunkturpaket zur Verlängerung dieses zweijährigen Konjunkturpaketes aufzulegen, ein weiteres Konjunkturpaket für die Jahre 2011-2013 entsprechend vorzubereiten und zu diskutieren.
Ich lese Ihnen mal vor, was Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, im „Handelsblatt“ gesagt hat:
Es wäre unverantwortlich, jetzt schon das nächste Paket zu fordern. Das zieht die Wirkung der bisherigen Maßnahmen ohne Grund in Zweifel.
Ich zitiere des Weiteren Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:
Ein Gerede über ein nächstes Konjunkturprogramm
wo wir noch nicht einmal dieses verabschiedet haben und Sie ja auch gegen dieses sind –
ist schädlich, weil es natürlich die Wirkung der ersten beiden Konjunkturpakete und die steuerliche Erleichterung eher in Frage stellt, als es zu unterstützen.
Also, ich fasse zusammen: Wir haben gute Argumente, nicht gleich mehr Geld zu verplanen, sondern uns erst einmal darauf zu konzentrieren, das ordentlich umzusetzen, was uns gegeben ist. Und wir haben auch gute Argumente, dieses Geld nicht gleich zur Seite zu packen, wie Sie das fordern. Aber auch da: Selbst wenn das aus Ihrer Sicht nicht genügen würde, was wir heute ver
abschieden, selbst wenn Sie sagen, es müsste viel mehr sein, gibt es keinen Grund, das Geld, das da ist, nicht auszugeben. Das haben Sie aber, genau wie die Kollegen von der CDU, gestern getan, indem Sie diesem Nachtragshaushalt nicht zustimmen.
Wenn es denn darum geht zu handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen genauso wie von der CDU, dann versagen Sie. Sie versagen, wenn es darum geht, 163 Millionen Euro für die Schulsanierung freizugeben. Sie versagen, wenn es darum geht, 6 Millionen Euro für die Bädersanierung freizuschalten.
Sie versagen, wenn es darum geht, im Rahmen dieses Nachtragshaushalts 16 Millionen Euro in den öffentlichen Beschäftigungssektor zu stecken.
Ich fordere Sie ausdrücklich auf: Besinnen Sie sich Ihrer Rolle und Ihrer Funktion und auch Ihrer Verantwortung innerhalb des Landtages Berlin! Stimmen Sie dem Nachtrag im Interesse der Menschen in dieser Stadt zu – im Interesse der Arbeiter, im Interesse der Handwerker, der Betriebe, der Bezirke! Sie brauchen jetzt unsere Unterstützung! – Herzlichen Dank!
Ich bin bereits mehrfach darauf angesprochen, deshalb sage ich es noch einmal: Sie können Ihr Verständnis von Oppositionsarbeit so formulieren, grundsätzlich immer gegen alles sein zu müssen. Sie können formulieren – –
Doch, das war der Inhalte der Worte des Kollegen Goetze. – Bei diesem Nachtragshaushalt, von dem Kollege Meyer zu Recht noch einmal gesagt hat, dass das ein besonderer ist, in einer besonderen Lage, mit einer besonderen Schwierigkeit der Umsetzung, kann man von der Opposition, die Verantwortung für das gesamte Land übernehmen möchte, durchaus verlangen – das wäre das Mindeste –, sich trotz der technischen Kritik einer Enthaltung zu nähern.
Dass Sie heute bereits ankündigen, aufgrund von Mickrigkeiten einem solchen Konjunkturpaket nicht zustimmen zu wollen,
von dem wir alle glauben, dass es gut ist für Berlin, ist – ich wiederhole mich und sage es trotz Ihrer unterschwelligen Behauptungen, Herr Goetze,
von wegen Schauspielerei: Das ist Ausdruck von Verantwortungslosigkeit. Gehen Sie und überlegen Sie, ob Sie sich selbst und Ihrer Partei bei dieser Abstimmung nicht einen Gefallen täten, wenn Sie sich zumindest enthielten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Goetze! Gleich vorab, ich nehme mir die Freiheit heraus, Ihnen diesbezüglich zu antworten: Ich würde den Appell, den Sie gerade nach Berlin gerichtet haben, auch nach Hamburg richten.