Protocol of the Session on November 25, 2010

Anders als die Kollegin Baba muss ich sagen, dass ich den ersten Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Prävention ausbauen: Prävention ist keine Privatsache!“ nicht nur interessant, sondern auch unterstützenswert finde.

[Beifall bei der FDP – Gernot Klemm (Linksfraktion): Warum?]

Warum? – Herr Klemm, vielleicht sollten Sie den Antrag einmal lesen, damit Sie wissen, worüber ich rede. – Die Erkenntnis, dass häusliche Gewalt keine Privatsache ist, ist für mich ein zivilisatorischer Fortschritt, und zwar weil häusliche Gewalt auch immer ein gesellschaftliche Phänomen darstellt. Nur innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungen werden wir dazu kommen, das nicht als eine Privatsache anzusehen, sondern als eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.

[Beifall bei der FDP]

Es ist in der Tat so – man kann das als Mann leider nicht leugnen –, dass die überwiegende Gewalt an Frauen von Männern verursacht wird. Deswegen ist es auch richtig und unterstützenswert zu sagen: Wenn wir das Übel an der Wurzel packen wollen, dann müssen wir zuerst mit Männern arbeiten. Ich finde das, was Sie vorschlagen, unterstützenswert, nämlich einmal zu schauen, wie weit das Konzept für eine präventive Arbeit mit Männern auf andere Bezirke übertragen werden kann. Das ist ja ein Auftrag, der Senat möge berichten. Ich bin sehr gespannt, ob der Senat überhaupt zum Berichten kommt oder ob die Koalition im vorauseilenden Gehorsam so einen sinnigen Prüfauftrag gleich versenkt. Wahrscheinlich letzteres!

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Auch Ihr Antrag „Berlin gegen Gewalt an Frauen“ wird von uns bis auf eine Kleinigkeit als unterstützenswert angesehen. Diese Kleinigkeit ist dann aber doch so gravierend, dass wir uns herausgefordert fühlten, einen eigenen Antrag zu formulieren.

Ich will Ihnen erklären, warum: Wir meinen, anders als meine Vorrednerinnen, dass tatsächlich die Verlängerung der Ehebestandszeit nicht aus der Luft gegriffen wurde. Nachdem man im Jahr 2000 die Ehebestandszeit von vier Jahren halbiert hat auf zwei Jahre ist die Quote – so sagen zumindest die Expertinnen und Experten – möglicher Scheinehen größer geworden. Bei einer Verlängerung von

drei Jahren hofft man, dass die Scheinehenquote damit zurückgehen möge.

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]

Ob das der Fall ist, da kann man, Frau Baba, unterschiedlicher Meinung sein, kann das unterschiedlich bewerten. Aber eines sollten Sie nicht so einfach abtun: Zum ersten Mal ist in diesem Gesetz der Bundesregierung ein eigenständiges Rückkehrrecht auf zehn Jahre verankert worden. Ich halte das auch für einen Fortschritt. Vorher waren das nämlich nur sechs Monate.

[Beifall bei der FDP]

Und – etwas, was es noch gar nicht gab, wir hatten in der letzten Legislatur diesbezüglich hier in diesem Hohen Haus schon einen Antrag eingebracht – zum ersten Mal wird Zwangsverheiratung ein Straftatbestand. Das ist ein Fortschritt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Dass wir in vielen Bereichen mit dem Antrag der Grünen übereinstimmen, sieht man auch daran: Natürlich wollen wir im Rahmen der Prävention, aber auch der unmittelbaren Abwehr von Gefahren Frauenhäuser und andere Zufluchtsstätten, Notruf u. a. m. auf Dauer gesehen gesichert haben. Das muss geschehen.

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]

Achtung, Frau Baba, passen Sie auf, Sie bekommen auch noch etwas! – Wir haben noch zwei Punkte, die wir anders vorschlagen. Wir wollen zum einen, dass diese Frauenprojekte untereinander vernetzt werden, und zwar so, dass sie auch untereinander kommunizieren können, besser als es bislang geschieht, und wir wollen ganz klar, dass alle Projekte evaluiert werden, damit man diejenigen, die wirkungsvoll und zielgerichtet sind, von denen trennen kann, die man nicht mehr weiter benötigt, die man streichen kann. Genau so ist es!

[Beifall bei der FDP]

Nicht jedes Projekt ist per se eines, das man fortführen sollte, sondern jedes Projekt sollte man nach einer gewissen Zeit überprüfen, um zu sehen, ob man es überhaupt noch braucht oder ob man es verbessern kann. Bei so vielen Übereinstimmungen werbe ich natürlich für unseren Entschließungsantrag, weil er die Punkte, die ich ausgeführt habe, umfasst. Wir meinen, dass er in die richtige Richtung geht. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zum Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/3644 – Stichwort Prävention – empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen und mitberatend an den

Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Zu den drei Entschließungsanträgen ist um sofortige Abstimmung gebeten worden. Wer dem Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 16/3645 – Stichwort: Berlin gegen Gewalt an Frauen – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Niemand ist gegen diesen Antrag.

[Doch! Die FDP ist dagegen! von der SPD und den Grünen]

Ja! Jetzt ist die FDP so weit.

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

Also für diesen Antrag sind die Fraktionen der Grünen und der FDP. Wer ist dagegen?

[Nein! von der SPD und der Linksfraktion ]

Entschuldigung! Also, dann fangen wir das Ganze noch einmal an.

Wer für diesen Entschließungsantrag der Grünen ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist erwartungsgemäß die Fraktion der Grünen. Wer ist dagegen?

[Ah! von der SPD und der Linksfraktion]

Dagegen sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Bei Enthaltungen der Koalitionsfraktionen ist der Antrag abgelehnt.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen Drucksache 16/3662 – Stichwort: Keine Gewalt gegen Frauen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Fraktionen von CDU und FDP. Wer enthält sich? – Dann ist bei Enthaltung der Fraktion der Grünen so beschlossen.

Schließlich stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3666 – Stichwort: Gewalt gegen Frauen ächten und entschlossen bekämpfen – ab. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die übrigen 3 Fraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Erste Lesung

Gesetz zur Änderung des Vergnügungsteuergesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3616

Das ist die Priorität der Fraktion Die Linke unter dem Tagesordnungspunkt 6. Die Fraktion der SPD hat sich dem Vorschlag angeschlossen.

Ich eröffne die erste Lesung. Ich habe die Gesetzesvorlage vorab dem Hauptausschuss überwiesen und stelle die nachträgliche Zustimmung fest. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Das Wort hat Frau Matuschek. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die Regelung der Vergnügungsteuer, über deren Veränderung wir heute in erster Lesung beraten, ist noch jung, sie datiert vom 1. Januar 2010. Offenbar hat die Umstellung auf eine pauschale Besteuerung des Kasseninhalts der Spielautomaten nicht zu einem Ausbluten dieses Gewerbes geführt, das will ich zu Beginn konstatieren. Im Gegenteil! Die Anzahl der Spielautomaten hat sich in Berlin sprunghaft erhöht. Die Erhöhung des Steuersatzes von 11 auf 20 Prozent liegt durchaus im Rahmen und ist vergleichbar mit der Hamburger Regelung. Davon geht also keine Gefährdung der Gewerbefreiheit aus. Der Grund, weshalb wir diese neuerliche Gesetzesänderung dringend benötigen, liegt in der Entwicklung der Anzahl von Glücksspielautomaten und der davon ausgehenden Spielsuchtgefährdung. Das ist auch deutlich geworden in der Begründung für das Gesetz, was Sie auch nachlesen können.

Der Steuergesetzgeber macht in diesem Fall explizit von seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit Gebrauch, die sich neben der finanzpolitischen Zielstellung, die nicht zu unterschätzen ist, daneben auf die ordnungspolitischen Ziele konzentriert. Dabei sind wir uns durchaus der Effekte bewusst, die dieses Gesetz auslösen kann. Es ist nun mal ein Fakt, dass die Automaten in den genehmigten Spielhallen einen sehr viel größeren Umsatz haben als es Automaten in sonstigen gewerblichen Einrichtungen wie Gaststätten, kleinen Bistros, kleinen Tabakläden und Kinos und ähnlich öffentlich zugänglichen Einrichtungen haben. Es ist aber auch beabsichtigt, dass der Betrieb solcher, gerade solcher Automaten in diesen sonstigen Einrichtungen erschwert werden soll, um Spielsüchtigen den Zugang zu erschweren und vor allem, um dem Jugendschutz besser gerecht werden zu können. Gerade das Betreiben der Glücksspielautomaten in kleinen und kleinsten Gaststätten erweist sich in dieser Hinsicht als besonders problematisch. Zum Beispiel haben wir die Tendenz zu beobachten, wonach in vorhandenen Gaststätten die Räumlichkeiten geteilt wurden und unter Ausnutzung der Genehmigungsfreiheit für das Betreiben einer Gaststätte ohne Alkoholausschank entstehen so quasi 2 Kneipen in einer mit der doppelten Anzahl von Glücksspielautomaten, die erlaubnisfrei zu betreiben sind. Von solcher Art Kleinstgaststätten, in denen der Gaststättenbetrieb untergeordnet, der Betrieb von Glücksspielautomaten aber auch noch unterstützt mit aggressiver Werbung im Vordergrund steht, geht tatsächlich eine Gefährdung für Suchtkranke und Jugendliche aus. Hier Abhilfe zu schaffen, ist das ordnungspolitische Ziel des Gesetzes.

Im Übrigen erheben wir nicht den Anspruch, mit diesem Gesetz alle negativen Effekte des Betreibens von Spielautomaten und Spielhallen beheben zu wollen. Dazu bedarf es neben der Besteuerung der Umsätze zweifellos weiterer Instrumente des Ordnungs- und Baurechts, aber auch des Glücksspielvertrages, der auf anderer Ebene in Verhandlung ist. Diese Aktivitäten wollen wir nicht konterkarieren, sondern unterstützen und fangen mit der Besteuerung der Glücksspielautomaten in Berlin durch Heben der Vergnügungsteuer an. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Senator für Finanzen bereits Anfang August 2010 eine Anhebung des Vergnügungsteuersatzes angekündigt hat, legt der Senat erst heute – als über ein Vierteljahr später – einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, der aus noch nicht mal 20 Zeilen besteht.

[Daniel Buchholz (SPD): Wichtig ist der Inhalt!]

Ja, ja! – Kern dieser Initiative ist die Anhebung des Steuersatzes für Geldgewinnspielgeräte von 11 auf 20 Prozent. Was der Senat damit erreichen will, ist ihm offensichtlich selbst nicht klar.

[Beifall bei der CDU]