Protocol of the Session on October 7, 2010

Vor allen Dingen die Rolle der Grünen – das wurde eben schon angesprochen – auf Bundesebene: Ob Hartz-IVGesetze, Rentenkürzung, Atomendlager, Stuttgart 21 oder die A 100, zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung waren sie überall mit dabei, Frau Künast am Kabinettstisch und Frau Eichstädt-Bohlig als Abgeordnete. Sie haben alles mitgetragen, und in der Opposition machen sich die Grünen jetzt vom Acker, wollen davon nichts mehr wissen. Sie hetzen die Bürger auf die urbanen Barrikaden, sie zeichnen Eskalationsszenarien und heizen die Stimmung immer weiter an. Das ist bigott, es muss verhindert werden, dass das im nächsten Jahr so weitergeht!

[Beifall bei der FDP – Zurufe von den Grünen]

Sie verdienen sich wirklich einen Scheinheiligenkranz.

Die FDP-Fraktion wird in den nächsten Monaten weiter parlamentarisch im Land und im Bund für den Weiterbau der A 100 werben.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Und für den Ausbau der Kernkraft!]

Und auch für den Ausbau der Kernkraft als Brückentechnologie!

[Toll! von den Grünen – Zurufe von allen Seiten]

Das ist richtig, dazu stehen wir, Frau Hämmerling! Die Debatte können wir gern hier führen, das versuchen Sie ja immer, bundespolitische Debatten auf die Landesebene zu ziehen.

[Zurufe von den Grünen]

Es wäre schöner und wichtiger, wenn Sie mal hier vor Ort sagen würden, wofür Sie stehen werden!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir stehen zur A 100. Während der Abgeordnetenhauswahl, während der heißen Phase, haben in der Tat die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu entscheiden, wo die einzelnen Parteien stehen. Das muss ich allerdings Herrn Wowereit mitgeben: Wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, innerhalb von vier Jahren einen Koalitionsvertrag umzusetzen, was den Weiterbau der A 100 angeht, dann können Sie sich jetzt nicht in die Büsche schlagen, indem Sie sagen: Mit wem auch immer wir im Herbst 2001 koalieren wollen, der muss sich nach unserer Meinung richten, ohne eine klares Bekenntnis zur A 100 dergestalt zu bringen, dass Sie hier im Abgeordnetenhaus und in der Öffentlichkeit klarmachen, dass für Sie der Nichtweiterbau der A 100 ein unverhandelbarer Bestandteil zukünftiger Regierungspolitik sein würde. So wird ein Schuh draus! Machen Sie deutlich, dass mit Ihnen die A 100 weitergebaut wird! Dann bringen Sie vielleicht auch mit ein wenig mehr Glaubwürdigkeit in die Debatte! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Zurufe von allen Seiten]

Vielen Dank, Herr Meyer! – Wir treten in die zweite Rederunde ein. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Ratzmann das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Wowereit! Das war ja schon fast eine Liebeserklärung, die Sie hier in Richtung der CDU abgegeben haben. Man hat sich ja schon so gefühlt, als wäre man auf einem Hochzeitsmarkt, und Sie würden eine rotschwarze Ehe anbahnen. Früher hat man so etwas große Koalition genannt, heute kann man bei einer solchen Koalition nicht mehr von groß reden.

[Beifall bei den Grünen – Heiterkeit]

Selbst wenn das in dieser Stadt die einzige politische Konstellation zu sein scheint, die für sich in Anspruch nimmt, dieses unsinnige Projekt umsetzen zu wollen, da muss in der Tat die Frage gestellt werden, ob selbst solch eine Konstellation die erforderliche Mehrheit für ihr Projekt erhalten würde. Das bezweifeln wir für die nächste Wahl ernsthaft.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der Linksfraktion]

Ich finde, Herr Wowereit hat einen sehr treffenden Satz gesagt. Den muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er hat nämlich gesagt, wenn dieses Projekt tatsächlich nicht gebaut werden sollte, wenn es unwahrscheinlich wäre, dass es gebaut wird, dann wären die jetzt eingesetzten Planungsmittel herausgeschmissenes Geld. Richtig, Herr Wowereit! Es ist herausgeschmissenes Geld. Sie können als jemand, der hier Verantwortung trägt, nicht so mit den öffentlichen Geldern umgehen!

[Beifall bei den Grünen – Klaus Wowereit (SPD): Nein!]

Ich will auch noch einen inhaltlichen Satz zu unserer Ablehnung sagen. Das ist das unsinnigste Verkehrsprojekt aus dem letzten Jahrtausend, das man sich vorstellen kann!

[Beifall bei den Grünen]

Wir hätten eigentlich gedacht, dass die SPD im Jahr 2011 und folgende weiter wäre, weggekommen wäre von dieser Betonapologetik, die Sie sonst immer predigen, und mal geschnallt hätte, dass eine moderne Stadt moderne Verkehrskonzepte benötigt und dass Bundesautobahnen in einer Stadt nichts mit moderner Verkehrspolitik zu tun haben. Aber anscheinend sind Sie immer noch nicht so weit, dass Sie das verstanden haben!

[Beifall bei den Grünen]

Deshalb muss man allen sagen: Wer die SPD wählt, wählt Verkehrspolitik von gestern. Diese Stadt braucht alles andere als eine Verkehrspolitik von gestern!

[Björn Jotzo (FDP): Wo ist denn Ihre Verkehrspolitik?]

Mit dieser Bundesautobahn, mit diesem Stummel, den Sie von Neukölln aus bauen werden, werden Sie den Schwerlastverkehr in die Innenstadt hineintragen, das haben mehrere Gutachten bereits festgestellt. Und das bei sinkenden Verkehrszahlen. Das ist nicht nur herausgeschmissenes Geld, das ist einfach unsinnig, was Sie der Stadt zumuten!

[Beifall bei den Grünen]

Jetzt noch ein Wort zu den schönen Vorwürfen, die immer von der Linkspartei kommen. Ja, das ganze Ding stand im Bundesverkehrswegeplan, angemeldet im Jahr 2003 von Rot-Rot.

[Ja! von der Linksfraktion]

Sie waren diejenigen, die auf das Bundesverkehrsministerium zugegangen sind und gegen den erbitterten Widerstand des Staatssekretärs SPD durchgesetzt und gesagt haben: Bitte, bitte ein Projekt! Das ist das einzige Straßenprojekt, das ihr habt, das könnt ihr uns nicht auch noch wegnehmen!

[Dirk Behrendt (Grüne): Hört, hört!]

Dann ist es in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Wir alle wissen, dass der Bundesverkehrswegeplan dann zur Gestaltungsreife kommt, wenn die Mittel im Haushalt eingestellt sind. Das sind sie bis heute nicht für dieses Bundesautobahnprojekt.

[Dirk Behrendt (Grüne): Hört, hört!]

Deswegen ist es eine Anmeldeliste aus den Ländern, die mit einer Konkretisierung überhaupt nichts zu tun hat.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Wir waren dagegen! Natürlich hätten wir es lieber gehabt, wenn es nicht aufgenommen worden wäre. Aber es ist

aufgenommen worden, vor mehr als sieben Jahren ist es hineingekommen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion) – Zurufe von der Linksfraktion]

Jetzt schaffen Sie die Voraussetzungen dafür. Frau Krautzberger hat es vorhin gesagt. Sie fangen an, konkrete Projekte, konkrete Umsetzungen herbeizuführen. Wir sehen doch gerade bei der Debatte um Stuttgart 21, wo das hinführt. Dann sind plötzlich die Sachzwänge da, und keiner kommt mehr hinaus aus dem Projekt. Das werfen wir Ihnen, lieber Herr Wowereit, vor. Ich sage Ihnen: Schön, dass Sie es gesagt haben! Wir müssen allen in dieser Stadt deutlich machen: Jetzt muss man dieses Projekt verhindern! Jetzt muss man dafür sorgen, dass nicht Nägel mit Köpfen gemacht werden, die nicht wieder herausgezogen werden können. Deshalb sagen wir noch einmal allen, die davon betroffen sind – das sind alle, die an der Autobahnführung, das sind alle, die im Prenzlauer Berg, in Mitte an diesen Straßenführungen wohnen –: Lasst das der SPD nicht durchgehen! Ich sage auch zu allen SPDlern – und das war ja eine ganze Menge auf Ihrem Parteitag –: Lasst dieser Betonriege um Wowereit und Junge-Reyer nicht durchgehen, dass sie dieses unsinnige Straßenprojekt in die Stadt hineinprügeln! Das darf nicht passieren! Diese Gelder sind besser aufgehoben bei der Sanierung des Bundeshaushalts als in solch einem unsinnigen Betonprojekt. – Danke sehr!

[Lang anhaltender Beifall bei den Grünen]

Jetzt gibt es einen weiteren Wunsch nach Redezeit, der kommt von der Linksfraktion. – Bitte, Herr Wolf, Sie haben das Wort!

[Michael Braun (CDU): Muss das sein?]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir müssen aufpassen, dass wir den eigentlichen Inhalt des Themas nicht völlig nach hinten stellen.

[Andreas Gram (CDU): Dass ihr die A 100 verhindert!]

Dieses wichtige Verkehrsprojekt, die Frage der verkehrlichen Entlastung im Südosten der Stadt, hat Berlin sehr stark polarisiert. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Wir haben mehrere Parteitage unterschiedlicher Parteien mit unterschiedlichen Positionierungen gehabt, und wir haben die Situation gehabt, dass die Stadtgesellschaft in der Frage: Soll gebaut werden, soll in dieser Form gebaut werden und so weiter und so fort, sehr gespalten war. Es ist eine Frage der politischen Vernunft, in einer solchen Situation, in der sich die Debatte in einer derartigen Zuspitzung befand, zu sehen, wie man Kompromisse findet und wie man die gesellschaftliche Diskussion öffnet.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Da stellt sich, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, die Frage: Was ist Ihnen eigentlich lieber?

[Joachim Esser (Grüne): Neuwahl!]

Ist es Ihnen lieber, dass die A 100 bis zu den nächsten Wahlen nicht gebaut wird,

[Zurufe von den Grünen]