Udo Wolf
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Henkel und insbesondere Herr Ratzmann! Sie haben hier ein absurdes Bild der Wirklichkeit gemalt. In welchem Paralleluniversum halten Sie sich eigentlich auf?
Ich kann ja verstehen, dass Sie ein wenig durcheinander sind. So viele Richtungswechsel, wie Sie allein in dieser Legislaturperiode gemacht haben, da kann man schon leicht mal durchdrehen.
Insbesondere die Grünen haben sich ja durch maximale Prinzipienlosigkeit bei der Partner- und Positionssuche ausgezeichnet,
selbstverständlich immer in dem Gestus der moralischen Überlegenheit in allen Fragen, zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft, und auch nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? – Da fordern Sie ernsthaft an einem Tag morgens Einsparungen im öffentlichen Dienst und am gleichen Abend die Einstellung von neuen Polizisten und Lehrern. Herr Ratzmann! Sie haben die Frage von Lassalle selbst für die Grünen nicht beantwortet: Was ist denn nun?
Liebe grün-schwarze Kolleginnen und Kollegen! Man kann mit dem Schüren von Ängsten und wilden Versprechungen vielleicht Umfragen gewinnen. Regierungsfähig wird man damit sicher nicht.
Selbstverständlich geht es in dieser letzten Plenarsitzung dieser Legislaturperiode um Wahlkampf. Das ist auch in Ordnung so. Die Berlinerinnen und Berliner wollen schließlich wissen, wer wofür steht. Nach der Rede von Herrn Ratzmann bin ich genauso schlau wie vorher, was die Grünen angeht. Die Älteren werden sich vielleicht erinnern: Diese wunderbare Stadt wurde nicht immer so gut regiert wie jetzt.
Diese rot-rote Koalition hat viel erreicht, für Berlin eine Menge bewegt. Eine ganze Legislaturperiode lang mussten wir die Hinterlassenschaft der großen Koalition aufräumen.
Provinz und Größenwahn – Größenwahn, wie ihn die Grünen jetzt auch noch mal demonstriert haben!
Korruption und haushaltspolitische Verantwortungslosigkeit mussten aufgearbeitet werden. Wir haben da viele schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen. Und wir haben auch manchen Fehler gemacht. Aber wir haben die Basis geschaffen, dass Berlin wieder auf die Beine gekommen ist, und das ist der Erfolg dieser rot-roten Koalition.
Und auch für die zweite Legislaturperiode Rot-Rot können wir feststellen: Was wir 2006 unseren Wählerinnen und Wählern versprochen haben, das haben wir gehalten.
Lassen Sie uns doch in diesem Wahlkampf mal endlich über Inhalte und Fakten streiten und nicht über solche Halluzinationen.
Daran lassen wir uns messen, an den Inhalten und Fakten. Aufstrebend, weltoffen, bunt und lebendig – so ist Berlin im Jahr 2011. Berlin ist attraktiv. Und das ist so, weil es in Berlin eben auch sozialer und kreativer zugeht als in anderen Metropolen auf dieser Welt.
Die Stadt ist weiter zusammengewachsen. Sie hat sich gemausert zu einem Gemeinwesen, wo Bürger sich einmischen, eine Stadt, wo Chancen in der Schule, im Beruf nicht davon abhängen, woher man kommt oder wer die Eltern sind, dafür haben wir in dieser Regierung gearbeitet.
Und weil – Herr Gram, Sie rufen so schön dazwischen – manche so vergesslich sind, noch einmal der Blick zurück: 2001 war Berlin eine Stadt, in der Großmannssucht und Misswirtschaft regierten. Berlin hatte den Bankenskandal, den alten Westberliner Filz, privatisierte Wasserbetriebe und eine Koalition aus CDU und SPD, die mit Karacho gescheitert ist. Und es gab keine Wirtschaftspolitik, weil hier Wirtschaft in der Wirtschaft gemacht wurde. Es gab keine Arbeitsmarktpolitik, weil man Erwerbslosen die Schuld an ihrer Erwerbslosigkeit gegeben hat. Es gab keine Integrationspolitik, weil Berlin ja angeblich keine Einwanderungsstadt war. Berlin war heruntergewirtschaftet. Und jetzt meinen Sie, das sei alles Schnee von gestern. Nein, es ist noch nicht so lange her. Und ja, es war keine rot-grüne und auch keine grün-schwarze Regierung, die Berlin aus dem Dreck gezogen hat, sondern es war eine rot-rote.
Wir haben 2001 und 2006 die Verantwortung übernommen.
Und dann schaue ich mir an, was Grüne und CDU in dieser Zeit getan haben: Konstellationsübungen, Jamaika ja, nein, weiß nicht, vielleicht Schwarz-Grün, vielleicht auch umgekehrt. Und jetzt auf einmal wollen die Grünen wieder Rot-Grün. Das heißt ja dann, Renate hat aufgegeben – oder?
Dann muss ja auch der RBB jetzt noch mal darüber nachdenken, ob er das Duell Künast-Wowereit absetzt, wenn Frau Künast gar nicht mehr Regierende Bürgermeisterin werden möchte.
Was Sie hier so treiben, das ist ein Wollen um jeden Preis, und das hat mit Können herzlich wenig zu tun,
am allerwenigsten damit, Verantwortung für die Stadt tragen zu können. Da nehmen wir mal ein Beispiel: In Berlin haben in den letzten Wochen viele Autos gebrannt.
Das beschäftigt die Menschen. Es geht um sinnlose Gewalt und Geschädigte. Und es geht um schwere Straftaten, für die es bei uns keinerlei Verständnis gibt. Wir haben das als Fraktionsvorsitzende dieses Hauses gemeinsam – leider mit Ausnahme der FDP – erklärt. Inzwischen wissen wir, von den 530 beschädigten Fahrzeugen sind vermutlich 156 wegen vorgeblich politischer Motive angesteckt worden. Der Rest geht auf das Konto von Nachahmungstätern und Versicherungsbetrügern.
Ich informiere mich über das, was in diesem Haus in den Ausschüssen besprochen wird, Herr Gram!
Mehr als 600 Polizisten waren zuletzt Nacht für Nacht im Einsatz, Bundespolizisten inklusive.
Es ist gelungen, zwei mögliche Täter zu ergreifen. Ein aufmerksamer Bürger hat sie entdeckt, und die Polizei war schnell zur Stelle, ein erster Erfolg! Nur, solche Erfolge sind eben nicht leicht zu haben. Und das wissen eigentlich alle hier im Haus. Und weil die Brände oft erst entdeckt werden, wenn die Täter längst verschwunden sind. Deshalb ist es weder verantwortungsvoll noch seriös, wenn man nicht weiß, wie man es bezahlen soll, einfach mal ein paar Hundert Polizisten zusätzlich zu fordern, wie es Frau Künast oder Herr Henkel tun.
Und dabei wissen doch alle, die schon mal im Innenausschuss dieses Hauses gesessen haben – Sie, Herr Henkel, wissen das, und Sie, Herr Ratzmann, wissen das auch –, dass Tausende von Polizisten nicht reichen würden, um die 1,2 Millionen Autos der Stadt und Tausende an Kilometern Straßenland zu bewachen. Deshalb sagen wir: Um den Brandstiftern das Handwerk zu legen, braucht es auch weiter Klasse statt Masse. Populismus braucht es jedenfalls nicht.
Und es braucht erst recht keine CDU, die mit den Brandstiftungen oder auf dem Rücken der Berliner Polizei rücksichtslos Wahlkampf macht.
Was Sie da machen, ist kreuzgefährlich, Sie stacheln Nachahmungstäter nur noch an.
Aber Sie haben mit Ihrer Rede ja bewiesen, Herr Henkel, Sie haben kein anderes Thema. Und so ist die Berliner CDU schon immer. Außer Ihrem Ruf nach mehr Polizei und mehr Härte der Justiz haben Sie der Stadt nichts zu bieten. Neu ist allerdings dabei, dass die Grünen das nachplappern.
Wie es scheint, Sie wollen halt nur in die Regierung, egal wie, egal mit wem, egal zu welchem Zweck, Inhalte sind Ihnen ja mittlerweile völlig schnurz. Und das ist schon ein spezieller Wahlkampf, wo sich alle alles offenhalten. Ich kann da nur sagen: Allein wer die Linke wählt, weiß, was er kriegt.
Der weiß, wenn das Ergebnis reicht, zahlenmäßig und inhaltlich, dann kriegt er Rot-Rot, die Fortsetzung einer erfolgreichen Politik.
Und das wäre gut für die Stadt, denn wir haben einen Wirtschaftssenator, der die Wirtschaft auf fortschrittliche Wachstumsfelder konzentriert und den Rahmen so gesteckt hat, dass Berlin im Bundesvergleich aufgeholt hat. Seit 2008 entstehen hier wieder Industriearbeitsplätze, weil Harald Wolf den Dialog mit der Industrie gesucht hat, als andere noch von der Dienstleistungsmetropole geredet und geträumt haben.
Natürlich hat die Stadt noch immer zu viele Arbeitslose, Michael Müller hat darauf hingewiesen. Aber mehr als 120 000 neue Arbeitsplätze sind seit 2006 hier entstanden. Und weitere 150 000 können bis 2016 dazukommen – in der Gesundheitswirtschaft, der Biotechnologie, bei Optik, IuK-Technologie, in der Verkehrssystem- und Energietechnik. Herr Henkel, da müssen Sie sich nicht mehr hinter den fahrenden Zug werfen mit Ihren Forderungen!
Da hat Berlin Potenzial für die Zukunft. Wir haben es aufgeschlossen.
Und wir wollen gute Arbeit für Berlin. Das heißt, wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn.
Von Arbeit müssen Menschen leben können. Mit unserem Vergabegesetz haben wir bundesweit neue Standards gesetzt. Michael Müller hat darauf hingewiesen. Die Erhöhung der Mindestlohngrenze im Gesetz auf 8,50 Euro hat Harald Wolf in den Senat eingebracht. Lieber Michael Müller! Wir können es noch in dieser Legislaturperiode im Senat beschließen.
Über Innenpolitik haben wir schon geredet. Dazu gehört aber auch: Die Deeskalationsstrategie der Polizei ist ein rot-roter Erfolg, ebenso wie die individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. So sieht eine moderne bürgerfreundliche und transparente Polizei aus, nicht so, wie Sie sie sich vorstellen, Herr Henkel!
Wir sind besonders stolz darauf, dass in Berlin Bildung von der Kita bis zur Uni kostenfrei ist.
Lange vor dem Bildungspaket der Bundesregierung gab es in Berlin für Kinder aus armen Familien ein Starterpaket zur Einschulung.
In der Integrationspolitik – es wurde schon darauf hingewiesen – hat mit Rot-Rot ein Umdenken stattgefunden. Berlin ist bundesweit Vorreiter mit einem Partizipations- und Integrationsgesetz. Wir haben ein Stadtmodell, das mit Schule und Ausbildung dafür sorgt, dass nicht länger das Potenzial junger Menschen verschleudert und gleichzeitig der Fachkräftemangel beklagt wird. Wir sagen: Berlin braucht dich!, und damit meinen wir alle in der Stadt.
Und damit es hier nicht so wird wie in Paris oder London, ist eben auch öffentlich geförderte Arbeit so wichtig. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass es sie weiter gibt in Berlin und dass sie ausgebaut wird.
Rot-Rot hat zehn Jahre lang gut zusammengearbeitet – für mehr Gerechtigkeit, mehr Mitbestimmung und die Teilhabe aller. Ohne Vertrauen und Verlässlichkeit in der Koalition hätten wir das nicht geschafft. Denn – das wissen hier alle – die Mehrheiten waren immer knapp, die Entscheidungen oft kompliziert. Streit und Reibereien waren Alltag. Aber wir, SPD und Linke, haben bei allen Differenzen immer versucht, die beste Lösung für die Stadt zu finden.
Wir haben 2006 konkret versprochen: Mit uns gibt es Gemeinschaftsschulen in unserer Stadt. Mit uns gibt es eine Alternative zu Ein-Euro-Jobs und Hartz IV durch öffentlich geförderte Beschäftigung. Und wir haben versprochen: Mit uns wird kein Unternehmen der Daseinsvorsorge mehr privatisiert, sondern alles dafür getan, dass die öffentliche Hand wieder Einfluss gewinnt.
Dass das geht, hatten wir bereits am Beispiel von Vivantes bewiesen. 2006 haben wir auch die Debatte angestoßen, wie man sich bei Strom, Gas und Wasser als Land stärker unabhängig von den großen Konzernen machen kann. Inzwischen gibt es konkrete Verhandlungen über die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. Wer will, dass das weiter passiert, der muss am 18. September Die Linke wählen, damit Rot-Rot möglich wird.
Und wir haben die Debatte über das längere gemeinsame Lernen begonnen. Damit kam die Schulreform ins Rollen. Es gibt heute nicht nur über 20 Gemeinschaftsschulen, die großen Zuspruch haben. Endlich wurde in Berlin die Hauptschule abgeschafft. Es gibt jetzt die Sekundarschule, weniger Ausgrenzung, bessere Förderung und viele Wege zum Abitur. In Hamburg sind Grüne und CDU damit kläglich gescheitert.
Das heißt aber nicht, dass in Berlin in der Umsetzung schon alles so ist, wie wir uns das wünschen. Wer aber will, dass das Rad jetzt nicht zurückgedreht wird, muss für bessere Bildung Die Linke wählen, damit Rot-Rot wieder möglich wird.
Genauso ist es mit der öffentlich geförderten Beschäftigung. Wir haben gesagt, wir kümmern uns neben den Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt auch um die Menschen, die schon lange arbeitslos sind, für die es auf dem Arbeitsmarkt die geringsten Chancen gibt. Für die haben wir in Berlin eine Alternative zu Ein-Euro-Jobs geschaffen, den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Und obwohl uns der Bund immer wieder Steine in den Weg gelegt hat, haben wir dafür gesorgt, dass es durch den ÖBS Stadtteilmütter – herzlich willkommen! – und Kiezlotsen gibt.
Der ÖBS wurde zu einem wichtigen Instrument für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt. Warum die SPD ihn immer wieder stutzen will, bleibt mir ein schweres Rätsel, wenn man sich die Erfolge der Stadtteilmütter anguckt. Grüne und CDU wollen den ÖBS ganz abschaffen. Wer ihn stärken und ausbauen will, wählt am 18. September in Berlin Die Linke!
Wer auch über 2011 hinaus ein soziales, solidarisches Berlin will, muss uns wählen. Viele Entscheidungen für ein soziales Berlin gehen auf unsere Initiative zurück. Soziales Berlin mit der Linken und nur mit uns, denn die SPD kann auch anders. Ich will das gern deutlich machen: Wenn es 2011 eine große Baustelle in der Stadt gibt, dann ist es der Schutz von Mieterinnen und Mietern vor steigenden Mieten, vor Verdrängung und bei den sozial Schwachen vor Zwangsumzügen. Viele Probleme sind da erst in den letzten Jahren zutage getreten, aber sie sind zutage getreten.
Und sie werden leider bis heute bei Entscheidungsträgern in der SPD verdrängt. 2006 haben wir im Koalitionsvertrag verankert, den kommunalen Wohnungsbestand zu erhalten. Das war wichtig, damit sich so eine Sache wie der Verkauf der GSW nicht wiederholen kann. Zu der Zeit, erinnere ich mich, wollten die Grünen übrigens noch weitere 150 000 städtische Wohnungen verkaufen.
Ist das eigentlich immer noch so, oder ist das auch tagesformabhängig? – Wir Linke sind schon vor einiger Weile zu der Überzeugung gelangt, dass der Wohnungsmarkt der Stadt keineswegs entspannt ist. Die Wohnungsbaugesellschaften der Stadt leisten einerseits gute Arbeit, aber es darf andererseits nicht sein, dass sie aus wirtschaftlichen Erwägungen zu Mietpreistreibern werden. In letzter
Zeit häufen sich bei uns die Meldungen über Mieterhöhungen ausgerechnet in diesen Gesellschaften. Das muss gestoppt werden!
Was wir brauchen, sind Wohnungsbaugesellschaften, die preisgünstige Wohnungen auch für Menschen mit niedrigen Einkommen überall im Stadtgebiet anbieten, die künftig mehr Wohnungen neu bauen. Und es muss Forderung des Landes sein, dass ein Teil davon für wenig Geld vermietet wird, weil es nicht nur Hartz-IV-Empfänger, sondern auch Rentner, Alleinerziehende und Studenten gibt, die kleine, preiswerte Wohnungen brauchen. Die Linke wird auch künftig dafür sorgen, dass von der guten wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt nicht nur einige wenige profitieren. Wir kämpfen darum, dass niemand durch steigende Mieten aus seiner Wohnung, seinem Kiez vertrieben wird.
Wir haben mit Rot-Rot viel erreicht, und darauf können wir stolz sein. Aber es gibt auch noch viel zu tun. Wir wollen den erfolgreichen Weg weitergehen. Wer jetzt die Richtung ändern möchte, setzt auch das bisher Erreichte aufs Spiel. Ja, wir wollen Rot-Rot fortsetzen, aber nicht um jeden Preis. Die Inhalte müssen stimmen. Aber es gilt auch: Wer sichergehen möchte, dass diese CDU nicht an die Regierung kommt, der muss für das soziale Berlin Die Linke wählen. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion den Menschen in Japan, in unserer Partnerstadt Tokio unser Beileid, unser Mitgefühl und unsere Solidarität aussprechen. Ich glaube, niemand kann sich der Wucht der Bilder entziehen, die uns seit dem 11. März erreichen. Ich möchte betonen, dass die Ursache für die schrecklichen Bilder, für die vielen Todesopfer, die Verwüstungen und all das Leid ein Erdbeben und ein Tsunami waren. Es war eine Naturkatastrophe. Angesichts dieser Naturkatastrophe stellt sich nicht die Frage nach politischer Schuld oder Verantwor
tung. Mancher Streit, den wir hier im Hause und auch in der Koalition haben, verliert an Bedeutung, wenn wir uns das unermessliche Leid, das diese Katastrophe bringt, vor Augen führen.
Wir wissen heute noch nicht, wie viele Menschen schon allein durch das Erdbeben und den Tsunami sterben mussten und wie viele alles verloren haben – ihre Familie, ihre Freunde, ihre Wohnung und ihre Lebensgrundlage. Tausende Menschen werden vermisst, Tausende sind obdachlos. Noch immer erschüttern zum Teil schwere Nachbeben die Erde, und die Menschen leben in ständiger Angst. Wenn jetzt zu diesem unermesslichen Leid auch noch ein atomarer GAU oder, wie es derzeit möglich scheint, vielleicht ein Super-GAU kommt, übersteigen das Ausmaß dieser Katastrophe und vor allem die Folgewirkungen meine Vorstellungskraft.
Selbstverständlich haben wir auch in der Koalition – Kollege Müller hat es schon angesprochen –, darüber nachgedacht, ob es sinnvoll ist, über eine Katastrophe am anderen Ende der Welt hier in unserem kleinen Landesparlament eine Aktuelle Stunde durchzuführen. Nicht nur die Grünen haben das gefragt, sondern auch manche Journalisten: Was hat dieses Thema in der Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses zu suchen? – Ich sage ihnen: Nicht allein, dass Tokio unsere Partnerstadt ist, dass viele Menschen, die hier leben, ihre Wurzeln, Freunde und Verwandte in Japan haben, dass es viele Menschen gibt, deren Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde oder Verwandte gerade in Japan sind, und dass viele Menschen in Berlin ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Japan auch aus diesem Hause erwarten, wäre schon Grund genug für eine Aktuelle Stunde hier im Abgeordnetenhaus. Es kommt jedoch noch hinzu, dass die Menschen in Berlin, obwohl sich das alles auf der anderen Seite der Erde abspielt, angesichts dieser Katastrophe und dieser Bilder verunsichert sind.
Wir alle sind gut beraten, uns zu fragen, was diese Zäsur für uns bedeutet. Wäre eine ähnliche Katastrophe auch hier möglich? Wären wir auf ein solches Schreckensszenario vorbereitet? Allerspätestens hier steht auch die Frage nach politischer Verantwortung, und zwar hier bei uns, in der Bundesrepublik und in Berlin.
25 Jahre nach Tschernobyl ist uns allen wieder vor Augen geführt worden, dass das Restrisiko einer atomaren Katastrophe keine einfache statistische Rechengröße ist. Es kann tatsächlich passieren, und zwar nicht bei einem alten russischen Reaktor, der angeblich nicht auf westlichem Standard betrieben wurde,
sondern bei einem Reaktor einer der Hightech-Nationen, wenn nicht sogar der Hightech-Nation, nämlich Japan. Dass angesichts dieser Katastrophe die japanische Regierung und die Behörden offensichtlich in vielerlei Hinsicht bis zu der einfachen Frage der Informationspolitik ü
berfordert sind, mache ich niemandem zum Vorwurf, aber es beruhigt auch nicht wirklich.
Es gab gute, wissenschaftlich fundierte Gründe, die Diskussion über den Atomausstieg zu führen. Trotz der Halbherzigkeit des Ausstiegs des rot-grünen Atomkompromisses sollte der Weg zumindest in die richtige Richtung führen. Es war ein schwerer Fehler der Bundesregierung, sich im Oktober des letzten Jahres auch noch aus dem mühsamen Ausstiegskompromiss zu verabschieden.
Um durchschnittlich zwölf Jahre ist die Laufzeit der 17 Kernkraftwerke in Deutschland damit verlängert worden, bei Kernkraftwerken mit Beginn des Leistungsbetriebs bis einschließlich 1980 um acht Jahre, bei den jüngeren Kernkraftwerken um 14 Jahre, und das mit einer Begründung, die so lächerlich ist, dass man sich fragen muss: Für wie dumm hält die Bundesregierung die Menschen in diesem Land? Da wird allen Ernstes behauptet, um den Weg zu einer sauberen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung schneller gehen zu können, um diese Brücke schneller überqueren zu können, wie die CDU im Bundestag formulierte, würde man mit der Verlängerung der Laufzeit den volkswirtschaftlichen Nutzen, den die Kernenergie habe, abschöpfen. Wer da was abschöpft, will ich hier gar nicht näher beleuchten. Gregor Gysi hat dazu in der Bundestagsdebatte gesagt, dass dieser Beschluss die Gesellschaft spaltet. Ich zitiere:
… und zwar so offenkundig durch eine Klientelpolitik, wie es das nur selten gegeben hat. Vier Konzerne werden gewinnen, und Millionen und Abermillionen Menschen werden verlieren.
Die Linke hat sich immer für den konsequenten Ausstieg aus der Atomenergie eingesetzt, gegen den nichts, aber auch gar nichts spricht, nicht der angebliche Bedarf an Atomenergie, nicht die angeblichen anderen technischen Hürden, die gerne herangezogen werden. Ich bin froh, dass das Land Berlin mit anderen Bundesländern am 28. Februar 2011 eine Verfassungsklage gegen die Verlängerung der Laufzeiten eingereicht hat. Niemand kann uns vorwerfen, auch Sie, Herr Henkel, nicht, wir würden diese schreckliche Katastrophe in Japan zum Anlass nehmen. Nein, es ging und es geht darum, den Ausstieg aus dem Ausstieg zu kippen, und es geht auch darum, dass eine solche weitreichende und einschneidende Entscheidung nicht vorbei an den Ländern getroffen werden darf.
Berlin tritt der Bundesratsinitiative zur Rücknahme der Laufzeitverlängerung bei, die gegenwärtig von verschiedenen Bundesländern vorbereitet wird. Das hat der Senat am Dienstag beschlossen. Da hat Rot-Rot eine ganz klare Haltung, nicht nur am Montag vor dem Bundeskanzleramt, auch im Bundesrat und auch hier im Hause. Diese
Haltung hatten wir vor der Katastrophe in Japan. Diese Haltung ist auf ganz grauenhafte und erschütternde Weise bestätigt worden. Ich hätte darauf gerne verzichtet.
Das Wort von der Kernenergie als Brückentechnologie, Herr Henkel, hat seit einigen Tagen einen besonders furchtbaren Beigeschmack. Ehrlich gesagt, ich bin erschüttert, zu welch seltsamem Aktionismus die Ereignisse in Japan bei der Bundesregierung führen. Ich muss das ganze Hin und Her der letzten Tage hier nicht noch mal darstellen. Wir haben das alle genau verfolgt.
Jetzt gibt es ein dreimonatiges Moratorium zur Aussetzung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Während dieser Zeit soll eine umfassende Sicherheitsüberprüfung aller AKWs durchgeführt werden. Für diese drei Monate werden alle sieben bis 1980 gebauten AKWs vorübergehend stillgelegt. Abgesehen davon, dass das nicht wirklich rechtssicher ist, was da verabredet wird, galt Fukushima auch als sicher, war auch sicherheitsüberprüft. Die Risiken galten als vertretbar. Es wird Zeit, mit der Selbstbelügerei und dem Herumeiern aufzuhören.
Es geht nicht um statistische Rechenmodelle, und es geht hier auch nicht um Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wir sind hier nicht beim Lottospielen. Eines ist völlig klar, und das ist es übrigens seit 30 oder 40 Jahren, solange diese Debatte läuft: Die Risiken der Atomenergie sind nicht kontrollierbar.
Die Bundesregierung hat keine Entscheidung getroffen, ob eines der alten AKWs dauerhaft stillgelegt wird. Sie hat heute morgen einen neuen Titel erfunden, den hat Herr Henkel auch noch mal genannt: der Ausstieg mit Augenmaß. – Das hat ein bisschen was von Verhöhnung der Öffentlichkeit, muss ich ganz deutlich sagen.
Es gibt lediglich Willensbekundungen. Zur Übertragbarkeit von Reststrommengen, die während des Moratoriums nicht genutzt werden, sagt Frau Merkel, sie könne heute keine abschließende Aussage zu Laufzeitübertragungen machen. Das kann ja wohl nicht im Ernst die richtige Schlussfolgerung aus den Ereignissen sein. Das Moratorium ist ein Taschenspielertrick, um Druck aus der öffentlichen Debatte zu nehmen – Michael Müller hat es schon angesprochen –, und möglicherweise nur, um über die Landtagswahl zu kommen. Mit diesem Moratorium ist jederzeit eine Rückkehr zum Status quo möglich. Das darf niemand hier im Hause wollen. Es kann doch nur eine mögliche Reaktion geben: Der Ausstieg aus der Atomenergie muss jetzt, unumkehrbar und rechtssicher vollzogen werden.
Wir brauchen die Atomenergiekapazitäten nicht. Das Gerede über Stromengpässe, die Preissteigerungsankündigungen der großen Energiekonzerne sind nichts anderes als Lobby-Propaganda und Erpressungsversuche gegenüber der Politik.
Nachhaltige, dezentrale, ökologische und auf das Gemeinwohl orientierte Energiepolitik setzt nicht auf Risikotechnologien. Das zeigt sich auch hier: Öffentliche Daseinsvorsorge, und da gehört Energie zweifellos dazu, gehört unter öffentliche Kontrolle. Lieber Kollege Henkel, lieber Kollege Meyer! Ich wiederhole es noch einmal: Atomenergie ist nicht kontrollierbar. Verantwortliche Politik zieht Konsequenzen, und die kann nur heißen: Abschalten! – Helfen Sie mit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich ganz herzlich auf der Zu
schauertribüne die Mitglieder des Landesbeirats für Integration begrüßen. – Herzlich willkommen!
Die Mitglieder des Landesbeirats und die Mehrheit der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, das sind die wahren Experten für gelingende Integration.
Sie wissen, wo es hakt. Und sie können uns sagen, welche verheerende Wirkung Sarrazin-Thesen, Stigmatisierung und Alltagsrassismus aus der Mitte der Gesellschaft, Islamophobie von Rechtsextremisten und so ein gefährlicher reaktionärer Unsinn, wie Sie von der FDP ihn für heute beantragt haben, bei den Menschen anrichtet.
Und die Mitglieder des Landesbeirats haben Anstoß gegeben, ein Partizipations- und Integrationsgesetz hier einzubringen. Für diesen Anstoß und die fachliche, sachliche und auch kritische Begleitung des Gesetzesvorhabens bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar.
Uns wurde in der bisher ja auch schon öffentlich geführten Debatte um das Gesetzesvorhaben vorgehalten, das Gesetz löse die Integrationsprobleme nicht. Es sei ein Pillepallegesetz. Multikulti sei ohnehin gescheitert. Und die Kanzlerin versteigt sich sogar zu der Aussage, Multikulti sei tot. Ich kann Ihnen sicher sagen: Niemand aus dem Landesbeirat, niemand von uns leugnet, dass es vielfältige Probleme in der Einwanderungsgesellschaft gibt: soziale, kulturelle und religiöse. Aber wir kommen nicht zu dem Kurzschluss, Multikulti sei gescheitert. Multikultur ist Lebensrealität in der Stadt. Berlin ist die internationale Metropole in Deutschland, die multikulturelle, multiethnische und multireligiöse Metropole. Und wäre Berlin das nicht – Berlin wäre nicht Berlin, und es wäre todlangweilig.
In Berlin leben Menschen aus 180 Staaten, Deutsche mit und ohne Migrationsgeschichte. Aber nicht alle haben gleiche Rechte. Viele haben schlimme Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen. Wer Integrationsprobleme lösen will, muss nicht die multikulturelle Gesellschaft beschimpfen, wer die Probleme lösen will, der muss für Teilhabegerechtigkeit kämpfen.
Was ist denn Integration? – Erfolgreiche Integration bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Chancen und Rechte erhalten, dass sie in allen Facetten gesellschaftlichen Lebens teilhaben können. Oder wie der alte Fritz es sagen würde: Jeder soll nach seiner Façon selig werden können.
Integration ist nicht Anpassung und Assimilation. Integration ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Menschen bereit sind, sich zu verändern und zu einem vielfältigen Ganzen zusammenzuwachsen. Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation.
Das sind die Hintergründe für das vorliegende Partizipations- und Integrationsgesetz. Dieses Gesetz ist nach den Integrationskonzepten 1 und 2 des Senats der nächste logische Schritt. Es ist kein Gesetz, das alle Probleme verfehlter Einwanderungspolitik der letzten 40 Jahre lösen kann. Aber es ist so, wie Prof. Dr. Hajo Funke in der Anhörung des Fachausschusses sagte:
… gehen die Bemühungen des Berliner Senats in die richtige Richtung. Das vorgelegte Gesetz ist Teil eines systematischen Programms. Das Gesetz bedeutet angesichts einer vierzigjährigen Erfahrung auch von Diskriminierung und Zurückhaltung nichts weniger als eine erhebliche Umgestaltung derjenigen Institutionen, die in jeder Hinsicht eine öffentlich wahrgenommene Vorbildfunktion für ein gelungenes Miteinander haben sollten. Darin ist Berlin – wie mit dem Integrationskonzept 2007 – Vorreiter. Die konkreten Bestimmungen für eine interkulturelle Ausrichtung des öffentlichen Dienstes – auch in der Personalpolitik – und die Stärkung des Integrationsbeauftragten sind keineswegs nur symbolische Politik, sie sind umgesetzt ein großer Schritt.
Das sagen die Experten im Fachausschuss. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hätte es nicht besser formulieren können, deswegen habe ich so ausführlich zitiert. Kommen Sie mit uns auf die Seite der Vernunft in der Integrationspolitik! Hören Sie auf mit Stigmatisierungsdebatten! Hören Sie auf mit Ausgrenzung! Kämpfen Sie mit uns für Teilhabegerechtigkeit! Stimmen Sie für dieses Gesetz! – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Bayram! Die Anhörung war übrigens im Integrationsausschuss, nicht im Innenausschuss, aber im Unterschied zu einer gewissen Kandidatin informiere ich mich auch über Veranstaltungen, die hier im Land stattfinden und wichtige politische Themen beinhalten, bei meinen Fachpolitikerinnen und -politikern.
Es gibt ein Antidiskriminierungsgesetz, das müssen wir nicht noch mal machen. Herr Wansner hat es auch nicht verstanden, genauso wenig wie Sie: Wir haben ein Integrationskonzept 1 und ein Integrationskonzept 2. – Herr Wansner! Sie waren übrigens 2005 strikt dagegen und haben gesagt: Das ist überflüssig wie ein Kropf und überhaupt! – Ja, ja, Sie erinnern sich nur nicht! Das macht viele Menschen politikverdrossen, was Sie hier so hin- und hererzählen. Mich nicht, weil ich Sie kenne!
Frau Bayram! Was Sie jetzt machen, ist doch nichts anderes, als eine Ausflucht dafür zu finden, dass Sie noch mal ein Alleinstellungsmerkmal haben wollen.
Selbstverständlich kann man noch viel mehr regeln. Aber wir haben uns in der Koalition entschieden: Wir bringen dieses Gesetz auf den Weg.
Wir gehen den ersten Schritt, und Sie müssen sich entscheiden: Gehen Sie diesen ersten Schritt mit dem Landesbeirat und mit uns in die gleiche Richtung, oder gehen Sie in die andere Richtung? Fangen Sie an, Integrations
politik auf der Grundlage der Integrationskonzepte 1 und 2 weiterzugestalten, wo wir Vorreiter in Berlin sind und mit dem Gesetzesvorhaben, was den Teilbereich der Partizipation angeht, Vorreiter in Deutschland wären und damit einen wichtigen Punkt gegen die Stigmatisierungsdebatten und den Alltagsrassismus in der Gesellschaft setzen würden!
Ringen Sie sich durch! Gehen Sie an unserer Seite diesen Weg! Wenn nicht, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Auf jeden Fall bin ich mir ziemlich sicher, dass der Landesbeirat bei aller Kritik, die er im Einzelnen an den Sachen hat, sehr froh darüber ist, wenn wir heute dieses Gesetz verabschieden. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir müssen aufpassen, dass wir den eigentlichen Inhalt des Themas nicht völlig nach hinten stellen.
Dieses wichtige Verkehrsprojekt, die Frage der verkehrlichen Entlastung im Südosten der Stadt, hat Berlin sehr stark polarisiert. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Wir haben mehrere Parteitage unterschiedlicher Parteien mit unterschiedlichen Positionierungen gehabt, und wir haben die Situation gehabt, dass die Stadtgesellschaft in der Frage: Soll gebaut werden, soll in dieser Form gebaut werden und so weiter und so fort, sehr gespalten war. Es ist eine Frage der politischen Vernunft, in einer solchen Situation, in der sich die Debatte in einer derartigen Zuspitzung befand, zu sehen, wie man Kompromisse findet und wie man die gesellschaftliche Diskussion öffnet.
Da stellt sich, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, die Frage: Was ist Ihnen eigentlich lieber?
Ist es Ihnen lieber, dass die A 100 bis zu den nächsten Wahlen nicht gebaut wird,
oder ist es Ihnen lieber, die Auseinandersetzung darüber zu führen, was Sie möglicherweise vermuten, welche Trickserei dahinterstecken könnte oder Ähnliches? Der wichtige Punkt ist doch der: Ohne diesen Kompromiss wäre die A 100 tatsächlich in Beton gegossen da.
Was wir geschafft haben, ist die Öffnung einer politischen Diskussion. Fragen Sie die Leute von der Bürgerinitiative, fragen Sie die Leute vom BUND, ob sie damit leben können, dass wir in den Austausch treten, im Wahlkampf den Austausch der Argumente führen, dass wir in diesem Wahlkampf darüber reden, ob die A 100 notwendig ist. Ich werbe darum, dass all diejenigen, in allen Parteien, die mit einem Autobahnprojekt in der Innenstadt ein Problem haben, versuchen, in dieser Debatte Argumente vorzutragen und nicht einfach kleinliches parteipolitisches Geplänkel machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen!
Ich sage Ihnen auch: Es ist ein Beweis von großer politischer Handlungsfähigkeit, wenn eine Koalition in einer derart polarisierten Situation in einer Einzelfrage die Kraft aufbringt, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Der Kompromiss besteht in der Tat darin, zu sagen: Der Koalitionsvertrag wird nicht gebrochen.
Er besteht darin, dass man sagt: Es kann weiter geplant und für die Entscheidung nach den Wahlen vorbereitet werden, aber die Entscheidung, ob gebaut wird, ist Gegenstand von Wahlkampfauseinandersetzungen.
Das ist ein wichtiger Punkt. Damit haben wir einen vernünftigen Kompromiss hergestellt, und ich glaube, die Stadtgesellschaft weiß diesen Kompromiss auch zu schätzen. Ich werde weiterhin dafür kämpfen, dass wir in dieser Auseinandersetzung sachlich miteinander umgehen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Henkel! Die Kollegin Seelig hat mir gerade erzählt, dass Sie gestern bei einer Veranstaltung bei der GdP wieder mehr Personal und eine höhere Besoldung gefordert haben.
Erzählen Sie uns nichts über „Verantwortung“ bei der Konsolidierung von Haushalten.
Im Geldausgeben war die CDU immer Spitze, insbesondere die Westberliner CDU, beim Konsolidieren habe ich nichts davon erlebt.
Wir sind heute nicht im Europaparlament, wir sind auch nicht im Deutschen Bundestag. Wir sind in einem Landesparlament, das sich große Sorgen machen muss, Sorgen, weil wir sehen, wie die Bundesregierung zur Bewältigung der europäischen Finanzkrise herumstümpert und weil die Fehler des Bundes immer wieder die Länder und die Kommunen treffen. Wir Länder sollen es am Ende wieder sein, die die Zeche zahlen. Das ist heute unser Thema. Denn wir tragen hier in Berlin die Verantwortung –
nicht für die Steuerausfälle der nächsten Jahre, nicht für die Ursachen der Weltwirtschaftskrise und der Finanzmarktkrise, aber dafür, dass wir unter diesen miserablen Bedingungen die Zukunftsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt in der Stadt sichern.
Wir müssen hier den Menschen sagen, was wir vom Bund erwarten. Es kann kein Zufall sein, dass ausgerechnet die FDP, dass Sie, Herr Meyer, heute darüber nicht sprechen wollten. Herr Westerwelle ist auch ziemlich still geworden. Das ist auch besser so.
Herr Henkel! Von verantwortungsvollem Handeln der Bundesregierung ist derzeit auffallend wenig zu spüren. Sie wird getrieben von den Banken und Spekulanten. Sie lässt den Zweifel an der Einheit des Euroraumes gären. Trotz mannigfacher Versprechen hat sie aus der Krise 2008 nichts gelernt. Sie hat seitdem auch nichts getan, um die dringend notwendige Regulierung der Finanzmärkte anzugehen.
Die Finanztransaktionssteuer wäre ein entscheidender Schritt – der Kollege Müller hat bereits darüber gesprochen –, um schnelle Spekulationsgeschäfte wirksam zu bekämpfen. Mit diesem Vorschlag steht Die Linke längst nicht mehr allein da. Doch dass die Bundesregierung sie durchsetzt, sehe ich nicht. Zwar finden Teile der Union sie inzwischen auch richtig, aber die FDP will sie nicht. Was folgt, ist die Ausrede, dass es weltweiter Verabredungen bedürfe, mehr nicht.
Der Kollege Müller hat es ebenfalls schon angesprochen: Sogenannten Leerverkäufe, die die Finanzpolitik von der
realwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln, müssen endlich komplett untersagt werden.
Es ist doch pervers, wenn darauf gewettet wird,
dass es wirtschaftlich bergab geht und Aktien an Wert verlieren. Das muss ein Ende haben! Dass das notwendig ist, sieht immerhin die BAFin. Sie hat jetzt den spekulativsten Typ von Leerverkäufen, die ungedeckten Leerverkäufe, zumindest teilweise untersagt. Leider ist dies nicht EU-weit abgesprochen, und leider sind auch nicht alle Leerverkäufe untersagt worden.
Wo man hinguckt, findet man Halbheiten und Stümperei. Da wird von der Bundesregierung eine Bankenabgabe erwogen, mit der man Vorsorge für künftige Finanzkrisen treffen will. Das ist eine ziemlich „schräge“ Veranstaltung. Allein um auf die Summe zu kommen, die im Jahr 2008 als staatliche Stützung zur Verfügung gestellt worden ist, müsste man 400 Jahre lang ansparen. Noch so ein Unding: Die Bankenabgabe sollen nicht nur jene Institute zahlen, die hoch spekulative Geschäfte machen, die Bundesregierung will genauso Volksbanken und Sparkassen heranziehen.
Dabei sind sie es, die in Zeiten der Finanzkrise die regionale Kreditversorgung der kleinen und mittelständischen Wirtschaft leisten. Das sollte auch die FDP wissen – und nicht immer nur den Spekulanten hinterherrennen.
Statt vorausschauender und solidarischer Hilfe unter Beteiligung des Finanzsektors folgt eine Notoperation nach der nächsten. Wohin das alles führt, können wir jetzt schon sagen: Die Länder und Kommunen werden ausbluten, denn alle Mittel, die der Bund jetzt aufwendet, werden dort fehlen. Allein mit den 480 Milliarden Euro, die im Jahr 2008 zur Stützung des Finanzsektors bereitgestellt worden sind, hätte man eine Schuldentilgung aller Bundesländer erreichen können. Stattdessen ist das Geld verwendet worden, um es den Fehlentscheidungen privater Finanzjongleure hinterherzuwerfen. Es steht zu befürchten, dass es wieder so läuft. Das können die Länder und Kommunen auf Dauer nicht hinnehmen.
Lieber Herr Esser! Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde eine Herangehensweise, wie sie der Boulevard gerade betitelt nach dem Motto „Milliarden für die Griechen“ – oder wie es auch Herr Henkel sagt: Milliarden für die Griechen, aber wir müssen die Schwimmbäder schließen –, äußerst problematisch. Aber die Bundeskanzlerin hat das selbst befördert. Denn wir haben nicht nur eine
Griechenlandkrise, sondern vor allem eine Eurokrise. Wir müssen sowohl die Eurozone stabilisieren als auch die Staatsfinanzen Europas und unsere eigenen konsolidieren. Das Problem der chronischen Unterfinanzierung der Länder und der Kommunen tritt in solchen Zeiten eben besonders stark zu Tage. Solange der Bund sich weigert, die Einnahmeseite des Staates zu verbessern, solange der Bund sich weigert, eine sozialgerechte Steuerpolitik zu machen, so lange wird jede zusätzliche Belastung des Bundes verhindern, dass die Ausstattung der Kommunen strukturell verbessert wird. Das ist das Problem.
Stattdessen treten wie Herr Koch in Hessen sofort jene auf den Plan, die meinen, es helfe nur eines: den Gürtel enger schnallen. Allerdings kann man sich mit dem Gürtel auch selbst umbringen.
Es ist falsch, nur weniger für die Bildung, für die Arbeitsmarktförderung auszugeben oder Investitionen zu streichen. Das ist volkswirtschaftlich großer Unsinn. Schuldenbremse mag ja gut klingen, aber sie geht an den Realitäten komplett vorbei. Es braucht – und auch das wissen wir – weiterhin eine verantwortungsvolle Konsolidierungspolitik. Das haben wir in den vergangenen Jahren in Berlin gemacht,
und das war oft schmerzhaft. Aber ich sage: verantwortungsvolle Konsolidierungspolitik.
Das bedeutet zweierlei: Wir werden hier auch weiterhin nicht das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausschmeißen. Wir haben auch nicht vor, die Ausgabenlinie zu erhöhen. Aber wir dürfen auch nicht der Krise hinterhersparen. Denn Berlin, dem die Hilfe des Bundes beim Abbau seiner Schulden bekanntlich verweigert wurde – Sie erinnern sich vielleicht an Karlsruhe 2006 –, lebt eben nicht über seine Verhältnisse. Wir haben heute kein Ausgabenproblem mehr, sondern ein Einnahmeproblem,
das sich im Übrigen auch noch mal verschärfen würde, wenn die FDP ihre Steuerpläne im Bund durchbekommen würde.
Auf Berlin kommen jetzt Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe zu. Die gleicht man eben nicht aus, indem man sich mal hier und mal da ein Stückchen Speck aus den Rippen schneidet. Diese Summe ließe sich strukturell nur einsparen, wenn man in der Stadt in drei Bereichen massiv spart: bei der Bildung, in der sozialen Infrastruktur und beim Personal. Aber in genau diesen Bereichen gibt es in Berlin nichts mehr zu holen – jedenfalls nicht, solange wir hier mitregieren. Denn dies wäre ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt in der Stadt.
Berlin ist unter anderem deshalb eine starke Metropole,
weil Rot-Rot in Bildung investiert und weil es hier eine gute soziale Infrastruktur gibt. Und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben in den vergangenen Jahren einen großen Solidarbeitrag für diese Stadt geleistet. Es ist das Mindeste, dass die Einkommen wieder Schritt für Schritt an die Entwicklung andere Länder angekoppelt werden.
Es gibt ja jetzt die Chance, dass es zu einer vernünftigen Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen kommt. Das bedeutet, dass sich die Verhältnisse im Bundesrat ändern. Und die Frage, wer in diesen Zeiten die Zeche zahlt, kann dann auch anders beantwortet werden. Fest steht: Der Widerstand gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung wächst kontinuierlich, und Länder und Kommunen erwarten zu Recht, dass sich ihre Situation im Zuge der Krise nicht weiter verschlechtert.
Es ist schon lange an der Zeit, die Vermögenden stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. Es braucht Änderungen beim Spitzensteuersatz, eine gerechte Steuer auf Millionenerbschaften und das Schließen von Steuerschlupflöchern. Die sozial Schwachen müssen vor weiteren Einschnitten geschützt werden, und die konjunkturelle Erholung der Wirtschaft darf nicht aufs Spiel gesetzt werden, indem man sich die Investitionen spart. Wir lehnen es ab, die fehlenden Milliarden durch Kürzungen bei Arbeitnehmern, Rentnern, Familien und Studenten zu holen. Die jetzt vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer ist deshalb für uns vollständig indiskutabel.
Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht, mit den Banken und Investoren, die Staatsanleihen gefährdeter Mitgliedsstaaten halten, Verhandlungen aufzunehmen. Hier muss eine adäquate Beteiligung an den Kosten der Rettungsmaßnahme erreicht werden. Der Finanzsektor muss an der Finanzierung öffentlicher Ausgaben und zugleich an den Kosten der Krise beteiligt werden. Das ist eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wäre der 1. Mai anders verlaufen, ich bin mir sicher, die CDU hätte heute vehement dafür plädiert, dazu in der Aktuellen Stunde zu sprechen. Sie hätten den Rücktritt des Innensenators gefordert, Sie hätten vielleicht die Ablösung des Polizeipräsidenten gefordert, ganz sicher hätten Sie wieder eine Verschärfung des Demonstrationsrechts gefordert – und jetzt zeigen Sie mit der Beantragung Ihrer Aktuellen Stunde, dass Sie gar kein Thema haben.
Dass Sie nach dem Motto beantragen: Wir reden über alles und nichts! Herr Henkel! Wenn Sie für die Aktuelle Stunde kein richtiges Thema haben – man muss hier nicht sprechen, vielleicht wäre es klüger, Sie würden schweigen.
Wir haben ein aktuelles Thema: Der diesjährige 1. Mai war überaus erfolgreich, er war ein erfolgreicher Tag für die Demokratie!
Er war ein erfolgreicher Tag für den DGB, die Berliner Zivilgesellschaft, die Pankower und Kreuzberger Bürgerinnen und Bürger, die Berliner Polizei und den Innensenator.
Es war ein ganz mieser Tag für Neonazis und für all diejenigen, die sinnlose Gewalt für richtig oder sinnvoll halten.
Darüber wollen wir reden, und wir wollen darüber reden, weil wir wissen, dass der Weg zu diesem Erfolg eine ganz schwierige Gratwanderung war. Weil wir wissen, dass die Polizei nach Recht und Gesetz im Grundsatz das Demonstrationsrecht auch für die Feinde der Demokratie gewährleisten muss. Und weil wir zugleich wissen und der festen Überzeugung sind, dass Demokratinnen und Demokraten nicht tatenlos zuschauen dürfen, wenn Nazis marschieren.
Deshalb war der Aufruf des breiten Bündnisses zum friedlichen zivilen Ungehorsam – den nicht wenige Abgeordnete dieses Hauses auch unterzeichnet haben –, der Aufruf zur Blockade des Naziaufmarsches eine große und schwierige Herausforderung für die Polizei. Wir wussten auch – egal ob Sozialdemokraten, Grüne oder Linke –, dass wir dabei ein politisches Risiko eingehen, wenn wir diesen Aufruf unterzeichnen. Gerade angesichts der hochgeschaukelten Gewaltdiskussion im Vorfeld, die selbstverständlich auch einen Widerhall bei der Berliner Polizei hatte. Es war richtig, dieses Risiko einzugehen!
Viele Tausend Menschen haben sich friedlich, aber konsequent dem Naziaufmarsch entgegengestellt. Diese vielen Tausend Menschen haben Mut und Zivilcourage bewiesen, sie haben Werbung für die Stadtgesellschaft in Berlin gemacht.
Schon am 1. Mai selbst wurde in Naziforen im Internet der eigene Naziaufmarsch als Flop bezeichnet. Berlin gilt für die Naziszene wieder als Auswärtsspiel, und das hätte kein staatliches Handeln alleine geschafft. Das haben Tausende Berlinerinnen und Berliner geschafft – 800 Meter Demonstration in vier Stunden, dann war Schluss für die Nazis! Dafür ist allen Beteiligten herzlich zu danken!
Selbstverständlich wollen wir auch darüber sprechen, dass das Myfest in Kreuzberg wieder eine großartige Veranstaltung war – mit Politik, Musik und vor allem einer heiteren Gelassenheit, trotz der vielfältigen Befürchtungen im Vorfeld. Sie und ich wissen, dass es – angesichts der Horrorszenarien, die im Vorfeld gemalt wurden – nicht so leicht war, sich diese heitere Gelassenheit zu bewahren. Der Kollege Freiberg von der GdP hatte ganz oben in der Katastrophenskala angesetzt, da wurde über mögliche Todesopfer spekuliert. Man hätte das als Entgleisung eines Einzelnen abtun können, aber die Blutrünstigkeit, mit der dieses Bild von manchen aufgegriffen und weitergetragen wurde, war schon wirklich abstoßend.
Wenn Debatten so geführt werden, dann ertappen sich auch die sachlichsten und besonnensten Gemüter irgendwann dabei, wie sie solche Katastrophenszenarien gedanklich durchspielen. Umso höher ist die Besonnenheit der Berliner Polizei und des Innensenators einzuschätzen. Dass in dieser Situation, wo fast die ganze Welt davon ausgeht, dass allerschlimmste Randale unausweichlich ist, dass in dieser Situation Polizeipräsident und Innensenator sagen: Wir bleiben bei der bewährten Deeskalationsstrategie. Da sage ich: Das war richtig, und das verdient unseren Respekt!
Dieser Besonnenheit ist es unter anderem zu verdanken, dass das scheinbar Unausweichliche ausgeblieben ist.
Aber, und das zeigt, dass noch viel zu tun ist, auch in diesem Jahr sind Menschen zu Schaden gekommen, sowohl Polizisten als auch Demonstranten. Das darf nicht hingenommen werden. Steine und Flaschenwürfe nicht, aber auch das offensichtliche Fehlverhalten von einzelnen Polizisten nicht. Wenn ich die Bilder sehe, wie der Polizist einen Demonstranten über den Haufen rennt und ihm
gegen den Kopf tritt, dann sage ich, auch wenn der Kollege sich selbst gestellt hat: Liebe Personalvertreter bei der Berliner Polizei! Gebt endlich euren Widerstand gegen die individuelle Kennzeichnungspflicht auf!
Ich komme zum Schluss. Trotz der einen oder anderen unschönen Szene: Dieser 1. Mai war ein starkes Zeichen gegen Nazis, die befürchtete Randale blieb aus, und darüber wollen wir reden, weil die Berlinerinnen und Berliner – ob auf Seiten der Zivilgesellschaft, der politischen Veranstaltung oder bei der Berliner Polizei –, weil sie alle zum erfolgreichen Verlauf des diesjährigen 1. Mai beigetragen haben. Sie haben es verdient, dass wir darüber sprechen und ihnen unseren Dank aussprechen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Henkel! Wir werden auch da sein, und wir werden zusammen mit der SPD auch noch in der Regierung sein.
Wenn im Parlament ein Haushalt verabschiedet wird, ist das immer ein besonderer Moment. Die Berlinerinnen und Berliner erfahren heute, womit sie in den nächsten Jahren rechnen können,
und sie erfahren auch, was ihnen in den Jahren 2010 und 2011 erspart bleibt, und zwar nicht, weil die Opposition substanziell viel dazu beigebracht hätte, sondern weil dies
Frank Henkel
der Haushalt einer rot-roten Koalition ist. Einer Koalition, die acht Jahre gut regiert hat und das auch weiterhin tun wird!
Einer Koalition, bei der Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu guten Bedingungen und Bildungsgerechtigkeit ganz oben auf der Agenda stehen!
Einer Koalition – Herr Henkel, das müssen wir von Ihnen nicht lernen, das haben Sie von uns abgeschrieben –, die sozialer Gerechtigkeit verpflichtet ist und bei der sozialer Zusammenhalt das Wichtigste ist!
Das spiegelt dieser Haushalt wider, und deshalb ist er auch für uns eine gute Grundlage. Dabei haben sich die Bedingungen gravierend verändert. Gesamtwirtschaftlich und finanzpolitisch hat die Krise alles auf den Kopf gestellt, und leider ist noch kein Ende in Sicht. Wir wissen das, und wir haben das für diesen Haushalt auch bedacht.
2007 haben wir uns gefreut, endlich Überschüsse zu erwirtschaften.
Wir konnten sogar Schulden tilgen. Kollege Müller hat das bereits erwähnt. Jetzt müssen wir konstatieren, dass der Haushalt 2010/2011 kein Sparhaushalt ist. Er ist kein Haushalt, der ohne Neuverschuldung auskommt. Aber er ist ein vernünftiger Haushalt. Er ist vernünftig, weil er die Balance hält zwischen Haushaltsdisziplin und dem, was die Stadt in diesen Zeiten braucht.
Von den rund 22,5 Milliarden Euro, die das Land Berlin in den kommenden Jahren jeweils ausgibt, werden zusammen rund 5,5 Milliarden Euro über Schulden finanziert. Die Empörung darüber vonseiten der CDU ist bigott. Sie wollen öffentliche Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe kürzen. Da lohnt es, genauer hinzuschauen, denn das Land Berlin hat im Jahr 2009 kein Ausgabenproblem mehr, sondern eine Einnahmenproblem. Ein Grund dafür ist die Krise, und ein anderer der Bund.
Herr Henkel! Genau deshalb komme ich hier auch nicht drum herum, mich als Erstes mit Schwarz-Gelb im Bund zu befassen. Angesichts des peinlichen Gezänks zwischen CDU/CSU und FDP fällt es zwar schwer, irgendeine Linie zu erkennen, aber wenn es darum geht, Ländern und Kommunen noch mehr Lasten aufzubürden, ist man sich ein paar hundert Meter von hier ganz schnell einig. Es werden Steuererleichterungen versprochen, die dann von Einkommensschwachen bezahlt werden müssen, und es wird eine Politik gemacht, die die Ursachen der Krise nicht angeht und die gleichzeitig dazu führt, dass die
sozialen Gegensätze wachsen. Damit hat die rot-rote Koalition ein echtes Problem. Und ich sage Ihnen ganz deutlich: Rot-Rot wird das nicht so einfach hinnehmen.
Es ist grotesk: Eine der ersten Entscheidungen der neuen Regierung sind Steuererleichterungen für die Hotelbranche.
Da läuft doch etwas gewaltig schief. Aber es ist zumindest bundespolitisch konsequent. Beim Schulessen wurde der Mehrwertsteuersatz von 7 auf 19 Prozent hochgesetzt. Okay, das war noch die große Koalition. Und nun erleben wir, wie Schwarz-Gelb im Bund den Steuersatz für die Hotellerie von 19 auf 7 Prozent senkt. Das sind bundespolitische Prioritätensetzungen. Das sind Prioritäten, die unter dem Strich immer eins zur Folge haben: Sie gehen auf Kosten der sozial Schwachen, sie führen zu Mindereinnahmen für das Land, und sie schränken unsere politischen Handlungsspielräume hier in der Stadt weiter ein.
In diesem Jahr werden uns bei den Steuereinnahmen gegenüber 2008 rund 1,1 Milliarden Euro fehlen. Im nächsten Jahr rechnet der Senat mit einem Rückgang um 2,1 Milliarden Euro gegenüber dem letzten Jahr. Wenn sich die FDP im Bund durchsetzt, wird das Minus noch viel größer. Da kann ich dem Kollegen Müller nur zustimmen: So eine unsoziale Katastrophenpolitik darf im Bundesrat keine Zustimmung kriegen. Da braucht Frau Merkel eine deutliche Absage.
An noch etwas will ich erinnern: Berlin hatte seine Bankenkrise vor dem Rest der Republik. Sie war gleichermaßen Grund und erste Bewährungsprobe für die rot-rote Koalition. Sie wurde von uns erfolgreich bewältigt. Mit einer Bürgschaft von über 21 Milliarden Euro haben wir 2002 in Berlin die damals größte Pleite eines Finanzinstituts in der Nachkriegsgeschichte abgewendet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Das gehört dazu, wenn wir heute über den Doppelhaushalt sprechen.
Und wenn Berlin von Bayern aus oder sonst woher gern mangelnder Konsolidierungswille unterstellt wird, dann ist das nicht nur selbstherrlich, sondern vor allem auch geschichtsvergessen und falsch.
Rot-Rot in Berlin legt heute einen Haushalt vor, der den besonderen Bedingungen der Krise Rechnung trägt. Wir haben uns klar entschieden: Bildung von der Kita bis zur Hochschule darf künftig mehr kosten. Und genauso wichtig ist uns, dass es keine Einschnitte in der sozialen Infrastruktur der Stadt geben wird. Trotzdem werden wir auch künftig jeden Euro zwei Mal umdrehen, ehe wir ihn ausgeben.
Aber es macht keinen Sinn und wäre politisch dumm, liebe Kollegen von der FDP, der Krise hinterher zu sparen. Darin ist sich Rot-Rot einig. Dafür haben wir uns bewusst entschieden. Wir wollen nicht mehr neue Schulden machen, als wir in Zeiten guter Konjunktur auch wieder zurückzahlen können. Prioritätensetzung bei Bildung und sozialer Infrastruktur und weiterhin große Haushaltsdisziplin – das unterscheidet Rot-Rot nicht nur deutlich von der Bundesregierung, sondern auch von Möchtegern-Jamaikas.
Was macht in dieser Situation die Opposition? – Am einfachsten ist es bei der FDP. Die sagt klar und deutlich, dass sie weiter kürzen will, und sie sagt auch, wo gekürzt werden soll. Das konnte man kürzlich in einem Zeitungsinterview von Herrn Meyer nachlesen. Sie reden da frisch und frei von zahlreichen Aufwüchsen in den Bereichen Kultur, Stadtentwicklung, Soziales und Arbeitsmarktförderung. Unnütze Ausgaben nennen Sie das.
Ja, so gefällt sich die FDP. Immer wieder konsequent unsozial, immer wieder als neoliberaler Provokateur! Aber, Herr Meyer, kriegen Sie überhaupt noch mit, was in der Stadt passiert?
Da kritisieren Sie in Ihrem Interview den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Berlin mit den Worten – ich zitiere:
Vom teuren ÖBS profitieren nur etwa 7 500 privilegierte Arbeitslose.
Die große Mehrheit von rund 240 000 Arbeitslosen geht dagegen leer aus. Mit dieser Bevorzugung eines kleinen Grüppchens zulasten der vielen anderen muss Schluss sein.
Da reden Sie das gleiche Zeug wie Herr Henkel eben. Herr Meyer, Herr Henkel! Menschen, die nach Jahren der Arbeitslosigkeit für etwa 1 300 Euro für die Gemeinschaft sinnvolle Arbeit leisten, leben Ihrer Meinung nach auf Kosten derer, die Hartz IV beziehen? Herr Meyer, Herr Henkel! Das ist einfach Unsinn!
Durch den ÖBS haben sich für mehr als 7 500 Menschen die Lebensbedingungen nachhaltig verbessert. Unterhalten Sie sich mal mit den Menschen!
Herr Meyer! Wir haben es in der Vergangenheit vorrechnen müssen und rechnen es noch mal vor: Das Land Berlin bezahlt für eine ÖBS-Stelle nur 279 Euro mehr, als ein Erwerbsloser das Land kostet. Und was kriegt das Land
dafür? – Die soziale Infrastruktur in Berlin wird durch ausgewählte Projekte des ÖBS nachhaltig gestärkt, und selbst der Binnenwirtschaft bringt die öffentlich geförderte Beschäftigung größere Effekte als die Ein-Euro-Jobs.
Wir wissen um die Stärken des ÖBS, da hat die Senatorin a. D. Heidi Knake-Werner gute Arbeit geleistet. Und Carola Bluhm setzt das erfolgreich fort.
Jetzt komme ich zur Berliner CDU. Sie können im Unterschied zu Ihrer Bundespartei ja derzeit in der Stadt keinen großen Schaden anrichten. Was soll man zu Ihnen noch sagen? Ihre Leistungsbilanz der jüngeren Vergangenheit: interne Gemetzel, eine rückwärtsgewandte Tempelhof- und eine erfolglose Pro-Reli-Kampagne. Haushaltspolitisch – das konnten wir jetzt noch mal erfahren – ist die CDU weitgehend gesichtslos. Und wissen Sie was, Herr Henkel: Dass Sie keine Ideen haben, finde ich völlig okay. Das finde ich angemessen, denn Sie sollten sich nach wie vor schämen für das, was die CDU, was Sie der Stadt hinterlassen haben.
Dass bei Ihren Planspielen für 2011 ausgerechnet Landowsky schon wieder munter mitmischt, das zeigt, dass Sie nichts dazugelernt haben.
Was uns allerdings reicht, ist, dass Sie ständig und immer wieder versuchen, die Arbeit der Berliner Polizei schlechtzumachen, Herr Henkel. Die macht nämlich ihre Arbeit richtig und ordentlich. Dass in der Stadt immer mehr und immer wieder Autos angezündet werden, das sind schwere Straftaten, richtiggehende Schwachsinnstaten, die mit Linkssein nichts zu tun haben und die Menschen in Gefahr bringen.
Das Gleiche gilt für Überfälle auf und Gewalt gegen Polizisten. Aber, Herr Henkel, egal, ob in Hamburg oder in Berlin, auch die doppelte Anzahl Polizisten könnte daran nicht viel ändern. Dem wäre vielleicht in einem Überwachungsstaat beizukommen, aber den wollen wir nicht. Und ich hoffe, Sie auch nicht!
So wie Sie in dieser Kampagne derzeit diskutieren, heizen Sie die Stimmung nur zusätzlich an und ermuntern die durchgeknallten Straftäter nur noch weiter.
Liebe Grüne! Ziehen Sie eine Koalition mit dieser CDU in Berlin ernsthaft in Betracht?
Gibt es außer der Gier nach Senatsposten irgendeinen inhaltlichen Grund für Jamaika?
Nehme ich die inhaltlichen Botschaften der letzten Monate, hegen wohl eher wir, also Rot-Rot-Grün, die gleichen Sympathien für das eine oder andere Anliegen. Ob Schulstruktur, Bürgerrechte, Integrations- oder Energiepolitik – die integrationspolitischen Vorstellungen von Herrn Henkel konnten Sie sich jetzt noch einmal anhören, einen Vorspann von Frau Demirbüken-Wegner und dann hinterher der ganze alte Rattenschwanz von dem, was Herr Wansner immer so erzählt –: Sie müssen schon sehr in den Krümeln suchen, um gegen uns stimmen zu können.
Allerdings, auch die Grünen wollen wie die FDP beim Personal in Berlin deutlich mehr sparen. Da sage ich Ihnen ganz klar: Das ist mit uns nicht zu machen!
Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben seit dem Abschluss des Solidarpakts zu milliardenschweren Entlastungen des Haushalts beigetragen. Sie haben einen bundesweit einmaligen Beitrag zur Konsolidierung der Landesfinanzen geleistet. Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen, dafür gebührt den Beschäftigten dank und Anerkennung!
Wir wissen alle, die Tarifverhandlungen laufen zurzeit. Wir wissen nicht, zu welchem Abschluss sie führen, aber ich bin mir sicher: Diese Anerkennung wird sich auch in der Brieftasche der Beschäftigten niederschlagen, und das haben sie auch verdient.
Und noch etwas, das ich nicht nachvollziehen kann: Frau Pop! Sie wollen doch – wie wir auch –, dass Nachhaltigkeit in allen Bereichen eine größere Rolle spielt; dass sich alle z. B. dem Klimaschutz verpflichtet fühlen. Selbst Herr Henkel ist schon Klimaschützer geworden. Dann frage ich mich, wenn das so ist: Wieso um alles in der Welt fordern Sie in diesen Haushaltsberatungen unentwegt einen eigenen Titel für diese Aufgaben? Warum denn?
Es ist doch großartig, dass sich alle unsere Senatsverwaltungen engagieren. Warum wollen Sie das ändern?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Überlegungen unseres Wirtschaftssenators, zusammen mit Brandenburg einen kommunalen Ökostromanbieter zu gründen, Sie ein bisschen neidisch machen.
Oder dass wir über Rekommunalisierung bei den Wasserbetrieben nachdenken – darin steckt Potenzial für das Land in finanzieller Hinsicht und auch im Interesse der Nachhaltigkeit. Aber darüber intensiv nachzudenken und nicht gleich zu rufen: Dafür hat Berlin sowieso kein Geld – dafür fehlt Ihnen der Mut. Rot-Rot traut sich. Wir denken an den langfristigen Vorteil, den es bringen kann. Und im Unterschied zur großen Koalition haben wir bewiesen, dass ein Landesunternehmen auch erfolgreich betrieben werden kann.
Rot-Rot kann Umweltschutz, und Rot-Rot kann auch Wirtschaft. Und dass sich die Grünen nun auch die IHK eingeladen haben, da kann ich nur sagen: Das wurde auch Zeit. Die IHK und die Gewerkschaften wissen, was sie an unserem Wirtschaftssenator Harald Wolf haben.
Bei uns war die schon auf der Klausur, da wussten die Grünen noch nicht einmal, wie man IHK schreibt.
Auf der Berliner Wirtschaftskonferenz stellten uns Experten und Unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet Bestnoten in der Green Economy aus. Berlins Green Economy ist seit 2005 um rund 20 Prozent gewachsen. Wir haben mittlerweile über 500 Unternehmen mit rund 42 000 Beschäftigten. Das ist eine Erfolgsgeschichte, damit sind wir bundesweit Spitze.
Ich finde gut, dass Klimaschutzpolitik in Berlin eine Aufgabe ist, für die sich nicht nur unsere Umweltsenatorin Katrin Lompscher besonders engagiert, sondern für die alle Senatsressorts etwas leisten.
Wir sollten auch nicht vergessen: Der ökologische Umbau ist wichtig für die Zukunftsfähigkeit Berlins. Doch Fortschritt geht nicht ohne soziale Gerechtigkeit. Das sind zwei Seiten einer Medaille, und das haben wir bei der Aufstellung des Haushalts sehr genau bedacht.
Schauen wir uns also an, wofür Rot-Rot in Berlin 2010 und 2011 Geld ausgeben wird. Lassen Sie mich dabei die Dinge hervorheben, die uns besonders wichtig sind. Und all die Kolleginnen und Kollegen, die wie Löwinnen und Löwen dafür gekämpft haben, dass wir z. B. für die freie Kulturszene, für Mütterkurse, die Übungsleiterpauschale oder die Frauenprojekte mehr Geld zur Verfügung stellen – ich bitte sie alle um Verständnis, dass ich hier nicht ausführlich darauf eingehen kann. Auch dass die Bezirkszuweisungen im Umfang von rund 90 Millionen Euro pro Jahr erhöht wurden und bei den Hilfen zur Erziehung künftig die tatsächlichen Fallzahlen für die Zuweisung zugrunde gelegt werden, das wäre eine ausführliche Be
trachtung wert. Meine Kolleginnen und Kollegen werden darauf sicher später noch eingehen.
Aber was ich hier nennen möchte, ist eines der wichtigsten Schwerpunktfelder von Rot-Rot in dieser Legislaturperiode: die Bildungspolitik. Der Kollege Müller ist auf die Schulreform bereits ausführlich eingegangen. Sie ist die umfassendste seit 1989, und sie war bitter nötig,
weil mit der Abschaffung der Hauptschule und der Schaffung der integrativen Sekundarschule ein erster wichtiger Schritt gegangen wurde, ein Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des Bildungsprivilegs, ein Schritt, der endlich den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln kann.
Natürlich sind wir weiter davon überzeugt, dass die Gemeinschaftsschule das beste pädagogische Konzept ist.
Deshalb finanzieren wir die Gemeinschaftsschule weiter als konkurrenzfähige Schulform, und wir sind sicher, dass sie auch bei Eltern und Lehrern überzeugen wird. Jeder Euro, den die rot-rote Koalition hier investiert, ist gut angelegtes Geld. Und weil das bei Rot-Rot alle so sehen, haben wir auch bei der Kita eine gute Lösung hinbekommen. Die haben die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens eben nicht gegen, sondern gemeinsam mit der Koalition erreicht. Und dafür gebührt auch Herrn Zöllner unser besonderer Dank.