Das ist die Priorität der Grünen, Tagesordnungspunkt 26. Für die Beratung sind wieder jeweils fünf Minuten vorgesehen. Das Wort für die Grünen hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Senatsbaudirektorin Lüscher hat vor über zwei Jahren die Idee einer Öko-IBA auf dem Tempelhofer Feld aufgebracht. Bei den letzten Haushaltsverhandlungen im Herbst wurde uns eine erste Konzeptskizze vorgestellt. Erste Gelder sind im Haushalt eingestellt. Parallel dazu wurde die von uns unterstützte IGA-Strategie entwickelt. Wir sind sogar einigermaßen optimistisch, dass auch für das Grundkonzept der Parklandschaft, das jetzt in diesen Tagen vorgestellt worden ist, Entwürfe ausgewählt werden, die wir positiv mittragen können. Das Thema IBA ist nach wie vor nicht zu greifen und schwächelt ziemlich stark. Deshalb möchten wir Ihnen darlegen, unter welchen Bedingungen wir uns solch eine IBA vorstellen können und welches für uns die Eckpunkte sind.
Das Wichtigste ist – das steht auch in dem Text, den Sie, Frau Senatorin, uns gegeben haben –: Mit den beiden Internationalen Bauausstellungen von 1957 im Hansaviertel und 1984 und 1987 in Kreuzberg hat Berlin weltweit beachtete Maßstäbe für bauliche und städtebauliche Innovationen gesetzt und gleichzeitig zukunftsweisende Antworten auf drängende soziale Herausforderungen der jeweiligen Zeit gegeben. Das muss auch der Maßstab sein, wenn Berlin wieder über eine neue Internationale Bauausstellung diskutiert. Dahinter dürfen wir nicht zurückfallen.
Deswegen lautet unser wichtigster Satz: Die heute drängenden Aufgaben liegen nicht im Neubau auf dem Tempelhofer Feld, sondern liegen in den bestehenden Stadtteilen, gleich nebenan in Nord-Neukölln. Sie liegen natürlich auch in Wedding und in anderen Stadtquartieren. Wenn Sie aber von Tempelhof sprechen, sagen wir deutlich Nord-Neukölln.
Hier und heute muss es darum gehen, die heutigen Großstadtprobleme modellhaft exemplarisch zu lösen. Das heißt als Erstes, die nachhaltige, zukunftsfähige ökologische und klimaschützende Stadt, das heißt als Zweites, die sozialintegrative Stadt, und das heißt als Drittes, die Stadt der Bildung, die Stadt der Kinder und der Jugend. Diese Themen müssen aktiv, baulich und konzeptionell modellhaft angegangen und miteinander verknüpft werden. Dar
in liegt aus unserer Sicht die zentrale Aufgabe, wenn sich Berlin der Idee einer IBA wieder neu nähern will.
Ganz praktisch heißt das, dass eine vorbildlich pädagogische und ökologische Erneuerung der Schulen und Kitas vorgenommen werden muss, die es gerade in NordNeukölln sehr, sehr nötig haben. Deshalb gibt es dort auch echten Bedarf. Es heißt ebenso weitere Stärkung der Nachbarschaften und des Stadtteilverbundes. Es heißt vor allem auch optimale energetische Gebäudesanierung, verknüpft mit tragbaren Wohnkosten für die ansässige Bevölkerung, und es heißt – last but not least – Mut zu neuen Mobilitätskonzepten, statt neue Autobahnkonzepte aktiv voranzutreiben.
Aus solch einem modellhaften Konzept einer sozialökologischen und bildungspolitischen Stadtteilerneuerung können und sollten dann durchaus Aufgaben für das Tempelhofer Feld folgen. Beispielsweise braucht der Schiller-Kiez dringend einen zweiten Bildungscampus nach dem Vorbild der Rütli-Schule. Gebraucht werden selbstverständlich vielfache Freiflächen. Das auf dem Tempelhofer Feld geplante Neukölln-Quartier sieht anders aus, wenn es nicht nach dem Schickimicki-Prinzip geplant wird wie bislang das Columbia-Quartier, sondern aus den Bedürfnissen der Menschen in Nord-Neukölln als Wohnquartier mit den Menschen entwickelt wird mit vielleicht einem neuen sozialen Wohnungsbau, vielleicht neuen städtischen Wohnungen, vielleicht mit Baugruppen, aber vielleicht auch mit Eigentumswohnungen für den Mittelstand, den es durchaus und gerade in NordNeukölln gibt und wo es gut ist, wenn er in der Nachbarschaft wohnen bleibt.
Darum ist das Wichtigste, ein solches Modell konzeptionell zu erarbeiten. Natürlich geht es nicht nur um die Ideen und tatkräftiges Engagement dafür, sondern auch um Geld. Deshalb möchte ich dazu ein deutliches Wort sagen. Wir haben das in unserer Fraktion ernsthaft diskutiert.
Ja! – Man braucht gerade die Gelder, die aus abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen als Ausgleichsbeträge kommen und in Berlin wieder eingesetzt werden müssen. Das könnte eine gute Voraussetzung sein, um sich diesem Thema auch finanziell zu nähern, um auch in Zeiten, in denen wir mit dem Geld sehr sparsam umgehen müssen, wieder Mut zu finden, etwas Modellhaftes in Berlin zu organisieren.
Das hat unsere Stadt durchaus nötig. Lassen Sie uns das vorbereiten und in der nächsten Legislaturperiode konstruktiv an diese Aufgabe herangehen!
Vielen Dank, Frau Kollegin, für den langen Schlusssatz! – Für die Fraktion der SPD hat die Kollegin Hildebrandt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Eichstädt-Bohlig! Wenn das ein Vorschlag für künftige Koalitionsverhandlungen war, dann werden wir sehen, wie weit wir darauf zurückkommen. Ziel der IBA ist, damit zitiere ich fast, die Klimagerechtigkeit, die Ressourcen effizient in Verbindung mit der gesellschaftlichen Integration und wirtschaftlicher Aktivierung aufzugreifen und zukunftsweisende Lösungswege mit internationaler Ausstrahlung zu zeigen. So weit ist die Zielsetzung der IBA. So weit geht im Prinzip auch Ihr Antrag. Es deckt sich. Wer – insofern haben Sie recht –, wenn nicht Neukölln, könnte die größten Potenziale haben, um diese spannenden Lösungsmöglichkeiten und Projekte zu zeigen?
Gerade in Neukölln wird es besonders spannend sein, optimalen Klimaschutz im Gebäudebestand, der da übrigens erschwerenderweise nicht in der Hand von großen Wohnungsbaugesellschaften liegt, sondern kleinteilig in privater Hand, mit bezahlbaren Mieten zu verknüpfen – eine Prüfung, der wir uns stellen müssten. Neukölln eignet sich sicherlich ganz besonders zum Zeigen der Potenziale, denn im Bezirk Neukölln sind unter der Führung des sozialdemokratischen Bürgermeisters Heinz Buschkowsky in den letzten Jahren wesentliche Vorarbeiten dazu vorgenommen worden. Seit Jahren fließen die Investitionsmittel im Bezirk schwerpunktmäßig in die Schulen, weniger beispielsweise in die Straßen. Auch das deckt sich sicherlich mit Ihrer Intention.
Die Voruntersuchungen für das Sanierungsgebiet KarlMarx-Straße laufen auf Hochtouren, und was die zukunftsweisenden Mobilitätskonzepte angeht, möchte ich nur mal die Anmerkung machen, dass die Forderung der Neuköllner SPD, die Karl-Marx-Straße partiell für den Autoverkehr ganz zu schließen, leider bei den Neuköllner Grünen nicht auf Gegenliebe stieß; aber das nur am Rande.
Letztlich muss man aber dazu auch klar sagen, dass, wenn man solche Ziele durchsetzen möchte, wir über ein Sanierungsgebiet reden, das nicht nur Karl-Marx-Straße heißt,
sondern bis zum Tempelhofer Feld reicht; sicherlich die beste Grundlage, um diese Potenziale zu heben, die das Neuköllner Feld auf Neukölln-Nord ausstrahlen kann und entsprechend eine Entwicklung ermöglicht.
Es wird das Spannende sein zu gucken, ob man eine Entwicklung in Nord-Neukölln herstellen kann, die ohne harte gesellschaftliche Umbrüche und ohne die Segregation, die wir bisher in der negativen Richtung beklagen, in die vielleicht positive Richtung, aber letzten Endes doch zu Verdrängung führt, verhindern können.
Allerdings muss ich sagen, dass ich auch als Neuköllner Abgeordnete mich in dem einen Punkt nicht anschließen kann, nämlich dass die IBA sich auf Nord-Neukölln bezieht. Es geht hier um das Tempelhofer Feld, eine Chance für ganz Berlin, wenigstens für einen sehr großen Teil von Berlin, an das drei Bezirke grenzen, mit enormer Strahlkraft auf den gesamten Süden. Es wird darum gehen, die Potenziale zu heben und die Anbindung an diese drei Bezirke musterhaft und mustergültig aufzuzeigen. Insofern, denke ich, können wir uns verständigen, wenn wir uns über einen Schwerpunkt unterhalten, vielleicht weniger über eine formale Abgrenzung. – Ich bedanke mich!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Armutszeugnis für den Senat, dass er auch fast zwei Jahre nach der Schließung des Flughafens Tempelhof nicht in der Lage ist, verbindliche Akzente zur Nachnutzung des Geländes zu setzen. Bis auf ein Konglomerat von Eventnutzungen, die sich teilweise auch noch gegenseitig behindern, hat der Senat bisher nichts, aber wirklich gar nichts zustande gebracht.
Auch die am Dienstag von Frau Lüscher vorgestellten Wettbewerbsergebnisse der Landschaftsarchitekten lassen die zukünftige Gestaltung des ehemaligen Flughafengeländes völlig offen. Wie schon bei dem Ideenwettbewerb Anfang 2009 zeigt sich einmal mehr, dass kein ernsthaftes Ergebnis präsentiert werden kann.
Die Grünen versuchen nun mit diesem Antrag, den Senat in seinem Vorhaben, eine internationale Bauausstellung durchzuführen, zu unterstützen. Es gibt in diesem Antrag eine Reihe von Punkten, die durchaus diskussionswürdig sind, aber auch einige, die bereits selbstverständliche Standards abbilden. Es stellt sich zudem die Frage, warum zum jetzigen Zeitpunkt dieses Thema als Priorität gewählt wurde. Schließlich handelt es sich um ein Projekt, das, wenn überhaupt, erst in zehn Jahren realisiert werden soll.
Viel wichtiger wäre es hingegen, sich zunächst grundsätzliche Gedanken über ein Gesamtkonzept für das Areal des ehemaligen Flughafens zu machen, um dann gegebenenfalls festzustellen, ob und in welchem Umfang und an welcher Stelle Wohnbebauung infrage käme.
Hinsichtlich der geforderten Umweltstandards stellen sich allerdings einige Fragen. Einerseits gibt es bereits heute weitgehende gesetzliche Regelungen, die ökologisches und nachhaltiges Bauen verbindlich vorschreiben. Andererseits dürfte sich die Einbeziehung des Gebäudebestands in die von Ihnen genannten modellhaften Konzepte schon sehr schwierig gestalten, das schon allein aus eigentumsrechtlichen Gründen sowie aufgrund von Bestandsschutz.
Interessant ist allerdings die Idee, die nebenbei bemerkt auch nichts Neues beinhaltet, dass man im Rahmen eines solchen Projekts auch das weitere und nähere Umfeld sowie die vorhandenen Wohnquartiere mit einbezieht. Die gegenwärtige Situation in Nordneukölln bedarf dringend einer städtebaulichen und sozialen Aufwertung, und das nicht erst im Jahr 2020. Sie ist bereits heute längst überfällig.
An diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr das Versagen des Senats in der gesamten sozialen Stadtentwicklungspolitik. Es ist ihm eben nicht gelungen, mit sehr viel Geld ein Quartiersmanagement aufzubauen, das seinen Namen verdient. Abschließend muss daher festgestellt werden, dass es, wie bereits erwähnt, durchaus diskussionswürdige Ansätze in diesem Antrag gibt, die dann im Fachausschuss gründlich erörtert werden müssen. Insbesondere wird der von Ihnen vorgeschlagene Weg der Finanzierung zu diskutieren sein, nämlich für Investitionen Rückflüsse aus Ausgleichsbeträgen von abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen zu verwenden.
Dieser Antrag greift einer Entwicklung voraus, für die heute jedoch noch keinerlei Planungsvoraussetzungen geschaffen wurden. Lassen Sie uns daher nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun, sondern uns entsprechend mit der Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms befassen. Erst wenn diese Etappe absolviert ist und eine rechtlich verbindliche Planungsgrundlage existiert, wird sich unter anderem am Ende herausstellen, ob und wenn ja an welcher Stelle auf diesem Areal Wohnungsbau realisiert wird. Damit beantwortet sich dann auch die Frage der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung vorhandener Wohnquartiere.
Eine letzte Bemerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen. In Anbetracht der Tatsache, dass es ein Prädikat der Grünen ist, Bebauungsplänen grundsätzlich nicht zuzustimmen, ist an dieser Stelle die Forderung nach neuen Wohnbauten und der damit einhergehenden Flächenversiegelung schon grotesk. – Vielen Dank!
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Komplexität der Projektentwicklung für das Projekt des Tempelhofer Feldes verfolgt der Senat die Strategie einer prozessualen Stadtentwicklung. Die beiden wesentlichen Programmschienen wurden schon genannt, die IGA und die IBA. Ich darf noch mal die Zeithorizonte und die Planungsvorbereitungen in Erinnerung rufen. Die IGA soll 2017 stattfinden. Über das Bewerbungskonzept wurde in den letzten Haushaltsberatungen schon umfänglich gesprochen. Darin heißt es ausdrücklich:
Die benachbarten Wohnquartiere in Tempelhof, Kreuzberg und Neukölln sollen mit der Tempelhofer Parklandschaft verbunden werden.