Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Schauen wir mal!“ war schon das richtige Stichwort. Ich teile Ihren Optimismus nicht, Frau Kollegin Harant. Seit Jahren stehen wir hier wenige Wochen vor Schuljahresende und diskutieren immer wieder über das selbe Thema, nämlich über die fehlende Planungssicherheit, über die Tatsache, das Schulen kurz vor den Ferien immer noch nicht wissen, wie viel Personal sie am Anfang des Schuljahres haben werden. Dieser Zustand kann nicht so weitergehen. Da können Sie sich hier hinstellen und sagen, was Sie wollen. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
Vor über zwei Jahren hat Bildungssenator Zöllner eigens eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um dieses wichtige Thema anzugehen. Er hat dafür sogar einen Experten ins Haus geholt, den er mit dieser Aufgabe betraut hat. Das war vor zwei Jahren, und ich sehe immer noch keine Ergebnisse, noch keine Systemumstellung und keine Planungssicherheit. Wir haben einen Entwurf für die Organisationsrichtlinien des neuen Schuljahres, aber eben nur einen Entwurf, und die Schulen wissen immer noch nicht, was sie am Beginn des Schuljahres erhalten.
Das ist ein Problem, das die CDU anzugehen versucht. Das müssen Sie anerkennen. In der Reihe der bildungspolitischen Anträge der CDU ist das der erste, der problemorientiert ist und mit dem wir uns sogar anfreunden können. Das werden wir im Ausschuss diskutieren. Die Vorschläge, die Herr Steuer macht, sind durchaus richtig. Ich hätte mir gewünscht, dass nicht immer die Opposition in diesem Haus die Triebfeder ist. Sie als Koalition sollten endlich die Probleme der Stadt anpacken, auch im Bildungsbereich. Das tun Sie nicht.
Es bezweifelt niemand, dass wir einen Schülerrückgang haben. Das bedauern wir alle. Wir wünschen uns mehr Kinder. Es wäre schön, wenn die Stadt so produktiv wäre wie dieses Haus, das viele Kinder zeugt. Scherz beiseite! Fakt ist aber auch, Frau Kollegin Harant, dass jedes Jahr 1 000 bis 1 400 Lehrerinnen und Lehrer in Pension gehen. Wir haben nicht nur einen Schülerrückgang, sondern jedes Jahr mehr als 1 000 Lehrer, die den Schuldienst verlassen. Es entsteht eine Lücke, die geschlossen werden muss. Sie können nicht einfach nur den Schülerrückgang erwähnen. Das ist zu wenig.
Der Unterrichtsausfall liegt bei 10 bis 11 Prozent. Beispielsweise fallen 23 Prozent des Musikunterrichts aus. Annähernd 80 Prozent des ausfallenden Musikunterrichts wird fachfremd vertreten. Diese Musikstunden sind mei
ner Ansicht nach für die Katz. Da können Sie nicht behaupten, wir hätten keinen Lehrkräftemangel. Wir haben einen massiven Lehrkräftemangel. Deshalb müssen wir eine Systemumstellung vornehmen. Ohne eine Systemumstellung kommen wir nicht voran.
Andere Bundesländer haben in dieser Frage viel getan, beispielsweise das Land, mit dem wir uns immer wieder gerne vergleichen. Hamburg hat ein Onlinebewerbungsportal, das sehr flexibel und schulscharf ist. Dort können sich Lehrerinnen und Lehrer im Laufe des Jahres bewerben. Andere Länder haben auch mehrere Einstellungstermine. Warum haben wir lediglich zwei Termine im Jahr? Warum können wir nicht flexibler sein? Wir wissen doch, wie viele Lehrer am Ende des Schuljahres aufgrund der Pensionierung oder aus anderen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen. Warum können wir da nicht schneller reagieren? Was sind die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe, die der Senator vor über zwei Jahren einberufen hat? Warum diskutieren wir nicht über diese Vorschläge? Warum versuchen wir nicht, an dieser wirklich sehr problematischen Stelle gemeinsam an einem Strang zu ziehen?
Das ist ein Angebot, das mit dem Antrag der CDU vorliegt. Lassen Sie uns im Fachausschuss dieses Thema ernsthaft diskutieren! Hören Sie auf mit dem Spiel von Opposition und Regierung! Das werden uns die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und Lehrer danken. Das sind wir ihnen als Parlament schuldig. Wir wollen Planungssicherheit, und da sind wir auch bei einem Antrag der CDU dabei, der diese Planungssicherheit für die Schulen einfordert. Ich hoffe, Sie nehmen sich daran ein Beispiel.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der CDU hat etwas Ritualhaftes. Jedes Jahr im Frühsommer wird die Personalplanung zum neuen Schuljahr thematisiert und von der Opposition skandalisiert.
Auch hier geht es wieder um ein Personalchaos an den Schulen. Natürlich gibt es dabei einiges Ärgerliches. Das ist völlig richtig. Das ist ein ziemlich komplizierter Prozess, aber die Erfahrungen zumindest in den beiden letzten Jahren sind andere. Die Vorbereitung verlief in wesentlich geordneteren Bahnen, und zum Schuljahresbeginn blieben die sonst üblichen Skandalmeldungen weitestgehend aus.
Das heißt nicht, dass alles völlig problemlos abgeht. Die Einstellungsrunden bedeuten für die Schulen und insbesondere für die Schulleitungen einen erheblichen Aufwand und verlaufen keineswegs ohne Konflikte. Hinzu kommt nun – das ist bereits angesprochen worden – wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren eine veränderte Ausgangssituation, die mit der Altersstruktur der Lehrer und Lehrerinnen zusammenhängt. Wir haben einen hohen Einstellungsbedarf aufgrund der vor allem aus Altersgründen ausscheidenden Lehrkräfte, und die Personaldecke und die Bewerbungslage werden enger, und zwar bundesweit.
Wir haben im Moment mehr Bewerber als Plätze – so sagt die Senatsverwaltung –, aber wir wissen, dass das nicht für alle Fächerkombinationen gilt, und wir wissen auch, dass wir uns an dieser Stelle Gedanken machen müssen. Der Senat steht da in der Verantwortung. Neubewerber auch für das nächste Schuljahr werden wieder in einer höheren Erfahrungsstufe eingruppiert, soweit ich weiß – sie erhalten also sozusagen ein höheres Einstiegsgehalt –, aber wir müssen natürlich darüber hinaus überlegen, wie wir attraktiv bleiben. Ich meine, man muss über die Arbeitszeit nachdenken. Herr Kollege Zöllner und Herr Kollege Körting! Man muss auch darüber nachdenken, wie wir an dieser Stelle vielleicht Lehrerinnen und Lehrer vertraglich an das Land Berlin binden, wenn wir wissen, dass wir sie in den nächsten Jahren brauchen.
Wie sieht es aber konkret bei der Vorbereitung des nächsten Schuljahres aus? Dazu haben wir gestern in der Hauptausschusssitzung einige Zahlen gehört und Konkretes erfahren. Herr Kollege Steuer! Ich fände es gut, wenn Sie diese konkreten Zahlen dann auch mal zur Kenntnis nehmen würden.
Lieber Kollege Zillich! Sie wissen doch sicherlich wie ich, dass diese Ausnahme der Höhergruppierung Ende Juli 2010 ausläuft. Daher die Frage: Haben Sie Kenntnis oder mittlerweile auch etwas Schriftliches darüber, dass dieses auch weiterhin gelten soll? – Das ist ein wichtiges Instrument, um Lehrerinnen und Lehrer, die neu sind, in Berlin zu halten und sie von einer Abwanderung abzuhalten. Was plant die Koalition, und was sagt der Senator dazu?
Ich gehe davon aus, dass sich der Senat darauf verständigt, dass genau dieses Verfahren weiter gilt, und ich verhehle nicht, dass das nur ein Teil des Problems löst.
Aber ich war gerade bei der Vorbereitung des neuen Schuljahres und den konkreten Zahlen: Das, was Kollege Steuer hier gegenübergestellt hat, war wohl dem Bedürfnis geschuldet, diese Situation besonders drastisch darzustellen. Wenn man sich diese Situation genau anguckt und das auch zur Kenntnis nimmt, ergibt sich aber Folgendes: Wir haben im Jahr 2010 ein Einstellungskontingent von 1 067 VZE. Darin sind unbefristete Übernahmen bisher befristeter Stellen und auch Stellen enthalten, die bereits im Februar besetzt worden sind. Aber über das Jahr hinweg kommen 1 067 Stellen in das System hinein. Wenn man die in die unbefristete Situation Übernommenen abzieht und auch noch die abzieht, die bereits im Februar eingestellt worden sind, bleiben also 340 Stellen, die zum kommenden Schuljahr neu unbefristet besetzt werden. Darüber hinaus werden 140 Stellen unbefristet besetzt für den Ersatz der Lehrerfeuerwehr.
Wenn man nun die Zahl der ausscheidenden Lehrkräfte berücksichtigt – Sie haben die Zahl genannt: ca. 770 –, ergibt sich Folgendes: Ca. 1 000 neue Stellen kommen in das System, und ca. 770 scheiden aus. Demnach nehmen wir an dieser Stelle bei – wenn auch nur leicht und nicht mehr lange – sinkenden Schülerzahlen einen höheren Ersatz vor, als durch die ausscheidenden Lehrkräfte vorgegeben ist. Das ist auch notwendig, weil wir damit die pädagogischen Verbesserungen, auf die wir uns verständigt haben, realisieren. Das betrifft vor allem die Schulstrukturreform, die integrierte Sekundarschule. Hier wird es, wie angekündigt, 123 Stellen zusätzlich geben. Die ist notwendig und wird umgesetzt werden – also mit der Ausstattungsfrequenz 1:25, mit der Ausstattung für den Ganztagsbetrieb, mit den Förder- und Teilungsstunden und mit der Ausstattung nach sozialer Zusammensetzung der Schülerschaft.
Darüber hinaus sagen wir, dass die Gymnasien auch mit dem doppelten Abiturjahrgang vor einer besonderen Herausforderung stehen. Für die Verdichtung in der Oberstufe, die damit einhergeht – den zusätzlichen Belegverpflichtungen –, gibt es auch hier eine Verbesserung bei der Lehrerausstattung. Das ist in den Zumessungsrichtlinien ausgewiesen. Das können Sie nachlesen.
Was die Lehrerausstattung betrifft, sind die Zahlen also halbwegs klar. Ich erwarte im Übrigen, dass für die Ausstattung mit sozialpädagogischem Personal – Stichwort: Erzieherinnen und Erzieher – Gleiches gilt und Gleiches gesichert ist.
Das kommende Schuljahr ist sehr wichtig. Da beginnt die Schulstrukturreform. Das ist mit viel Unsicherheit verbunden. Damit wir nicht noch zusätzlich Unsicherheit hineinbringen, ist es wichtig, dass das, was wir an Rahmenbedingungen beschlossen haben, tatsächlich um
gesetzt wird. Genau das erwarten wir vom Senat. Zusätzliche Irritationen kann da niemand gebrauchen. – Danke!
Genau, schau’n mer mal! – Herr Präsident! Kollegen! Kolleginnen! Es ist das bekannte Spiel. Man könnte auch sagen: Same procedure as every year! – Schulen haben einen nachgewiesenen Personalbedarf, und die Bildungsverwaltung trödelt herum. Angeblich gibt es sogar mehr Bewerber als Plätze – selbst für Mangelfächer. Das hört man immer wieder. Aber merkwürdigerweise tauchen immer nur sehr wenige Bewerber bei Bewerbungsgesprächen auf, denn die besten haben längst die Stadt verlassen und woanders ein gutes oder exzellentes Angebot erhalten. Sie sind für die Berliner Schulen schlicht weg.
Berlin kann sich diese Trödelei bei Bewerbungsgesprächen und Zusagen nicht mehr leisten. Wer als eines von drei Bundesländern nicht verbeamtet, der muss sich schon etwas mehr einfallen lassen. Was lässt sich die Bildungsverwaltung einfallen? Fristverträge und ein viel zu spätes Einstellungsverfahren! Arm und nicht sexy – so ist die Berliner Lehrerpersonalplanung. Warum ist das so? Weil hier eine Bildungsverwaltung herumwerkelt, die sich selbst – wohlgemerkt: selbst – als zu bürokratisch und träge definiert. Hört, hört! Das war neulich so in der Presse zu lesen.
Noch schlimmer als die Trägheit der Bildungsverwalter ist aber deren Rechthaberei. Regelmäßig müssen sich Schulleiter und Eltern anhören, dass es angeblich keinen Lehrermangel gibt. Herr Böger hatte dafür einen wunderbaren Ausdruck. Er sprach immer von dem „gefühlten Unterrichtsausfall“. Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen!
Nun zum Antrag der CDU: Es ist Ihr Versuch, die geschilderten Missstände anzugehen. Lieber Herr Steuer! Aber wie kann man eigentlich allen Ernstes ein derart verkorkstes System – mit einer trägen Bürokratie, mit unzeitgemäßen und ineffizienten Strukturen – verbessern wollen? Sie verharren bei Ihren Vorschlägen in der Denke der Berliner Bildungsverwaltung. Meines Erachtens verschlimmbessert Ihr Antrag die Situation. Mehr ist es leider nicht.
Wir brauchen ein neues System. Wir müssen neu denken. Es darf nicht um solide Personalplanung, sondern muss zukünftig um eigenverantwortliche Personaleinstellung gehen, und zwar durch die Schulleitung. Wir müssen endlich weg von Planung und Verwaltung von Bildung,
Lassen Sie mich zwei Punkte Ihres Antrags nennen, zu denen ich besonders Stellung nehmen möchte. Erstens zur Ihrer Forderung nach einer echten Lehrerfeuerwehr: Herr Steuer! Sie kritisieren diese Feuerwehr. Das geschieht zu Recht. Und dennoch wollen Sie daran festhalten. Dann setzen Sie auch noch auf die Kompetenz der Verwaltung. Herr Steuer! Damit setzen Sie genau auf das falsche Pferd. Wer braucht weiterhin diese zentralistische Lehrerfeuerwehr, die ihren Namen noch nie verdient hat? Keiner! Wenn Berlin Geld für eine Lehrerfeuerwehr locker machen kann, und immerhin sind es 144 Vollzeitlehrerstellen, warum wird es dann nicht in ein Personalkostenbudget umgewandelt und den Schülen zur Verfügung gestellt? Das stärkt die Schulen vor Ort. Wir wollen da hin.
In einem weiteren Punkt fordern Sie die generelle Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung der Referendare auf vier Stunden. Das halte ich nun wirklich für blanken Unsinn. Sieben Stunden sind richtig und auch wichtig.
Der große Fehler allerdings – den gibt es –, der in Berlin nach wie vor gemacht wird, ist, dass die Studenten von der Uni kommen und mit dem ersten Tag in alleiniger Verantwortung vor die Klasse gestellt werden. Das ist falsch. Das erzeugt Frust, nicht nur bei den Referendaren, sondern auch bei den Schülern. Nur ein Bruchteil der Referendare erfüllt die Anforderungen. Das ist keine Kritik. Es kann nur so sein, weil der Praxisanteil im Studium niedrig ist, das wissen wir alle. Also lassen wir den Referendaren ein halbes Jahr Zeit, bevor sie ihrer Unterrichtsverpflichtung nachgehen. Das ist der richtige Weg. Wir sollten aber nicht den von Ihnen vorgeschlagenen Weg einer generellen Reduzierung gehen. Lassen wir ihnen etwas mehr Zeit, aber dann muss es auch endlich losgehen.
Es ist Zeit, dass eine Lehrerversorgung vom Bedarf jeder Schule und jedes Kindes her gedacht wird, über einen Schulgutschein finanziert wird und die Personalentwicklung der Schule selbst in die Hand genommen wird. Nur so wird ein Schuh daraus. Anderenfalls werden wir jedes Jahr dasselbe Lied. Das haben die Schulen, die Schüler und die Lehrer nicht verdient. – Danke!
Vielen Dank, Frau Senftleben! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.